Ich lasse DEINES bei dir Schluss mit toxischen Beziehungen und Co-Abhängigkeit
Jeder Mensch hat seine eigenen Wünsche, Prioritäten, Bedürfnisse und vielleicht auch eine Vision. Wir sind hier auf der Erde, um das, was uns wichtig ist, persönlich, aber auch für das Kollektiv, für die Tiere, die Natur, die Menschen oder was auch immer uns anrührt und bewegt, zu verwirklichen.
Das würden wir wirklich gerne tun, wären da nicht die anderen. Die, die uns immer wieder ablenken, weil sie uns brauchen oder ihr Leben ohne uns nicht auf die Reihe bekommen. Die Freundin, deren Liebesleben jeden Abend durchgekaut werden muss. Der Partner, dessen berufliche Situation schwierig ist und dem du helfen willst. Die Mutter, die ständige Anrufe erwartet. Und natürlich in Wahrheit die eigene Scheu, Nein zu sagen und sich Raum zu verschaffen. Genau den Raum, den wir brauchen, um unsere eigenen Wünsche, Visionen und Träume in Taten umzusetzen. Wir verschenken die Zeit, die Ruhe, die Muße, die wir brauchen, um uns um unsere emotionalen und auch spirituellen Bedürfnisse zu kümmern, die erfüllt werden müssen, damit unsere mentalen und emotionalen Ressourcen nicht zur Neige gehen. Warum machen wir das? Warum ballert man sich sein eigenes Leben so mit den Ansprüchen anderer zu, dass für die eigenen Pläne oder auch nur für die eigene innere Ruhe keine Zeit und keine Energie mehr bleiben? Wie kommen wir auf die Idee, es wäre sinnvoll, sich so sehr um die Belange anderer zu kümmern, dass wir heimlich grollend und unzufrieden mit uns selbst zurückbleiben? Schon wieder nicht Nein gesagt, weil die Schuldgefühle zu übermächtig waren – wollen wir wirklich so leben? Hat dieser Wahnsinn etwa Methode? Ja, hat er! Eine wohldurchdachte!
Wenn wir uns mit den Themen anderer beschäftigen, vermeiden wir erfolgreich, uns selbst zu spüren. Was würden wir denn fühlen, wenn wir uns fühlen könnten? Insbesondere wäre da die Beziehungslosigkeit zu uns selbst. Wir setzen die Beziehung zu anderen an die Stelle, an der die Beziehung zu uns selbst sein müsste.
Wenn wir es schamanisch ausdrücken würden, weil das als Bild sehr eindrucksvoll ist, dann könnten wir uns einmal vorstellen, unser Inneres wäre wie ein Medizinrad. Ein Medizinrad sieht aus wie ein Kompass mit den Himmelsrichtungen Norden, Süden, Westen, Osten und mit einer Mitte. Die verschiedenen Himmelsrichtungen stehen für bestimmte Elemente, diese wiederum für unsere Kräfte und Ressourcen.
Das Wasser steht für die Gefühle und den inneren Frieden, die Erde für die Fruchtbarkeit und für den Körper, auch für unsere Widerstandskraft. Das Feuer steht für die Tatkraft und für das, wofür wir brennen. Die Luft steht für unsere Visionen, Gedanken und unsere Kommunikation. Die Mitte, das sind wir, das ist unser Bewusstsein und auch unsere Verbindung zu unserer Seelenkraft.
Sind wir gefangen in den Bedürfnissen anderer, dann ist es so, als stünden wir in den Elementen von deren Medizinrädern statt in unserer eigenen Mitte. Unsere Kräfte dienen den Anliegen anderer.
Wir ermüden unsere Tatkraft, indem wir ständig für andere einspringen.
Wir verschwenden unsere emotionale Kraft, weil wir Schuldgefühle haben, wenn wir nicht zur Verfügung stehen, und weil wir uns viel zu sehr mit den emotionalen Anliegen anderer befassen.
