Invaluation
... eine Gesprächsmethode mit Erkenntnisgewinn und Bewusstwerdung von Ressourcen
Ein tiefgreifendes und wertschätzendes Gespräch kann im Rahmen jeglichen Verfahrens die Grundvoraussetzung darstellen, damit sich die eigenen Klienten (immer m/w/d) öffnen, stets im gegenseitigen Einvernehmen gehandelt und der gemeinsam angestoßene Prozess vertrauensvoll getragen wird. Manchmal kann ein Gespräch bereits mehr bewirken als so manch anschließende Technik, Übung oder Methode, weil sich der Klient schon hier wahrgenommen, gesehen und verstanden fühlt. Die Gesprächsmethode Invaluation®, begründet vom Schweizer Hypnosetherapie-Experten Gabriel Palacios, möchte genau dafür sensibilisieren und aufzeigen, wie sich Klienten mittels eines strukturierten Gesprächs ihrer eigenen Ressourcen bewusst werden und sie daraus Erkenntnisse gewinnen können. Lassen Sie uns einen Blick auf diese besondere Methodik werfen.
Grundidee der Invaluation
Invaluation setzt sich zusammen aus dem Präfix „in“, was für „sich hineinversetzen“ steht, und dem Wort „valuation“, was „Bewertung“ bedeutet. Ziel der Gesprächsmethode ist also, dass der Klient im Rahmen seines aktuellen Themas, das sozusagen einen „geistigen Konflikt“ darstellt, positive Ressourcen findet. Diese tragen dazu bei, das jeweilige geistige Anliegen von innen (von der Gedankenebene) heraus neu zu bewerten.
Dabei geht es nicht vorrangig darum, dass der Klient seine Gedankenmuster selbst verändern muss. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die erwähnten „geistigen Konflikte“ ihren Ursprung auf der gedanklichen Ebene haben und Veränderung daher erst hier geschehen kann. Dafür braucht es das Erkennen neuer Perspektiven unter Einsatz unterstützender Ressourcen.
Außerdem geht die Invaluation davon aus, dass jedes negative Gefühl und jedes negative Gedankenkonstrukt sich bedingende Gegensätze bergen. Folglich existieren auch positive und nützliche Emotionen und Gedankenkonstrukte, die bisher noch nicht berücksichtigt wurden. Werden diese gefunden und vom Klienten erkannt, kann sich dessen Sichtweise weiten und sein Umgang mit der Grundthematik verändern. Die belastenden Themen sowie dabei aufkommenden Emotionen und Gedanken werden nicht ausgeklammert, sondern im Rahmen einer klar angeleiteten Gesprächsvorlage mit körpereigenen, positiven Ressourcen verknüpft, damit der Klient in der Lage ist, diese zu aktivieren und seine Belastung zu bewältigen.
Die Methode wurde von Gabriel Palacios aus der Hypnose heraus entwickelt, mit dem Unterschied, dass es hierfür keine Einleitung einer hypnotischen Trance braucht. Es handelt sich um eine Arbeit auf bewusster Ebene unter Nutzung hypnotischer Kenntnisse (Einsatz von Emotionen und Vorstellungen). Ziel der Invaluation soll sein, innerhalb weniger Gespräche eine merkliche Verbesserung des geistigen Wohlbefindens des Klienten zu erreichen. Wichtig ist, bei tiefgreifenderen Beschwerden, solange man über keine Heilerlaubnis als Heilpraktiker oder Heilpraktiker für Psychotherapie verfügt, in enger Zusammenarbeit mit eben diesen oder entsprechenden Therapeuten (Psychologen, Psychotherapeuten, Psychiatern) zu sein. Gleichsam darf bei fehlender Heilerlaubnis mit Invaluation nicht an psychischen Krankheitsbildern gearbeitet werden.
Eigene Grundhaltung
Ein wichtiger Aspekt in der Invaluation ist die eigene Grundhaltung als Heilpraktiker, Coach, Berater etc. Diese gilt es zu überprüfen und ggf. zu optimieren, bevor mittels einer der Prozessvorlagen das eigentliche Thema bearbeitet wird. Dies bedeutet, dass man über sich selbst und seinen Umgang mit dem aktuellen Klienten reflektiert und herausfindet, ob man selbst die persönlichen Rahmenbedingungen des Miteinanders erfüllt. Die Grundhaltung nach der Methode Invaluation besteht aus:
– Echtheit: Man begegnet den Klienten authentisch und überprüft die eigene Rolle, die es für den folgenden Prozess des Miteinanders braucht. Das Gespräch sollte von Selbstvertrauen, Selbstwertbewusstsein und der Überzeugung der eigenen Fähigkeiten getragen sein.
– Rapport: Das Vertrauensverhältnis zum Klienten ist stabil und wertschätzend – sowohl verbal als auch nonverbal.
– Glaube an den Fortschritt: Glauben wir an eine positive Veränderung und die Existenz eines Weges zur Besserung der aktuellen Situation des Klienten, so können wir ihm diese auch vermitteln bzw. ihn darin bestärken.
