Buchbesprechungen
„Metakognition“ ist der zentrale Begriff dieses gut 300 Seiten umfassenden Taschenbuchs. Metakognition ist das Nachdenken über das Denken. „Immer wenn wir über unsere Denkprozesse und unser Wissen nachdenken, betreiben wir Metakognition“. Was einfach klingt, kann allerdings durch 30 Umwege recht schnell kompliziert werden. Der Autor präsentiert dem Leser daher 30 Wege, „auf denen man besser denken und schneller handeln kann.“
Ein Dreh- und Angelpunkt im Buch sind die immer wieder betonten Feedbackschleifen. Aus der Verhaltenstherapie kennen wir sie als ABC-Modell nach dem US-amerikanischen Psychologen Albert Ellis. DiSalvo greift das Modell auf und belebt es durch die neuen Begriffe Evidenz, Relevanz und Konsequenz. Die unterstützenden Cartoons versuchen zwar dem Stoff etwas zusätzliche Leichtigkeit zu vermitteln, wirken aber eher wie Fremdkörper. Lesenswert wird das Buch eher durch die eingängige Sprache des Autors und die zahlreichen Beispiele. Obwohl solche Übertitel wie „pragmatische Adaption“ und „Allostase und Homöostase“ eher abschreckend wirken, sind die erklärenden Texte gut verständlich und auch für Leser ohne großes Vorwissen geeignet: die eigentliche Zielgruppe des Buchs.
Der Untertitel „Denken Sie Ihr Leben neu“ klingt ja wie die Einladung, durch Denken die Lebensqualität zu verbessern. Und in der Tat: Unser Denken beeinflusst unser Fühlen und Handeln. Neu wird das Leben allerdings erst dann, wenn wir aus dem Denken und Fühlen zum Handeln kommen. So widmet sich auch der zweite Teil des Buchs dem Tun: „[Wir] wenden uns von der Theorie zur Praxis – vom Wissen zum Tun.“
DiSalvo versteht hierunter allerdings auch das „Nachdenken-Tun“, also nicht nur die beobachtbare, ausführende Handlung. Die wird zwar auch berücksichtigt („Bleiben Sie stets aktiv“ oder „Schlafen Sie ...“), aber das Tätigwerden bekommt hier wenig Raum. Bleibt die Frage, ob das Nachdenken über das Denken bereits ausreicht, um genügend Zugkraft zu entwickeln, die Dinge auch anzupacken.
Der Nutzen des Buchs besteht für mich in der bodenständigen Sprache des Autors, die Fachwissen alltagstauglich macht. Er vermittelt wissenschaftliche Aspekte auf eine nachvollziehbare Art und Weise. Metakognition bleibt kein abstrakter Begriff, sondern wird spätestens ab Seite 30 eine vertraute Vokabel. Teil 2 „Handeln“ kommt zwar als Imperativ daher, „Halten Sie“, „Folgen Sie“, „Prüfen Sie“ ..., und ich fühlte mich zeitweise an eine Bauanleitung von IKEA erinnert, die in 30 Handgriffen zum Erfolg führt (oder auch nicht?). Allerdings wird den Überschriften durch die Leichtigkeit der Texte etwas die Oberlehrerhaltung genommen. Seine Denkbox, die 30 Wege enthält, liefert gute Impulse zum Darübernachdenken: „Halten Sie bewusst inne“. „Machen Sie sich die Feedbackschleifen bewusst“. „Studieren Sie Menschen, die das lieben, was sie tun“. „Bewegen Sie sich – Ihrem Geist zuliebe“ ...
Keine grundlegend neuen Erkenntnisse, aber immerhin behauptet der Autor auch nicht, dass es neue Wege sind. Er spricht vielmehr von einem „ganz anständigen Anfang“ und möchte „einen soliden Einstieg in die Veränderung unseres Denkens“ ermöglichen. Ob das gelingt, liegt wie immer beim Leser.
Im letzten Teil (100 Seiten) werden Fachbegriffe alphabetisch erklärt und DiSalvo erläutert, warum ihm Wissenschaftshilfe so wichtig ist. Insgesamt war das für mich kein wirklich großer Erkenntnisgewinn. Gewinnbringend jedoch waren die vielen wirklich guten Literatur- und Filmtipps zum Thema. Die Fülle an Vorschlägen hat mir weitere unterhaltsame Zugänge geliefert, mich mit dem „Nachdenken über das Denken“ und die damit verbundenen Themenfelder weiterzubeschäftigen. Fast würde ich sagen: Jetzt geht’s erst richtig los. Und damit hätte das Buch natürlich seinen Auftrag erfüllt.
