Liebestypen
In der Damenwelt kann man Sätze wie die folgenden aufschnappen:
„Ich warte noch auf den richtigen Typ.“
„Bisher war mein Typ nicht dabei.“
„Jener da ist ganz und gar nicht mein Typ, der schon eher.“
„Irgendwie gerate ich immer an den falschen Typ.“
Und wenn eine Frau sich aufregt, kann man schon mal ein erstaunt fragendes Seufzen hören:
„Was für ein Typ bist du denn?!“
Meinen Frauen eine Art Mann wie Brad Pitt, George Clooney oder Matthias Schweighöfer, wenn sie von Typ reden? Meinen sie damit Kerle wie „James Bond“ oder „Captain Sparrow“? Ist der Macho, der Nette, der Bad Boy oder der Intellektuelle gemeint? Was meint Typ eigentlich?
Im Kern geht es bei Typen um Gemeinsamkeiten
- in Ausdruck und/oder Erscheinungsbild
- bei Charakteristiken, Eigenschaften, Kennzeichen
- in Bezug auf Neigungen, Verhaltensmuster, Wesenszüge etc.
- und vieles andere mehr
Diesbezüglich haben wir uns auf die Suche gemacht und in der „Library of classical profile patterns“ von John G. Geier und Dorothy E. Downy (1979 Performax Systems International, Inc., USA) eine erste Orientierung gefunden. In unserer täglichen Arbeit mit Paaren haben wir dann einige Augenfälligkeiten entdeckt, die wir Ihnen vorstellen wollen. Dabei sind wir zu einer Erkenntnis gekommen – frei nach einer deutschen Bier-Werbung:
Wie das Leben, so der Sex!
Oder mit anderen Worten: Was im Alltag beginnt, findet im Schlafzimmer seine Fortsetzung. Wahrscheinlich haben Sie sich das schon gedacht. Aber gilt das auch umgekehrt? Wie der Sex, so das Leben. Diese Frage ist für uns als Paartherapeuten eine sehr interessante. Denn schließlich ist für ein erfüllendes Liebesleben – sowohl im Alltag als auch im Schlafzimmer – das Thema „Initiative ergreifen“ von großer Bedeutung. Grob gesagt gibt es hier vier unterschiedliche Herangehensweisen: Es gibt die,
- die die Initiative ergreifen (aggressiv)
- die darauf warten, dass der andere die Initiative ergreift (passiv)
- die frustriert sind, weil weder sie noch andere die Initiative ergreifen (defensiv)
- die sich damit abgefunden haben, dass weder sie noch andere die Initiative ergreifen (depressiv)
An einem Beispiel, das die Damen und Herren unter uns vielleicht kennen, wollen wir darlegen, was wir meinen. Erinnern Sie sich noch an eine Situation mit diesem gegenseitigen Belauern von Mann und Frau, ob da heute noch was geht? Und dann ist wieder nichts daraus geworden. Frust! Dann wird eben noch ein Bier oder Wein aufgemacht und geschaut, was im Fernseher läuft. Dabei hätte es so schön sein können. Doch dazu hätte es ein mutiges „Wollen wir Sex haben?“ gebraucht.
Das gleiche zögerliche, lauernde und abwartende Verhalten findet sich auch im ganz normalen Leben wieder, z. B. wenn’s ums Auto geht. Da ist der alte Wagen, der es gerade noch so tut und demnächst durch den TÜV muss. Schön sieht die vertraute Familienkutsche mit all ihren kleineren und größeren Blessuren schon lange nicht mehr aus. Die Kupplung schleift beim Beschleunigen auf der Autobahn, dann geht zwar die Drehzahl hoch, aber nicht die Geschwindigkeit. Der Zahnriemen müsste auch gewechselt werden, ganz zu schweigen von Bremsen und Reifen. Da kommt was zusammen. Das Geld dafür hätte man gerade noch so und dann könnte das Auto mit etwas Glück noch zwei weitere Jahre lang seinen Dienst tun. Ein beherztes „Wollen wir uns ein neues Auto zulegen?“ ist jedoch nicht zu hören, obwohl man sich schon mal nach Alternativen umgesehen hat. Aber es müsste ein Kredit aufgenommen werden und das wird teuer! Also was tun?
