Die Sache mit dem Liebestank
„Nie hast du Zeit für mich. Alles andere ist dir wichtiger. Wenn ich dich brauche, bist du nicht da für mich.“ „Wenn du ein guter Ehemann wärst, dann würdest du mir auch mal ein Kompliment machen.“ „Du fasst mich nur an, wenn du Sex haben willst, ansonsten aber rührst du mich nicht an. Keine Umarmung, kein Kuss, kein Klapps auf den Hintern, nichts.“
„Ich reiß mir Tag für Tag den Arsch auf. Ich schufte und rackere, um das Geld nach Hause zu bringen, ich bringe den Müll raus, helfe dir im Haushalt, mähe den Rasen, wasche das Auto. Das mache ich alles für dich und die Kinder. Ich bringe dir sogar immer wieder mal Blumen mit, um dir zu zeigen, dass ich dich liebe und wie wichtig du mir bist. Aber was auch immer ich tue, es reicht wohl nicht.“
Klingt fast so, wie ein Alkoholiker es einmal treffend sagte: „Das Zeug läuft einfach nicht dahin, wo der Durst sitzt.“ Für den einen zeigt Liebe sich in Zeit für Zweisamkeit. Für den anderen in Worten der Anerkennung, Bewunderung und Wertschätzung. Wieder andere verstehen unter Liebe Zuwendung, Zärtlichkeit, Nähe und körperliche Berührung. Dann gibt es solche, die unter Liebe eine Fülle an Arbeit, Gefälligkeiten und Hilfsbereitschaft verstehen. Und dann sind da noch die, welche Liebe durch Geschenke zum Ausdruck bringen.
Die fünf Sprachen der Liebe
Der amerikanische Pastor, Seelsorger, Paarund Beziehungsberater Gary Chapman hat aus seinen Beobachtungen geschlossen, dass Menschen in fünf unterschiedlichen Liebessprachen kommunizieren:
- Komplimente – Liebe in Worten
- Zweisamkeit – Liebe in Zeit
- Geschenke – Liebe zum Anfassen
- Hilfsbereitschaft – Liebe in Taten
- Zärtlichkeit – Liebe, die unter die Haut geht
Je nachdem, wie ein Mensch aufgewachsen und geprägt worden ist, identifiziert er, was Liebe ist. Wenn die Eltern häufig und freimütig Lob und Bestätigung zum Ausdruck gebracht haben, gelten Komplimente wahrscheinlich als ein Liebesbeweis. Der Vater, der von seinen Geschäftsreisen immer ein Geschenk für seine Frau und Kinder mitgebracht hat, kommuniziert dadurch eine andere Liebessprache. Familien, die in schweren Zeiten zusammenhalten mussten, werden wohl eher Hilfsbereitschaft als Liebe identifizieren. Wenn Papa oder Mama sich viel Zeit für ihre Kinder genommen haben, z. B. zum Vorlesen, Spielen, Hausaufgaben machen, dann wird die Zeit zu zweit wohl als Liebe wahrgenommen. Und in Familien, in denen körperliche Nähe – wie auf Papas Schoß einschlafen dürfen oder mit ihm rangeln – gang und gäbe waren, ist es kein Wunder, wenn unter Liebe zärtliche Berührung verstanden wird. Anders, als wenn man später feststellen muss: „Nie habe ich gesehen, dass meine Eltern sich in den Arm nahmen.“
Was bedeutet das nun für eine Liebesbeziehung?
Damit die Liebe ankommt, muss sie in der Liebessprache des Partners (immer m/w) kommuniziert und zum Ausdruck gebracht werden. Denn nur so kann die Liebe auch ankommen, verstanden, gespürt und erwidert werden. Und Liebe, die ankommt, füllt den Liebestank.
Stellen Sie sich vor, da ist eine Frau, deren primäre Liebessprache Komplimente sind – wie Helen Hunt in dem Film „Besser geht’s nicht“ mit Jack Nicholson. Dankbar, freundlich und zuvorkommend versprudelt sie Worte der Anerkennung, Bestätigung, Dankbarkeit und Wertschätzung.
