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Vom Missverständnis zum Verständnis

Die wichtigsten Komponenten erfolgreicher zwischenmenschlicher Kommunikation und wie wir sie effektiv einsetzen.

Worte verfügen über große Macht! Sie können ermutigen, verletzen, Freude schenken, Liebe zum Ausdruck bringen und im Extremfall sogar Kriege veranlassen. Uns allen ist dies bewusst und doch vergegenwärtigen wir uns diese Tatsache nur selten. Kurzum: Worte können aufbauen und zerstören. Wie aber ermöglichen wir es uns, die Kommunikation achtsamer zu nutzen, um ungewollte negative Auswirkungen zu vermeiden?

 

Jeder von uns erinnert sich gewiss mindestens an eine private oder berufliche Situation, in der ein zunächst harmloses Gespräch unerwarteterweise eskalierte. Nicht selten schaukeln wir uns innerhalb solcher Konflikte gegenseitig mit unserem Gesprächspartner (immer m/w/d) hoch. Die Fronten und auch unsere Herzen verhärten sich unterdessen – bis schlussendlich sprichwörtlich „gar nichts mehr geht“. Wenn wir uns in Rage reden, realisieren wir selten, dass womöglich der nun entstandene Unfrieden auf einem Missverständnis fußt. Häufig ergeben sich aus derartigen Situationen jedoch nicht unerhebliche Konsequenzen. Die Grundsätze des bekannten und sehr bewährten „4-Ohren-Modells“ (s. auch „4 Seiten einer Nachricht“) nach Schulz von Thun können uns dabei unterstützen, mehr Klarheit über die einzelnen Aspekte unserer Kommunikation zu erlangen. Hiernach wird eine Aussage aus vier Perspektiven betrachtet. Schulz von Thun hat die Sachebene (sachliche Information), die Beziehungsebene (wie die Gesprächspartner zueinanderstehen), die Selbstoffenbarungsebene (was der Sprecher von sich preisgibt) und die Appellebene (wozu der Sprecher sein Gegenüber veranlassen möchte) herauskristallisiert.

Dabei gilt es zu beachten, dass der Sprecher seine Nachricht womöglich gezielt bzw. bewusst auf lediglich einer der genannten Ebenen an den Empfänger übermittelt. Der Empfänger nimmt wiederum möglicherweise die Nachricht auf einer anderen Ebene auf, was schnell zu Missverständnissen oder im ungünstigsten Fall zu unnötigen Konfliktsituationen führen kann. Wenn z. B. jemand auf der Sachebene die Aussage: „Mir ist kalt“ ausspricht, könnte sein Gesprächspartner diese Aussage nicht auf der Sachebene, sondern auf der Appellebene aufnehmen, genervt reagieren und sich dazu aufgefordert fühlen, ein offenes Fenster zu schließen.


Mithilfe dieses Modells wird uns klarer, dass es sinnvoll ist, die Aussage unseres Gesprächspartners als vielschichtiger zu erkennen, als wir sie zunächst aufnehmen und beurteilen. Wir werden dadurch entspannter sowie offener und „von unserem inneren Tunnelblick befreit“. Es bietet sich an, im Zweifelsfall lieber noch einmal unseren Gesprächspartner zu fragen, was er uns mit einer bestimmten Aussage mitteilen möchte, ohne voreilig zu urteilen und sofort entsprechend zu reagieren. Allein die Bewusstwerdung und Verinnerlichung dieser Aspekte kann dazu beitragen, dass wir zukünftig unnötige Missverständnisse und Konflikte eindämmen können.


In meiner Zusammenarbeit mit Paaren und Einzelklienten vermittele ich meinem Klientel außerdem eine Perspektive, die sogleich für mehr Mitgefühl für das Gegenüber sorgen kann. Unsere Unbewusstheit lässt uns vergessen, dass jeder von uns „mit seiner eigenen Brille“ auf diese Welt schaut. Ein jeder von uns trägt sein individuelles, die Persönlichkeit prägendes emotionales Päckchen mit sich. Wenn wir uns dieses emotionale Päckchen detaillierter ansehen, finden wir neben der üblichen Konditionierung durch unsere damaligen Bezugspersonen zudem Traumata, diverse Glaubenssätze und schmerzhafte Erinnerungen an gewisse schwierige Lebenssituationen. All dieser Aspekte sind sich die wenigsten Menschen jedoch bewusst. Wir gehen automatisch davon aus, dass andere Menschen eine Situation auf dieselbe Weise bewerten und bewältigen, wie wir selbst es tun würden.

Ein Beispiel für eine solche banale Alltagssituation kann sein, dass wir in der Stadt unterwegs sind und von Weitem einen Arbeitskollegen sehen. Wir winken ihm zu, doch er reagiert nicht, sondern dreht sich einfach weg und geht weiter.