Im Rahmen eines Mitarbeitertrainings wurde bei der betreffenden Person dessen Persönlichkeitstyp ermittelt, da heißt es: „Sie können aufgrund ihrer guten Intuition kleinere Entscheidungen relativ schnell treffen, sind aber bei größeren Entschlüssen extrem vorsichtig; sie zügeln ihre Wünsche, weil sie zuvor alle Eventualitäten durchdacht haben wollen.“
Gleiches passiert wohl auch, wenn’s um Sex geht. Anstatt einfach ungehemmt zu fragen, versucht man die Atmosphäre, Gestik, Mimik, Stimmungs- und Tonlage des Partners, der Partnerin, sorgfältig zu lesen. Aus den gesammelten Erkenntnissen zieht man dann den Schluss, ob man mit seinen Wünschen und Bedürfnissen auf Gegenliebe stößt oder sich einen Korb einhandeln wird. Wie das Leben, so der Sex.
Was wir hier beschreiben, gilt für langfristige, monogam angelegte Liebesbeziehungen in einem fortgeschrittenen Stadium wie es das z. B. in einer Ehe oder eheähnlichen Partnerschaft ist. Anfangs kann man natürlich nicht die Finger voneinander lassen, beide sind aufgeschlossen und experimentierfreudig. Später wird es dann eher eintönig und langweilig oder ausgefallen: Montag ausgefallen, Dienstag ausgefallen, Mittwoch ausgefallen ...
In all den Jahren, in denen wir jetzt als Paartherapeuten arbeiten, ist uns noch nie die Frage untergekommen, wann der sexuelle Akt eigentlich beendet ist. Sicher gibt es das Problem, dass das Ende oft zu früh kommt, aber wenn es da ist, wissen es beide. Ein aufstöhnendes Oo-ooh! Uuh-aah! Schuss! Schluss! Ein letztes erlösendes Aah! Manche bringen am Höhepunkt des sexuellen Treibens sogar Gott ins Spiel: „Oh Gott, ich komme!“ Und dann ist fertig! Zur Seite rollen und daliegen wie ein Baby, das gerade gestillt wurde – oder noch ein schneller Gute-Nacht-Kuss und einschlafen.
Mit dem Anfangen, also dem Initiieren von Sex, tun sich hingegen zahlreiche Paare wesentlich schwerer. Da wissen viele nicht, wie sie’s denn anstellen sollen. Morgens steht beim Mann die „Latte“, aber keine Zeit zur Verfügung. Tagsüber verbraucht die Arbeit alle Aufmerksamkeit und Energie, und am Abend ist nach dem Essen der Bauch voll und der Akku leer. Oder die Kinder wollen was vom Papa haben und spielen oder eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen bekommen. An ein „Wollen wir Sex haben?“ ist kaum zu denken oder es kommt einem nur schwer über die Lippen. Bei den Frauen stehen früh morgens die Kinder auf der Matte (eine nicht zu ignorierende Konkurrenz für des Mannes „Latte“), dann ruft der Job und bis zum Abend muss das Familien- und Haushaltsmanagement erledigt sein. Dementsprechend geschafft ist dann auch die Frau. Ist das Ausbleiben von erfüllender Sexualität also situationsgeschuldet? Oder ist es vielleicht doch eher Typ-Sache?
Der Leistungstyp
Nehmen wir Lukas. Er ist Ingenieur, sehr fleißig und strebsam, aber auch schnell frustriert. Wenn es für ihn einen Dämpfer gegeben hat, kann er das nicht verbergen. An seinem Gesicht kann jeder seinen Katzenjammer ablesen. Er ist dann nicht mehr gut drauf und mit ihm ist fortan nicht gut Kirschen essen. Er wird ungeduldig mit anderen und zieht sich schweigsam zurück. Zuvor delegierte Aufgaben reißt er wieder an sich mit dem bitteren Gedanken: „Um alles muss ich mich selbst kümmern.“ Lukas ist so ein Typ Leistungsmensch, der seinen persönlichen Zielen kompromisslos verpflichtet ist, die ihm tief eingeprägt sind und seine Motivation bestimmen. Diese Ziele zu erreichen, ist das einzige Ergebnis, das zählt. Manchmal kommt das soziale Umfeld dabei unter die Räder, aber diese Hauptrichtung seines Lebens wird beibehalten und keinesfalls preisgegeben.