Eine Sprache, derer Jack Nicholson an ihrer Seite nicht mächtig ist; der ist nur zynisch und sarkastisch mit beißendem Humor. Und dann hat er noch diese Krankheit ... Es kommt zu einer Szene beim Abendessen, wo Jack mit einer unbedachten Aussage Helen fürchterlich beleidigt und verletzt. Worauf sie aufsteht und gehen will. Er bittet sie zu bleiben. Und sie sagt: „Ich brauche jetzt ein Kompliment. Und meinen Sie es ehrlich!“
Jack erklärt, dass er ein ganz tolles Kompliment für sie hat, und erklärt ihr, dass er ihretwegen angefangen hätte, die verhassten Pillen zu nehmen, die angeblich helfen sollen und die ihm sein Arzt wegen seines Gebrechens schon lange verabreichen will. Sie versteht nicht und guckt ihn ganz verdutzt an ... „Ihretwegen will ich ein besserer Mensch werden.“
Da geht die Sonne in Helens Gesicht auf und ihre Augen beginnen zu strahlen. Der Zuschauer kann förmlich sehen, wie das Kompliment genau dorthin läuft, wo der Durst sitzt – und den Liebestank füllt.
Nun stellen Sie sich vor, der Liebestank von Helen hat eine Tanköffnung mit einem Durchmesser von 100 mm. Da gehen eine Menge Liebeskomplimente rein. Der Tankstutzen zum Befüllen aber hat leider nur einen Durchlass von 5 mm. „Tröpche für Tröpche für Tröpche ...“. Es gibt solche Leute, die wahrlich keine Sprachgenies sind. Und für ein richtig gutes Kompliment braucht es schon eine gewisse Sprachgewandtheit.
Natürlich gibt es das auch andersrum: Da ist die Öffnung für die Liebessprache der Gefälligkeiten nur 20 mm groß, aber der Tankstutzen des anderen hat einen Auslass von 200 mm. Da schießt die Liebe unaufhörlich raus und das meiste geht daneben.
Wie frustrierend! Er reißt sich den Arsch auf und sie sagt: „Nie hast du Zeit für mich.“
In der fälschlichen Annahme, dass der andere die gleiche Liebessprache spricht, kommt es oft zu Missverständnissen, falschen Erwartungen und Enttäuschungen.
Machen Sie doch mal eine grobe prozentuale Einschätzung der Liebessprachenverteilung bei Ihnen und ihrem Partner:
Vielleicht dämmert es Ihnen und Sie bekommen eine leichte Ahnung, warum Sie sich oft so leer fühlen – oder Ihr Partner. Übrigens: Ein und derselbe Mensch ist mit einem gefüllten Liebestank oft ganz anders als in den Zeiten, in denen sein Tank leer ist.
Volle und leere Liebestanks
Ein dominanter Mensch z. B. ist mit einem gefüllten Liebestank stolz auf sich, beharrlich und kämpferisch, er hält Spannung gut aus, geht Probleme an und löst sie und dabei ist er obendrein meist zuverlässig und sehr verantwortungsvoll. Aber wenn sein Tank leer ist, dann ist er schnell frustriert und leicht verärgert, wird kritisch, ungeduldig. Es kommt zum Streit. Dann schmollt er, wirkt herzlos, kalt und plump; schließlich streikt er und lässt sich hängen oder zieht sich zurück.
Ein interaktiver Mensch ist mit gefülltem Liebestank wahrscheinlich sehr zugänglich, herzlich und verständnisvoll, kann Aggressionen abfedern, versprüht Charme, zeigt Initiative, Motivation und einen guten Stil. Je voller sein Tank ist, desto freundlicher und enthusiastischer ist er. Aber wenn er leer läuft, dann wird er in Konfliktsituationen ausweichend oder gar persönlich, er verliert sein Gespür für Wichtiges, reagiert aggressiv und manchmal sogar einschüchternd. Auf andere wirkt er sentimental, empfindlich und leicht zu treffen.
Ein eher beständiger Mensch wirkt mit gefülltem Liebestank recht ausgeglichen und entgegenkommend, meist bleibt er sachlich, diszipliniert und logisch. Stets freundlich und verständnisvoll harmonisiert er taktvoll und diplomatisch – und er bleibt loyal. Doch wehe, wenn der Tank leer ist: Dann macht sich passiver Widerstand breit und man bekommt es mit jemandem zu tun, der unverblümt und nachtragend sein kann und andererseits weichlich und leidend vor sich hin lamentiert, alle Konflikte verinnerlicht und bisweilen hinterrücks taktiert. Schließlich aber brennt er aus – oder durch.