Bereits eine derartige Alltagssituation bewertet ein jeder von uns vollkommen unterschiedlich.

Je nach Prägung und emotionalem Päckchen, das wir mit uns herumtragen, könnten wir entweder gekränkt sein und dem Arbeitskollegen Ignoranz unterstellen, das Ganze mit einem Schulterzucken registrieren, weil wir vermuten, dass er uns lediglich nicht gesehen hat, oder ihm gar eine Absicht in seinem Verhalten unterstellen, was aufgrund der vermeintlichen Respektlosigkeit seinerseits starken Unmut in uns hervorruft.


Die Auswirkungen sind daher ebenso verschieden. Es gibt die Möglichkeit, dass wir uns von einer solchen Begegnung den Tag vermiesen lassen oder dies eben nicht tun. Wir könnten Antipathien gegenüber unserem Arbeitskollegen entwickeln, die sich mitunter negativ auf unseren Arbeitsalltag und die künftige Zusammenarbeit mit ihm auswirken können usw. Es liegt eben ganz bei uns, ob wir „aus einer Mücke einen Elefanten machen“. Führe ich meinen Klienten diese Tatsachen anhand dieses oder eines ähnlichen Beispiels vor Augen, stoße ich meist auf Verblüffung, da die meisten Menschen sich keine Gedanken darüber machen, dass wir alle auf ein und dieselbe Situation unterschiedlich reagieren. Allzu schnell schließen wir in den verschiedensten Lebenssituationen von uns selbst auf andere. Die Bewusstwerdung dieses Aspekts kann dazu beitragen, dass wir unsere Mitmenschen weitaus differenzierter und mit mehr Mitgefühl betrachten.

Weiterhin kann die sog. Aufgabentrennung dabei helfen, dass wir uns nicht allzu schnell in die Rolle eines Schuldigen drängen lassen. Wissen wir doch nicht, welche Triggerpunkte unser Gegenüber im Detail hat. In einer Beziehung trägt jeder zu 50 % die Verantwortung für sein Denken, Fühlen und Handeln und ist für diese 50 % zu 100 % verantwortlich.

Fühlt sich also unser Gegenüber aufgrund unserer Worte oder unseres Handelns verletzt, haben wir womöglich einen Triggerpunkt bei ihm getroffen. Die grundlegende Ursache für diese Verletzung kann bereits in Form von Glaubenssätzen, Prägungen, schmerzhaften Erfahrungen oder Traumata in der Kindheit liegen und mit der gegenwärtigen Situation (nahezu) nichts zu tun haben. Um die Konfliktsituation aufzulösen, können wir gemeinsam herausfinden, welche Rückschlüsse unser Gesprächspartner aus unseren Worten bzw. Taten gezogen und was daran ihn verletzt hat. Es ist zwar hilfreich, aber manchmal ist es nicht notwendig, die alte ungeheilte Wunde präzise zu (er-)kennen, da diese nicht immer unmittelbar ersichtlich ist. Vielmehr können wir die Gefahr einer solchen (unnötigen) Verletzung unseres Gesprächspartners bereits zuvor abmildern, indem wir die vier einfachen Schritte der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg befolgen.

Zunächst beobachten wir die aktuelle Situation – wenn möglich ohne zu urteilen. Im zweiten Schritt verbinden wir uns mit unseren Gefühlen und spüren in uns hinein, was die entsprechende Situation mit uns macht. Anschließend können wir uns darüber bewusst werden, welches Bedürfnis sich in uns meldet. Im vierten Schritt können wir daraus resultierend eine dazu passende Bitte an unseren Gesprächspartner formulieren. Wichtig ist, dass wir unserem Gegenüber die Freiheit geben, unsere Bitte womöglich abzulehnen. Sein „nein“ sollte nicht dafür sorgen, dass wir innerlich versteinern oder gar versuchen, ihn zu manipulieren bzw. emotional zu erpressen. Als erwachsene Menschen sind wir in erster Linie selbst für uns und unser Wohlbefinden verantwortlich. Ein anderer Mensch sollte daher niemals von uns in die erzwungene Position „unseres persönlichen Bedürfniserfüllers“ gebracht werden.

Wenn wir uns dem Prozess, eine verantwortungsvollere Form der Kommunikation zu trainieren, öffnen, können wir dabei wertvolle Erkenntnisse über uns selbst mitnehmen. Dadurch kann unsere Persönlichkeit reifen und sogar die Bindung zu unseren Mitmenschen gestärkt und in eine positivere Richtung gelenkt werden. Uns wird bewusst, dass Frieden bereits im Kleinen anfängt und jeder von uns seinen Beitrag dazu leisten kann, dass unsere Gesellschaft sich in eine herzlichere und respektvollere Richtung entwickelt. Nicht nur die sog. Machthaber sind dafür verantwortlich, dass diese Welt zunehmend egoistischer, oberflächlicher und unfriedlicher wird. Auch wir sind in der Verantwortung, unseren Anteil dazu beizusteuern, ein positives Beispiel für unsere Kinder und Enkelkinder, Familienmitglieder, Freunde, Arbeitskollegen, Vorgesetzten und Kunden zu sein. Wir alle gestalten diese Gesellschaft mit. Uns dabei selbst in eine Opferrolle zu flüchten und erbost mit dem Zeigefinger auf andere Menschen zu zeigen, bringt niemanden weiter.


