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Behandlung minderjähriger Patienten

2016 03 Behandlung1

Sofern Heilpraktiker für Psychotherapie fachlich hierzu qualifiziert sind, dürfen sie Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln. Lediglich die Berufsbezeichnung als „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut“ ist gesetzlich durch das Psychotherapeutengesetz geschützt; ihre Verwendung ist ausschließlich approbierten Leistungserbringern vorbehalten.

fotolia©VoyagerixIn der Praxis sind bei der Behandlung minderjähriger Patienten jedoch rechtliche Besonderheiten zu beachten. Es gilt zwei Aspekte zu unterscheiden:

  1. Kann der Minderjährige wirksam in die Heilbehandlung einwilligen?
  2. Kann der minderjährige Patient wirksam einen Behandlungsvertrag abschließen?

Während die zweite Frage die Geschäftsfähigkeit des Patienten und somit den Vergütungsanspruch des Heilpraktikers betrifft, bezieht sich die erste Frage insbesondere auf den Aspekt der Einsichtsfähigkeit des Patienten. Ohne diese ist eine ordnungsgemäße Einwilligung in die Heilbehandlung nicht möglich.

Einwilligung minderjähriger Patienten

fotolia©VoyagerixOhne wirksames Einverständnis des Patienten in die Heilbehandlung kann eine heilkundliche – auch eine psychotherapeutische – Maßnahme rechtswidrig sein. Dies gilt selbst dann, wenn die Behandlung als solche ordnungsgemäß „lege artis“ erfolgt. Zudem kommen berufsrechtliche Sanktionen in Betracht, die bis zum Widerruf der Heilpraktikererlaubnis reichen können. Wichtig ist: Ohne Einverständnis ist jeder Heileingriff – rechtlich betrachtet – eine Körperverletzung.

Eine wirksame Einwilligung setzt stets voraus, dass der Patient einwilligungsfähig ist. Hier stellen sich bei der Behandlung Minderjähriger folgende Fragen:

  • Kann ein Kind oder Jugendlicher selbst in eine psychotherapeutische Behandlung einwilligen?
  • Oder ist hierzu die Einwilligung ggf. beider Eltern erforderlich?

Zudem kann eine wirksame Einwilligung nur nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung erteilt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob sich die Aufklärung an den Minderjährigen oder die Elternteile richten muss.

Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen steht der Heilpraktiker vor der anspruchsvollen Aufgabe, die Einwilligungsfähigkeit des Patienten abzuschätzen. Er muss beurteilen, ob der Minderjährige die für die Behandlung erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt. Nur dann kann er seine Aufklärung an den Minderjährigen selbst richten. Feste Altersgrenzen existieren hierzu nicht. Die Rechtsprechung verlangt, dass der minderjährige Patient nach seiner geistigen und sittlichen Reife in der Lage sein muss, die Tragweite und den Umfang des heilkundlichen Eingriffs selbst abschätzen zu können.

Um dies zu beurteilen, können folgende Kriterien herangezogen werden:

  • die Reife/das Alter des Minderjährigen
  • die individuelle Auffassungsgabe
  • die Fähigkeit, dem Aufklärungsgespräch zu folgen und die Information zu verarbeiten

Die genannten Kriterien lassen eine trennscharfe Abgrenzung jedoch kaum zu. Das Problem des Therapeuten wird dadurch verschärft, dass seine vertragliche Schweigepflicht grundsätzlich auch gegenüber den Eltern besteht. Da jedoch der Vertragsschluss als solcher der Genehmigung bedarf, dürfte bei Zweifelsfällen über die Einsichts-/Einwilligungsfähigkeit ein Recht zur Offenbarung gegenüber den Eltern bestehen. Ist eine Gesundheitsgefahr des Kindes oder Jugendlichen gegeben, besteht eine Offenbarungspflicht gegenüber den Eltern. Da die Schweigepflicht des Heilpraktikers nicht strafrechtlich sanktioniert ist, sollte im Zweifelsfalle eine Unterrichtung der Eltern erfolgen. Sollten jedoch zwingende therapeutische Gründe einer Information der Eltern entgegenstehen, sollten eine sorgfältige Abwägung und deren Dokumentation erfolgen. Hier verbleibt jedoch ein rechtliches Risiko. Im Zweifel kann sich der Heilpraktiker an das Familiengericht wenden.

Bei Kindern unter 14 Jahren ist davon auszugehen, dass sie nicht einsichts-/einwilligungsfähig sind. Hier entscheiden die sorgeberechtigten Personen grundsätzlich für das Kind. Der Minderjährige selbst sollte jedoch entsprechend seinem Entwicklungsstand und seinem Reifegrad in die Aufklärung und Entscheidungsfindung miteinbezogen werden. Die Aufklärung sollte sowohl gegenüber den Eltern als auch dem Kind/Jugendlichen erfolgen. Alle sollten ihre Einschätzung hierzu äußern können und eine gemeinsame Entscheidung treffen. Keinesfalls darf eine Behandlung entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen der Eltern erfolgen.

Im Alter zwischen 14 und 18 Jahren hat eine individuelle Prüfung der Einwilligungsfähigkeit anhand der genannten Kriterien zu erfolgen. Ab dem 16. Lebensjahr kann bei normalen Behandlungen in der Regel von der Einwilligungsfähigkeit ausgegangen werden.