Wenn man möchte, kann man in diesem Fall von einer positiven Ich-Bezogenheit reden. So kann Lukas z. B. auf einer Großbaustelle aufgrund seiner akribischen Verantwortlichkeit und hundertprozentigen Zuverlässigkeit auch in äußerst kritischen Situationen die gestellten Aufgaben zum gewünschten Resultat bringen. Dafür wird er in seinem Unternehmen überaus hochgeschätzt. Wenn etwas schiefgeht, ist er bereit, die Schuld auf sich zu nehmen. Und wenn das Projekt ein Erfolg wird, will er aber auch die ganze Anerkennung.
Was für Lukas auf der Baustelle von großem Nutzen ist, funktioniert auch im Familienleben. Das Haus ist abbezahlt, Garten und Kinder gedeihen, zweimal im Jahr wird Urlaub gemacht und am Wochenende geht’s zum Sport. Seine Frau gibt ihm alle gewünschten Freiheiten. Das heißt, wenn er Rad fahren, Ski fahren oder etwas mit seinen Freunden unternehmen will, legt sie ihm keine Steine in den Weg. Es gelingt ihm, in allen Lebenssituationen seine Bedürfnisziele zu erreichen – in fast allen. Denn mit der Liebe seines Lebens Sex zu haben, ist nicht ganz so einfach für ihn. Geht nämlich seine Partnerin nicht sofort auf seine Avancen ein, würgt ihm das die Lust ab. Dann geht nichts mehr. Seine Miene verfinstert sich und er wird ungenießbar. Er findet schnell etwas zum Aussetzen und Kritisieren. Im Anschluss kommt es zum Streit, dabei kann er in seiner Wort- und Tonwahl schon derbe werden. Das macht dann für beide das ganze schöne Leben und Miteinander für etliche Tage zunichte.
Der Harmonie-Typ
Ganz anders ist da Silas, der ist die Beherrschung in Person. Selten haben wir einen Menschen kennengelernt, der ausgeglichener und entgegenkommender ist als er. Beinahe könnte man glauben, er ist der verträglichste Mensch auf Gottes Erdboden. Man kann sich kaum vorstellen, dass er es mit irgendeinem Menschen nicht kann. In seiner Behörde wird er geschätzt, weil er so rücksichtsvoll und geduldig ist im Umgang mit Kollegen und Antragstellern. Er scheint immer bereit, zu helfen, wo er nur kann. In seiner Abteilung sind sie alle Freunde, es herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Nur wenn die bekannten und vertrauten Abläufe geändert werden sollen, formiert sich Widerstand. Silas mag es ganz und gar nicht, wenn irgendwer die Richtlinien oder Vorschriften durcheinanderbringt. Dann beginnt der Streik, zuerst innerlich, aber dann auch zunehmend in den Gesprächen mit Kollegen und Vorgesetzten. „Was ist das denn für ein Unsinn, den die sich da wieder ausgedacht haben? Wozu soll das denn gut sein?“, fragt er die Kollegen und macht Stimmung. „Können Sie mir bitte mal erklären, was an der bisherigen Vorgehensweise nicht funktioniert hat?“, setzt er seinem Vorgesetzten zu. Und auf jede nachvollziehbare Antwort hat Silas drei weitere Fragen. Was treibt ihn dazu?
Bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass der Gute seinen Selbstwert aus seiner Leistungskonstanz bezieht. Um diese aufrechtzuerhalten, ist er zu einer ganzen Menge an Entgegenkommen bereit. Aber nicht, wenn diese in Gefahr ist, wenn etwas umgestellt oder Neues eingeführt werden soll. Dann stellt er sich quer. Schließlich hat er sich mit einer großen Anpassungsleistung die bewährte Vorgehensweise zu eigen gemacht und sich darauf spezialisiert. Genau das macht ihn so effizient in seiner Arbeit. Das will und kann er nicht riskieren, nur weil ein optimiertes Computerprogramm eine schnellere Bearbeitung verspricht. Was er auf alle Fälle versprechen kann, ist, dass er da nicht mitmacht. Da kommen schwierige Zeiten. Silas stellt sich quer, bis meist der Druck zu hoch wird und er sich dem nicht mehr gewachsen sieht. Dann ordnet er sich doch unter oder passt sich dem mittlerweile vorangeschrittenen Gruppendenken an.
