Skip to main content

Getröstet werden – durch Musik

2017 03 Musik2Seit jeher wird Musik zur Heilung eingesetzt. Musik kann – richtig angewendet – ein außerordentlich hilfreiches Werkzeug sein, die Trauer um den Tod eines nahestehenden Menschen zu verarbeiten und Trost zu finden.

Nichts berührt die Seele des trauernden Menschen so sehr wie die passende Musik. Musik, die trägt, die hält und die den Schmerz versteht. Musik, die mit dem Himmel, mit der Anders-Welt verbindet. Musik, die Erinnerungen weckt oder die die Seele streichelt. Musik, die alles weiß und alles versteht und die die eigene Sprachlosigkeit überwindet. Musik, die den Kummer, das Verlassenworden-Sein, den Abgrund erkennt und dadurch Versöhnung, Neubeginn und Seelenwachstum ermöglicht. Musik, die die zarten Saiten der verletzten Seele berührt, sie heilt und wieder zum Klingen bringt.

Der indische Musiker und Sufi Hazrat Inayat Khan hat dazu Ende des 19. Jahrhunderts Folgendes gesagt: „Es geht darum, die Seele wieder auf ihren eigenen Ton einzustimmen.“ Und womit könnte das besser gehen als mit der richtigen Musik?

In meiner Praxis begleite ich Männer und Frauen, deren Partnerin bzw. Partner oder auch deren Kinder verstorben sind. Ich begleite Frauen, die Fehlgeburten und stille Geburten betrauern. Häufig kommen auch Menschen zu mir, die vor vielen Jahren ein Verlusterlebnis hatten, dieses nie richtig verarbeiten konnten und die sich dadurch noch immer „blockiert“ fühlen. Trauer lässt sich eben nicht wegdrücken. Zwar heilt die Zeit Wunden – wenn sich die Menschen ihrer eigenen Trauer stellen.

Unverarbeitete Trauer und ein durch die Verlustsituation erlittenes Trauma blockieren einen Menschen nachhaltig und machen ihn krank. Viele Depressionen, Medikamentenmissbrauch, Alkoholabhängigkeit, Schlaflosigkeit und psychosomatische Beschwerden haben hier ihren Ursprung, das ist mittlerweile belegt. Aber: Das muss nicht sein, es geht auch anders!

Worauf kommt es grundsätzlich bei der Begleitung von Trauernden an?

Menschen in Trauer brauchen Trost, Halt, Wärme und Geborgensein. Für Therapeuten ist nach meiner Erfahrung besonders wichtig:

1. Vertrauen und Selbstbewusstsein

Der Therapeut muss sich selbst, seinem Fachwissen, seiner Erfahrung und seiner Intuition vertrauen. Er muss sich auf den trauernden Menschen einlassen können, mit ihm schwingen, an seinen Schmerz anknüpfen können. Gleichzeitig muss sich der Therapeut selbst sehr gut kennen, seine eigenen „Baustellen“, seinen eigenen Schmerz. Regelmäßige Inter- und Supervisionen gehören hier unbedingt dazu!

2. Geborgenheit

Der Klient sollte sich in den Praxisräumen gut aufgehoben fühlen. Die Atmosphäre sollte ruhig und störungsfrei sein, die Temperatur angenehm, die Stühle bequem. Die Farbgebung ist im besten Fall harmonisch z. B. mit hellen Brauntönen, die Einrichtung gemütlich.

Da Trauer ein kaltes Gefühl ist, gibt es für meine Klienten meistens einen heißen Tee, der gleicht die innere Kälte ein wenig aus.

3. Halt

Trauernde Menschen haben oft das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Hier ist es wichtig, Halt zu vermitteln, z. B. durch eine feste Struktur, einen festen Ablauf der Sitzung, ein Ritual (etwa eine Kerze anzünden) etc.

4. Die richtige Musik

„Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann – und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ Victor Hugo

Ausschlaggebend für die richtige Musikunterstützung ist die Vorliebe des Klienten.

Aktive Musiktherapie (Musik machen)

Möchte der Klient lieber selbst singen, trommeln etc.? Dann sollte es hierfür Gelegenheiten geben! Musiktherapeuten haben in der Regel ein großes Spektrum an geeigneten Instrumenten. Sie können die Klienten motivieren, anleiten und musikalisch begleiten.

Rezeptive Musiktherapie (Musik hören)

Möchte der Klient lieber Musik (z. B. aus einer Stereoanlage) hören? Hierfür muss man wissen: Musik ist ein großer Reiz für unser Gehirn, da beim Hören viele Gehirnregionen zur gleichen Zeit angeregt und stimuliert werden!

Je mehr Aufmerksamkeit auf das Zuhören gerichtet wird, je besser es gelingt, sich einzulassen, umso mehr wirkt die Musik.

Die Musik sollte ausdrücken: „Ich verstehe dich. Ich trage dich. Du brauchst keine Angst haben. Sei getröstet.“

Wie hört man diese Musik?

