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Innere Teamaufstellungen für ein besseres Wohlbefinden

Das innere Team von Schulz von Thun ist eine Abwandlung der Parts Party, eine Methode der systemischen Familientherapie, die von Virginia Satir in den 1970er-Jahren entwickelt wurde. Verwandte Themen und Begrifflichkeiten sind z. B. Innere Anteile/ Persönlichkeitsanteile von C. G. Jung, Ego States von John und Helene Watkins oder das hypnosystemische Coaching von Gunther Schmidt.

Die innere Teamaufstellung unterstützt Menschen dabei, ein steuerndes und kooperierendes ICH und einen achtsamen Umgang mit sich selbst aufzubauen. Die verschiedenen Seiten werden dabei wie in einem Team mit Empathie, Wertschätzung und Kongruenz im Sinne von Carl Rogers behandelt. Ihre Ressourcen können zieldienlich für das gewünschte Erleben eingesetzt werden. Anwendungsgebiete reichen von Persönlichkeitsentwicklung, Coaching im privaten und beruflichen Kontext bis hin zu Behandlungsformen im psychotherapeutischen Praxisumfeld.

Die systemische konstruktivistische Denkweise, das heißt Kenntnisse über systemisches Verhalten, als auch der Umgang mit unterschiedlichen Wahrheiten sind hier hilfreich und geben dem Therapeuten eine relevante Basis für den erfolgreichen Umgang mit den Klienten (immer m/w/d).

Im Weiteren folgt ein kurzer Überblick über wesentliche systemische und konstruktivistische Elemente und Eigenschaften:

Wir leben in offenen Systemen, die bestimmten Eigenschaften folgen.

Diese Eigenschaften sind nicht nur Grundlage für die Systeme, in denen wir leben, z. B. Familie, Firma, soziales Umfeld, sondern auch für das Funktionieren unseres inneren Teams.

1. Ganzheit: Einer kann alle beeinflussen.

2. Zirkularität: Alles ist miteinander verbunden.

3. Emergenz und Kontingenz: Das System ist mehr als die Summe seiner Bestandteile und die Bestandteile sind komplex.

4. Sichtbarkeit: Man kann nicht nicht kommunizieren.

5. Wirklichkeitskonstruktionen: Die Welt ist komplex. Jedes Element der Gruppe selektiert Daten und baut sich seine Wirklichkeitskonstruktion.

6. Beziehungsregeln: Es wird Muster geben, immer! Aus der anfänglichen Mannigfaltigkeit entwickelt sich Einschleifung/Sparsamkeit.

7. Eskalation: Konflikte sind vertiefend: „Versteh mich doch endlich (laut)“.

8. Akquifinität: Verschiedene Anfangszustände führen zu identischen Endzuständen (solange das grundsätzliche Verhaltensmuster beibehalten wird).

9. Gruppenhomöostase: Störungen/ Änderungen im Verhalten werden zurückgeführt auf einen bekannten stabilen Zustand (Delinquent kehrt in seine frühere Sozialumgebung zurück).

10. Kalibrierung und Stufenfunktion: Verlässt ein Gruppenmitglied das stabile Verhaltens- oder Kommunikationsmuster, wird das System instabil.

Der Konstruktivismus basiert auf Komplexität, Selektion und der Abkehr von „Wahrheit“ hin zu „Brauchbarkeit“.

Die Welt ist komplex. Es gibt unendlich viele Reize, die wir jeden Tag zu verarbeiten haben. Mit dieser Komplexität können wir nur umgehen, indem wir kategorisieren, vereinfachen, Modelle bauen, selektieren. Wir trennen Informationen von Desinformationen. Wir Menschen haben auch eine unterschiedliche Genetik, Biologie und unterschiedliche Erziehung erlebt. Wir haben zudem alle unterschiedlichste Erfahrungen mit der Umwelt gemacht.

Die Folgerung ist, dass wir ein unterschiedliches Bild von der Welt haben, im Fachjargon Wirklichkeitskonstruktion genannt.

Wenn wir über ein Thema mit einer anderen Person sprechen, so müssen wir unsere „Wahrheit“ erklären und miteinander austauschen: weg von unserer Wahrheit hin zu einer gemeinsamen Brauchbarkeit, einem gemeinsamen Verständnis. Systemik und Konstruktivismus helfen uns bei der Betrachtung der inneren Teamaufstellung.

Die Idee der Aufstellung ist, die Eigenschaften von offenen Systemen auf das innere Team zu übertragen (s. Abb.).