Wenn es zu Hause um Sex geht, dann ist Druck völlig unnötig. Es herrscht großzügiges Entgegenkommen. Wenn sie will, dann will er auch. Und dann ist der Sex richtig gut. Er weiß, was sie mag, und kann ihr das geben. Schließlich kann er sich gut einfühlen und möchte, dass sie glücklich ist. Das ist sie dann auch. Und er ist es, wenn sie es ist. Und wenn sie nicht mag, dann ist das auch o. k. Dann bescheidet Silas sich eben. Dann halt ein anderes Mal. Und meist geht die Initiative eh nicht von ihm aus. Sie riechen den Braten schon? Stimmt, auf Dauer kann das nicht gut gehen. Denn Entgegenkommen hat eine unerwünschte Nebenwirkung: Das Leben endet in der spärlichen Nische des kleinsten gemeinsamen Nenners. Da ist die Komfortzone, da fühlt man sich wohl, da passiert nichts Unvorhergesehenes oder Bedrohliches. Abwechslungsreich oder gar abenteuerlich ist das nicht. Sexy auch nicht.
Der Draufgänger-Typ
Erik, der Bruder von Silas, ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Der versteht überhaupt nicht, dass Silas sich durch ein Nein von seinem Vorhaben und seinen Bedürfnissen abbringen lässt. So etwas kennt der nicht. Mit einem stark ausgeprägten Kampfgeist und ungeduldiger Beharrlichkeit geht Erik in jeden sich bietenden Wettkampf; sei es eine besondere berufliche oder sportliche Herausforderung oder die Eroberung einer schönen Frau. Und zwar lange bevor all die anderen Mitbuhler auch nur den Hauch einer Chance hätten. Für ihn zählt Schnelligkeit und Charakterstärke.
Was er mit Letzterem meint, ist sein allseits bekanntes und unerschütterliches Selbstbewusstsein, das die meisten seiner Kollegen und selbst seine Sportsfreunde als maßlos und ziemlich überheblich empfinden. Doch das stört ihn nicht. Er will sein Können unter Beweis stellen, denn er ist sich sicher: „Ich schaffe das schon!“ Und hinterher hört man ihn prahlen: „Ich wusste doch, dass ich das kann!“ Erik nutzt jede Situation und Gelegenheit, um sich selbst ins beste Licht zu rücken. Dabei glänzt er natürlich immer als „der eine, auf den es ankam“.
Können Sie sich vorstellen, wie dieser Mann in seinem Sexverhalten ist? Richtig! Genauso! Routine mag er nicht, denn die findet er sterbenslangweilig und Einengung sogar tödlich. Es muss prickeln. Je ungewöhnlicher, desto besser. Auch da ist er ständig auf der Suche nach neuen Horizonten. Direkt und energisch geht er das Liebesvergnügen an. Dabei verlässt er sich voll und ganz auf sich selbst und versucht, die Dinge unter seiner Kontrolle zu haben. Die meisten Frauen mögen das sogar. Da können sie loslassen, sich hingeben und genommen werden. Daher erklärt sich vielleicht, warum er so erstaunlich viel Erfolg bei Frauen hat, obwohl er in seinem Umfeld das Image eines arroganten und egoistischen Bad Boys hat.
Es hält jedoch keine Frau lange bei ihm aus. Die meisten können mit seinem Tempo auf Dauer nicht mithalten und dann wird er kritisch. Und wenn er erst einmal angefangen hat, seiner Gefährtin ihre Fehler pedantisch und ohne jegliches Einfühlungsvermögen vorzuwerfen, dann lassen selbst die besten Frauen Erik in seinem anmaßenden Egoismus und Individualismus zurück. In ihrer Erinnerung empfinden sie ihn als herzlos, kalt und grob.
Der Anti-Agressionstyp
Zum Glück gibt’s noch andere Typen, wie Vincent. Ihn zu lieben ist ein Leichtes, kaum einer nimmt Zuneigung so gern entgegen wie er. Und er gibt sie auch, indem er einfühlsam zuhört und freundliche Unterstützung anbietet. Weil er so gut auf andere eingehen kann, hat bei ihm jeder das Gefühl, willkommen zu sein. Und so gibt es in seinem Arbeitsbereich keinerlei Reibereien. Scheinbar herrscht die absolute Harmonie. Kein Wunder, lehnt er doch Aggressionen in jeglicher Gestalt und Hinsicht ab. Meinungsverschiedenheiten und Konflikte in der Gruppe hasst er wie der Teufel das Weihwasser und Auseinandersetzungen geht er aus dem Weg, wo er nur kann. So schwelt manch schwierige Situation unbeachtet und daher auch ungelöst unter dem Deckmäntelchen der Vorzeigegruppe. Hauptsache, wir halten zusammen!
