Die Magie des kreativen Schreibens
Viele Menschen stellen sich die Frage nach einem guten und erfüllten Leben. Denn beherrschen wir erst einmal diese Lebenskunst, stellt sich ein Glück ein, das aus psychologischer Sicht aus verschiedenen Komponenten besteht. Dabei sind herzliche und vertrauensvolle Beziehungen zu Menschen in unserem Umfeld ebenso wichtig wie die Liebe zu uns selbst. Genauso wie Selbstbestimmtheit, die es uns ermöglicht, unser Leben nach unseren Werten zu gestalten.
Hierfür benötigen wir die Fähigkeit, unsere Lebensbedingungen und unsere Umwelt bewusst zu wählen und sie aktiv zu gestalten. Außerdem hat persönliches Wachstum einen großen Effekt auf unser Leben, wenn wir dadurch unsere Potenziale entdecken, sie bewusst ausbauen, stärken und realisieren.
Wenn wir darin einen Sinn oder vielleicht sogar unsere Bestimmung erkennen und uns trauen sie zu leben, sind wir wahre Lebenskünstler.
Bereits in der Antike bestand der Wunsch nach einer bewussten Lebensführung. Damals wie heute fand man das Thema Lebenskunst in philosophischen Überlegungen. So sagte Seneca über den guten Umgang mit sich selbst: „Eigne dich dir selbst an.“
Mit Lebenskunst ist also nicht nur ein reflektiertes und selbstbestimmtes Leben gemeint. Auf philosophischer Ebene ist Lebenskunst ein subjektives Wohlbefinden, das jeder Mensch ganz individuell für sich selbst definiert. So wusste Aristoteles, dass ein glückliches Leben nicht allein auf positiven Gefühlen basiert, sondern dass Glück aus einem Zusammenspiel von Wohlgefühl und Werteglück entsteht. Doch Werteglück kann erst dann entstehen, wenn wir unsere eigenen Werte kennen.
Leider leben viele Menschen Werte, die ihnen in Wahrheit gar nicht entsprechen oder die sie schon in jungen Jahren von anderen Menschen in ihrem Umfeld übernommen haben. Doch unser Leben ist begrenzt. Wir dürfen es uns erlauben, intensiv zu leben, unsere Tage nicht einfach so an uns vorbeiziehen zu lassen, sondern zu reflektieren und uns zu trauen, die richtigen Fragen zu stellen:
Wer bin ich?
Was will ich wirklich?
Wofür bin ich hier?
Denn ist es nicht so, dass wir uns überhaupt erst Ziele setzen können, die im Zusammenhang mit unseren Werten oder sogar mit etwas Größerem stehen, wenn wir diese Fragen für uns beantworten und den Sinn in unserem Leben erkennen können? Ziele, die uns Erfüllung und wertvolle Augenblicke schenken?
Kreatives Schreiben ist magisch, weil es uns dabei hilft, uns selbst und unseren Werten Stück für Stück auf die Spur zu kommen. Nicht umsonst ist regelmäßiges Schreiben eine der besten Methoden, um sich selbst besser kennenzulernen. Und nur, wenn wir uns selbst gut kennen, können wir verstehen, was in uns und unserem Leben passiert, und so besser darauf reagieren.
Die gewonnene Selbstkenntnis hilft uns dabei, unsere Stärken, Schwächen und Potenziale zu entdecken und sie mutig zur Entfaltung zu bringen. So tun wir das, was mit unseren persönlichen Werten im Einklang ist. Und das Wohlgefühl, das wir dadurch erleben, wirkt sich unmittelbar auf unser Umfeld, unsere Beziehungen und unsere Arbeit aus.
Was ist kreatives Schreiben?
Wie der Name schon sagt, bezeichnet man als kreatives Schreiben jede Form des Schreibens, die über die traditionellen Bereiche des professionellen, akademischen oder technischen Schreibens hinausgeht. Also jede Art des Schreibens, die die eigene Person zum Ausdruck bringt. Beim kreativen Schreiben geht es darum, die eigene Vorstellungskraft und Kreativität zu nutzen, um Ideen und Gedanken auf eine Weise auszudrücken, die uns persönlich entspricht. Dabei entwickeln wir unsere eigene Stimme und lernen, unsere Perspektive ohne Einschränkungen zu teilen – wenn auch nur mit uns selbst.
Zum kreativen Schreiben zählen viele verschiedene Methoden und Techniken, wie das Geschichtenerzählen oder das Schreiben von Gedichten. Für die meisten Menschen jedoch ist der leichteste Einstieg das Tagebuchschreiben oder das sogenannte Journaling.
Und die gute Nachricht: Jeder kann schreiben! In jedem von uns steckt eine Schreiberin oder ein Schreiber. Denn schreiben ist Teil menschlichen Ausdrucks, der in jedem von uns wohnt. Das Geschichtenerzählen gehört zur Geschichte der Menschheit. Und Geschichten können wir auf unterschiedlichste Art und Weise erzählen.
