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Die heilsame Kraft des Klangs

fotolia©MicrogenEin altes Wissen wird gerade wiederentdeckt: „Klang kann heilen“. So finden sich derzeit allgemein anmutende Artikel hierzu bis in die Mitgliedermagazine der Krankenversicherungen. Und natürlich ist das Internet voller Informationen zum weit gefassten Thema mit klangvollen Namen wie Soundhealing, Gongbad, Klangheilung, Gongtherapie, Klangschalentherapie, White Sound Gong, Sound-Therapie oder Naad Yoga.

Wie man sieht, ein weites Feld, in dem sich Wissen, Halbwissen und Unwissen gleichermaßen tummeln.

Klangheilung hat eine Dimension, die viele bislang völlig unterschätzen; Schwingungen, die tief in unserer Psyche bis hin zu allen Körperebenen wirken. Wie kann das sein, dass unsere Stimme, Musik oder allgemeiner Klang heilsam ist?

Schauen wir uns dazu zwei Beispiele von Klangheilung mit langer, ja mehrtausendjähriger Tradition an.

 

 Naad Yoga – Yoga der Stimmung

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Die jahrtausendealten Lehren des Yoga verstehen sich nicht auf bloße Körperertüchtigung. Wer Yoga so verstanden hat, hat es nicht verstanden. Der Begriff „Yoga“ bedeutet Verbindung und meint den harmonischen Ausgleich von Körper, Geist und Seele.

Hier müssen wir vielleicht erst einmal kurz die Erkenntnisse der Physik einschieben, die heute sagt, es gibt gar keinen Körper. Ja, Sie haben richtig gelesen, aber die Erkenntnisse der Quantenphysik zeigen heute auf, dass sich in seiner letztendlichen Auflösung alles – auch Ihr scheinbar so fester Körper – durch Leere, Energie und Schwingung definieren lässt.

„Wenn du die Geheimnisse dieses
Universums erkunden willst,
dann denke in Form von Energie,
Frequenz und Schwingung.“
Nikola Tesla

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Unsere Welt erscheint hier als ein ineinander verschränktes elektromagnetisches Ensemble, das sich lediglich durch verschiedene Frequenzen unterscheidet. Zu dieser Welt gehört eben alles, auch Ihr Körper, Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und das Bewusstsein – eben jene Instanz unseres Seins, die all dies wahrnimmt. Könnte das etwas mit der Wirkungsweise von Klang auf jede Person – weil ebenfalls Schwingung – zu tun haben?

Ach, ich vergaß zu erwähnen, dass der Begriff „Person“ aus dem Lateinischen „per sonare“ kommt und „durch den Klang“ entstehend bedeutet.

Ich begrüße Professor Surinder Singh aus London, zum Interview. Gerade hat er für 3sat zum gleichen Thema für einen Filmbeitrag zur Verfügung gestanden. (http://www.3sat.de/mediathek/?mode= play&obj=60292)

Als Hochschullehrer und Dozent der traditionellen Musik der Sikhs und als Naad Yogi kann er thematisch viel erklären, lehren und uns zugleich – was viel ergreifender und selbstbestätigend wirkt – in die Erfahrung der Wirkung führen.

Surinder Singh sitzt vor mir im Schneidersitz und stimmt eine kurze Melodie an. Keine zwei Minuten dauert sein Gesang dieses Raags und mir laufen Tränen über die Wangen. Gleichzeitig fühlt es sich an, als hätte ich innerlich einen tiefen und befreienden Seufzer getan. Was bleibt, ist ein gutes Gefühl, aber auch unerklärliche Verwunderung über das, was eben geschehen ist.

„Was das war?“, fragt der Professor, ohne dass ich etwas gesagt hätte. „Viele werden den indischen Begriff Raag oder Raga schon einmal gehört haben, ohne sich etwas Genaues darunter vorstellen zu können.“

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Raag heißt übersetzt Stimmung

Darunter können wir uns alle etwas vorstellen, auch bezogen auf die Musik. Wir haben unser Lieblingslied, dass uns unmittelbar glücklich macht, oder die Musik, die uns einfach zu Tränen rührt, usw. Während ein und dasselbe Lied mich glücklich macht, kann es jemand anderen in eine ganz andere Laune versetzen. Verglichen damit ist die Stimmung eines jeden Raags allerdings sehr differenziert festgelegt durch genaue Anweisungen, welche Töne in diesem Raag benutzt werden dürfen und mit welcher Emotion.