Der gewissenhafte Mensch ist mit gefülltem Liebestank ein friedlicher, gefestigter und stabiler Zeitgenosse, der umsichtig, vorausschauend und stets logisch auf Sicherheit bedacht ist. Feinfühlig und diplomatisch behütet er sich und die Seinen. Zuweilen kann er sogar selbstkritisch sein. Geht sein Tank jedoch zur Neige, wird er unruhig, besorgt, in sich gekehrt und verschlossen. Kommt er dann doch aus sich heraus, ist er anklagend, überkritisch, spricht Verdächtigungen leichtfertig aus und kann ziemlichen Druck machen. Dabei bleibt er pedantisch, rechthaberisch und bricht nicht selten von sich aus die Beziehungen ab.
Stellt sich die Frage: Wie kann ein leerer Tank wieder aufgefüllt werden?
Der naheliegendste Gedanke ist vielleicht der: Finde heraus, durch welche Liebessprache deine Batterien wieder aufgeladen werden, und gehe dahin, wo sie gesprochen wird, z. B. in deiner Familie oder unter deinen Freunden. Mit der Sprache der Komplimente, der Zweisamkeit und vor allem der Berührungen muss man da allerdings etwas vorsichtiger sein, sonst landet man womöglich mit einem wunderbaren Menschen im Bett, der sich dann doch als die falsche Person herausstellt. Das wäre nicht so gut.
Komplimente – Liebe in Worten
Schwerer vorstellbar scheint es, den Partner mit seiner Liebe in dessen Liebessprache zu erreichen. Aber eine andere Liebessprache kann erlernt werden, wobei es nicht darauf ankommt, wie schnell man diese erlernt, sondern wie gut man sie gelernt hat. So ist z. B. die Liebe in Worten mitunter am einfachsten zu erlernen. Ein Lob, ein Kompliment, etwas mehr Anerkennung und Dank, eine ernst gemeinte Wertschätzung zu äußern, ist erlernbar. Es braucht meist nur etwas „Gehirnschmalz“, Papier und Stift und los geht’s:
1. Mach dir eine „Schatztruhe“ (eine Liste) von den Dingen, die du an deinem Partner schätzt (z. B. Lächeln, Humor, Einsatz, Ausdauer, Geduld, Stärke).
2. Finde die entsprechenden Worte, um richtig gute Komplimente zu machen wie:
- „Das ist für mich nicht selbstverständlich.“
- „Das finde ich so richtig gut an dir.“
- „Das schätze ich sehr an dir.“
- „Du bist mir wichtig.“
- „Wegen dir.“
3. Lauere auf etwas, das dein Partner heute Gutes getan hat, was dir gefallen hat, und mach daraus ein überschäumendes Kompliment.
4. Wiederhole das Ganze und du wirst besser und besser darin werden.
Komplimente sind der „Dietrich“ zur Erwärmung des Beziehungsklimas, insbesondere wenn es kalt und grau geworden ist im Liebesalltag. Denn ein wenig Lob und Dank bringt wieder Farbe in die fahlen Gesichter der Beteiligten und neue Nähe und Vertrautheit kann entstehen. Aber Achtung! Auf den Tonfall kommt es an; er bestimmt, wie die Aussage ankommt.
Zweisamkeit – Liebe in Zeit
Um die Liebessprache der Zweisamkeit besser sprechen zu lernen, kann es schon genügen, dass man zuhört und nichts anderes nebenbei macht. Also: Handy weg! Fernseher aus! Und nicht unterbrechen! (Nachfragen gerne, aber bitte bloß keine Ratschläge!)
Zweisamkeit ist Zeit mit einer besonderen Qualität. Im Wesenskern liebt man un-geteilte Aufmerksamkeit und aufrichtiges Interesse. Das kommt zum Ausdruck durch Augenkontakt (und vielleicht sogar Körperkontakt). In der englischen Sprache gibt es eine Wortspiel dafür: eye-to-eyecontact = I-to-I-contact. Oder wie die Na’vi in dem Film „Avatar“ für „Ich liebe dich“ sagen: „Ich sehe dich und du siehst mich.“ Liebe heißt in der Sprache sich lesen lassen – erkannt werden.
