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Der Zweck von Beziehungen

Der Zweck von Beziehungen

Fortsetzung aus Freie Psychotherapie 01/2013

fotolia©beermediaEin weiteres sehr mächtiges Instrument – nicht mehr aus der Arbeit wegzudenken – ist die Freisprechung. Sie kommt zur Anwendung, wenn es im Verlauf einer Sitzung zu einer manifesten, für Therapeut wie Klient spürbaren Stagnation kommt, weil die Klientin oder der Klient zu sehr im Opfersein gefangen ist. Sie ist ein Akt der Eigenermächtigung, der sofort spürbar die inneren energetischen Fesseln löst und den Therapieprozess wieder in Fluss bringt.

Bei der Freisprechung handelt es sich um einen in zwei Jahrzehnten entstandenen Text, der auf einer tiefen Ebene ganze Schichten von Widerständen und Blockierungen energetisch auflöst und hilft, diese loszulassen. Je heftiger dabei gegähnt wird, umso tiefgreifender vollzieht sich der Staudamm- Bruch! Sie wirkt dadurch, dass sie unsere innere Eigenmacht und Schöpferkraft anspricht und hilft dabei, uns bewusst aus den unsichtbaren energetischen Bindungen herauszutrennen, die uns glauben ließen, Opfer einer Beziehung zu sein. Indem wir bewusst die energetischen Verstrickungen durchtrennen und lösen, entlassen wir uns aus dem Gefängnis, in dem wir meinten, gefangen zu sein. Und so werden wir „frei, zu jeder Zeit alles neu zu wählen, das Bisherige vollkommen loszulassen und Dein Leben wie auch Deine Beziehungen und Deine Kommunikation auf neue Art und Weise zu erschaffen und bewusst schöpferisch zu gestalten“.

Was für die Energie in der Physik gilt, gilt auch für die Energie in zwischenmenschlichen Beziehungen. Energie kann nicht vernichtet, sondern nur in andere Formen und Zustände überführt werden. Ebenso verhält es sich mit den unguten Bindungen und Verstrickungen. Wir können nichts und niemanden loswerden und auch nichts ungeschehen machen. Doch wir haben alle Macht, die Qualität neu zu bestimmen und herzustellen, mit der wir in der Beziehung zu uns selbst, zu unseren Partnern und Kindern, zu den Angehörigen unserer Sippe und zu unseren Mitmenschen stehen.

Wer Schritte in diese Richtung wagt, wird immer reichlich belohnt. Denn mit der eigenen Befreiung aus den unguten Fesseln wird automatisch auch der andere daraus freigesetzt. Dies kann wie ein Neubeginn oder gar eine Wiedergeburt im jetzigen Leben sein. So schrieb eine Klientin sechs Wochen nach ihrer ersten inneren Begegnung mit ihrer alten, noch lebenden Mutter:

fotolia©Kalim„Ich wollte Ihnen erzählen, wie gut es mir geht. Nach meiner (inneren) Reise zu meiner großen, starken Mutter und zu meinen Ahninnen habe ich das Gefühl, endlich bei mir angekommen zu sein. Sehr oft bin ich bei ihnen, sowohl, wenn es mir schlecht geht, als auch gut. Jeden Tag besuche ich meine Mutter oder meine Ahninnen.

Am Tag meiner (inneren) Reise, als ich nach Hause kam, bemerkte mein Mann, ich würde so anders wirken als sonst, so ruhig und ausgeglichen. Ja, und das fühle ich auch. Fühle es fast ständig. Und falls ich unruhig oder unsicher werde, brauche ich nur in mich zu gehen und mich zu verbinden.

So werde ich auch bestimmt irgendwann noch meine Reise zu meinem Vater antreten, aber das braucht noch eine Weile.“

Ihre fast fünf Jahrzehnte gefühlte innere Beziehungslosigkeit zu ihrer Mutter und ihre Unsicherheit sich selbst und ihren Bedürfnissen gegenüber hatte damit ein Ende gefunden. Das alte, nagende Gefühl, nicht in diese Familie zu gehören, hatte sich in der vollkommenen Annahme der Mutter und im Empfangen des Segens der weiblichen Linie plötzlich gewandelt in: „Ich gehöre genau dorthin. Das heilt sehr. Ich habe das Gefühl, dass ich nie wieder allein sein werde.“

Die Macht der Geschichte in unseren Beziehungen.
Entlassen wir unsere Kinder aus den Erfahrungen unserer Eltern!

fotolia©Yuri ArcursWenn wir als Einzelne und als Menschheit ein neues Zeitalter des Friedens ersehnen, wird dieses sich letztlich nur auf der Basis des Friedens in unseren Herzen verwirklichen können. Und dieser ist maßgeblich mitbestimmt vom Frieden oder Nichtfrieden in unseren Beziehungen – insbesondere zu Partnern, Eltern und Ahnen. Frieden können wir auch durch Liebe ersetzen.