Es geht also in erster Linie darum, Emotionen auszudrücken und auszugleichen

Emotionen, die jedem Menschen, egal welcher Nationalität und Sprache, bekannt sind, und wenn wir genau hinschauen, sein Befinden beeinflussen. Wir alle wissen durch unsere Lieblingsmusik, wie unterschiedlich wir auf Klangmuster reagieren. Wenn wir Musik und die durch sie erzeugten Stimmungen betrachten, können wir feststellen, dass die klassische indische Musik aus einem Tonvorrat von 22 Tönen schöpft, genauer wäre es aber zu sagen, dass es sich um 22 verschiedene Emotionen handelt. So kommt es, dass die Stimmung eines jeden Raags sehr differenziert festgelegt wird, bis hin, welche Töne in diesem Raag benutzt werden dürfen und mit welcher Emotion. Dadurch wird die Stimmung sehr genau zum Zuhörer transportiert und versetzt ihn genau in die gewünschte Stimmung.

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Das hat psychische wie körperliche Auswirkungen

„Man kann sich die Zusammensetzung eines Raags vielleicht am einfachsten wie die Zusammensetzung eines Medikaments vorstellen: Um die gewünschte Wirkung ganz genau zu erhalten, gebe ich die entsprechenden Zutaten – hier Emotionen – herein und achte darauf, dass jede dieser Zutaten auch in der richtigen Dosierung beigemischt wird. Die erlaubten Töne des Raags haben unterschiedliche Wichtigkeiten und werden dementsprechend oft bzw. seltener genutzt. Nur wenn ich ganz genau arbeite, erhalte ich am Ende das Mittel, das für mein Befinden das richtige ist. Dies hat meinen Gesang zu etwas anderem gemacht, als man es in westlicher Musik kennt“, so der Professor. Die Welt indischer Raags weist 60 verschiedene (menschliche) Stimmungen auf.

Um eine solche Präzision in der Klangmischung leisten zu können, bedarf es für Interessierte, Yogis, Heilpraktiker oder Ärzte einer mehrjährigen Ausbildung zum „Sound Therapist“, übrigens seit 2017 erstmalig auch in Deutschland (https://rajacademy.com).

Hier erkenne ich zum ersten Mal, worin das Heilsame gezielter Klanganwendung liegt. Durch eine in der Tiefe wirkende, mir unbewusste Emotion (Energie in Motion) war ich in innerer Disharmonie (wir erkennen dabei das musikalische Vokabular „Stimmung“, „Harmonie“, „Disharmonie“ für unsere Gefühlslage. Offenbar hatte es Professor Surinder Singh verstanden, dies zunächst analytisch wahrzunehmen – ebenfalls Teil der Ausbildung – und dann mittels seines individuellen Gesangs zu harmonisieren. Unglaublich.

Gongbad, White Sound und Gongtherapie

Scheinbar ganz anders, aber eben auch artverwandt geht es in der Behandlung mit großen Gongs zu. Dies ist mein Spezialgebiet, von dem ich nun dem Professor mehr erklären soll.

Ich habe variable Formen des Gongspiels als Bestandteil der Kundalini-Yogalehre – hier insbesondere durch meinen viel zu früh verstorbenen Lehrer Nanak Dev Singh Khalsa – als Form im Sat Nam Rasayan®, aber auch des Schamanismus kennen-, schätzen- und in vielen Jahren intensiver Auseinandersetzung mit den Klangphänomenen großer Gongs anzuwenden gelernt.

Heute als Gongausbilder und Heilpraktiker für Psychotherapie haben in meiner Praxis differenzierte Gongspieltechniken als mögliches therapeutisches Element gleichberechtigt neben psychotherapeutischen Methoden erfolgreich Einzug gehalten. Während viele Methoden, insbesondere die Verhaltenstherapie einzig im kognitiven Bereich arbeiten, vermag es rein der Klang, die emotional beteiligten Muster der Klienten auszugleichen. Das ist in dieser Verbindung neu, einzigartig und weiterführend für den therapeutischen Prozess.

