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Mentaltraining – nur was für Sportler?

Ich erinnere mich noch ganz genau daran, als ich mich als Sportlerin entschieden habe, mit Mentaltraining anzufangen. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich eine „Trainingsweltmeisterin“, die ihr Potenzial nie dann abrufen konnte, wenn es „drauf ankam“. Immer wieder versagten meine Nerven. Irgendwann war ich es leid und beschloss, mich für ein Wochenendseminar „Mentaltraining“ anzumelden.

Einen Abend zuvor war ich noch auf einer Hochzeit und als ich mich recht zeitig verabschiedete und die Heimreise anbrach, fragte mich mein Tischnachbar, warum ich denn jetzt schon gehe? Ich sagte: „Ich gehe morgen auf ein Mentaltrainingsseminar.“ Er schaute mich irritiert an und wiederholte: „Metalltraining?“ Wir mussten beide lachen. Doch wenn ich jetzt so zurückdenke, hat Mentaltraining ja auch ein Stück weit damit zu tun, etwas zu bearbeiten und in Form zu bringen.

Was ist eigentlich Mentaltraining?

Laut Definition ist das mentale Training eine Vielfalt psychologischer Methoden, die folgende Ziele haben

  • soziale und emotionale Kompetenz
  • kognitive Fähigkeiten
  • Belastbarkeit
  • Selbstbewusstsein
  • Wohlbefinden

zu fördern und zu stärken.

Das Prinzip, das dahintersteckt, funktioniert folgendermaßen: Auf mentaler Ebene werden durch gezielte und sich ständig wiederholende gleiche Reize, verbunden mit starken Gefühlen, Trainingseffekte erzielt, die sich auf Körper, Geist und Gefühle auswirken und nachhaltig verbessern.

Mit mentaler Ebene werden die „Welt der Gedanken“ und/oder unterschiedliche Bewusstseinszustände bezeichnet, wie z. B.: der Zustand oder andere hypnotische Zustände, in denen die Personen Zugang zu ihrem Unterbewusstsein haben, um dort neue Abläufe, Verhaltensweisen etc. zu trainieren.

Somit nutzt Mentaltraining in erster Linie die bewusst gesteuerte Vorstellungskraft und die Macht der Gedanken, um sich auf allen Ebenen zu verbessern.

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass unser Gehirn keinen Unterschied macht, ob man sich etwas nur in Gedanken vor seinem inneren Auge vorstellt oder es physisch ausführt. Es werden dieselben Gehirnregionen aktiviert und somit neuronale Verbindungen aufgebaut. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das tatsächlich funktioniert. So konnte ich durch mentales Trainieren abends auf der Couch ganz entspannt, ohne zu schwitzen, meine Schießleistungen enorm verbessern und stabilisieren, meine Lauftechnik verfeinern und für mich der größte Effekt: auf den Punkt mein Leistungspozential abrufen.

Woher kommt Mentaltraining?

Eine landläufige Meinung ist es, dass Mentaltraining seinen Ursprung im Sport hat. Dem ist aber nicht so. Was allerdings stimmt, ist, dass das mentale Training durch den Sport Einzug und Fokus in unsere Gesellschaft erhalten hat.

In unserer Neuzeit nimmt die Raumfahrt die Vorreiterrolle ein, als sie mentale Trainingsprogramme erstellte, um ihre Astronauten gezielt auf die Zeit im Weltall vorzubereiten. Stellen Sie sich einmal einen Astronauten vor, der meilenweit von der Erde entfernt durchs Weltall schwirrt und plötzlich irgendeine mentale Blockade hat. Der kann nicht mal kurz zurück und sich eine Auszeit nehmen!

Somit trainierten die Astronauten auf der Erde sowohl ihre physischen als auch ihre psychischen Fähig- und Fertigkeiten, um topfit ins All zu starten.

Danach übernahm der Sport diese mentalen Techniken, um sich in seinem Metier weiterzuentwickeln. Mittlerweile hat das Mentaltraining in fast allen Lebensbereichen Einzug gehalten und ist in vielen Bereichen aufgrund seiner positiven Auswirkung nicht mehr wegzudenken.

Nun könnte man sich damit zufriedengeben und denken, dass Mentaltraining ein „neumodisches Tool“ unserer heutigen Zeit ist. Doch auch dem ist nicht so.

Mein Ausbilder sagte einmal: „Mentaltraining ist alter Wein in neuen Schläuchen.“ Warum? Aufzeichnungen zufolge haben selbst schon die Ägypter vor ihren Schlachten siegreiche Bilder visualisiert und sich vorgestellt, wie sie die Schlacht gewinnen.

Auch die alten Griechen nutzten bestimmte Memotechniken, um sich ihre umfangreichen Reden zu merken, und die griechischen Ärzte wie Hippokrates setzten verschiedene Methoden ein, um das Unterbewusstsein ihrer Patienten zu beeinflussen und den psychischen Zustand zu verbessern.