– Empathie: Können wir uns in die Gedankenwelt, die Vergangenheit und/oder das Gefühlserleben des Klienten hineinversetzen und diese nachvollziehen, stärkt dies nicht nur den Rapport, sondern unterstützt uns auch bei einer achtsamen Begleitung durch das Gespräch.
– Achtsame Suggestivität: Wir sind uns der Macht unserer Worte, jedoch auch aller nonverbalen Ausdrücke unserer Kommunikation bewusst und beachten die Reaktionen unseres Gegenübers, um zu erkennen, wodurch dieser Mut gewinnt oder in seiner Sorge bestärkt wird.
Voraussetzungen des Klienten
Im Rahmen der Anamnese werden zur besseren Steuerung und um möglichst nahe am Klienten das Gespräch führen zu können, verschiedene Voraussetzungen abgefragt und ggf. optimiert. Diese sind:
– Autogene Faktoren: Die Klienten verfügen über individuelle Lösungsansätze und sind sich bewusst, dass sie über solche verfügen. Außerdem wollen sie aus eigenem Antrieb an ihrem Thema arbeiten und bringen Willenskraft zur Veränderung auf.
– Rapport: Die Klienten bringen Vertrauen in die Arbeitsweise des Heilpraktikers, Coaches etc. mit und sehen diese als Basis für den gemeinsamen Prozess.
– Glaube an den Fortschritt: Die Klienten sind überzeugt, dass es einen Weg zur Besserung der gegenwärtigen Situation gibt, auch wenn dieser noch unbekannt ist.
– Vorstellungsvermögen der Zielsetzung: In der Vorstellung gibt es bereits konkrete Ideen, wie das Leben, der Umgang mit einem Thema oder die eigene Herangehensweise im Vergleich zum Moment stattdessen aussehen soll.
– Akzeptanz und Umsetzung neuer Perspektiven: Die Klienten erkennen, dass gewisse Anteile ihres mitgebrachten Themas Akzeptanz verlangen, um sich mit voller Kraft den Aspekten zu widmen, wo neue Perspektiven eingebracht und umgesetzt werden können.
Sollte man in der Anamnese merken, dass einer dieser Faktoren aktuell noch nicht vorliegt, so kann dieser mit verschiedenen Interventionen gestärkt werden, indem beispielsweise die Wichtigkeit autogener Faktoren vor Augen geführt wird z. B. mit der Frage:
„Glaubst du, dass du selbst etwas zur Veränderung deines Themas beitragen kannst?“
Ebenso kann mit bestimmten Fragen auch verdeutlicht werden, dass es Akzeptanz und in mancherlei Hinsicht auch Mut zur Umsetzung braucht. Diese Faktoren sind nicht umsonst wichtige Bausteine in Kombination mit der eigenen Grundhaltung, um die Klienten bestmöglich durch den folgenden Prozess führen zu können.
Gesprächsprozesse der Invaluation
Die Invaluation nutzt in der Praxis insbesondere zwei Haupt-Prozessvorlagen: den Positivierungs- und den Imaginationsprozess. Sollten diese ins Stocken geraten oder treten bereits bei der eigenen Grundhaltung bzw. bei den Voraussetzungen des Klienten Stolpersteine auf, gib es acht Tools, die den Gesprächsverlauf wieder in Bewegung bringen können. Dazu zählen die Metapher, das Cold-Reading, Worst Case/ Best Case, paradoxe Intervention, Rollenbewusstsein, therapeutische Perspektive, Polarität und Vorbild.
Positivierungsprozess
Der Positivierungsprozess ist eine der beiden Gesprächsvorlagen in der Invaluation, die das Ziel verfolgt, den Klienten unter Einbeziehung von körpereigenen Ressourcen und einem Verständnis von Teilaspekten der Thematik, die eine Akzeptanz oder den Willen zur Umsetzung neuer Perspektiven erfordern, zu einer Positivierung seiner Gefühle bzw. Gedanken zu begleiten. In der Anamnese wird der Konsultationsgrund abgefragt, es folgt die Frage nach dem Wunschgefühl und der Zielsetzung für das gemeinsame Gespräch.
Anschließend wird eine passende Ressource erfragt und gemeinsam überlegt, wie ein Übertrag des damals vorliegenden Wunschgefühls auf die aktuelle Situation aussehen könnte. Hat der Klient hierbei Probleme, kann eines der genannten Tools eingesetzt werden. Abschließend zielt das Gespräch darauf ab, den Klienten zu sensibilisieren, welche Aspekte seines Themas akzeptiert werden dürfen und welche Umsetzungsschritte es hin zu seinem Ziel braucht. Gewonnene Erkenntnisse und ggf. nächste Maßnahmen werden notiert.
Imaginationsprozess
Der Imaginationsprozess stellt eine Alternative zum Positivierungsprozess dar und kann bei erschwerter, klassischer Ressourcenarbeit Anwendung finden. Gleichsam ist er hypnotischen Elementen sehr nahe in der Durchführung, nutzt jedoch ebenfalls keine Induktion zu Beginn bzw. Exduktion am Ende des Prozesses.