Denken Sie dabei nicht nur an Romane. Tagebucheinträge, Briefe, Notizen oder Gedichte, sie alle sind ein kleines oder größeres Abbild unseres Alltags, Teil der Geschichte unseres persönlichen Lebens.
Kreatives Schreiben ist magisch, weil es uns alle möglichen Türen öffnet. Die Tür zu uns selbst, in unser Innerstes. Die Tür zu Blockaden, die gelöst werden, zu Emotionen, die befreit oder gelebt werden möchten. Die Tür zur Fantasie, in Welten, in denen alles möglich ist. Die Tür zu unserer eigenen Geschichte – die vergangene und die zukünftige.
Schreiben löst uns aus der realen Welt, zumindest für einen Moment. Durch das Schreiben treten wir ein in das Feld aller Möglichkeiten. Schreiben macht nicht nur Spaß. Schreiben schenkt uns die Möglichkeit, über unser Denken hinaus zu gehen. Indem wir unsere Gefühle und Gedanken aufschreiben, verwandeln wir sie in etwas Greifbares, unsere Worte werden auf dem Papier sichtbar. Das kann sehr kraftvoll sein und etwas in unserem Leben verändern.
Tagebuchschreiben ist ein machtvolles Werkzeug ...
... weil wir uns dadurch einen intimen Dialog mit uns selbst erlauben, wodurch wir lernen, unsere Emotionen genauer zu beschreiben und zu erklären. Auf diese Weise lernen wir nicht nur, effektiver mit uns selbst zu kommunizieren, wir verbessern auch die Kommunikation mit unserem Umfeld, was sich positiv auf all unsere Beziehungen auswirken kann.
Darüber hinaus ist die gesamte Erfahrung des handschriftlichen Schreibens eine sehr achtsame Aktivität. Denken, Fühlen, Schreiben und Sehen machen den Schreibprozess zu einem kognitiven Vorgang, der vieles in uns bewegt. All das regt unsere Vorstellungskraft an. Wir beginnen über den Tellerrand hinauszudenken, neue Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, unsere selbst auferlegten Grenzen infrage zu stellen oder sie zu überwinden. Das Tagebuchschreiben ist eine zutiefst persönliche Reise, bei der wir Wort für Wort bewusster, dankbarer, leichter und erfüllter werden können.
Schreiben ist keineswegs nur eine Tätigkeit, von der viele Menschen berichten, dass sie ihnen guttut. Schreiben ist mittlerweile sehr gut erforscht. Immer mehr Wissenschaftler, darunter Psychologen, Psychotherapeuten und Neurologen, die unser Bewusstsein genauer unter die Lupe nehmen, erforschen, was passiert, wenn wir uns dem Papier anvertrauen. Zahlreiche Studien machen sichtbar, was in Körper, Geist und Seele passiert, wenn wir schreiben.
Und die Experten sind sich einig: Durch das Schreiben trainieren und formen wir nicht nur unser Gehirn. Wenn wir uns mit unseren Lebenserfahrungen auseinandersetzen und sie schreibend in authentischer Art und Weise darstellen, finden wir auch in schwierigen Lebenssituationen einen Sinn. So heilen wir, so wachsen wir, so meistern wir Herausforderungen.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass wir unser Glück größtenteils selbst in der Hand haben, auch wenn jeder von uns mit äußeren Lebenseinflüssen und verschiedensten Herausforderungen konfrontiert ist. Mit dem Stift in der Hand können wir all unsere Lebensbereiche bewusst angehen und an ihnen arbeiten. Ist das nicht ein wundervoller Gedanke?
Mit nur fünf bis zehn Minuten täglich können wir schon spürbare Effekte erzielen. Seien Sie mutig und trauen Sie sich schreibend, die Frage nach einem guten Leben zu stellen. Oder um es mit den Worten von Colette (französische Schriftstellerin und Journalistin, 1873–1954) zu sagen:
„Die Hand, die den Stift hält, schreibt Geschichte.“
Schreiben Sie die Ihre.
Zitate
„Das Tagebuch ist wie der Mond,
wie ein großer Magnet,
der Informationen aus dem Unterbe-
wusstsein an die Oberfläche bringt,
um mit ihnen bewusst weiterarbeiten
zu können.“
Kathleen Adams
„Unbewusstes braucht das Licht des
Bewusstseins.
Bewusstsein braucht die Energie des
Unbewussten.
Schreiben erlaubt diesen Austausch.“
Marion Goodman
Johanna Kramer
Bachelor in International Business Communication,
Autorin und Schriftstellerin,
Zertifizierte Kursleiterin für Journal to the Self Workshops
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