Eifersucht als Sprengstoff
Eifersucht kann völlig überzogen und unangemessen sein, wobei sie je nach Ausmaß und Intensität wohl als Sprengstoff in der Familie oder der Beziehung bezeichnet werden kann.
Der Psychoanalytiker Wolf Jordan prägte dafür den Begriff der „pathologischen Eifersucht“. „… Sie dient nicht der wirklich befriedigenden Lösung der problematischen Situation. Oft ist sie auch auf gar keine reale Situation bezogen. Sie klingt nicht ab, sondern besteht entweder permanent und quälend oder flammt zumindest immer wieder in alter Heftigkeit auf …“ (Roming, 1997, S. 23).
Die „normale“ Eifersucht bezeichnet Jordan hingegen als „ein Hinweissignal darauf, dass grundlegende Bedürfnisse nach Bestätigung der eigenen Person und nach Sicherheit in einer bestehenden Paarbeziehung nicht befriedigt sind…“ (a. a. O., S.24)
Meine Patientin Frau S., 41 Jahre, arbeitet als Rezeptionistin und lebt in langjähriger Partnerschaft. Sie ist Mutter von zwei Töchtern (14 und 17 Jahre). Sie beschreibt ihre Arbeit als sehr befriedigend und ihren Partner als beständig, sehr aktiv, auch jähzornig und viel beschäftigt.
Frau S. leidet sehr unter ihrer Eifersucht, die sich bereits in ihrer Jugend gezeigt hat. Inzwischen muss sie alles hinterfragen und sieht sich ihren Kontrollzwängen ausgesetzt. Sie beschreibt, dass sie ihrem Partner hinterhertelefoniert und alles argwöhnisch hinterfragt. Unter Schamgefühlen erzählt sie von ihrem inneren Druck, dass sie sein Handy kontrolliert, da er es ihr gestatte. Somit kann sie ihrem Kontrollzwang nachgeben, um mögliche Aggressionen einzudämmen. Ansonsten kommt es zu Wutanfällen und dem Zerstören von Geschirr oder Ähnlichem. Ihr Partner reagiert jähzornig und wird sehr laut und unbeherrscht.
Beide leiden unter diesen Spannungen und finden, nach ihren Worten, in langen (Streit-)Gesprächen und teilweise in ihrem sexuellen Erleben den Spannungsabbau.
In der biografischen Anamnese finden wir eine sehr strenge Erziehung in einem respektvollen, distanzierten Elternhaus, mit hohen Leistungsforderungen. Viele gescheiterte Beziehungen, die bereits in der Pubertät beginnen, sowie eine langjährige Spielsucht. Im Laufe der Jahre bilden sich nachfolgende Symptome aus: Schlafstörungen, ständige Müdigkeit, Anspannung, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit bis zur Hoffnungslosigkeit. Weiterhin beschreibt sie Angstattacken mit Beklemmungsgefühlen im Brustraum, Herzklopfen, innere Unruhe, Schwitzen sowie ständige Rücken- und Kopfschmerzen.
Ihr fehlendes Vertrauen, ständige Unsicherheit den Partnern gegenüber und ihre Unzufriedenheit führt sie auf ihr Misstrauen durch das Fremdgehen der Partner zurück. Die ausgeprägte Verlustangst, insbesondere die Angst, vom Partner verlassen zu werden, und Angst vor Enttäuschungen verstärken ihre Kontrollmechanismen und haben auch zu ihrer Spielsucht geführt, die überwunden scheint.
Als die Ehe der Eltern geschieden wird, fühlt sich Frau S. verlassen und stellt ihre Werte und ihr Vertrauen ins Leben infrage. Sie verlässt früh das Elternhaus. Aufgrund der Enttäuschungen in ihren Beziehungen entwickelt sie unbewusst ein angepasstes Verhalten (Unterordnung) gegenüber ihren Partnern, in der Hoffnung auf Harmonie und um Eifersucht und Ängste zu bändigen.
Sie möchte in der Therapie wieder Vertrauen und Selbstsicherheit finden und lernen, die „aggressiven Aussetzer“ und Eifersuchtsszenen zu beherrschen, da ihr Partner und die Familie sehr darunter leiden.
Ziel und Inhalt der Therapie soll die Stärkung des Selbstvertrauens und folglich das Vertrauen in die Partnerschaft sein und ein beherrschbarer Umgang mit der Eifersucht.