Die Abb. zeigt das soziale System (Extra-System) und das innere Team (Intra-System). Das innere Team repräsentiert dabei die Vertreter des ICH, die den Klienten steuern. Dabei sollte das Team die Aufgabe haben, mit dem Klienten so umzugehen, dass es ihm gut geht, er mit „beiden Beinen fest im Leben steht“ und seine Persönlichkeit im Sinne einer gesunden Selbstverwirklichung weiterentwickeln kann. Jeder Klient hat sein individuelles Team. Mitglieder des Teams werden zudem individuell benannt und haben individuelle Eigenschaften. Auch können Teammitglieder dem Klienten bekannt sein oder sich im unbewussten Teil der Wahrnehmung befinden.

Im pathologischen, besonders im Trauma-Kontext, zeigt sich z. B. ein „Beschützer“, der die Notleine reißt, z. B. als Panik oder Dissoziation, um den Klienten zu schützen. Oder es werden Verhaltensmuster entwickelt, sog. Modi Vivendi. Das sind Anpassungsleistungen, die z. B. aufgrund von Erfahrungen in der Kindheit erfolgen und das Überleben des Klienten gesichert haben. Diese finden sich im Hier und Jetzt immer noch wieder.

Diese Anpassungsleistungen können nicht hoch genug wertgeschätzt werden, da in einem früheren Kontext dies vielleicht dem Klienten das Überleben gesichert hat (z. B. Flucht). Was damals höchst funktional war, kann heute eher dysfunktional sein, da der der Klient älter geworden ist oder sich das Umfeld geändert hat.

Das Extra-System und Intra-System

Systemisch konstruktivistische Fragetechniken können dem Klienten helfen, neue Perspektiven zu entwickeln (s. Abbildung).

Es ist die Aufgabe des Therapeuten, durch das Aufzeigen neuer Sichtweisen seinem Klienten einen Unterschied anzubieten, der für ihn eine Bedeutung hat. Der Klient erlangt neue Erkenntnisse über sein eigenes inneres Team und hat nun die Möglichkeit, die Handlungsweise seines Teams und somit seine Handlungsmuster zu verändern, sodass sie im Hier und Jetzt hilfreicher sind.

Erinnern wir uns: Das innere Team soll den Klienten dahingehend unterstützen, sich aktualisieren zu können, sich gesund im Rahmen der eigenen Selbstverwirklichung weiterzuentwickeln.

Der Klient muss als Teamlead sein inneres Team so steuern, dass es dem Klienten im Hier und Jetzt hilfreich ist.

Es ist wie in einer Firma. Wenn das Team einer Firma nicht die Ziele der Firma erfüllt, muss der Chef das Team reorganisieren, damit es die gewünschte Aufgabe besser erfüllen kann.

Das bedeutet, dass zukünftig einige Teammitglieder mit anderen Teammitgliedern zusammenarbeiten sollten oder das neue Rollen eingeführt und mit neuen Teammitgliedern besetzt oder die Aufgaben bestehender Teammitglieder geändert werden.

Im traumatherapeutischen Kontext muss der Therapeut darauf achten, dass einige Teammitglieder „Tarnkappen“ aufhaben können. In der Ego State Therapie von John und Helene Watkins werden sog. Introjekte beschrieben. Dabei werden Werte und Normen von außen eingebracht und vom Klienten in Form eines Abwehrverhaltens internalisiert. Das Introjekt muss dann ggf. umbewertet, in hilfreiche und nicht hilfreiche Aufgaben aufgeteilt werden.

Die Umbewertung kann und muss somit im Rahmen der Teamreorganisation entsprechend berücksichtigt werden. Die Umbewertung ist dabei ein wesentlicher Aspekt, da das bloße Aussperren von Introjekten im Hier und Jetzt von nicht hilfreichen Teammitgliedern häufig dazu führt, dass diese wieder auftauchen.

Die innere Teamreorganisation ist ein Prozess und stellt einen Lernvorgang dar.

Im Traumamodell von Hans-Joachim Görges und Lydia Handtke spricht man von Erfahrungen, die nicht mit Ort und Zeit abgespeichert werden, in Form von Flashbacks vor das geistige Auge treten und den Klienten Emotionen und Körpersensationen erleben lassen, die er schon früher erlebt hatte.

Diese Erlebnissplitter, „rote Karten“ genannt, müssen relokiert, d. h. mit Ort und Zeit versehen und im Gedächtnis abgespeichert werden. So können die Flashbacks und damit das Trauma in das Bewusstsein integriert werden.