Wir werden mental und auch körperlich kurzatmig, weil unser Element Luft, das unsere Gedanken klären und unsere bewusste Kommunikation erfrischen sollte, mit den Gedanken und den Sorgen anderer verschmutzt ist.
Wir erschöpfen unseren Körper, unser Element Erde, weil wir unsere Ressourcen, sei es Geld, sei es Fürsorge, sei es sogar unsere Gesundheit, für andere zur Verfügung stellen.
Wir geistern in den Gefilden anderer herum, statt uns da aufzuhalten, wo wir hingehören, in unserer eigenen Mitte.
Heißt das, wir sollen von nun an egoistisch werden und uns nur um uns selbst kümmern? Wenn du diese Frage stellst, dann ist das ein Hinweis darauf, dass du co-abhängig sein könntest.
Ein emotional selbstfürsorglicher Mensch weiß, dass er selbstverständlich auch für andere da sein kann und will. Wir sind soziale Wesen. Natürlich sind wir für andere da. Aber nicht ausschließlich und schon gar nicht, weil wir uns darüber definieren, edel, hilfreich und gut für andere und nur für andere zu sein.
Wir haben, sind wir emotional gesund, die Wahl. Wir können Ja sagen. Wir können aber auch freundlich und höflich Nein sagen, ohne uns dabei schlecht zu fühlen. Wir wissen, dass wir, wenn wir die Welt retten wollen, zunächst bei uns selbst anfangen müssen, denn sonst ist zwar anderen geholfen, uns aber nicht und damit entsteht ein echter Mangel.
Sind wir co-abhängig, haben wir keine Wahl. Wir müssen JA sagen, wenn wir gebraucht werden oder uns gebraucht fühlen. Wir gehen sogar so weit, dafür zu sorgen, dass wir gebraucht werden, weil wir nicht wissen, wer wir sind, wenn wir auf uns selbst zurückgeworfen werden. Wir sehnen uns danach, endlich Zeit für uns selbst zu haben, und machen uns doch gleichzeitig unentbehrlich, weil „Unentbehrlichkeit“ unsere emotionale Komfortzone bildet. Einmal nicht gebraucht zu werden, tatsächlich Zeit für uns selbst zu haben, macht uns eine solche Angst, lässt uns in ein solches Vakuum blicken, dass wir uns schleunigst wieder neue Aufgaben suchen. Unbewusst natürlich, damit wir es selbst nicht merken, wie groß und schmerzhaft der Abstand zwischen uns selbst und unserem wahren Ich ist. Nur manchmal, da spüren wir, dass wir an unserem Leben vorbeileben, dass wir ständig den Karren anderer ziehen, statt unseren eigenen Wagen zu lenken. Weil das so wehtut, laden wir uns noch ein bisschen mehr auf.
Du kannst sehr einfach erkennen, ob du in einer Beziehung gesund agierst oder nicht.
In einer gesunden Beziehung tust du für den anderen das, was er selbst nicht für sich tun kann. Nur das. Und auch nur dann, wenn du es willst – außer in Notfällen, doch die sollten die Ausnahme bleiben. In der Co-Abhängigkeit tust du das, was der andere will. Auch das, was er für sich selbst tun sollte und könnte. Egal, wie es dir dabei geht.
Besonders, wenn du als Kind in Schwierigkeiten kamst, Liebesverlust erlitten hast oder bestraft wurdest, wenn du deinen eigenen Kopf hattest, hast du nie gelernt, dass dich die Bindung zu dir selbst nährt und dir guttut. Diese Bindung, das Wissen um deine eigenen Bedürfnisse und die Fähigkeit, sie zu erfüllen, bildet jedoch die Grundlage für reife, selbstverantwortliche und gelingende Beziehungen auf Augenhöhe. Und sie ist die Grundlage dafür, dass du wirklich lieben kannst, statt co-abhängig zu sein.
In der Co-Abhängigkeit unterstützt du das schädigende Verhalten eines anderen und beschützt ihn vor den emotionalen Folgen seiner eigenen Entscheidungen.