Zum Einsatz kommen Ansätze aus der Positiven Psychotherapie (PPT nach Prof. Dr. Peseschkian), indem die Aktualkonflikte und die prägenden Life-Events in Beziehung gebracht werden. Über den Fragenbogen zu Aktualfähigkeiten wird deutlich, dass Frau S. in ihren Beziehungen immer wieder mit ihren Werten und Vorstellungen bezüglich Vertrauen/Hoffnung, Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit, Höfl ichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit in Konfl ikt gerät. Dabei spielen ihre Grundfähigkeiten wie Sehnsucht, Angst, Aggressionen, Trauer, Wut und Freude eine bedeutende Rolle. Dieses Zusammenwirken der Grund- und Aktualfähigkeiten sowie ihrer Wertvorstellungen, Konzepte und der eigenen Konfliktbereitschaft, die unbewusst auf die äußeren Ereignisse wirken, führen zu gezeigten affektiven Reaktionen.
Über ihre geprägten Grundfähigkeiten, insbesondere die Angst vor Verlust, Kontrollsucht, Sehnsucht nach Ehrlichkeit, Stabilität und Harmonie zeigen sich Verhaltensweisen mit affektiven und emotionalen Komponenten, die in den Schlüsselkonflikt einmünden: Höflichkeit versus Ehrlichkeit.
Das heißt, durch Konflikte entstehen innere Widersprüche/Spannungen, sofern bei Verzicht auf Höflichkeit, der Fähigkeit des Sichanpassens und -einordnens, emotionale Spannungen bzw. Reaktionen (Angst) folgen können. Hingegen steht die Ehrlichkeit für die Fähigkeit, offen die Bedürfnisse und den eigenen Standpunkt zu vertreten, zu sich selbst zu stehen und sich zu behaupten. Bei Unehrlichkeit bzw. Unaufrichtigkeit z. B. aus Rücksicht/Höflichkeit, sind innere Spannungen/Aggressionen möglich, die sich bei Stau/innerem Druck entladen wollen.
In der ersten Sitzung werden u. a. die Aktualfähigkeiten und deren Zusammenhänge besprochen und von Frau S. und ihrem Partner gegenübergestellt und eingeschätzt. Und daheim vom Partner ebenso.
In den weiteren Sitzungen erfolgt die Auswertung und Gegenüberstellung der Partnermeinungen bezüglich der gemeinsam auftretenden Aktualkonfl ikte mit dem vorliegenden Schlüsselkonflikt. Dabei erkennt Frau S., dass sie aus Sehnsucht nach Harmonie und Vertrauen (Grundfähigkeiten) handelt, aber aus Höflichkeit ihrem Partner Vertrauen schenken möchte, aber nicht aufrichtig ist (da ihr Misstrauen zu groß ist) und dies zu inneren Spannungen führt. Sie erkennt ihr Verhaltensmuster und nun beginnen wir mit der Ablösung und aktivieren aus ihrer Vergangenheit zunächst wertvolle Ressourcen wie das Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Diese finden wir in ihrer Arbeit als ungelernte Rezeptionistin, in wichtigen Lebenssituationen und als erfahrene Mutter.
Dazu sprechen wir über die inhaltliche Bedeutung von Vertrauen (Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein) und nehmen Bezug auf den vorliegenden Schlüsselkonflikt. Das heißt, das vorhandene Misstrauen und die daraus entstandene Eifersucht werden aufgedeckt, in Zusammenhang gebracht und verlieren damit für Frau S. an Kraft.
In der 5. und 6. Sitzung gehen wir ihre Verlustängste und Kontrollzwänge an und arbeiten mit Ressourcen, indem Frau S. einen Fähigkeitenteppich in Form eines Baumes darstellt. Die für daheim zur Klärung gestellte Frage, warum Freunde sie so schätzen und mit ihr befreundet sein wollen, intensiviert ihre Selbstreflexion, stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Wertschätzung infolge der Auswertung.
Inzwischen treten keine Eifersuchtsanfälle mehr auf. Frau S. ist positiver geworden, selbstsicherer und sie kann loslassen, indem sie ihren Kontrollzwang wahrnimmt, aber immer seltener nachgibt. Sie ist sehr reflektiert und erzählt mir zum Abschluss, dass ihr Partner ihr einen Heiratsantrag gemacht habe. Sie berichtet stolz, dass ihre Beziehung sich vertieft hat und sie jetzt einen „Anker“ erhalten habe, der ihr zunächst Sicherheit gibt. Mit Freude und Zuversicht sieht sie der Zukunft entgegen.
Die Therapie wird gestützt durch die hohe Bereitschaft zu Selbstreflexion von Frau S. und ebenso durch die Beteiligung des Partners an den Kosten der Therapie.
Kerstin Bröcker
Heilpraktikerin für Psychotherapie