Sorgen wir also dafür, an unserer Kommunikation zu arbeiten, um sie mit mehr Achtsamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Mitgefühl zu nähren. Mit unserem Anteil tragen wir dazu bei, das Miteinander in unserem direkten Umfeld zu verbessern, und werfen dabei einen Stein ins Wasser, der seine Kreise zieht. Wir können ein Vorbild sein und unsere Mitmenschen dazu motivieren, ebenfalls ihren Teil zu einem besseren Miteinander und somit zu einer besseren Gesellschaft beizutragen.

Zusätzlich erinnern sich die meisten von uns an einen weiteren wesentlichen Punkt im Hinblick auf das Thema „Kommunikation“, auf den Paul Watzlawick uns einst aufmerksam machte. Sein Zitat: „Wir können nicht nicht kommunizieren.“, lässt uns wissen, dass neben unseren Worten ebenso Gesten und Mimik wörtlich gesehen Bände sprechen. In diversen sozialen Situationen sollten wir deshalb zudem auf unsere Körpersprache und Mimik achtgeben. In einem Vorstellungsgespräch genügt es z. B. nicht, dass wir uns unserem Gesprächspartner gegenüber angemessen artikulieren. Würden wir uns mit verschränkten Armen, ohne Blickkontakt zu pflegen und mit einem arroganten, herausfordernden oder gleichmütigen Gesichtsausdruck in den Stuhl fläzen, könnten wir fachlich noch so gut für die vakante Arbeitsstelle geeignet sein – wir würden dennoch nicht eingestellt werden.


Was unsere Gestik und Mimik sowie den Blickkontakt zu unserem Gesprächspartner anbelangt, sollten wir uns demnach ebenso respektvoll, aber zugleich auf eine sympathische und verbindliche Art offen und unserem Gesprächspartner wertschätzend gegenüber verhalten. Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Tatsache, dass wir dank unserer Körpersprache unseren Emotionen mehr Ausdruck verleihen und das Gesagte unterstreichen können. Wollen wir unserem Gesprächspartner vielleicht ein Kompliment aussprechen, so können wir unsere Worte mit einem Lächeln auf positive Weise unterstreichen und verstärken. Auch bekräftigen unsere offene Körperhaltung und Mimik unsere Glaubwürdigkeit.

Dies sorgt bei unserem Gesprächspartner für mehr Vertrauen in unsere Person, was zudem die zwischenmenschliche Beziehung fördert und bestärkt.

Wenn wir jemanden als besonders sympathisch empfinden, werden wir (unbewusst) seine Körpersprache spiegeln bzw. passiert dies umgekehrt genauso. Hierdurch werden soziale Bindungen positiv geprägt.

Ebenso dient unsere bewusste Körpersprache dazu, unnötige Missverständnisse zu vermeiden, da wir durch sie das Gesagte klarer und nachdrücklicher vermitteln können. Schlussendlich ist es somit der Gesamteindruck, der zählt.

Das Schöne ist, dass wir selbst als ggf. unsicherer Mensch die Möglichkeit dazu haben, sowohl verbal als auch in Bezug auf unsere Körpersprache ein selbstsicheres und positiveres Auftreten zu trainieren und dieses stückweise zu verinnerlichen.


Wenn wir uns für diesen Entwicklungsweg öffnen, werden wir die positiven Auswirkungen auf unsere verschiedenen Lebensbereiche zeitnah überrascht feststellen. Dieser Entwicklungsweg kann nicht nur dazu beitragen, dass wir uns beruflich gesehen bisher verschlossene Türen öffnen, sondern gleichermaßen, dass sich andere Lebensbereiche positiv verändern und wir insgesamt zufriedener mit unserem Leben sind. Diese positive Erfahrung durfte ich bereits mehrfach mit mitunter langzeitarbeitslosen Menschen im Jobcoaching machen. Es lohnt sich also aus mehrfacher Hinsicht für jeden von uns, wenn wir gezielt an unserer Kommunikationsfähigkeit und unserer Körpersprache feilen und diese optimieren.

Nur Mut, die positiven Veränderungen werden nicht lange auf sich warten lassen!

Isabelle Maria Kühler Psychologische Beraterin, Coach, Paarberaterin in Recklinghausen, Autorin. Sie unterstützt hochsensible Menschen dabei, persönliche Herausforderungen im Bereich „Liebe und Partnerschaft“ anzugehen. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.