Liebe ist das Grundmotiv der Schöpfung, aus ihr sind wir als Geschöpfe entstanden. Und zugleich ist das menschlichste emotionale Grundbedürfnis schlicht: lieben und geliebt zu werden.

Doch damit der „göttliche Flow“ gegenseitig frei sich verschenkender Liebe unsere alltägliche Wirklichkeit werden kann, haben wir alle noch etliche Altlasten zu befrieden. Das ist nichts weniger Gigantisches als die „Geschichte der Menschheit“, die – auch kollektives Unbewusstes genannt – vielseitig wirksam in uns lebt und lebendig ist. Nicht, was in Geschichtsbüchern an Ereignissen aufgezählt wird, sondern die emotionalbeziehungsmäßigen Erfahrungen derer, die diese Ereignisse erlebt und mitgemacht haben.

So finden wir heute – 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – in vielen Familien-Aufstellungen und inneren Begegnungen, die der Heilung der Beziehungen in unseren Familiensystemen dienen, immer noch die negativen Auswirkungen dieser traumatisierenden Zeit von Krieg, Verlust der Väter, Hunger, Flucht und Vergewaltigung wieder – bis in unsere Kinder und Enkel hinein.

Es gibt hierzulande kaum jemanden, dessen Familie davon nicht betroffen ist. Die Traumata, die wir uns gesellschaftlich und individuell durch den Faschismus zugefügt haben, waren so heftig, dass sie in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg nur durch Verdrängung ausgehalten wurden.

Menschen, die in den 1930er- und 1940er- Jahren geboren sind, halfen sich dadurch, dass sie sich auf Wiederaufbau und Wohlstand fixierten. Der äußere Wohlstand verschaffte ihnen eine Art Sicherheit, die mithalf, die emotionale Traumatisierung und innere Unsicherheit aus ihrer Kindheitsund Jugendzeit zu verdrängen und unterm Teppich zu halten.

Nach zwei Jahrzehnten „Wirtschaftswunder“ waren eigentlich so viel Normalität, Sicherheit und Wohlstand erreicht und Abstand zur nationalsozialistischen Gräuelzeit vorhanden, dass die Menschen sich der Aufarbeitung und Heilung ihrer Kindheits- und Jugend-Traumata hätten widmen können.

Doch es fehlte gänzlich das Bewusstsein dafür und so landeten die verdrängten Traumata, emotionalen Verletzungen und ungeheilten inneren Beziehungsverluste fast alle bei den Kindern der 1950er- und 1960er- Jahre, den heute 40- bis 60-Jährigen.

Die reagierten unausweichlich mit einer Revolte und der Ablehnung des ganzen Systems und erzwangen schließlich die Aufarbeitung der Vergangenheit in allen gesellschaftlichen Bereichen bzw. machten sich selber daran.

Ein heilsamer Vorgang – doch dieser erfasste hauptsächlich nur die äußere Seite des Lebens. Mit dem Aufkommen der Systemischen Familien-Aufstellungen seit Mitte der 1980er-Jahre wurde deutlich sichtund erlebbar, wie wir als Nachkommen innerlich emotional und energetisch an die unerlösten Traumata der Eltern- und Großeltern- Generationen und darüber hinaus gebunden sind und unser Verhalten davon unbewusst mitbestimmt wird. Mehr noch offenbarten sich vielerlei Dynamiken innerfamiliärer Verstrickungen, die sich gänzlich unserem Tagesbewusstsein entziehen.

Die verdrängten Traumata der emotionalgebrochenen und verletzten „Kriegskinder-Eltern“ rutschten zuhauf in die Herzen und Energiefelder ihrer Kinder. Diese werden dadurch oft zu emotional Gebenden gegenüber den „schwachen“ Eltern und überfordern sich dabei vollkommen selbst. Sie können sich in diesem Zusammenhang auch für die „Großen“ verantwortlich fühlen, was einer Verdrehung der Rollen gleichkommt.