Seine Besonderheit liegt im Herleiten und Wahrnehmen eines Wunschgefühls sowie dessen körperlicher Wahrnehmung inkl. anschließender Verankerung. Dies kann in Form einer Vorstellung, einer Farbe, einer Melodie, eines Körperankers, eines Gegenstandes, eines Symbols etc. geschehen. Der Imaginationsprozess beginnt ebenfalls mit der Anamnese und der Klärung des Konsultationsgrundes sowie von Wunschgefühlen und Wunschvorstellungen. Dann folgt die Imagination, das heißt die Vorstellung der genannten Wunschgefühle und Wunschvorstellungen. Gegebenenfalls kann zur Unterstützung ein Tool (s. oben) Anwendung finden. Anschließend werden Wunschgefühl und Wunschvorstellung in Form eines Ankers abgespeichert, indem gefragt wird, in welcher Form diese abgerufen werden können.
Am Ende wird der Klient noch in eine sogenannte Wahrnehmung der Verwirklichung von Wunschgefühlen und Wunschvorstellungen begleitet, was dieser anhand einer körperlichen Empfindung bewusst spüren soll mit der Frage:
„Wo spürst du dieses positive, gewünschte Gefühl? Wie äußert es sich?“
Nach dem Imaginationsprozess kann u. a. mit einem Positivierungsprozess weitergearbeitet werden.
Unterschiede
Doch wie kann man sich die beiden Prozesse in der praktischen Umsetzung vorstellen? Welche Eigenschaften zeichnen sie aus und wo können sie Anwendung finden?
Abb. 1 gibt einen wichtigen Überblick über die charakteristischen Eigenschaften des Imaginations- und Positivierungsprozesses und stellt diese einander gegenüber. Vereinfacht lässt sich sagen, dass dem Imaginationsprozess der Vorzug zu geben ist, wenn die Klienten Probleme haben, eine bestimmte Emotion abzurufen.
Dann unterstützt die Imagination dabei, Ressourcen aufzubauen und den Menschen die Emotion auch körperlich wahrnehmen zu lassen.
Welcher der beiden Wege zielführender ist, zeigt sich meist erst im Laufe des Gesprächs und kann sich themenbezogen auch verändern.
Regressive Invaluation
Die regressive Invaluation sieht vor, sich mit vergangenen Ereignissen auseinanderzusetzen und zu diesen neue Sichtweisen und Erkenntnisse zu gewinnen. Hier ist eine besonders hohe Achtsamkeit gefragt: Das bedeutet, dass stets im Rahmen der eigenen rechtlichen Möglichkeiten abgeschätzt werden muss, ob mit Klienten hinsichtlich der Vergangenheit gearbeitet werden darf. Außerdem wird stets mit dem Klienten im Vorfeld abgeklärt, ob er dies überhaupt möchte. Sollte er in einer psychiatrischen, psychologischen oder klassisch psychotherapeutischen Behandlung sein, empfiehlt sich hier eine Abklärung der Arbeitsweise.
Die regressive Invaluation vermeidet jegliche Form der Retraumatisierung und möchte den Klienten anleiten, eine möglichst neutrale Beobachtung hinsichtlich des Geschehens einnehmen zu können.
Aus diesem Grund wird auch nicht in die Situation selbst eingetaucht, sondern mittels des sog. „Vier-Vektor-Modells“ (Abb. 2) verschiedene Ebenen beleuchtet, die neue Erkenntnisse bringen und das Verständnis verändern können. Es wird also nicht direkt mit einer vergangenen Situation gearbeitet oder der Klient noch einmal durch das Erlebte hindurchgeführt, sondern mittels der vier Vektoren angeleitet, wie ein Beobachter die verschiedenen Ebenen zu analysieren.
Fazit
Die Gesprächsmethode nach Invaluation bietet sowohl für Heilpraktiker für Psychotherapie als auch für Berater, Coaches und jegliche Arbeit am Menschen eine spannende Zugangsweise, um den Klienten zu befähigen, sich seiner eigenen, in ihm schlummernden Fähigkeiten bewusst zu werden und diese zur Lösung der eigenen Themen heranzuziehen.
Die beiden sich ergänzenden Prozessvorlagen Imaginations- und Positivierungsprozess können, getragen von unterschiedlichen Tools, neue Erkenntnisse verdeutlichen und den Klienten unterstützen, eine veränderte Sichtweise zuzulassen. Die achtsame Vorgehensweise dieser Gesprächsführung unter Berücksichtigung der eigenen Grundhaltung sowie der Voraussetzungen des Klienten stellen ein wertschätzendes und Zuversicht schaffendes Miteinander sicher.
So werden Gespräche ein wertvoller Baustein des eigenen Praxisangebots und schaffen Hilfe suchenden Menschen einen sicheren Rahmen, der ihnen das Potenzial ihrer Gedankenebene aufzeigt.
Philipp Feichtinger Heilpraktiker, Naturheil- und Hypnosetherapeut, Organetiker, Coach für Geistige Entwicklung und nach Invaluation®, Autor. Naturheilpraxis in Riedau/Österreich