Auch in vielen anderen alten Hochkulturen gab es schon Formen des Mentaltrainings, die nach und nach den Wiedereinzug in unsere heutige Welt erhielten. Denken Sie an diverse Atemtechniken, Meditationen, Waldbaden, Achtsamkeitsübungen etc. Techniken, die im Mentaltraining eingesetzt werden, um die Ziele, die ich anfangs schon erwähnt habe, zu erreichen.

Auf den Sport bezogen (sportpsychologisch) unterstützt das mentale Training Bewegungsabläufe und trägt zur Selbstregulierung des Aktivierungsniveaus bei, um auf den Punkt sein volles Potenzial abrufen zu können. Des Weiteren wird die Aufmerksamkeitsregulation und -fähigkeit geschult, um immer bewusst bei der Handlung zu bleiben, ohne abzuschweifen. Realistische Selbsteinschätzung und -wirksamkeit gepaart mit der Regulation der „Selbstgespräche“ tragen dazu bei, realistische Ziele mit einem tiefen Selbstvertrauen zu erreichen.

„Was für den Sport gilt, gilt auch fürs Leben!“

Egal ob Angestellter (immer m/w/d), Sportler, Führungskraft oder Unternehmer; Mentaltraining kann in jedem Lebensbereich eingesetzt werden, um von der ein oder anderen Methode zu profitieren.

Denn wer möchte nicht gerne das zeigen und abrufen, was er kann? Wie schön ist es, entspannt und fokussiert zugleich durch den Tag zu gehen! Sein Leben bewusst so zu gestalten, dass es sich in ganz vielen Momenten gut anfühlt und wenn nicht, dass man über das richtige Handwerkszeug verfügt und es anzuwenden weiß.

Beispiele, wie Sie mentales Training in Ihrem Alltag einsetzen können

  • Entspannung durch Meditation oder Traumreisen, um den Stresslevel zu senken und sich mit Energie aufzutanken

  • Selbstbewusstsein durch Visualisierung des „perfekten IST-Zustandes“ verbunden mit einem intensiv erlebten Gefühl (so als ob Sie sich jetzt und hier schon in diesem IST-Zustand befinden), um das Selbstvertrauen zu stärken.

  • Kognition durch gezieltes „Gehirnjogging“, um sich immer wieder mit neuen und kniffligen Dingen auseinanderzusetzen, sich zu fordern und seine Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten

  • Achtsamkeit durch Atemübungen oder Yoga, um die Eigenwahrnehmung zu schulen, die Sinne zu schärfen und mehr Bewusstheit zu erfahren

Die Macht der Gedanken

Mental kommt von dem lat. mens und bedeutet geistig oder die Gedanken betreffend. Und sicherlich haben Sie auch schon von der Macht der Gedanken gehört. Doch wie oft unterschätzen wir unsere Gedanken, machen uns „keinen Kopf“ darüber und lassen unsere Gedanken einfach umherschwirren, ohne sie zu beobachten und bewusst wahrzunehmen. Unsere Gedanken beeinflussen unser Handeln und unser körperliches Befinden immens. Wie wir die Dinge um uns herum sehen, wahrnehmen, bewerten und wie wir damit umgehen.

Ob wir nur reagieren oder tatsächlich bewusst agieren. Das ist ein enormer Unterschied!

Die Qualität der Gedanken entscheidet über Ihr Wohlbefinden oder Ihr Unwohlsein

Machen Sie sich bewusst, dass ein erster Gedanke die Richtung vorgibt, bevor der nächste Gedankenzug folgt usw.

Somit trägt der Anfang entscheidend zum Ausgang bei. Und wenn Sie merken, dass Sie von Ihrem Weg abkommen, warten Sie nicht so lange, bis ein neuer Tag beginnt. Halten Sie an, orientieren Sie sich neu und leiten Sie die Richtungsänderung mit einem bewusst gewählten neuen Gedanken ein. Und dann geht´s los:

„Mit welchen Gedanken möchten Sie ab heute und an jedem neuen Tag Ihres Lebens starten?“

„Welche Gedanken möchten Sie ab sofort hinter sich lassen und gegen einen anderen Gedanken eintauschen?“

Tipp: Nehmen Sie z.B. mal einen anderen Weg oder „Umweg“ zu Ihrer Arbeitsstelle als sonst. Oder statt des Fahrstuhls das Treppenhaus. Oder vertauschen Sie Gabel und Messer beim Essen …

All diese „ungewohnten“ Handlungen starten in Ihrem Gehirn ein „Neuronen-und Synapsen-Feuerwerk“ und halten Sie mental fit.

„Dein Bewusstsein zieht Dinge wie magisch an!“ In diesem Sinne viel Spaß beim „Kopftraining“!

Simone Hauswald
Dipl.-Mentalcoach (CH),
Biathlon-Weltmeisterin und
-Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen

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