Viele haben die Erfahrung eigentlich „nicht vorhandener“ Eltern gemacht. Diese waren zwar meist physisch anwesend und haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihre Kinder mit materieller Sicherheit zu versorgen. Doch innerlich waren sie nicht wirklich präsent, gefühlsmäßig kaum erreichbar und unfähig – selbst in dieser Hinsicht völlig unterernährt –, ihren Kindern körperlich ausgedrückte Nähe, Wärme und Liebe entgegenzubringen. (Was nicht heißen muss, dass sie sie nicht geliebt hätten.)

Sehr vereinfacht und zugespitzt könnten wir sagen: Die „Kriegskinder-Generationen“ (Jahrgänge 1930 bis 1950) trugen und tragen in sich – als schlummernde Zeitbomben – die unverarbeiteten Erfahrungen von Todesangst, Menschen-Verlusten und materiellem Mangel. In den Generationen ihrer Kinder (Jahrgänge 1950 bis 1970) wurden schließlich die emotionalen Folgen dieser unerlösten Traumata offenbar – die Zeitbomben begannen zu explodieren.

Viele versuchten sich von diesem enormen inneren emotionalen Druck, dessen Hintergrund völlig im Dunkeln lag, dadurch zu befreien, dass sie ihre Eltern ablehnten und nichts mehr mit ihnen, deren Vergangenheit bzw. der eigenen Herkunft zu tun haben wollten.

20 bis 30 Jahre älter geworden, sickert langsam die Erkenntnis durch, dass damit nichts gelöst ist und nur die innere Versöhnung und volle Akzeptanz, eben genau diese Eltern (auf Seelen-Ebene ausgewählt) zu haben, inneren Frieden, Kraft und Verwurzelung bringen können.

Doch dazu braucht es oft noch die unbewusste Hilfe der Kinder (Jahrgänge 1970 bis 1990) der „Wirtschaftswunder-Kinder“ (Jahrgänge 1950 bis 1970). Indem Letztere innerlich in der Ablehnung ihrer Eltern und deren Vergangenheit hängenblieben, geschah wiederum nichts anderes, als dass die unerlösten Problematiken der „Kriegskinder- Generationen“ eine Etage tiefer zu deren Enkel-Generationen (Jahrgänge 1970 bis 1990) rutschten – zusätzlich angereichert mit den ungelösten Beziehungsproblemen ihrer „Wirtschaftswunder-Eltern“.

So machen wir gesellschaftlich seit geraumer Zeit zunehmend die Erfahrung, dass unsere Kinder und Enkelkinder immer mehr „am Rad drehen“, „psychisch auffällig“ werden, „psychologischen Beistand“, „Verhaltenstherapie“ oder „Ruhigstellung durch Ritalin“ benötigen.

Dafür gibt es sicherlich einige triftige Gründe äußerlicher Natur wie die Einführung der Ganztages-Krippe für Babys ab dem dritten Lebensmonat, die Eintrichterung von Grundschulwissen in Kindergarten- Kinder, der Fulltime-Job-Stress für Jugendliche, in nur 12 Schuljahren das Abitur erreichen zu müssen. Oder der Umstand, dass wir alle dauernd so beschäftigt sind und ständig „keine Zeit“ haben – weder, um zur Besinnung zu kommen, noch um für gelebte Beziehungen präsent und verfügbar zu sein.

Wir scheinen vergessen zu haben, dass Beziehungen nicht „hergestellt“ werden können. Eine wirkliche Beziehung und damit positive Bindung kann nur über das gemeinsame Erleben entstehen. Gemeinsam mit dem eigenen Kind erlebte Zeit bildet den Raum für das Aufeinanderbezogensein. Indem wir Zeit teilen und unseren Kindern offen in ihrem So-Sein begegnen, erleben sie sich willkommen in einem geschützten Rahmen. So kann eine wahrhafte Beziehung entstehen, anstatt dass der Fokus nur auf Erziehung, Vermittlung von Wissen und Funktionieren liegt.

In der Unkenntnis und dem Unverständnis der inneren Dynamiken des Lebens und der systemisch-familiären Verstrickungen denken Eltern dann, das Problem läge einzig bei ihren „auffälligen“ Kindern, und schleifen sie notgedrungen zu Ärzten und Therapeuten. Doch wer genauer hinschaut, erkennt sehr oft, dass ihr „Am-Rad-Drehen“ eigentlich eine Funktion für ihre Eltern hat. Sie bringen häufig nur das (übernommene) Verdrängte der Eltern zum Ausdruck.

