Mensch ärgere dich nicht! Mensch bewege dich!
Ich verrate Ihnen sicherlich keine Neuigkeit, wenn ich behaupte, dass Menschen für die Bewegung gemacht und Kinder und Bewegung eine unzertrennliche Kombination sind! Denn mal ehrlich, welches Kind kann schon still sitzen, wenn es draußen so viel Spannendes zu entdecken gibt?
Ob beim Toben im Garten oder Spielen auf dem Spielplatz – Bewegung ist für Kinder ein natürlicher Bestandteil ihres Alltags. Ganz intensiv auf jeden Fall bis ins Grundschulalter. Beim Eintritt in die weiterführenden Schulen und wenn dann später noch die Pubertät einsetzt, ist erkennbar, dass Bewegung immer weniger Bestandteil des Lebens ist und wird. Dafür gibt es viele Gründe, seien es die schulischen Anforderungen, das mediale Zeitalter, die Schnelllebigkeit, sich nicht mehr so sehr anstrengen und um jeden Preis Ziele erreichen zu wollen etc. Und der Sportunterricht wird oftmals zuerst gestrichen. Natürlich kann man das nicht pauschalisieren und alle und alles über einen Kamm scheren. Doch Fakt ist, dass viele Kinder immer fauler werden, weniger „Bock“ auf Bewegung haben, sich lieber in der virtuellen Welt die Zeit vertreiben und somit der natürliche Antrieb mehr und mehr verloren geht.
Das hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen und Folgen. Manche werden jetzt schon deutlich, manche wohl erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten.
Die Pandemie hat ihren Teil dazu beigetragen, die Thematik verstärkt oder sogar möglicherweise das Fass zum Überlaufen gebracht, was in den letzten Jahren und Generationen vielleicht schon ersichtlich war, aber noch nicht so ernst genommen wurde, dass man sich gesagt hat: „Ach, das wird schon irgendwie werden!“ Es könnten aber auch alles Vermutungen sein.
Tatsache ist, dass wir nun an einem Punkt angekommen sind, an dem Themen aus der Tiefe an die Oberfläche geploppt sind und weiter ploppen. Wir alle – ob Eltern, Großeltern, Erzieher, Lehrer, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Trainer, Politiker (immer m/w/d) … ich könnte die Reihe noch weiter fortsetzen – müssen als Menschen und Teil unserer Gesellschaft in die Pflicht oder in die Verantwortung genommen werden, unseren ganz persönlichen Beitrag dazuzugeben.
Jeder ist Vorbild, jeder kann Vorbild sein
Wir als Erwachsene sind Vorbilder für unsere Kinder. Und ich möchte hier nicht nur die Bewegung der Kinder ansprechen, sondern wie wichtig die Bewegung für uns alle ist. Den Fokus allerdings gezielt auf die Kinder zu richten, ist meines Erachtens sehr wichtig, da sie ihr Leben noch vor sich haben und sich noch nicht so lange von ihrem natürlichen Bewegungsdrang entfernt haben wie wir Erwachsenen.
Sie wissen wohl genauso wie ich, dass es unter Umständen schwieriger wird, ein Verhalten zu ändern, wenn man viele Jahre in gleichen Mustern von Gewohnheiten unterwegs war und es sich in seiner Komfortzone gemütlich gemacht hat. Diese Feststellung darf aber nicht zur Entschuldigung werden. Die Bereitschaft und die bewusste Entscheidung, etwas zu verändern, ist immer gegeben. Jeden Tag, jeden Moment unseres Lebens. Einfach machen! Und weniger „schwätzen“ – wie der Schwabe zu sagen pflegt. Mit jedem ersten Schritt raus aus der manchmal so trägen Komfortzone hinein in bewegtes Neuland.
Der Mensch ist für die Bewegung gemacht
Das ist faktisch belegt. Die Steinzeitmenschen haben täglich 30 bis 40 Kilometer zu Fuß zurückgelegt, um an Nahrung zu kommen. Die Motivation war klar: Nahrung beschaffen und die Familien versorgen. So viele Kilometer brauchen es heute gar nicht sein. Außer ich bin Hochleistungssportler, vor allem im Ausdauerbereich. Hingegen bewegen sich die Deutschen laut Statistik im Durchschnitt 800 Meter täglich. Ein extremer Unterschied zu den Steinzeitmenschen.
Der Bequemlichkeit sind keine Grenzen gesetzt: Der Weg zum Kühlschrank ist meist sehr kurz. Die Anforderungen des beruflichen und privaten Alltags sind mit der Zeit immer weiter gewachsen. Und es ist deutlich bequemer, den Aufzug zu nehmen oder ins Auto zu steigen. Und man will am liebsten noch mehr in einen Tag packen und mehr erleben, als der Tag Sekunden hat. Wer kennt sie nicht, die Sprüche wie: „Kannst du das mal noch schnell erledigen?“ oder „Das müssten wir auch noch am besten gestern erledigt haben!“ und, und, und ... Nicht nur die Zeit sitzt uns im Nacken.
