Skip to main content

Wie Selen ein geschwächtes Immunsystem unterstützt

Unser Immunsystem arbeitet rund um die Uhr, um uns vor Krankheiten zu schützen. Faktoren wie Schlafmangel können die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen, aber auch ein zu geringer Selengehalt im Blut ist ein Problem, das viele Europäer betrifft.

Der Mensch hat zwei Abwehrsysteme, die Seite an Seite arbeiten: Die angeborene Immunabwehr ist die Abwehr, mit der wir geboren werden. Die adaptive Immunabwehr hat die Fähigkeit, sich an eine Reihe von Faktoren wie die Umwelt oder die Exposition gegenüber Mikroben anzupassen. Unsere Immunabwehrmechanismen arbeiten auf verschiedenen Ebenen, um den Körper gegen eindringende Viren, Bakterien, Pilze und andere Krankheitserreger zu schützen. Eine gut funktionierende Immunabwehr ist natürlich von entscheidender Bedeutung, und es gibt viele Dinge, die wir tun können, damit unsere Abwehrmechanismen reibungslos und effizient funktionieren.


Selen wird zur Herstellung von Selenoproteinen benötigt

Es ist bekannt, dass Menschen, die zu wenig Schlaf bekommen, ein schwächeres Immunsystem haben. Laut einer 2021 in Communications Biology veröffentlichten Übersichtsarbeit1) wird Schlafmangel mit Veränderungen des angeborenen und adaptiven Immunsystems in Verbindung gebracht. Er kann zu chronischen Entzündungen und einem erhöhten Risiko für Infektions- und Entzündungskrankheiten, einschließlich Autoimmun- und neurodegenerativer Erkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Neben Schlafmangel gibt es weitere Faktoren, die die Funktion unseres Immunsystems beeinträchtigen können.

Auch eine zu geringe Zufuhr des Mikronährstoffs Selen kann die Immunabwehr in mehrfacher Hinsicht schwächen. Selen, ein Mineralstoff und sog. Spurenelement, ist entscheidend für eine große Gruppe von Proteinen, die Selenoproteine. Der menschliche Körper synthetisiert zwischen 25 und 30 verschiedene Selenoproteine – dies kann allerdings nur bei ausreichenden Selenmengen im Blut geschehen. Schon ein geringer Selenmangel kann zu einer schlechten Expression von Selenoproteinen führen. Eine ausreichende Zufuhr dieses essenziellen Mikronährstoffs ist also unerlässlich.


Unterstützung bei der Bekämpfung von Krankheitserregern

Einige Selenoproteine, die als Glutathionperoxidasen bekannt sind, sind wichtig für die antioxidative Abwehr des Körpers, die die DNA und die Zellen vor Schäden durch freie Radikale schützt. Dazu gehört auch der Schutz der Immunzellen des Körpers. Selen trägt zudem zur Aktivierung von Immunzellen bei und unterstützt ihre physiologische Funktion. So ist zum Beispiel bekannt, dass Selen den Makrophagen hilft, Krankheitserreger effektiver zu zerstören. Ein ausreichender Selengehalt im Körper hilft also der Immunabwehr, die Zellen zu produzieren und zu aktivieren, die zur Zerstörung von Krankheitserregern und zur Bekämpfung jeglicher Art von Infektionen benötigt werden.

Schutz vor COVID-19

Die durch COVID-19 verursachte globale Pandemie veranlasst uns, einen Blick auf dieses Virus zu werfen. In einer Übersichtsarbeit2) von 10 wissenschaftlichen Studien, die in der Zeitschrift Biological Trace Element Research veröffentlicht wurde, zeigten neun der Studien, dass ein niedriger Selenspiegel im Blut mit einem schlechteren Ausgang von COVID-19 verbunden war. Die Überprüfung ergab im Allgemeinen, dass der Selenspiegel bei COVID-19-Patienten niedriger war als bei Personen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren. In einer deutschen Studie3) wurde festgestellt, dass die Selenspiegel in Blutproben von Patienten, die COVID-19 überlebten, signifikant höher waren als in den Blutproben von Betroffenen, die COVID-19 nicht überlebten.

Mangelbedingte Herzkrankheit

Chinesische Forscher stellten gar einen signifikanten, positiven, linearen Zusammenhang zwischen der Heilungsrate chinesischer COVID-19-Patienten und dem regionalen Selenstatus fest. Mit anderen Worten: In Gebieten, in denen der Boden reichlich Selen enthält, erholten sich mehr Patienten von der Infektion als in Gebieten, in denen der Gehalt des Mikronährstoffs im Boden geringer ist. Das ist kein Zufall!


Ein bekanntes Beispiel für Selenmangel und seine Auswirkungen auf den menschlichen Abwehrmechanismus wurde in den 1960er-Jahren in der chinesischen Provinz Keshan beobachtet. In diesem Teil Chinas, in dem der Selengehalt des Bodens notorisch niedrig ist, starb eine alarmierende Zahl von Frauen und Kindern an herzbedingten Symptomen, die offenbar durch das ansonsten harmloses Virus Coxsackie verursacht wurden.