Wer nun glaubt, Klangtherapie z. B. durch Klangschalen bereits zu kennen und die Anwendung auf Gongs übertragen zu können, der irrt. Zwar arbeiten sowohl der Klangschalentherapeut als auch der Gongspieler mit dem physikalischen Phänomen der Resonanz. Das besagt, dass Dinge mit gleicher oder ähnlicher (z. B. um Oktaven versetzter) Schwingung sich gegenseitig zum Mitschwingen beeinflussen, eben in Resonanz gehen. Aber während die Klangschale einen Grundton und ein paar wenige Obertöne unveränderlich aufweist und damit festgelegt ist, lassen sich die Klangspektren großer Symphonic Gongs faszinierend modellieren. Dadurch ist es dem gelernten Gongspieler möglich, die stets differenten Resonanzfelder, die sich in der Arbeit mit seinem Klienten ergeben, am Verhalten des Gongs analytisch zu erkennen und zu bedienen.

Bestimmter Gongsound wirkt bei Schlafstörungen

Mit meditativen Gongspieltechniken und Gongbädern kann es schnell möglich sein, unser vegetatives Nervensystem zu beruhigen, mit bestimmten Gongs und Spieltechniken oft nach wenigen Minuten ganz medikamentenfrei selbst bei schmerzbedingten Schlafstörungen erholsamen Schlaf zu induzieren.

Zugleich birgt der ungelernte Umgang mit dem größten selbstklingenden Instrument, dem Gong, aber auch große Gefahren, wie die der (Re-)Traumatisierung. Dies nämlich immer dann, wenn unbedarfte und unausgebildete Spieler ungestüm auf das feinsinnige Instrument einschlagen, ohne seine fatale Wirkung beim Teilnehmer zu spüren: Angst!

Dennoch gibt es sogar gezielte Methoden, wie etwa die stets auch körperlich mit Yogaübungen vorbereitete „White Sound Gong Meditation“, die im Gongspiel eine wirklich extreme Schwingungsvielfalt erreicht. „Ich empfand, als ob ein Starfighter durch den Raum fliegt“, kommentierte dies (wohlgemerkt freudestrahlend) einmal eine Teilnehmerin. Dies ist immer dann – und nur dann – als befreiende Methodik möglich, wenn das gekonnte Gongspiel zuvor die Teilnehmer in einen tranceartigen und darin angstfreien Bewusstseinszustand führt.

In dieser Schwingungsdichte verstummen sogar unsere stets plappernden Denkimpulse. Im langsamen Rückführungsprozess des Gongspiels erscheint es vielen wie ein Neubooten des Systems.

Fragmente dessen, was in der Gongmeditation erfahrbar war, reichen vom starken Durchbluten und Erwärmen typischer Schmerzregionen bis zur Schmerzfreiheit, vom Glockenklang bis zu Lichtphänomenen, von szenenhaften Träumen gar bis zu Out-of-body-Erfahrungen. Dies ist bereits die hohe, vielleicht gar höchste Schule des Gongspiels, wenn man die Komplexität dessen, was man dazu beherrschen muss, als Maß nimmt.

Gefühle sind Klang

Ganz anders geht es dann in der therapeutischen Methodik mit einzelnen Klienten zu. Hier dienen wiederum ganz andere Spieltechniken dem Gleichen wie zuvor Professor Surinders gekonnter Gesang. Es geht um das Ausgleichen von Emotionen, die vielleicht wie eine eigene „Klangstruktur“ in uns abgespeichert sind.

Ähnlich wie unser Geruchssinn mit dem Geschmackssinn verknüpft ist, scheinen Gefühle mit dem Klang verbunden zu sein, sodass wir von unseren „Stimmungen“ sprechen. Wird der Gong hier wie ein Trigger gespielt, werden die im therapeutischen Gespräch stets und mühsam umschifften Themen mitunter endlich zugänglich und bearbeitbar.

