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Suizid erkennen und vorbeugen

In den letzten Jahren sind die Hilfsangebote für Menschen mit Suizidgedanken gestiegen. Dennoch gehört der Suizid weiterhin zu den häufigsten Todesursachen hierzulande. Was kann man tun?

Auch wenn sich in den letzten Jahren rund um das Thema Suizid in puncto Organisationen und Hilfsangebote viel getan hat, so ist es nach wie vor ein Thema, über das wenig gesprochen wird. Dennoch gibt es sie, die Menschen, die aus einer inneren Verzweiflung heraus darüber nachdenken, ihr Leben selbst zu beenden.

Manche möchten vermutlich aus Scham nicht darüber reden und auch keine Hilfe annehmen. Andere haben sich, bevor sie die Entscheidung getroffen haben, vielleicht noch einem Angehörigen gegen- über geöffnet oder waren bei einem Arzt bzw. Psychotherapeuten. Es hat sie von dem Entschluss, Selbstmord zu begehen, aber nicht mehr abgehalten.

Durchforscht man das Internet, so gibt es Beiträge darüber, dass Suizidäußerungen auch manchmal nicht ernst genommen werden. Denn in einigen Fällen bleibt es bei (teilweise mehrfachen) Drohungen. Leider ist das aber nicht immer so.

Ein Blick in die Statistik

Statistisch betrachtet sieht es heutzutage besser aus als noch Anfang der 1980er-Jahre. Zu der Zeit haben rund 18 451 Menschen den Freitod gewählt. Heute liegt die Zahl bei ca. 9 215 Fällen pro Jahr. Sie hat sich also halbiert. Was wohl auch an der Aufklärung sowie den gestiegenen Therapieangeboten liegt. Trotzdem ist die Zahl hoch.

Denn es sterben – laut therapie.de – mehr Menschen pro Jahr durch Selbstmord „als durch Verkehrsunfälle, Drogen, Morde und Aids zusammen“. Der Suizid zählt damit weiterhin zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland.

Gibt es Menschen, die als besonders suizidgefährdet gelten?

Laut Statistik sind es viermal mehr Männer, die sich das Leben nehmen. Bei Frauen bleibt es häufiger bei Versuchen. Die Zahl der Suizidversuche ist 10- bis 100-mal höher als der tatsächliche Suizid.

Das Alter spielt ebenfalls eine Rolle: Es wählen am häufigsten ältere Menschen zwischen 75 bis 85 Jahren den Freitod. Eine traurige Entwicklung ist, dass die Suizidrate bei Kindern und Jugendlichen ansteigt.

Zu den Berufsgruppen, die am meisten betroffen sind, zählen u. a. Ärzte, Rechtsanwälte, Psychiater und Psychologen (immer m/w/d). Außerdem gibt es verschiedene Risikofaktoren, die Suizidgedanken begünstigen können. Das sind z. B. psychische Erkrankungen, wie Depressionen, bipolare Störungen, verschiedene Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie und Suchterkrankungen. Auch traumatische Erlebnisse und Lebenskrisen können Suizidgedanken hervorrufen, ebenso wie schwere, unheilbare körperliche Erkrankungen.

Darüber reden kann helfen

Auch wenn es bei einem Suizidversuch bleibt, ist dieser unbedingt ernst zu nehmen. Es gilt: Lieber einmal zu viel hinschauen, Hilfsangebote aufzeigen und ggf. den Rettungsdienst rufen, als einmal zu wenig. Denn in den meisten Fällen wurde vor einem Suizid bereits ein Versuch unternommen.

Laut dem österreichischen Psychotherapeuten Walter Pöldinger gibt es verschiedene Phasen, die ein Mensch mit Suizidgedanken durchläuft und anhand derer sich Suizidabsichten erkennen lassen:

– Erwägung: Suizid wird gedanklich in Betracht gezogen. Oft aufgrund einer krisenhaften Lebenssituation.

– Ambivalenz: Betroffene sind häufig hin und her gerissen und äußern in diesem Stadium oft auch Hilferufe. Der Suizid wird so direkt oder indirekt angekündigt. Wird die Gefahr rechtzeitig festgestellt, kann dem Suizid durch entsprechende Krisenintervention hier noch vorgebeugt werden.

– Entschluss: In diesem Stadium haben die Betroffenen ihren Entschluss zum Selbstmord getroffen. Häufig wirken sie nun deutlich ruhiger und entspannter als zuvor, was fehlgedeutet werden kann. Nicht umsonst spricht man auch von der „Ruhe vor dem Sturm“. So sind die Gedanken in diesem Stadium nun auf den Suizid eingeengt und die Menschen sind selbst nicht mehr in der Lage, ihre persönliche Situation realistisch einzuschätzen.