Verhinderung der Virenmutation
Normalerweise stellt dieses Virus keine Gefahr für den Menschen dar, aber der Selenmangel führte bei diesen Betroffenen dazu, dass das Virus zu einer potenziell tödlichen Herzerkrankung mutierte, die als „Keshan- Krankheit“ bezeichnet wurde. Das Problem konnte schließlich mithilfe von Selenpräparaten in den Griff bekommen werden. Die Tatsache, dass Viren in einem Wirt mit Selenmangel leichter mutieren können, bleibt allerdings überaus interessant. Sie ist insbesondere im Zusammenhang mit verschiedenen Grippestämmen von Bedeutung, bei denen die Mutation der Viren der Hauptgrund dafür ist, dass Impfstoffe keinen ausreichenden Schutz bieten. Ein Grippeimpfstoff ist wirksam gegen einen bestimmten Grippestamm, der im Umlauf ist.

Sobald das Virus allerdings im Körper mutiert, ist der Impfstoff unwirksam, weil er es nicht länger korrekt abbildet und das Immunsystem das mutierte Virus nicht mehr erkennt. 

Nahrungsergänzung reduzierte die Sterblichkeit um 54%

Selen-defiziente Mäuse starben

Melinda A. Beck, Wissenschaftlerin an der University of North Carolina in Chapel Hill, ist bekannt für ihre Forschungen, die zeigen, dass ein Virus viel aggressiver wird, wenn es in einen Wirt mit Selenmangel eindringt. Beck beimpfte Mäuse mit Selenmangel mit dem Coxsackie-Virus und stellte fest, dass Mäuse mit Selenmangel schwere und potenziell lebensbedrohliche Symptome entwickelten, während Mäuse, die viel Selen im Blut hatten, sich problemlos von dem Virus erholten.

Der Grund, warum es den Mäusen mit Selenmangel so schlecht ging, war, dass das Coxsackie-Virus mutierte und schwere Krankheitssymptome verursachte. Deshalb ist es so wichtig, stets ausreichend Selen im Körper zu haben.

Niedrige Selenwerte bei schwedischen Senioren

Eine Ernährung mit Fisch, Vollkornprodukten, Fleisch und Nüssen (insbesondere Paranüssen) sowie anderen reichhaltigen Selenquellen ist ein guter Anfang. Dennoch kann es schwierig sein, genügend Selen zu sich zu nehmen, da der Nährstoffgehalt im Boden in vielen Teilen der Welt niedrig ist. In einer schwedischen Studie4) unter der Leitung von Urban Alehagen, einem Kardiologen von der Universität Linköping, stellten die Wissenschaftler fest, dass eine große Gruppe scheinbar gesunder älterer Männer und Frauen vergleichsweise niedrige Selenspiegel im Blut hatte (etwa 67,1 µg/l). Sie wiesen den 443 Teilnehmern nach dem Zufallsprinzip eine tägliche Nahrungsergänzung mit 200 Mikrogramm Selenhefe (SelenoPrecise) und 200 mg Coenzym Q10 (Q10 Bio-Qinon Gold) oder ein entsprechendes Placebo für einen Zeitraum von fünf Jahren zu.


Nahrungsergänzung reduzierte die Sterblichkeit um 54 %

Interessanterweise erzielten die Teilnehmer in der Gruppe mit der aktiven Nahrungsergänzung zahlreiche gesundheitliche Vorteile durch die beiden Nahrungsergänzungsmittel. Es ist insbesondere hervorzuheben, dass ihre kardiovaskuläre Sterblichkeitsrate im Vergleich zur Placebogruppe um unglaubliche 54 % sank. Darüber hinaus gingen mehrere Entzündungsmarker in der Gruppe, die Selen und Q10 erhielt, deutlich zurück, was zeigt, dass die Teilnehmer besser gegen oxidativen Stress und Entzündungen geschützt waren.

KiSel 10, so der offizielle Name der Studie, gilt als eine der bedeutendsten Studien über Selen in jüngster Zeit. Seit ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift International Journal of Cardiology im Jahr 2013 folgten rund 21 Teilstudien.

Die mehr als 50 000 Blutproben, die während des Interventionszeitraums entnommen wurden und in speziellen Gefrierschränken aufbewahrt werden, stellen eine Fundgrube biochemischer Informationen dar, mit denen sich die Wirkungsweise von Selen (und Coenzym Q10) im menschlichen Körper nachvollziehen lässt.

Literatur
1)
 „Role of Sleep Deprivation in Immunerelated Disease Risk and Outcomes“ Commun Biol 4, 1304 (2021).

2) „COVID-19 and Selenium Deficiency: a Systematic Review“ Biol Trace Elem Res. 5. November 2021: 1–12.

3) „Selenium Deficiency is Associated with Mortality Risk from COVID-19“ Nutrients, 12 (7) (2020).
4) „Cardiovascular Mortality and N-terminalproBNP Reduced after Combined Selenium and Coenzyme Q10 Supplementation: a 5-year Prospective Randomized Double-blind Placebo-controlled Trial among Elderly Swedish Citizens.“ Int J Cardiol. 1. September 2013; 167(5): 1860–6.

Bjørn Falck Madsen Medizinjournalist, spezielle Themen: Ernährung, Mikronährstoffmangel Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.