Auch hier gibt es natürlich Unterschiede und jeder darf für sich selbst prüfen, inwieweit das auf ihn zutrifft.
Bewegen Sie sich regelmäßig?
Haben Sie einen fixen Tag oder eine Verabredung zum Sport oder zur Bewegung, der nur Ihnen gehört? Wie bauen Sie Bewegung in Ihren Alltag ein? Kommt die Bewegung zu kurz oder fühlen Sie sich genau so wohl? Wo können Sie vielleicht mit kleinen Veränderungen doch noch die ein oder andere Bewegungseinheit leicht in Ihren Alltag einbauen?
Tipp
Blocken Sie sich Bewegungszeiten oder machen Sie eine bewegende Mittagspause. Ein paar Minuten bewusst an der frischen Luft können schon viel Gutes bewirken. Eine berufliche Veränderung oder andere Lebensumstände wirken sich manchmal auch auf unser Bewegungsverhalten aus. Doch auch hier gilt die Devise: Möglichkeiten gibt es genügend, wenn ich wirklich will. Ganz individuell. Seien Sie kreativ und machen Sie es sich bewusst, dass Bewegung nicht nur guttut, sondern auch gesundheitsfördernd ist.
Wenn Sie verstehen, warum Bewegung guttut und sie mit Freude, ohne Muss und Zwang machen, werden Sie schnell erleben und spüren, dass die tägliche Portion Bewegung sinnvoll ist und nach einiger Zeit zu einem Must-have wird.
Bewegung ist Lebensqualität
Sie darf und sollte in unserem Leben niemals zu kurz kommen oder gar fehlen. Es ist Lebensqualität, die wir uns selbst schenken. Bewegung spielt eine entscheidende Rolle im Leben! Bei jedem Menschen, ob groß oder klein!
Selbst wenn es Einschränkungen gibt, ist es immer möglich, abgestimmte und spezielle Bewegungen in sein Leben zu integrieren. Wer sagt, dass etwas unmöglich ist oder nicht geht, blockiert sich selbst in seinen Möglichkeiten und dann wird es auch so sein. Denn mit diesem Satz begrenzen wir die Möglichkeiten, da das Leben eben auch nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert. Die erlebte Realität ist die Wirkung einer gesetzten Ursache. Sei es auf physiologischer oder psychologischer Ebene. Sie werden immer recht haben.
Kinder lernen leichter durch und über Bewegung
Ich möchte jetzt noch ein wenig auf die Bewegungsförderung der Kinder eingehen. Genauso wie bei Erwachsenen wirkt sich körperliche Bewegung auf die Gedanken und Gefühlswelt der Kinder aus. Kinder in ihrem natürlichen Bewegungsdrang einzuschränken, sie nicht zu fordern oder zu fördern ist in meinen Augen ein No-Go. Über und durch Bewegung lernen Kinder weit schneller und besser als ohne. Ich finde, dass sich Kinder viel bewegen sollten und austoben dürfen. Die Zeiten, in denen sie in der Schule sitzen, sind mehr als genug. Daher braucht es als Ausgleich bewegende Zeiten. Wenn Sie Eltern sind oder als Großeltern oder sonst mit Kindern zu tun haben, dann schnappen Sie sich die Kids und gehen raus. Das tut allen gut. Gehen Sie in die Natur, den Park, den Wald und entdecken Sie gemeinsam mit den Kindern spielerisch die Welt. Es braucht oftmals nicht viel dazu. Kinder brauchen wenig, um sich glücklich und frei draußen zu bewegen.
Mit Freude, ohne Druck finden sie dort schnell etwas, was sie inspirieren kann. Ein Stock, ein Stein oder ein Tannenzapfen können schon reichen. Die Natur bietet viele Schätze, mit denen sie sich beschäftigen können. Zudem wird dadurch ihre Kreativität gefordert und gefördert. Weniger Vorgaben, mehr Entdeckerfreiheit und schon werden sie schnell fündig und vertreiben sich spielerisch bewegend die Zeit. Sich in der Familie oder mit anderen gemeinsam zu bewegen, macht auf jeden Fall mehr Spaß als allein – vor allem Kindern.
Natürlich ist es schwieriger oder herausfordernder für Kinder, wenn sich ihre Eltern eher in die Kategorie „Gemütlichkeit oder Bewegungsmuffel“ einordnen. Da sind wir alle als Teil der Gesellschaft gefordert, neue Wege zu gehen und gerade solchen Kindern Möglichkeiten zu bieten, die sie auch ohne ihre Eltern wahrnehmen können.
Denken Sie einmal an Ihre Kindheit zurück? Wie war das damals? Wie viel Bewegung hatten Sie täglich? Was ist Ihnen noch in bleibender Erinnerung?
Im Wort Bewegung steckt auch Beweglichkeit, Flexibilität. Bin ich in Bewegung, kann ich handeln und bin nicht in einer Starre gefangen. Leben ist Veränderung und Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt. Ein bewegter Körper fühlt sich wohler, man denkt anders und fühlt sich auch anders. Das haben Sie bestimmt so auch schon einmal in ähnlicher Weise erlebt. Stimmts? Wenn Sie mögen, dann reisen Sie doch mal gedanklich zu einem Erlebnis zurück, wo Sie das genau so erfahren haben. Wann und wo haben Sie sich nach einer Bewegung so richtig pudelwohl gefühlt?
