Vorsorge in der Nachsorge ... Ein Schlaganfall trifft auch die Seele!
München, 10. Mai 2018! Auf einen Schlag ist alles anders! Ein Schlaganfall verändert mit einem Mal das ganze Leben. Der „Tag gegen den Schlaganfall“ soll über die weitreichenden Folgen aufklären und unser Bewusstsein für die chronische Krankheit erhöhen. Besonders die seelische Belastung der Patienten und ihrer Angehörigen, ist noch immer ein Tabuthema.
In Deutschland trifft es jedes Jahr ca. 270 000 Menschen. Fast 15 % von ihnen sind noch unter 50 Jahren. Dennoch ist das Thema Schlaganfall in unserem Alltag nicht sehr präsent. Zwar ist uns über die körperlichen Schäden, die ein Schlaganfall mit sich bringt, viel bekannt, doch über die weitreichenden seelischen Folgen und die enorme psychische Belastung der Angehörigen wird nur selten gesprochen. Ein Schlaganfall ist jedoch weit mehr als ein neurologischer Schaden.
Meike Hörnke musste das am eigenen Leib erfahren. Trotz ihrer guten körperlichen und sportlichen Verfassung erlitt die damals 40-jährige Geschäftsfrau unverhofft einen Schlaganfall, der ihr ganzes Leben aus der Bahn gleiten ließ. Zwar gelang ihr innerhalb eines Jahres eine vollständige körperliche Genesung, doch zurück im Alltag war nichts mehr wie zuvor. Schon nach kurzer Zeit litt sie zwar an keinen sichtbaren körperlichen Einschränkungen mehr, die Krankheit wurde von ihrer Umwelt daher auch schnell verdrängt. Aber die Mutter eines Sohnes fühlte sich überfordert und unverstanden. Die ständige Angst vor einem weiteren Schlaganfall entwickelte sich zu regelrechten Panikattacken und einer „Post-Stroke-Depression“. Erst Jahre später schaffte sie es mit fachlicher Unterstützung, die Krankheit endgültig zu besiegen.
Meike Hörnke ist eine der ersten offiziellen Schlaganfallhelferinnen in München. Als Heilpraktikerin für Psychotherapie und Traumatherapeutin hat sie sich zur Aufgabe gemacht, anderen Betroffenen und deren Angehörigen zur Seite zu stehen und sie in der schwierigsten Phase ihres Lebens zu begleiten. „Mich hat damals keiner auf den Alltag vorbereitet. Die Herausforderungen, denen man sich auch nach der körperlichen Genesung gegenübersieht, sind überwältigend. Gleichzeitig schämen sich viele Betroffene für diese Gefühle und die Inanspruchnahme von psychischer Unterstützung ist für einige ein harter Schritt.“
Die Expertin weiß um diese Probleme. Ihr ist es wichtig, den Betroffenen neue Wege aufzuzeigen, mit ihren Ängsten umzugehen, um wieder ein unbeschwertes Leben führen zu können. Deshalb bietet die 49-Jährige neben praktischen Hilfestellungen im Alltag therapeutische Unterstützung und Coachings zur Wiedereingliederung und Orientierung für Betroffene, Angehörige und Firmen an.
„Ein Schlaganfall stellt nicht nur das eigene Leben auf den Kopf, sondern wirkt sich auf das gesamte soziale Umfeld aus. Familie, Freunde und Arbeitgeber sind mit der Situation häufig überfordert und müssen sich erst einmal mit der Krankheit auseinandersetzen“, erklärt sie.
Ein Schlaganfall ist eben mehr als ein Hirninfarkt. Denn im weiteren Genesungsprozess liegt der Fokus zunächst auf der Minimierung der körperlichen Symptome. Dass auch die Seele möglicherweise verletzt wurde, bemerken Betroffene meist erst im Alltag.
Selbst in Rehabilitationskliniken liegt der Fokus oft nur auf der körperlichen Genesung. Das möchte Meike Hörnke ändern. Deshalb besucht sie die Einrichtungen und weist in Vorträgen auf die Gefahren im Alltag und den richtigen Umgang mit der Krankheit hin. Die psychischen Herausforderungen werden oft unterschätzt und nur wenig thematisiert. Dass es auch anders geht, zeigt ihr Beispiel.
Akute belastende Ereignisse, die sehr intensiv erlebt werden, können seelische Verletzungen bis hin zum Trauma (griech. Wunde) verursachen. Die Ursachen für eine seelische Verletzung sind vielfältig. Sie reichen von den klassischen einschneidenden Lebensereignissen wie plötzliche Erkrankung, Tod, Arbeitsplatzverlust oder Trennung, visuellen Erlebnissen (z. B. Horrorfilme oder Zeuge einer Katastrophe) über akustische Ereignisse (wie Kriegseindrücke) bis hin zu menschlichen Interaktionen (Streit, Gewalt).
Der ICD10 listet die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf. Doch ich bin der Meinung, dass ein grundsätzlich nicht verarbeiteter Verlust eine große Rolle im weiteren Umgang mit Ereignissen spielt. In meiner Arbeit gehe ich davon aus, dass jede Wunde versorgt werden möchte. Entweder erledigen dies die Selbstheilungskräfte des Menschen und die Wunde schließt sich (seelische Verletzung) oder sie bleibt offen, entzündet sich und muss unterstützend versorgt werden (Trauma). Ob sich eine seelische Verletzung zu einem Trauma entwickelt, liegt an der jeweiligen individuellen Belastungsgrenze eines Menschen. Wird die zulässige Belastung überschritten wie bei einer Brücke, bricht diese zusammen. Ebenso verhält es sich mit den Menschen, deren Symptome dann bis hin zur Post-Stroke-Depression im Falle eines Schlaganfalls führen können.
Wie der Einzelne mit diesen Erfahrungen umgeht, unterliegt der jeweiligen persönlichen Bewältigungskompetenz, die im Wesentlichen durch folgende Faktoren beeinflusst wird:
- Vorerfahrungen,
- Kompensationsmöglichkeiten,
- Anpassungsfähigkeit,
- Intensität des Traumas sowie die zeitliche Konfrontation mit diesem Ereignis.
Die menschliche Reaktion auf traumatische Ereignisse lässt sich einheitlich in folgende Phasen einteilen. Diese wurden ursprünglich von Elisabeth Kübler-Ross in ihrer Arbeit mit Sterbenden beschrieben, gelten jedoch auch für den generellen Prozess im Umgang mit Krisen.
Annehmen
- Schockphase/Verleugnung
- Aggression/Hilflosigkeit
- Depression
Akzeptieren
- Verhandlung
Integrieren
- Akzeptanz
Häufig erleiden aber nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige ein Trauma. Innerhalb der Trauerphasen eines Verlustes, die alle durchlebt werden müssen, unterscheidet Elisabeth Kübler-Ross auch noch zwischen physiologischer und pathologischer Trauer.
Die pathologische Trauer bedeutet, dass man in einer der Trauerphasen stecken geblieben ist. Bei einem nicht verarbeiteten Trauma bleibt ein belastendes Gefühl und eine Handlungsunfähigkeit, die man dann in sein weiteres Leben übernimmt. Bei ähnlich erscheinenden Situationen springen dann genau diese Schubladen wieder auf. Nicht immer sind den Menschen die auslösenden Ereignisse für fälschliche Verhaltensweisen oder Glaubensmuster bewusst. Und so spielt selbstverständlich auch das Leben vor einem einschneidenden Ereignis eine wichtige und wegweisende Rolle im positiven Umgang.
In meiner Arbeit habe ich gelernt, auf besondere Art und Weise Zugang zu den auslösenden Situationen zu finden. Ich nutze die eigenen Gefühle und Bilder der Klienten, diese in genau diese Situation zu führen. Eine veränderte Sichtweise ist nur möglich, wenn der Klient in das Gefühl geht, um ihm dann Lösungsstrategien an die Hand zu geben. Spezielle Elemente aus der Trauerarbeit, die die Traumatherapie ergänzen, bringen sowohl Heilung als auch die Handlungsfähigkeit zurück. Denn ein nicht verarbeiteter Verlust ist ursächlich für viele psychische Erkrankungen, wie die klassische Post-Stroke-Depression als typische Folgeerscheinung von 33 % der betroffenen Schlaganfallpatienten.
Ein wirklicher Erfolg einer Therapie ist nur dann möglich, wenn der Klient ins Gefühl geht und innerhalb des Gefühls die Sichtweisen verändern kann.
Michaela Hindermayr-Hirschbeck
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Ausbilderin
Meike Hörnke
Heilpraktikerin für Psychotherapie, erteilt gern weitere Informationen