„Rote Karten“ müssen rechtzeitig erkannt und immer und immer wieder relokiert werden. Hierzu bieten Görges und Handtke eigene Formate, wie die Relok-Karte oder Original und Fälschung an. Übersetzt in die Darstellung mittels des inneren Teams heißt das, es müssen immer und immer wieder die Teamreorganisation und das Befinden des inneren Teams überprüft werden.

Team-Stand-ups helfen, Problemstellungen im inneren Team aufzudecken, sodass der Teamlead, also der Klient, Maßnahmen durchführen kann, damit das innere Team weiterhin noch hilfreicher den Klienten im Hier und Jetzt unterstützen kann.

Ein Team-Stand-up kann die Stimmung im inneren Team und damit Probleme aufdecken und beheben.

Hierzu nimmt der Klient regelmäßig Kontakt zu seinen Teammitgliedern auf und fragt sie nach deren Befinden.

1. Was lief bisher gut?
2. Was lief bisher nicht so gut?
3. Wen oder was benötigst du, damit es besser läuft? Kleinere Probleme können somit sofort vom Klienten erkannt und behoben werden, größere Problemstellungen im Team können in der nächsten Sitzung mit dem Therapeuten oder Coach angegangen werden.

Es sollte in jedem Stand-up eine Maßnahme erkannt werden, die für das Team und damit für den Klienten hilfreich ist und umgesetzt werden kann.

Mit diesem Reflexionsformat hat der Klient die Chance einer stetigen, iterativen Verbesserung seiner Situation. In der Praxis hat sich gezeigt, dass derartige Iterationen mehrfach stattfinden.

Die Nutzung von Bodenankern stellt für die Teamreorganisation ein hilfreiches Format dar.

Es sei bemerkt, dass die Nutzung von Bodenankern für die innere Teamreorganisation ein Verfahren ist, das dem Klienten erlaubt, das aktuelle Team aus seiner persönlichen Sicht aufzustellen.

Dabei spielen die Position der inneren Teammitglieder als auch die Entfernung zueinander eine relevante Rolle. Die Einführung eines „Beobachters“ als auch eines „Weisen“ geben ihm zusätzlich die Möglichkeit, sein System von außen zu betrachten und sich aus seinem eigenen Erfahrungsschatz zu beraten.

Der Klient nimmt mit jedem inneren Teammitglied Kontakt auf, wertschätzt es und gibt ihm Raum, frei sprechen zu können. Teammitglieder können auch in Kommunikation treten. Diese Form des Rollentausches liefert unterschiedlichste Perspektiven.

Der Coach oder Therapeut kann sich sogar mit dem Teammitglied über den Klienten als Medium unterhalten und systemisch konstruktivistisch arbeiten. Eine anschließende Transkription des Gesprächs hilft dem Klienten, die Aussagen seiner eigenen Teammitglieder zu bewerten.

Die Reorganisation des Teams erfolgt durch das Umlegen der Bodenanker. Dieses findet während der Gespräche mit den Teammitgliedern oder nach Darstellung durch den Beobachter oder Weisen statt.

Im nachfolgenden Prozess des Stand-ups können die Bodenanker ebenfalls eine Hilfe für den Klienten darstellen. Abschließend möchte ich betonen, dass die Verbindung der hier vorgestellten Formate im Coaching und auch im therapeutischen Umfeld sehr hilfreich sein können.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Formate sehr wohl ein Hilfsmittel in Coaching und Therapie darstellen. Jedoch sollten zu jeder Zeit der Coach als auch der Therapeut im Therapiekontext entsprechende Erfahrungen aufweisen, insbesondere im Umgang mit traumatisierten Klienten. Jedes Gespräch und jedes Format ist eine Form der Intervention, für die der Therapeut die Verantwortung trägt.

Zudem ist für Coach oder Therapeut im gesamten Prozess eines wichtig: Er hat keine Fernbedienung für den Klienten. Er ist kein Berater, der dem Klienten die „Welt erklärt“, wie sie aus seiner Sicht sein sollte. Er ist Katalysator und Wegbereiter für den Klienten, der als Experte seiner Problemstellung seinen eigenen Weg findet und auch gehen muss. Der Therapeut kann eine Tür öffnen, durchgehen muss der Klient aber selbst.

Weitere Informationen und Literaturempfehlungen erhalten Sie beim Autor.

Dr. rer. nat. Knut Menzel
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis Neue Wege,
für Coaching, Training und Psychotherapie, Gütersloh

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