Das partnerschaftliche Liebesleben ist voller Harmonie, aber ohne „Hormonie“. Die biochemischen Substanzen, die einen Kerl schon mal unter sexuellen Bedürfnisdruck oder in einen heftigen Liebesrausch versetzen können, versagen hier offensichtlich ihren Dienst. Die eigene Frau aus Liebe sexuell zu erobern, kommt für Vincent nicht in die Tüte. Das wäre ja aggressiv und er ist Pazifist, auch da. Ohne Aggression und Freiheitsdrang, ohne Jagd-, Kampf- oder Führungskraft bleibt Vincent der ungefährliche, einfühlsame, sanfte und verständnisvolle Mann. Alles tolle Eigenschaften! Die ermöglichen es ihm, stundenlang mit seiner Frau zu reden. Die Gespräche sind anregend, gut und interessant, sie verstehen sich, können über alles reden, sogar über Sex, nur nicht über Konflikte. Und der Sex kommt immer öfter zu kurz, d. h. es kommt nicht dazu. Denn naiv und feige bleibt Vincent angepasst an die Wünsche der Frau. Sie ist es dann, die in der Beziehung Nähe, Distanz und Sex bestimmt.
Auf Dauer ist das für sie allerdings nicht attraktiv. Es entwickelt sich ein Szenario, das dann meist wie folgt aussieht: Sie hat die Kontrolle und behält die Oberhand. Entsprechend wird Rechenschaft eingefordert, anfänglich freundschaftlich interessiert, später kann der Tonfall auch harscher werden: „Wo warst du? Was hast du gemacht? Warum hat das so lange gedauert? Warst du allein? Oder wer war mit dabei?“
Freilich will ein Mann sich nicht unentwegt solchen Verhören ausgesetzt sehen. Also gibt er früher oder später ausweichende Antworten. Das jedoch macht sie misstrauisch und wütend. Zusätzlich verliert sie die Achtung vor ihm. Und schon nimmt das Drama seinen Verlauf. Denn ist sie erst mal auf die Spur gesetzt, gibt es kein Halten und Ruhen mehr, bis die Emotionen eskaliert sind. Am Ende steht er mit der Schuld da, ist beschämt und versucht tags darauf, wieder Frieden zu schließen.
Wenn ein Mann in solchen Situationen nicht souverän, gelassen und standhaft bleiben kann, hat er keine Chance. Aber bietet er Paroli, kommt es auch zum Streit, und den mag Vincent nicht. Denn meist verliert er den, und dann fühlt er sich als „Looser“. Von seiner Frau respektlos behandelt, büßt er vor ihr an Attraktivität ein, und bei ihr stellt sich langsam das Gefühl ein: „Ein neuer Kerl muss her!“ Er hingegen hält weder die Selbstzweifel noch das Gefühl der Unterlegenheit länger aus und sucht das Weite.
Der gewinnende Typ
Verlieren kennt Kai hingegen gar nicht, das heißt, dass er alles tut, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen und als Gewinner hervorzugehen. Der Sieg ist für ihn nicht das Höchste, er ist das Einzige. Sie sollten mal sehen, wie unruhig, ungeduldig, krittelig und aggressiv Kai werden kann, wenn die Zielerreichung gefährdet ist. Da kann er richtig bissig und verletzend werden. Denn eines kann Kai einfach nicht ab: die Situation, schlecht dazustehen. Das hält er schier nicht aus.
Aber wie Sie sich bestimmt denken können, kommt das nicht oft vor. Kai bei seiner Arbeit zuzusehen, macht große Freude. Wie er kreative Ideen aufnimmt und sie für praktische Zwecke nutzbar macht, ist beeindruckend. Er zeigt Verständnis für Menschen und ist ziemlich bestimmend, ohne jedoch als dominant eingeschätzt zu werden. Er gibt nicht etwa Befehle, sondern gewinnt wortgewandt die Mitwirkung der anderen, indem er seine Vorschläge gut begründet und Menschen zur Beteiligung an der Aufgabe bewegt. Böse Zungen behaupten, er würde die Leute überreden. Schnell hat Kai bei einer zu erfüllenden Aufgabe eine glaubhafte Strategie mit detaillierten Schritten, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Wenn die Dinge aber nicht so laufen, wie er sich das vorstellt, dann kann er mit seiner ungeduldigen Kritik auch schon mal beißend und beleidigend werden.