Wichtig ist, dass der Minderjährige in der Lage ist, dem Aufklärungsgespräch zu folgen, und die Erklärungen versteht. Er muss dazu fähig sein, weiterführende Verständnisfragen zu stellen. Zudem muss er den Heilpraktiker auf mögliche Eigenarten seiner Lebensverhältnisse hinweisen können. Aus Sicht des Heilpraktikers muss der verständige Minderjährige aufgrund der erteilten Informationen zu einer eigenständigen Abwägung der Chancen und Risiken in der Lage sein. Aufgrund des Umstands, dass diese Fähigkeit auch bei Patienten über 18 Jahren teils beschränkt ist, dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

Auch wenn der Minderjährige noch nicht einwilligungsfähig ist, sollte eine Behandlung nicht gegen seinen Willen erfolgen. Auch der noch nicht einwilligungsfähige Jugendliche besitzt ein „Vetorecht“ gegen Behandlungsmaßnahmen, sofern er in der Lage ist, den Sachverhalt angemessen zu würdigen. Dieses Recht endet jedoch dort, wo eine Verweigerung der Behandlung durch den Jugendlichen zu Gesundheitsrisiken führen würde. Hier dokumentiert die Verweigerung der gebotenen Behandlung die mangelnde Reife des Jugendlichen.

Sofern der Minderjährige nicht einwilligungsfähig ist, muss die Einwilligung durch die Eltern (oder die sonstigen Sorgeberechtigten) erfolgen. Oftmals sind nicht beide Elternteile bei einer Behandlung des Minderjährigen anwesend. Hier stellt sich die Frage, ob ein Elternteil allein eine wirksame Einwilligung erteilen kann. In einfach gelagerten Routinefällen ist dies möglich. Hier kann der Heilpraktiker von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des mit dem Kind erschienenen Sorgeberechtigten ausgehen.

Sofern eine Behandlung jedoch mit Risiken verbunden ist und über eine alltägliche Behandlung hinausgeht, muss sich der Heilpraktiker danach erkundigen, ob der nicht anwesende Sorgeberechtigte mit dem Vorgehen einverstanden ist. Im Regelfall kann er sich auf die entsprechende Antwort des anwesenden Elternteils verlassen.

Bei großen Risiken einer Behandlung muss sich der Heilpraktiker vom abwesenden Elternteil schriftlich bestätigen lassen, dass der anwesende Elternteil zu einer alleinigen Entscheidung befugt ist.

Bei einer psychotherapeutischen Behandlung im Sinne der Alternativmedizin sollte sich der Heilpraktiker stets danach erkundigen, ob der andere Elternteil mit dieser nicht schulmedizinischen Behandlungsform einverstanden ist, und dies dokumentieren. In problematischen Fällen sollte eine schriftliche Bestätigung eingeholt und der Dokumentation beigelegt werden.

Können sich die Eltern nicht einigen, ist die Einwilligung versagt. In diesem Fall kann jeder Elternteil jedoch das Familiengericht anrufen.

Verweigern die sorgeberechtigten Personen eine dringend gebotene Therapie für ihr Kind, kann dies ebenfalls rechtsmissbräuchlich sein. In diesen Fällen kann auch vom Heilpraktiker erwogen werden, sich an das Familiengericht zu wenden.

Bei einem Bejahen der Einwilligungsfähigkeit des Jugendlichen verbleibt jedoch das Problem der beschränkten Geschäftsfähigkeit des minderjährigen Patienten. Der Behandler setzt sich der Gefahr aus, dass kein wirksamer Behandlungsvertrag besteht und er seinen Vergütungsanspruch nicht durchsetzen kann.

Geschäftsfähigkeit

Um einen wirksamen Behandlungsvertrag abschließen zu können, muss der Patient geschäftsfähig sein. Kinder unter 7 Jahren sind geschäftsunfähig. Sie können sich durch Verträge rechtlich nicht binden. Hier kann der Behandlungsvertrag ausschließlich durch die Eltern abgeschlossen werden.

Personen zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr sind beschränkt geschäftsfähig. Die Behandlungsverträge sind nur dann wirksam, wenn sie von den Eltern genehmigt werden oder wenn der Minderjährige das Honorar direkt vor Ort aus eigenen Mitteln bezahlt hat. Weitere Ausnahmen können in Notfällen oder bei gesetzlich Krankenversicherten bestehen. Beide Sonderfälle sind für den Heilpraktiker für Psychotherapie jedoch kaum praxisrelevant.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund birgt die Behandlung Minderjähriger ein wirtschaftliches Risiko für den Behandler. Bereits aus diesem Grund sollte im Regelfall eine Behandlung Minderjähriger erst nach Zustimmung zumindest eines Elternteils erfolgen.

Fazit: Wo dies möglich ist, sollte die Behandlung Minderjähriger auf einer ausdrücklichen – ggf. schriftlichen – Einwilligungserklärung beider zuvor aufgeklärter Elternteile beruhen. Ziehen Sie den Jugendlichen gemäß seinem Alter und seinem Reifegrad in die Entscheidungsfindung und die Aufklärung mit ein. Sollte eine Information der Eltern problematisch sein, bestimmen Sie die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen anhand der genannten Kriterien. Im Zweifelsfall kann ein weiterer Heilpraktiker eine Zweitmeinung erteilen.

Wenn die Dokumentation des Heilpraktikers belegt, dass er sich mit der Frage der Einwilligungsfähigkeit ernsthaft auseinandergesetzt hat und er anhand der Kriterien zu einer vertretbaren/nachvollziehbaren Entscheidung gelangt ist, hat er im Regelfall keine negativen Folgen zu befürchten.

Wichtig ist zudem: Der Heilpraktiker darf und muss in akuten Notfällen auch Minderjährigen jederzeit Hilfe leisten. Hier wird eine Einwilligung des Minderjährigen bzw. von dessen Eltern vermutet.

Dr. René SasseRechtsanwalt Dr. René Sasse

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