Schlafen wie ein Murmeltier
Die Tage sind kürzer, die Nächte länger und manche Menschen sehnen sich danach, tief und fest schlafen zu können, während anderen dies anscheinend schon mit in die Wiege gelegt worden ist. Doch ist es tatsächlich „nur“ Zufall, erholsam und ausgeruht aufzuwachen und mit voller Energie den Tag zu beginnen?
Erfahren Sie, weshalb schlafen für uns so wichtig ist und was jeder selber tun kann, um möglichst optimal zu schlafen.
Architektur des Schlafes oder warum schlafen wir?
Alle Organismen unterliegen einem abwechselnden Schlaf- und Wachrhythmus. Ein Zyklus umfasst dabei 24 Stunden mit einer Tag- und einer Nachtphase, synchron zu Helligkeit am Tage und Dunkelheit bei Nacht.
In der ersten Nachthälfte folgen auf die Einschlafphase mehrere längere Tiefschlafphasen, die sich mit kurzen Traumphasen (Rapid Eye Movement, REM) abwechseln. In der zweiten Nachthälfte verkürzen sich die Tiefschlafphasen, bis schließlich die Traumphasen überwiegen.
Die längeren Tiefschlafphasen sind physisch zur Erholung und Regeneration notwendig und in dieser Phase wird auch das Wachstumshormon (Growth hormon, GH) ausgeschüttet, das auch mit Regeneration einhergeht. Wären die Tiefschlafphasen eingeschränkt, wäre auch die Regeneration im Schlaf geringer.
In den Traumphasen, den REM-Phasen, treten die meisten der Träume auf. Das kann von außen anhand von schnellen Augenbewegungen bei geschlossenen Lidern beobachtet werden. Die Traumphasen nehmen in der zweiten Nachthälfte zu und sind eng verknüpft mit der Verarbeitung von Erlebtem, der Erholung der Psyche und der besseren Abspeicherung und Festigung von Gelerntem.
Schlaf und Immunsystem wirken zusammen
Während des Schlafens werden verschiedene Hormone ausgeschüttet, die jeweils auch von der Nachthälfte oder auch vom Hell-Dunkel-Rhythmus abhängig sind.
Zwei wichtige Hormone sind das Wachstumshormon und das Cortisol.
Das Wachstumshormon wird in der ersten Nachthälfte, vor allem im Tiefschlaf, ausgeschüttet und hat eine immunstärkende Wirkung, wohingegen das Cortisol in der zweiten Nachthälfte zunehmend bis zum Aufwachen ausgeschüttet wird und eine immunsuppressive Wirkung, also eine entgegengesetzte Wirkung zum Wachstumshormon, hat.
Wären die Tiefschlafphasen in der ersten Nachthälfte häufig bis sehr häufig gestört, käme es zu einer verringerten Ausschüttung des Wachstumshormons, da dies an die Tiefschlafphasen gekoppelt ist. Das könnte auf Dauer zu einer Schwächung der Immunfunktionen führen und zwar auch dadurch, dass das Gleichgewicht zwischen der Ausschüttung des Wachstumshormons in der ersten Nachthälfte und des Cortisols in der zweiten Nachthälfte gestört wäre.
Melatonin ist ein weiteres Hormon, das jedoch nur bei Dunkelheit ausgeschüttet wird und ebenfalls zu einer Stärkung des Immunsystems, vor allem in der ersten Nachthälfte, beiträgt.
Es gibt eine Vielzahl von weiteren Funktionen und Regelprozessen. Ganz allgemein dient der Schlaf zur Regeneration und um wichtige Körperprozesse in der Nacht für den nächsten Tag vorzubereiten.
Schlaf und Gedächtnis
In mehreren wissenschaftlichen Studien wurden die Auswirkungen von Schlafmangel auf die Gedächtnisleistung untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sich Schlafmangel negativ z. B. auf kognitive Funktionen auswirkt, während ausreichender Schlaf, mit Tiefschlaf und Traumphasen, sich positiv z. B. beim Lernen bemerkbar macht.
Es gibt mehrere Studien mit jeweils speziellen Fragestellungen, die die Funktionen des Schlafens untersuchen.
Ein Beispiel: Das Wissenschaftsteam der Washington University School of Medicine fand heraus, „dass Schlafmangel die Menge der Tau-Proteine in unserem Gehirn um bis zu 50 % erhöht. Diese Proteine gelten als hauptverdächtige Verantwortliche für die Entstehung und Entwicklung von Alzheimer.“
Im Umkehrschluss heißt das: Ein gesunder Schlaf ist aus vielen Gründen anzustreben. Das ist es wert, sich die Frage zu stellen: Wachen Sie morgens frisch und genügend ausgeruht auf? Oder können Sie hier noch etwas optimieren?
Schlafstörungen oder was den Schlaf beeinträchtigt
Wenn den Schlafstörungen eine Krankheit zugrunde liegt, ist es naheliegender Weise sinnvoll, diese zu therapieren, um so auch die Schlafstörung abzumildern. Ansprechpartner sind zunächst die Hausärzte und auch die Fachärzte.
Schlafstörungen können bei gesunden Menschen die verschiedensten Ursachen haben.
Gedankenunruhe: kann u. a. durch persönliche Probleme, berufliche Herausforderungen oder anhaltende Mehrbelastungen auftreten.