Die „Auffälligkeit“ der Kinder dient also auch dazu, ihren Eltern deren unerkannte Defizite und unbewusste Verstrickungen ins Bewusstsein zu bringen. Eine Chance für die Eltern, die Verantwortung für ihre unerlösten Beziehungsprobleme und emotionalen Verletzungen zu übernehmen, und zugleich eine Gelegenheit, etwas zu ihrer Auflösung zu unternehmen.

Wenn die Eltern bereit sind, diese Aspekte zuzulassen und sich selbst zu hinterfragen, können sie sofort etwas tun, um ihre Kinder zu entlasten und aus dem inneren Druck des Stellvertreter-Daseins für ihre Probleme zu befreien. Indem sie selbst therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, um die eigenen ungelösten Geschichten anzugehen, können sie ihre Kinder aus dem Stellvertreter- Zwang entlassen. Indem sie durch die Heilung ihrer Beziehungen auf der inneren Ebene all das von ihren Kindern zu sich zurückholen, was an Ungelöstem von ihnen bei den Kleinen gelandet ist, befreien sie ihre Kinder und sich selbst.

Wäre das nicht eine Motivation, wenigstens unseren Kinder zuliebe uns daranzumachen, unserem verdrängten, unerlösten Schatten in die Augen zu schauen – und damit unser Leiden aufzugeben? Und mit der Schatten- Integration den Weg freizumachen, endlich unser schöpferisches Potenzial zu entfalten und den tieferen Lebenszweck unserer Seele zu verwirklichen?

Sehr viele haben es mit 40 bis 60 Jahren immer noch nicht geschafft, wirklich erwachsen zu werden, was eigentlich mit Ende 20 vollzogen sein sollte. Erwachsen werden bedeutet, wirklich vollkommen die Verantwortung für sich und seine Geschichte zu übernehmen und das Beste daraus machen, indem wir unsere systemischen Fesseln und das Opfer-Sein ablegen und unsere Eigenmacht zu uns (zurück) holen.

Dabei kann das Beste, was ich bin und habe und sein will, letztlich nur zum Ausdruck kommen, wenn ich dem Angstbesetzten, Schlimmsten und Peinlichsten mutig annehmend in die Augen schaue und diese unangenehmen Persönlichkeitsanteile in mein Wesen integriere.

Die „Wirtschaftswunder-Generation“ – wie auch alle nachfolgenden – besitzt ein unglaubliches Privileg, das es in der Geschichte, wie wir sie kennen, noch nie gegeben hat. Wir haben als Menschheit weltweit in den letzten drei Jahrzehnten eine enorme Vielfalt an innovativen therapeutischen Methoden und guten, spirituell bewussten und mit dem Herzen arbeitenden Therapeuten und Heilern hervorgebracht. So wird jeder, der mit seinem Herzen sich umschaut und dabei seiner Intuition folgt, genau den Richtigen und das Richtige als Weg-Begleitung finden, was er für die Heilung seiner Beziehungen, für Bewusstwerdung und Selbst-Verwirklichung braucht.

Wir sind alle eins unter diesem Himmelsdach. Wir atmen alle dieselbe Luft auf unserem Planeten. Und wir dienen uns alle gegenseitig mit unseren Qualitäten und Fähigkeiten und mit unserem Da-Sein füreinander. Erleuchtet werden wir im Leuchten der Augen unseres Gegenübers. In ihnen zeigt sich, ob unsere Schönheit, unser Licht und unsere Liebe ein Geschenk geworden ist. Erfahren werden wir, was wir wirklich wollen und selbst auszudrücken in der Lage sind. Was wir nicht mehr nur unbewusst reproduzieren, sondern aus der eigenen Freiheit heraus ganz bewusst täglich neu erschaffen.

Unsere Welt kennt kein schöneres Geschenk als ein frei sich verschenkendes, schöpferisches „Ich bin“.

Und sie verdient viele davon.

Helmut Maier Helmut Maier
Jg.1959, Heilpraktiker für Psychotherapie, Beziehungs- und Transformations-Therapeut in Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau Rita Maier, Heilpraktikerin. Prozessorientierte Homöopathie, Blüten- Essenzen, energetische Heilweisen, Psychosomatische Energetik sind ihnen wichtige energetische Hilfsmittel bei der Auflösung von emotionalen Konflikten, beziehungsmäßigen Verstrickungen und Energie-Blockaden.
Heilpraxis Maier Fünfte Gartenreihe 28, 66740 Saarlouis
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