Du sorgst durch dein Beschwichtigen und dein Abwiegeln dafür, dass der andere nicht fühlen muss, wie verletzend und unzumutbar er sich verhält. Warum machst du das? Weil du dich über die Beziehung zu ihm spürst, nicht über die Beziehung zu dir selbst.
Du verleugnest, beschönigst, rechtfertigst und vertuschst das toxische, dich ausnutzende und/oder verletzende Verhalten eines anderen. Du trägst das ungesunde emotionale System eines anderen mit, und zwar auf Kosten deiner Gesundheit und deines Wohlbefindens.
Die Angst, vom anderen verlassen zu werden, ist so immens, dass du dich lieber selbst verlässt. Du hältst den anderen in Abhängigkeit, indem du alles für ihn tust. Du kontrollierst ihn durch deine Bereitschaft, seinen Bedürfnissen zu Diensten zu sein, und du schaffst zusammen mit ihm eine Scheinwelt, die du nach außen hin bis zur völligen sozialen Isolation verteidigst. Du wendest dich von Freunden ab, die deine Lügen nicht glauben. Du vergräbst dich zu Hause. Du verteidigst vehement die scheinbar funktionierende Welt, die du aufgebaut hast.
Co-Abhängige nehmen sich selbst fast nur über die Beziehungen zu anderen wahr, seien diese gut oder schlecht, die Hauptsache ist, es gibt überhaupt eine Art Beziehung. Wenn du noch nicht sicher bist, ob du co-abhängige Verhaltensmuster zeigst oder nicht, dann achte auf Folgendes. Süchtiges Verhalten wird als unabweisliches Verlangen nach einem Stoff (Alkohol, Drogen etc.) oder einer Handlung, die dich im Übermaß nachweislich schädigt (Glücksspiele spielen, nicht Nein sagen können, arbeiten etc.) und die du dennoch nicht lassen kannst, beschrieben. Diese Unabweisbarkeit, die eine Sucht auszeichnet, entsteht durch ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn du deinen Stoff oder dein süchtiges Verhalten weglassen willst. Dieses sehr unangenehme Gefühl, das dich dazu bringen will, doch wieder dein süchtiges Verhaltensmuster auszuagieren (deshalb ist es ja eine Sucht und nicht nur eine Angewohnheit) nennt sich „Suchtdruck“. Er muss sehr unangenehm sein, weil seine Aufgabe ist, dich dazu zu bringen, z. B. doch wieder zur Flasche zu greifen oder dich co-abhängig zu verhalten. Der Suchtdruck der Co-Abhängigkeit ist das Schuldgefühl. Wenn du also starke Schuldgefühle hast, wenn du dich um dich selbst kümmern willst, statt für die Bedürfnisse anderer, erwachsener Personen parat zu stehen, dann könnte es sein, dass du coabhängig bist. Das ist ein tiefsitzendes emotionales Verhaltensmuster, das du nicht über Nacht loswirst. Suche dir bitte Hilfe (auch für Österreich und die Schweiz): www.coda-deutschland.de
Der Schlüssel zu deiner inneren Freiheit ist, die Beziehung zu dir selbst herzustellen, indem du die ungesunden Anteile deiner Beziehungen nicht mehr erfüllst. Du musst niemanden zurücklassen, den du liebst und mit dem eine gesündere Beziehung möglich ist. Etwas allerdings musst du loslassen, und das ist schwer genug: die Kontrolle über den anderen. Indem du wie bisher nicht sagst, was du willst und fühlst, manipulierst du die Gefühle des anderen.
Wie könntest du das tun? Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass du womöglich den Kampf um Liebe mit Liebe verwechselst.
Wenn du dich nicht um dich kümmerst, dann tut es keiner – deshalb sei selbst der Mensch für dich, den du so sehr brauchst, und alles ist gut.