Unangenehme Schlafumgebung: Diese kann sich z. B. durch Lärm, einen überhitzten oder zu kalten Schlafraum und Auswärtsübernachtungen ergeben oder auch einfach „nur“ an einer unpassenden Matratze und/oder Kopfkissen liegen.
Körperliche Unruhe: kann z. B. auch entstehen, wenn Menschen einer sitzenden Tätigkeit nachgehen und ein Bewegungsausgleich fehlt oder wenn durch fehlende körperliche Aktivität kein Stressausgleich stattfinden kann.
Alkohol: Von vielen als Einschlafhilfe geschätzt, hat der Konsum vor allem negative Seiten. „Alkohol unterdrückt den Traumschlaf, sodass eine mentale Erholung nur bedingt stattfinden kann.“ (Rosekind et al. 1994). Durch den Konsum von Alkohol ist am nächsten Tag auch die eigene Leistung oftmals limitiert.
Medikamente: Schlafmedikamente sind zwar eine Möglichkeit, jedoch eher dazu gedacht, um nach Verschreibung durch einen fachkompetenten Arzt eine kurze Zeitspanne zu überbrücken. Sie stören die verschiedenen Schlafphasen. Dadurch wird eine gute Regeneration im Schlaf erschwert. Aber auch andere Medikamente stören die Schlafstruktur, z . B. beeinflussen gewisse Antidepressiva die Traumschlafphasen.
Schlafhygiene für einen guten Schlaf
Nicht nur die Quantität, auch die Qualität des Schlafens trägt enorm dazu bei, wie man morgens aufwacht. Einige Anregungen für einen erholsamen Schlaf.
Schlafdauer: Die durchschnittliche Dauer des Schlafs wird je nach Literatur mit 7 bis 8, manchmal auch 8,5 Stunden angegeben und dient als Anhaltspunkt, als erste Orientierung. Individuell kann die Schlafdauer variieren.
Einschlafrituale: In der Kindheit wurden Geschichten vor dem Einschlafen vorgelesen, ein Hörspiel gehört oder die Eltern haben noch mit den Kindern gekuschelt. Dies waren Rituale, die ein Signal für das Zur-Ruhe-Kommen vor dem Einschlafen gesetzt haben. Solche Gewohnheiten können bei Einschlafschwierigkeiten wieder aktiviert werden und jeder kann sein eigenes Ritual zum Einschlafen finden, wie ein Hörspiel oder Musik hören, ein Buch lesen, Entspannungsübungen, Tee trinken.
Schlafumgebung: Eine angenehme Raumtemperatur kann dazu beitragen, den Schlaf zu fördern. Bei auswärtigen Übernachtungen ist es von Vorteil, auf bewährte Lösungen zurückzugreifen, z. B. im Hotel ein bestimmtes Zimmer vorab zu reservieren oder für das eigene Kissen zu sorgen.
Kognitiv entspannen: Oft berichten Menschen, dass ihnen, wenn sie einschlafen wollen, alle möglichen Gedanken durch den Kopf gehen, was z. B. am nächsten Tag bei der Arbeit noch wichtig sein könnte oder was eine gute Idee für die Geburtstagsfeier der Kinder am kommenden Wochenende wäre. Hier empfiehlt es sich, Notizblock und Stift in der Nähe des Bettes zu haben. So können spontane Einfälle für den nächsten Tag festgehalten und die Gedanken losgelassen werden.
Schlafmaske, Tag- und Nachtrhythmus: Da der Mensch dem Tag- und Nachtrhythmus folgt, also sich an Helligkeit und Dunkelheit angepasst hat, ist es sinnvoll, bei z. B. durch Schichtdienst bedingten Tagesschlaf, den Raum vollständig abzudunkeln oder, wenn das nicht möglich ist, eine Schlafmaske zu verwenden, um die Dunkelheit nachzuahmen, weil das Hormon Melatonin nur bei Dunkelheit ausgeschüttet wird. Statt einer Schlafmaske reicht oft auch schon ein Schlauchschal oder Halstuch.
Sportlicher Ausgleich, Bewegung: Sport hat eine anregende Wirkung. Wenn möglich, sollten zwischen Sport und Einschlafen 2 bis 3 Stunden vergehen. Aber schon ein Spaziergang kann ein Ausgleich zu einer sitzenden Tätigkeit sein und helfen, von den Tagesanforderungen zu entspannen.
Entspannungsmethoden: Es gibt mehrere Entspannungsmethoden, wie die jakobsche Muskelentspannung und das Autogene Training.
Wer ein Entspannungsverfahren lernt, sollte wissen, dass der Körper einige Zeit braucht, bis die Technik durch regelmäßiges Üben verinnerlicht wurde, sodass auch bei Anwendung in „Stresssituationen“ der Entspannungseffekt eintritt.
Einige Anregungen wurden hier vorgestellt. So können Sie sich Ihr ganz persönliches Einschlafritual zusammenstellen.
Literatur
- Birbaumer, Niels/Schmidt, Robert F.: Biologische Psychologie, Verlag Springer, 2018
Natalie Au
Heilpraktikerin für Psychotherapie, EMDR-Therapeutin (VDH/DGMT), NLP-Master-Business (DVNLP/INLPTA), Traumatherapie Somatic Experiencing nach Dr. Peter Levine