Für die Außenwelt sind sie dann kaum noch erreichbar. Sie müssen dann, gegebenenfalls auch gegen ihren Willen, so schnell wie möglich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Dafür ist der sozialpsychiatrische Dienst der jeweiligen Stadt oder die Polizei zu verständigen.

Auch wenn ein Betroffener sich freiwillig in die Klinik begibt, sollte er dabei nicht alleingelassen werden. Zu groß ist die Gefahr, dass er sich auf dem Weg dorthin etwas antut. Auch hier sollte unbedingt der Rettungsdienst verständigt werden.

Bei Suizidverdacht ist es wichtig, dies offen und möglichst ruhig anzusprechen – sowohl im privaten als auch im therapeutischen Umfeld. Entgegen der Befürchtung verspüren die meisten Betroffenen sogar Erleichterung darüber, dass sie über das Thema sprechen können, das sie so stark beschäftigt. Sie fühlen sich gesehen.

Es gibt Fragen, die den Einstieg in solch ein Gespräch erleichtern

  1. Du machst gerade viel durch. Hast du in dieser Situation schon mal darüber nachgedacht, ob es besser wäre, nicht mehr am Leben zu sein?
  2. Hast du noch Hoffnung, dass es wieder besser wird? Oder denkst du daran, dass du lieber nicht mehr leben möchtest?
  3. Gibt es etwas, was dir gerade Hoffnung gibt, dass es wieder besser wird und dass dich davon abhält, dein Leben beenden zu wollen?

Vorbeugen bei akuter Suizidalität

Vorbeugen lässt sich einem Suizid durch eine sofortige therapeutische Krisenintervention. Das nahe Umfeld sollte einbezogen werden, um der gedanklichen Einengung entgegenzusteuern. Der Fokus sollte auf dem aktuellen Konflikt sowie der Stabilisierung des Betroffenen liegen. Die Einbeziehung des Umfelds kann gegen eine soziale Isolierung helfen.

Es sollten z. B. Pläne erstellt werden, um die nächsten Stunden, Tage und Wochen zu gestalten und so aufzuzeigen, dass ein unbedingtes Weiterleben erforderlich ist. Auch ein „Non-Suizid-Vertrag“, in dem der Betroffene verspricht, sich über einen fest definierten Zeitraum nichts anzutun, kann geschlossen werden.

Für die Krise, die zur Suizidalität geführt hat, sollten konkrete Hilfen erarbeitet werden. Da die Betroffenen meist unter einem stark verminderten Selbstwert sowie Schuldgefühlen leiden, sollte vor allem das Ich gestärkt werden (in diesem Stadium nicht versuchen, etwas aufzudecken). Eine engmaschige Betreuung ist wichtig.

Auch nach Abwendung der akuten Krise sollte den Betroffenen weitere psychotherapeutische Begleitung angeboten werden. Ebenfalls wichtig: Auch nahestehende Personen von suizidalen Menschen sollten sich nicht scheuen, bei Bedarf und zu ihrer eigenen Entlastung Hilfsangebote anzunehmen.

Sollten Sie oder ein Mensch aus Ihrem Umfeld unter Suizidgedanken leiden, wenden Sie sich bitte an eine der folgenden Stellen:

Telefonseelsorge (24 Stunden erreichbar): 0800 /111 0 111

Ärztlicher Notdienst (außerhalb der Sprechdienstzeiten): Telefon 116 117

Psychiatrische Klinik nahegelegener Krankenhäuser (die Notaufnahmen sind 24 Stunden besetzt)

Behandelnder Arzt/Psychiater/Psychotherapeut (innerhalb der Sprechzeiten)

Im Akutfall verständigen Sie bitte umgehend den Sozialpsychiatrischen Dienst Ihrer Stadt (innerhalb der Öffnungszeiten möglich), die Polizei oder den Rettungsdienst (immer erreichbar, Telefon 112).

Die Suizidgefährdeten sollten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte möglichst nicht mehr allein gelassen werden.

Bitte nehmen Sie als Betroffener Hilfsangebote an und sprechen Sie darüber, was Sie belastet.

Vanessa Kämper, M. A.
Redakteurin, Heilpraktikerin für Psychotherapie,
„Gefühlssprechstunde“ – Praxis für Persönlichkeitsentwicklung

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