Die Lautstärke sollte angemessen sein. (Achtung: Jeder Mensch hört anders, also immer den Klienten fragen, ob die Lautstärke passt!) Es gibt viele gute Arten, Musik zu hören:

  • Im Sitzen mit offenen bzw. geschlossenen Augen
  • Im Stehen, während der Klient sich zur Musik bewegt oder tanzt (vielleicht möchte der Klient die Augen schließen? Dann unbedingt darauf achten, dass der Raum sicher ist und der Klient nicht stolpert oder sich stößt etc.!)
  • Malen, während die Musik spielt (z. B. mit Ölkreiden auf DIN-A3-Papier)

Welche Musik eignet sich?

Die Musikauswahl nach dem allopathischen Prinzip
Generell gilt hier: Diese Musik wirkt stabilisierend, gibt Halt und beruhigt. Die Musik geht nicht zu tief, sondern sie hilft, die Trauersituation für heute zu meistern. Dennoch ist es wichtig, im Setting immer aufmerksam auf den Klienten zu achten, auch „harmlose“ Musikstücke können Erinnerungen wecken und entsprechendes therapeutisches Handeln notwendig machen!

Mögliche Musikstücke könnten sein:

  • „In mir ist Ruhe“ von Wolfgang Bossinger
  • „Der Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns
  • „Largo“ aus „Winter“; „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi
  • „Von guten Mächten“ von Siegfried Fietz
  • „Amazing Grace“

Die Musikauswahl nach dem ISO-Prinzip („Gleiches mit Gleichem“)
Hier ist die gerade empfundene Emotion des Klienten ausschlaggebend für die Musikauswahl. Die Musik spiegelt die Emotion wider und gibt so die Gelegenheit, sich aktiv mit den Gefühlen auseinanderzusetzen. Es braucht in der Regel viel Erfahrung und Sensibilität, um die Musik zu finden, die dem Klienten guttut. Folgende Musikvorschläge haben sich in den letzten Jahren in meiner Arbeit bewährt:

Trauer, tiefer Schmerz:

  • „Adagio in g-Moll“ von Tomaso Albinoni, langsame Version
  • „Air on the G-String“ von Johan Sebastian Bach, langsame Version

(Existenz-)Sorgen:fotolia©Eugene

  • „Adagio“ aus „Oboenkonzert d-Moll“ von Alessandro Marcello

Schuldgefühle:

  • „Schwan von Tuonela“ von Jean Sibelius

Wut, Zorn:

  • „Toccata und Fuge BWV 565“ von Johan Sebastian Bach

Spirituelle Unterstützung:

  • „Ave Verum Corpus“ von Wolfgang Amadeus Mozart
  • „Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur, 2. Satz“ von Ludwig van Beethoven

Wichtig ist, dass der Klient nach dem Hören der Musik ausreichend Zeit und Gelegenheit hat, sein Erleben zu reflektieren und darüber zu sprechen!

2017 03 Musik3Welche Gefühle wurden wahrgenommen? Was spürte der Klient in seinem Körper?

Oft berichten Klienten von einem Kloß im Hals oder einer schweren Platte auf der Brust, einem Stechen im Herzen ... hier gilt es gezielt nachzufragen: Welche Farbe, welche Form hatte der Kloß? Hat er sich während der Musik verändert? ... Diese Erlebnisse sind meist sehr intensiv und können am besten z. B. durch kreatives Malen ausgedrückt werden.

Was ist das Besondere an der GIM-Musiktherapie?

Ursprung: Die Therapieform „GIM – Guided Imagery and Music – Bonny Method“ ist eine Form der rezeptiven Musiktherapie und wurde von der Therapeutin Dr. Helen Bonny und ihrem Team ab den 1970er-Jahren in den USA entwickelt und klinisch erforscht. Das Besondere daran ist, die Musik ist der Therapeut; der Musiktherapeut ist der Guide, der den Klienten durch seine Fragen und Hilfestellungen begleitet.

Jede Sitzung folgt einem festen Ablauf

  1. Vorgespräch: Worum geht es heute? Was hat sich seit der letzten Sitzung verändert?
  2. Entspannung: Der Klient legt sich auf eine Liege, entspannt sich, um sich ganz auf die Musik einlassen zu können.
  3. Therapeutische Anleitung, um Imaginationen (innere Bilder) bzw. Körperempfindungen beim Klienten entstehen zu lassen
  4. Musik wird eingespielt. Hierbei handelt es sich um besondere Musikprogramme, die aus bis zu acht verschiedenen Stücken mit jeweils unterschiedlichen Klangfarben bestehen. Jede Klangfarbe löst andere Emotionen und innere Bilder aus. Unterschiedliche Klangfarben können sein: Chor, Streichorchester, Klaviersolo, Männerstimmen, Frauenstimmen ... für Trost und Trauerverarbeitung gibt es spezielle Programme.
    Die Musik dauert zwischen 15 und 55 Minuten. Während des Musikhörens sprechen der Therapeut und der Klient miteinander über das Erleben, die inneren Bilder, die Empfindungen.
  5. Der Klient wird „aufgeweckt“.
  6. Der Klient verarbeitet seine Eindrücke, indem er ein Bild malt („Mandala“). Dies dient auch dazu, den Therapieverlauf zu dokumentieren.
  7. Besprechung des Mandalas und der „Musikreise“.
  8. Ressourcenstärkung!

2017 03 Musik4Elke GalicElke Galic
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Expertin für Trost durch Musik, Therapeutin für musikgeleitete Psychotherapie (GIM) in eigener Praxis
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Foto: fotolia©Eugene