Rezension: Horst Lempart, Psychologischer Berater
DiSalvo, David: Brain Changer. Denken Sie Ihr Leben neu, Springer Spektrum, ISBN 978-3-662-47287-3 64
Was ist Stress? Wie entsteht er? Welche Auswirkungen hat er auf unsere Gesundheit und wie lässt sich Stress bewältigen? Bücher rund um dieses Thema gibt es so viele wie Pillen, Kügelchen und Entspannungstees zusammen. Die Autorin Ingrid Strobel beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Stressthematik in Theorie und Praxis. So lag es nahe, selbst ein Buch zu schreiben, das anders ist als die gängige Anti-Stress-Literatur. „Ich stellte mir eine unterhaltsame Wissens- und Erfahrungsvermittlung vor. Ein Buch also, das Spaß macht zu lesen und dessen Inhalt leicht hirngängig ist, ohne sich anstrengen zu müssen.“
Das ist ihr gelungen. Kein Wunder, sie weiß, wie es geht, schließlich ist Strobel Autorin diverser erfolgreicher Publikationen wie z. B. „Liebe gibt’s nicht umsonst“ (2011) oder „Hirn & Herz, was Stress in unserem Körper auslöst“ (2009).
Ingrid Strobel hat diverse Fachqualifikationen erworben. Unter anderem ist sie Burnout-Syndrom- und Anti-Stress-Therapeutin und bildet als Dozentin an der Paracelsus Schule München selbst Stresstherapeuten und Berater aus. Als Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet sie seit 2005 in eigener Praxis mit den Schwerpunkten Burnout- und Paartherapie.
Ihre kompakte Wissensvermittlung geht weit über die üblichen und notwendigen Inhalte zum Thema Stress und Burnout hinaus. Die Kapitel sind übersichtlich strukturiert, schlüssig aufgebaut und gut lesbar. Nicht zuletzt, weil der Schwerpunkt auf Praxisbeispielen liegt. Strobel hat daher ein Fünf-Ebenen-Gesamtkonzept mit dem Namen PakEs entwickelt. PakEs ist ein in sich geschlossenes, einzigartiges und neues Konzept zur Stressbewältigung und Aktivierung von Ressourcen.
Als Akrostichon steht PakEs für die Säulen der Lebensbereiche, auf denen die Präventionsarbeit wie in die Nachsorge aufgebaut sind: P = Persönlichkeit, A = Arbeit und Alltag, K = Kognition, E = Entspannung, S = Soziales.
„Wir sind, was wir denken.“ (Ingrid Strobel)
Anhand vieler Beispiele aus ihrer Praxis beschreibt die Autorin leicht nachvollziehbar die Anwendung des Konzepts. Gleichzeitig lädt sie immer wieder zur ausführlichen Selbstreflexion ein: Wie sehen wir Dinge? Gibt es womöglich eine andere Sichtweise der Situation? Auf diese Art eröffnen sich dem Leser neue Perspektiven und Sichtweisen auf Situationen - den ersten Schritt für nachhaltige Stressbewältigung. Denn Stress entsteht vor allem durch selektive Wahrnehmung und Generalisierung. Stress ist subjektiv. Stress ist eine Frage der Bewertung. Und genau darüber lässt er sich auch reduzieren. 100 % erkenntniserweiternd ist das Buch da, wo der Leser feststellt, dass er seinen Stresslevel selbst in der Hand hat. Es regt an, sich beim Denken zuzuhören und stressverstärkende Denkmuster zu hinterfragen. So wird aus Ohnmacht Handlungsfähigkeit.
Müssen Sie wirklich immer alle E-Mails lesen? Strobel hat viele einfache Beispiele für die Arbeit mit eigenen Gedanken parat, wie dieses: „Stellen Sie sich vor, Ihre E-Mails quillen mal wieder über. Volle E-Mail-Postfächer werten Sie als Stress, weil Sie glauben, alle E-Mails zeitnah lesen und beantworten zu müssen.
Was passiert nun, wenn Sie Ihren Glaubenssatz hinterfragen? Wenn Sie sich fragen, ‚Muss ich wirklich alle E-Mails lesen und muss ich wirklich gleich antworten?‘ Sie werden zugeben, dass niemand mit der Pistole hinter Ihrem Rücken sitzt und Sie auffordert, sofort und unverzüglich Ihre E-Mails abzuarbeiten, (...). Warum bleiben Sie also nicht locker?“
Wer sagt Ihnen, was Sie müssen und was nicht? Und wie wäre es, wenn Sie jedes „ich muss“ einmal ersetzen durch ein „ich entscheide mich für“? Probieren Sie es aus. Die individuelle Stressdisposition lässt sich positiv beeinflussen, wenn Sie bereit sind, die Verantwortung für Ihre Entscheidung zu übernehmen.
Das lebendig geschriebene Buch bietet relevantes Hintergrundwissen und zahlreiche Anregungen für die Einzelberatung sowie einen Praxisleitfaden für die konkrete Durchführung von Seminaren mit modularem Stressmanagement (PakEs). Arbeitsvorlagen und Anleitungen runden das Fachbuch ab.
Rezension: Ela Windels, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Strobel, Ingrid: Stressbewältigung und Burnoutprävention. Einzelberatung und Leitfaden für Seminare, Verlag Haug, ISBN 978-3-830-47870-6
Bücher von VFP-Mitgliedern
Unser langjähriges Mitglied, die Heilpraktikerin für Psychotherapie und Paar- und Sexualtherapeutin Dagmar Cassiers, hat ein für Klienten wie für Berater und Therapeuten äußerst lesenswertes und nützliches Buch geschrieben. Ich war sofort fasziniert von den vielen anschaulichen Fallbeispielen aus der Praxis, genauso vom sehr differenzierten Fragenkatalog und dem ganzen Ansatz, so an das oft schwierige Thema „Sex in der Beziehung“ heranzugehen. Der Autorin ist sicher zuzustimmen, wenn sie behauptet, dass die Art und Weise, wie Partner sexuell zueinanderpassen oder eben auch nicht, einen sehr bedeutsamen Stellenwert für das Lebensglück des Einzelnen wie auch für die Qualität und die Dauer der Partnerschaft hat. Viele Partner machen sich etwas vor, arrangieren sich über Jahre oder gar Jahrzehnte, bis z. B. eine Außenbeziehung ihnen wieder die Augen für ihre eigenen verborgenen sexuellen Bedürfnisse öffnet.
Was war für Dagmar Cassiers die Motivation, dieses Buch zu schreiben, und was ist die Botschaft?
In ihrer langjährigen Tätigkeit als systemischlösungsorientierte Paartherapeutin kommt sie immer wieder mit Menschen in Kontakt, die trotz vielen guten Willens einfach keine echte Befriedigung miteinander erleben. Dabei schafft eine sexuell stimmige Beziehung eine Harmonie, die in den Alltag ausstrahlt. Eine erfüllte Sexualität ist eine starke, Beziehung stützende und tragende Basis. Sex macht glücklich oder extrem unglücklich. Je nachdem, ob das Liebesleben richtig rund läuft oder vor sich hin dümpelt. Die entscheidende Frage ist nicht, ob der Sex „gut“ oder „schlecht“ ist, sondern ob zwei Menschen sexuell zueinanderpassen. Mit 423 Fragen besteht die Möglichkeit, das eigene Sexual-Profil zu konkretisieren und mit dem des Partners abzugleichen.
Nun könnte man meinen, dass ein so umfangreicher Fragenkatalog einfach zu groß und zu mühsam ist, wenn man alle Fragen für sich oder gemeinsam als Paar oder zusammen mit der Therapeutin durchgeht. Das muss man aber gar nicht zwingend, man kann bestimmte Aspekte aus den 28 Fragekapiteln herausgreifen und soll sich – so die Autorin – durchaus auch mehrere Wochen Zeit lassen. Gerade das differenzierte Erfassen des sexuellen Erlebens und Verhaltens auf dem Hintergrund neuer sexualwissenschaftlicher und kommunikationspsychologischer Erkenntnisse unterscheidet dieses Buch von billigen Tests in Publikumszeitschriften, die in der Regel auch nicht wirklich erhellend sind.
Nach den Beratungserfahrungen der Autorin sind im Wesentlichen vier Faktoren entscheidend dafür, ob ein Paar sexuell zusammenpasst.
Erstens: Die Ausprägung der Libido, der quantitative Faktor und Stellenwert der Sexualität sind für das glückliche Miteinander und die Dauerhaftigkeit der Beziehung sehr bedeutsam. Wenn der eine Partner deutlich häufiger Lust hat als der andere, sind Probleme für die Partnerschaft vorprogrammiert.
Zweitens ist der unterschiedlich ausgeprägte Wunsch nach Intimität, körperlicher Nähe, Schamlosigkeit und Hemmungslosigkeit von entscheidender Bedeutung. Dies spielt in alle sexuellen Handlungen hinein und scheint auch beim einzelnen Menschen wenig veränderbar zu sein.
Die dritte Kategorie betrifft das Verhältnis von Aktivität und Passivität und den Wunsch nach Dominanz und Unterwerfung. Auch die Frage des sexuellen Temperaments ist ganz entscheidend. Wer es lieber zärtlich und kuschelig mag, wird mit einem sehr wilden, temperamentvollen, sexuell eher unruhigen Partner nicht so gut zusammenpassen.
Die vierte wichtige Kategorie für die sexuelle Passgenauigkeit eines Paars betrifft das Timing der Sexualität. Der prinzipielle Unterschied lässt sich ganz gut zusammenfassen in den Aussagen „Der Weg ist das Ziel“ oder eben „Das Ziel ist das Ziel“. Auch diese Unterschiede sind bei aller Flexibilität und Veränderung im Beziehungsverlauf doch prinzipiell stark in der Persönlichkeitsstruktur eines jeden verankert.
Das schöne und wertvolle an diesem Buch ist, dass es nicht nur eine Bestandsaufnahme ermöglicht, sondern dass uns die Autorin auch zeigt, wie denn Gespräche und Übungen in der Sexualberatung gelingen können. Dabei enthält sie sich persönlicher Wertungen und geht absolut klientenzentriert vor, was in manchen Fällen dann auch in eine Trennungsberatung münden kann. Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen dieses Buch ausdrücklich.
Rezension: Dr. Werner Weishaupt, Heilpraktiker für Psychotherapie, Dozent, VFP-Supervisor
Cassiers, Dagmar: Sex-Pass. Sexuelle Passgenauigkeit mit 423 Fragen zum sexuellen Profil, Verlag tredition, ISBN 978-3-734-52005-1