War der Trigger die Gesprächstherapie, ist es umgekehrt möglich, bei Klienten die entfachten verknüpften Emotionen zu besänftigen und so einen heilenden Ausklang der Stunde zu ermöglichen.

In allen Fällen des Gongspiels und der dabei angewandten Spieltechniken ist es jedoch wichtig, die gleiche Empathie zu halten, wie sie schon der Psychologe Carl Rogers zur therapeutischen Grundhaltung beschreibt. Hier geht es nie um den Gong-Solisten, sondern immer und nur um den Teilnehmer, Klienten oder Patienten.

Die bestenfalls sogar meditative Wahrnehmung des Gongspielers ist der Schlüssel zum Erfolg und auch ein Grund, weshalb man sein Handwerk Gongspiel sehr vielfältig, gar interdisziplinär lernen muss. Die therapeutische Neutralität hat hier ihre Entsprechung in der meditativen Leere (Shuniya) des Gongspielers.

Worin liegt die heilsame Kraft des Gongklangs?

Die einzigartige Stärke des Gongs auf dem Gebiet „Soundhealing“ liegt zuvorderst in zwei seiner Eigenheiten, den variabel erzeugbaren Frequenzstrukturen und seiner parallel möglichen enormen Energieentfachung. Das Wort „möglich“ macht hierbei deutlich, dass dies nicht sein muss. Das kann bei der Frequenzvarianz auf der Bauart des verwendeten Gongs beruhen, vielmehr hängt diese aber vom Können seines Spielers ab.

„The gong is not sound,
the gong is resound.“
Yogi Bhajan

Genau die extreme Varianz an Tönen und Obertönen muss als Angebot den Teilnehmer „beschwingen“, sodass er seine Resonanzen darunter „von selbst findet“. Ein guter Gongspieler erkennt dabei – wie der Jazzspieler in der Improvisation – die angesagte Schwingung.

Das, was wir oft als Krankheit bezeichnen, kann man so vielleicht als veränderte (Mit-) Schwingungsfähigkeit verstehen; wie eine fehlende Empathie bestimmter Bereiche unseres Wesens.

Die extremen Schwingungsdichten großer Gongs sind aber prinzipiell in der Lage, auch schwierige, weil manifeste Blockaden, ob somatisch oder psychisch, zu durchdringen und zum Mitschwingen anzuregen. Wenn dieser passend resonierende Klangstrom den Körper durchflutet, geben sich Blockaden der Schwingung hin, ein emphatisch mitschwingender Fluss entsteht.

Heilung mittels Klang hat eine lange Tradition

Wenn der Optiker im Ultraschallbad unsere Brille wie von Wunderhand vom Schmutz befreit, arbeitet er nur mit Klang. Ob der Mediziner mittels Ultraschall Nierensteine diagnostiziert oder gepulst zertrümmernd auf sie einwirkt, er arbeitet wiederum mit Klang. Beides sind recht zeitgemäße Beispiele der elektromagnetischen Wellen, sprich Klanganwendung, die wohl niemand infrage stellen will. Suchen wir nach der heilsamen Kraft des Klangs, müssen wir aber anerkennen, dass dies nicht von hoch technischen Geräten abhängt und auch nicht erst in der Neuzeit entdeckt wurde.

Wir müssen anerkennen, dass es sich zumindest mit den zwei hier angerissenen Beispielen von Klangtherapie - Naad Yoga wie Gongtherapie - nicht um neue marketingwirksame Erfindungen und Wortschöpfungen, sondern um sehr alte überlieferte Traditionen und Kenntnisse zur heilsamen Anwendung von Klang handelt.

Traditionen, deren Wirkung mannigfach über viele Jahrhunderte erfahren und deren Anwendung stets detailliert von Lehrer zu Schüler weitergegeben wurde und weiterhin wird. Doch das lässt sich schreibend kaum transportieren, dies ist vielmehr eine Erfahrung, der man sich hingeben sollte.

Richard Mecke-SchrodRichard Mecke-Schrod
Heilpraktiker für Psychotherapie, Yogalehrer, therapeutischer Gongspieler und Gongausbilder

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