Wie Sie sich wahrscheinlich schon vorstellen können, geht Kai in der Liebe und beim Sex in der gleichen Weise an die Sache heran. Als handle es sich um eine Aufgabe mit einem Ziel, das es zu erreichen gilt. Und danach kann er die Lorbeeren für sich einheimsen. Am liebsten ist es ihm, wenn der Sex von seiner Partnerin initiiert wird. Dann weiß er, was von ihm gefordert wird und was zu tun ist. Aber auch er kann die Initiative ergreifen. Mit Einfallsreichtum, wortgewandt und in einer gewinnenden, fast überredenden Art kriegt er das Objekt der Begierde rum. Dann gilt es, sich zu beweisen. Für ihn heißt das: beim Liebesspiel der bessere Liebhaber zu sein, quasi der Gewinner. Das Resultat ist oft, dass er nur „der Erste“ ist. Für die Frau an seiner Seite auf Dauer eher frustrierend statt befriedigend.
Zu viel Stärke macht Schwäche
Bisher haben wir Ihnen fünf Typen vorgestellt, wie sie uns in unserer täglichen Arbeit als Psycho- und Paartherapeuten begegnet sind. Weitere sieben folgen in der nächsten Ausgabe. Vielleicht war ja Ihr Typ schon dabei. Selbstverständlich gibt es bei den ausgeführten Verhaltensneigungen Mischungen und Überschneidungen.
Wahrscheinlich haben Sie sogar den einen oder anderen Zug bei sich selbst oder anderen schon feststellen können. In jedem Fall hat jeder Typ seine Daseinsberechtigung. Und die aufgezeigten Schwachpunkte resultieren meist aus überzogenen Stärken. Es gibt eben, wie Paracelsus schon erkannte, nichts, das Gift ist, und nichts, das nicht Gift ist, die Dosis macht’s.
- Die Leistungsstärke von Lukas versetzt ihn in die Lage, schon vieles geschafft zu haben. Er weiß von sich, dass er es packt. Und schafft er dann mal was nicht, dann ist er frustriert.
- Die Ausgeglichenheit und Anpassungsfähigkeit von Silas machen ihn zu einem angenehmen Zeitgenossen, mit dem gut in Harmonie zu leben ist. Aber im großzügigen Entgegenkommen schwindet die eigene Kontur und es entsteht für andere das Gefühl, nicht zu wissen, mit wem man es eigentlich zu tun hat.
- Erik strotzt geradezu vor Selbstbewusstsein und Tatendrang. Er hat immer ein Ziel und will es möglichst schnell erreichen. Das macht ihn oft zum Gewinner. Der Langsamere und Bedächtigere an seiner Seite wird da zwangsläufig zum Verlierer.
- Verlierer soll es bei Vincent erst gar nicht geben, daher auch keine Konflikte. Man kann ja schließlich über alles reden. Einfühlsam und unterstützend hört er zu. Das ist seine Stärke. Das fühlt sich gut an. Und dabei bleibt’s dann oft. Für Initiativen zur Liebe findet sich nur wenig Mut, die Gelegenheit zu ergreifen.
- Reden kann Kai auch, aber zielstrebig. Der weiß, was er will und wie er es bekommt. Und dann will er gefeiert werden. Er ist halt ein Sieger. Und alle anderen Verlierer.
Wenn man eine Stärke überzieht, wird sie zur Schwäche. Viele PS unter der Haube eines Autos sind kein Fehler, und damit allein über den Nürburgring zu donnern, kann ganz lustig sein. Aber andauernd zu schnell und zu dicht aufzufahren, wenn noch andere mit an Bord sind, ist nicht gut. Also runter vom Gas! Wer seine Stärken mäßigen kann, wird langfristig in Beziehungssituationen wie in der Liebe und beim Sex erfolgreicher sein.
Wenn Sie jetzt als Frau denken: „Toll, dann muss ich das ja nur noch dem Typ an meiner Seite beibringen!“ Na, dann viel Spaß! Das wird nicht klappen. Da muss er selbst draufkommen.
Was aber ist dann die Lösung?
Bleiben Sie gespannt auf die Fortsetzung.
Herbert und Gisela Ruffer
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Paar- und Psychotherapie in Landshut