Wenn du das erkannt hast, dann wirst du bereit, den Kampf um die Liebe, Anerkennung oder das Wohlwollen des anderen aufzugeben. Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen, sonst wäre das längst geschehen. Es ist sehr wichtig, dass wir das verstehen und fühlen: Den Kampf um Liebe können wir nicht gewinnen, weil sich Liebe nicht erstreiten, erbetteln, erkaufen oder herbeihelfen lässt.
Weil es sich bei der Co-Abhängigkeit um ein Thema in der Beziehung zu dir selbst handelt, wenden wir uns sinnvollerweise mithilfe einer inneren Reise nach innen.
Den Kampf um Liebe aufgeben
Mach es dir bequem, während du den Text liest. Lies ihn erst durch und schließe dann deine Augen oder lasse ihn dir vorlesen. Stelle dir vor, du gehst durch ein Tor in deine innere Welt. Sie sieht aus wie eine wunderschöne Landschaft und du fühlst dich sicher und frei. Während du in dir selbst spazieren gehst, wird dir bewusst, dass du tatsächlich um Liebe und Anerkennung oder auch nur darum, überhaupt gesehen zu werden, kämpfst. Dir wird bewusst, dass es einen inneren Anteil geben muss, der diesen Kampf ausficht, und du wirst bereit, diesen inneren Anteil zu treffen.
Jetzt siehst du eine Art Kampfarena oder einen Boxring. Hier kämpft ein Anteil von dir mit einem Gegner um Liebe und um Anerkennung, vielleicht auch um Freiheit und darum, seinen, also deinen, eigenen Weg gehen zu dürfen.
Du kommst näher und erkennst immer deutlicher, mit wem dein innerer Anteil kämpft. Dir wird bewusst, worum er kämpft, und du bemerkst, dass du diesen Kampf nicht gewinnen kannst. Du erkennst auch, welche Waffen du benutzt, um den Kampf doch noch zu gewinnen: Kluge Worte, Vermeidung, es anderen recht machen, Argumentieren, übermäßiges Helfen... welche sind deine Waffen?
Gehe jetzt zum kämpfenden Anteil. Sage ihm: „Ich bin jetzt da, ich sehe dich, ich höre dich und ich nehme dich wahr. Du gehörst zu mir und ich kümmere mich um dich.“ Nimm dem Kämpfer in dir die Waffen aus der Hand und spüre, wie erschöpft er ist. Führe den inneren Anteil aus der Kampfarena. Lass die Waffen einfach liegen. Schau zum Gegner und sage ihm: „Du hast gewonnen“, dann geh mit dem inneren Anteil durch ein goldenes Tor. Hinter dem Tor erwartet euch ein goldenes Licht, das euch beide durchströmt. Es gibt dem bislang kämpfenden Anteil alles, was er sich erhofft und ersehnt hat. Das goldene Licht enthält alles, was dieser Anteil so dringend braucht, einfach so, es wird ihm geschenkt. Bleib noch ein wenig in dem Bild und sieh, wie der bislang kämpfende Anteil vom Licht genährt wird. Komm mit diesem inneren Bild in den Raum zurück, in dem du dich befindest.
Wann immer du von nun an Schuldgefühle bekommst, weil du dich um dich selbst kümmern willst, stelle dir vor, dass der Teil in dir, der durch Helfen Liebe erkämpfen wollte, von goldenem Licht durchströmt wird. Liebe andere, so viel du willst, und sei für sie da. Und gleichzeitig liebst du dich im Zweifelsfalle noch ein kleines bisschen mehr. Das ist nicht egoistisch, sondern selbstverantwortlich. Du bist für dich verantwortlich, nur du.
Wenn du dich nicht um dich kümmerst, dann tut es keiner – deshalb sei selbst der Mensch für dich, den du so sehr brauchst, und alles ist gut.
Buchtipp
Susanne Hühn: Ich lasse DEINES bei dir. Schluss mit toxischen Beziehungen und Co-Abhängigkeit. Schirner Verlag
Susanne Hühn ausgebildete Lebensberaterin, ganzheitliche Physiotherapeutin, Autorin kontakt@susannehühn.de