Geschenke – Liebe zum Anfassen
Manchmal macht es einen Unterschied, ob wir mit jemandem Fußball spielen oder ihm einen Fußball mit den Autogrammen der Lieblingsmannschaft schenken – die Liebessprache macht den Unterschied. Geschenke sind die elementarste und universellste Sprache der Liebe. Menschen verstehen die Bedeutung von Abschiedsgeschenken und Willkommensgeschenken, Geschenken mit Symbolwert (wie Ringen, Anhängern, Erbstücken) und Freundschaftsgeschenken.
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, sagt der Volksmund. Geschenke kann man selbst machen, kaufen oder finden. Geschenke müssen nicht teuer sein, denn nicht der Preis zählt, sondern der Gedanke dahinter. Es geht um den emotionalen Wert. Da ist es weniger wichtig, ob es sich um Blumen, Pralinen, Schmuck, Gedichte, Lieder oder eine Einladung zum Essen, ins Kino oder Theater handelt. Aber wichtig! Ein Geschenk ist keine Bestechung! Und auch keine Bezahlung!
Gefälligkeiten – Liebe in Taten
Was wir vor der Ehe füreinander tun, lässt nicht darauf schließen, was wir in der Ehe dann tatsächlich tun werden. Gefälligkeiten tut man, weil man dem anderen gefallen will. Das sind kleine Dienste, die eine große Hilfe sind und den Stress reduzieren, wie den Müll rausbringen, das Geschirr abräumen, spülen, bügeln ... Man kann also eine Menge stupider Arbeiten zu einem Liebesbrief machen. Um diese Liebessprache besser zu lernen, genügt es oft, ein Ohr für das Seufzen des anderen zu haben. „Ohhh ... nein ... ich muss ...“ und dann nichts wie los!
Kleiner Tipp: Einen Zettel drankleben, auf dem steht „Das habe ich für dich getan, weil ich dich liebe“ oder „... weil du mir wichtig bist“. Diese Sprache ist gar nicht so kompliziert, aber es fällt nicht immer leicht, sie zu sprechen.
Berührung – Liebe, die unter die Haut geht
Alles, was uns als menschliche Wesen ausmacht, wohnt in einem Körper. Daher: Wer meinen Körper berührt, berührt mich als Person. Körperkontakt vermittelt ein elementares Gefühl des Angenommenseins, der Geborgenheit und Zugehörigkeit. Babys und Kleinkinder brauchen Körperkontakt für eine bessere gesundheitliche Entwicklung. Die Rede ist von Küssen, Umarmungen, Streicheleinheiten etc. – aber nicht sexueller Art! Das gilt auch im Erwachsenenalter. Die Liebessprache der Berührung darf nicht als einen Ouvertüre zum Liebesakt missbraucht werden! Aber es kann sehr leicht passieren, dass es in der Folge dadurch leichter zum Sex kommt. Dann aber mit allen Sinnen! Augen auf! Ohren auf! Schmecken und riechen und streicheln! Das ist Liebe, die unter die Haut geht und die Liebestanks wieder auffüllt. Aber damit es überhaupt dazu kommt, muss noch etwas drin sein im Tank. Mit leeren Batterien liebt es sich schlecht.
Noch ein letzter Tipp
Wenn Sie gerne Ihren Liebestank ein wenig aufgefüllt bekommen möchten, dann sagen Sie doch einfach mal zu Ihrem Partner: „Du, ich könnte jetzt eine Umarmung gebrauchen.“ Und dann schauen Sie mal, was passiert. Genießen Sie es und lassen Sie sich die Batterien ruhig ein wenig aufladen.
Literatur
- Chapman, Gary: Die fünf Sprachen der Liebe. Wie Kommunikation in der Partnerschaft gelingt. Verlag der Francke-Buchhandlung, ISBN 978-3-861-22126-5
Herbert und Gisela Ruffer
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Paar- und Psychotherapie in Landshut, Wochenend-Intensivtherapie für Einzelpersonen und Paare
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