Das könnte der erste Schritt sein, wenn Sie nicht stehen bleiben, sondern tatsächlich in die Bewegung gehen. Ein kurzer 15-minütiger Spaziergang vor oder nach der Arbeit oder nach dem Meeting mit Ihren Kollegen. Auch hier gilt: Kleine tägliche Bewegungseinheiten sind besser als gar keine.
Auch achtsame Bewegungen können hilfreich sein, das Wohlbefinden zu steigern. Denn wie oft machen wir etwas unbewusst. Nehmen Sie den nächsten Spaziergang, den Weg zum Kopierer oder in die andere Etage zum Anlass, ganz bewusst auf Ihre Schritte zu achten. Schritt für Schritt den Fokus auf die Füße zu legen, Ihren Gang zu beobachten oder auch auf die Atembewegungen zu achten. So holen Sie den Fokus weg vom Außen ... hin zu sich selbst. Möglicherweise verschwinden auch die sorgenvollen Gedanken, die gerade in Ihrem Kopf Karussell fahren – immer in den Momenten, in denen Sie ganz bei sich sind.
Bewegung = harter Sport, der wehtut?
Bewegung wird oftmals mit harter sportlicher Aktivität in Verbindung gebracht oder gleichgesetzt. Gerade bei Männern hat sich der Satz eingebrannt: „Sport muss hart sein und wehtun, sonst bringt er nichts!“ Diesen Satz dürfen Sie gern aus Ihrem Wortschatz streichen und ersetzen durch: „Bewegung macht Spaß, bringt Freude, steigert das Wohlbefinden und fördert die Gesundheit.“
Bewegung ist Energie, bringt Kraft und schenkt Lebensfreude. Sanfte und achtsame Bewegung ist in unserer schnelllebigen Leistungsgesellschaft enorm in den Hintergrund gerückt. Doch wenn Sie ganz bewusst aus „höher – schneller – weiter!“ „tiefer – langsamer – achtsamer!“ machen, bekommen Sie wieder mehr Gespür und Empfindungen für Ihren eigenen Körper – mehr Zugang zur eigenen Gefühlswelt, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und in Einklang zu kommen. Sich sanft zu bewegen und hin und wieder seine Grenzen auszutesten oder auszuloten, ist ein schönes Wechselspiel.
Sich gesund bewegen – viele Aspekte, die für die Bewegung sprechen
Regelmäßige Bewegung fördert die Gesundheit. Das wissen wir eigentlich schon lange.
Lassen wir das eigentlich einmal weg, wäre das vielleicht der Start vom Wissen ins Tun. Bewegung und körperliche Aktivität fördern die Muskulatur und das Knochengerüst, aber auch das Immunsystem und alle wichtigen körperlichen Funktionen. Auch das Gewichthalten fällt deutlich leichter, da wir die Nahrung als Antriebsenergie für die Bewegung sinnvoll nutzen und unnötigen Kalorien gar keine Chance lassen, sich auf die Hüften zu legen.
Bei Kindern kommt durch die Bewegung eine gesunde Gewichtsentwicklung dazu, um nicht schon in jungen Jahren in Richtung Adipositas oder gar Zuckerkrankheit abzudriften. Auch die sozialen Aspekte von Gemeinschaft, Teamwork und Koordination beim Spielen im Freien werden gefördert. So wachsen Kinder in jungen Jahren mit einem aktiven Lebensstil heran. Ich glaube, dass viele Kinder, die früher oft mit ihren Eltern in der Natur unterwegs waren und diese Unternehmungen als schönes Abenteuer oder Erlebnis abgespeichert haben, sich später als Erwachsene auch noch gerne bewegen wollen. (Auch wenn in der Pubertät vielleicht ein paar „faule und magere“ Jahre dabei waren).
Leben ist Bewegung
Nicht nur für den Körper, sondern auch für den Kopf und die Gefühle. Wie bei einem Windrad. Es läuft rund, wenn Körper, Geist und Gefühle im Einklang sind und mit-
einander harmonieren. Und sich rundum gesund und zufrieden in Bewegung zu setzen, kann dabei unterstützen, leichter und gelassener Beruf und Alltag zu meistern. Nun wünsche ich Ihnen immer wieder von Neuem (und wenn nötig den ersten kleinen Tritt) den Tatendrang, sich in Bewegung zu setzen. Und wer weiß? Vielleicht begegnen Sie beim nächsten Spaziergang ja sogar dem einen oder anderen Eichhörnchen – denn auch die sind für die Bewegung gemacht.
Simone Hauswald: Tierisch gut drauf & bärenstark! Audioprogramm, Verlag ViaNaturale
Simone Hauswald Dipl.-Mentalcoach (CH), Biathlon-Weltmeisterin und -Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen