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Metaphern und Analogien in der Beratung: der „Elch-Test“

2016 03 Elchtest1

„Sehr geehrter Herr Lempart, ich bin im Internet auf Ihre Seite gestoßen. Seit Wochen habe ich das Gefühl, die Kurve nicht mehr zu kriegen. Es wäre toll, wenn ich bei Ihnen einen Termin für ein Coaching bekommen könnte. Viele Grüße Sabine F.“ Mehr wusste ich nicht von der neuen Kundin. Manchmal vermitteln schon kleine sprachliche Hinweise eine Ahnung davon, wie sich Menschen ihre „Probleme“ konstruieren. Bei Frau F. wollte ich unbedingt in der ersten Stunde das Bild von ihrer Kurve als Aufhänger nutzen.

2016 03 Elchtest2Sabine F. erschien pünktlich. Nach einem Small Talk begann sie (wie fast alle Kunden) mit ihrer „Problem-Geschichte“. Meine Idee war, sie zu einer Muster-Unterbrechung einzuladen. Womöglich hatte sie sich schon etliche Male ihre Leidensgeschichte aufgesagt und dadurch ein Stück Realität geschaffen. Ich fragte sie also, ob sie bereit sei für eine kleine Eingangsübung. Ein Experiment, das eher die körperliche Komponente betonte als die erzählte Geschichte. Sie willigte neugierig ein.

Ich nannte das Experiment „Elchtest“ und hatte vorbereitend eine Kurve auf dem Boden visualisiert:

Sabine sollte nun mehrmals durch ihre Kurve gehen, auf und ab. Sie sollte dabei in die Bewegungen hineinspüren, während ich sie von außen einfach auf ihrem Weg beobachtete. Ich fragte sie, wie sich die Kurvenlage für sie anfühlte. „Gut, das fällt mir nicht schwer.“ Ich ließ sie noch eine ganze Weile durch ihre Kurve auf und ab gehen. „Das ist eine schöne Bewegung. Irgendwie beruhigend.“

„Ich finde, Sie haben eine ziemlich stabile Kurvenlage hier. Ist das jetzt in meinem Büro eine Ausnahme oder kommt das auch draußen vor?“ „Es ist ja nicht immer so, dass ich das Gefühl habe, die Kurve nicht zu kriegen. Aber im Moment weiß ich einfach nicht, wie es weitergehen soll.“

Hinter den Äußerungen hörte ich sowohl Ausnahmen von der Regel und schlummernde Ressourcen sowie einen möglichen Auslöser. Bevor ich aber hier schon anfing, lösungsorientiert zu arbeiten, wollte ich, dass Sabine noch eine Zeit lang in ihrer Kurve blieb.

„Was könnten Sie denn tun, um die Kurve nicht mehr zu bekommen?“ Irritierte Blicke, Absuchen des Bodens. „Nun, ich müsste mein Tempo drastisch erhöhen, dann würde ich wohl aus der Kurve fliegen.“ Ich bat Sabine, den Versuch zu starten. Und tatsächlich, mit jedem zusätzlichen Stundenkilometer wurde die Kurvenlage schwieriger. Bis sie schließlich aus der Kurve flog. Sie lachte. „Wenn ich die Bewegung langsamer angehe, komme ich sicherer durch meinen Weg.“ Sie schaute nachdenklich.

„Was könnten Sie denn noch tun, um nicht mehr die Kurve zu kriegen?“ Ganz spontan trat Sabine über die Bodenmarkierungen. „Ich könnte einfach mal vom Weg abkommen und die feste Bahn verlassen. Ich finde, dass fühlt sich gar nicht so schlimm an, wie ich dachte.“

Ich fasste meine Wahrnehmungen zusammen und bat Sabine F., mit etwas Abstand noch mal auf ihre Kurve zu schauen. Dann setzten wir uns hin und sprachen darü- ber, was diese Erfahrungen nun für ihr konkretes Thema bedeuten könnten. Das Gespräch verlief betont lösungsorientiert. Sabine bat am Ende der Stunde darum, ihre Kurve fotografieren zu dürfen. Natürlich durfte sie das.

Der trügerische Todestrunk

Petra B. saß bei mir in der Supervision. Sie war wütend darüber, dass sie von ihrer Freundin einfach den Laufpass bekommen hatte. Dabei hatten die beiden drei Jahre intensiv zusammengearbeitet und auch manchen Feierabend gemeinsam verbracht. An verbindenden Themen mangelte es nicht. Leider fiel der Aufgabenbereich der Freundin weg und sie wurde „unschön“ aus dem Betrieb gedrängt, so erzählte es Petra. In den ersten Wochen nach der Kündigung gab es noch regelmäßigen Kontakt. Die beiden schmiedeten Pläne für die Zeit danach. Beim letzten Telefonat schien aber plötzlich alles anders. Die Freundin wollte von dem „Scheißladen“ einfach nichts mehr wissen. Zu sehr fühlte sie sich verarscht. Und sie sähe auch keine Möglichkeit für eine dauerhafte Freundschaft mit Petra. Gekränkt beendete Petra das Telefonat.

„Was hat Sie denn daran gekränkt? Der Verlust der Freundschaft oder die Art und Weise?“ Das wusste Petra B. nicht so genau. Auch ihre suchenden Blicke schienen ihr in diesem Moment keinen Halt zu geben. „Ich hätte das nicht von ihr erwartet.“ „Was haben Sie denn von Ihrer Freundin erwartet?“ „Ich bin immer an einer Lösung interessiert, wir hätten drüber sprechen sollen.“

Erwartungen und daraus resultierende Kränkungen nehmen in meinen Coachings einen großen Raum ein. Bevor wir aber „ans Eingemachte“ gingen, entschied ich mich für eine Analogie. Petra B. konnte mit mir über diese Geschichte sprechen und baute etwas mehr Distanz auf zu ihrer eigenen Wut und Kränkung:

„In einem fremden Land lebten ein Prinz und seine Prinzessin seit Jahren glücklich und zufrieden. Nun kam es, dass der Prinz in den Krieg ziehen sollte. Aber er fühlte sich gar nicht als Held und hatte gro- ße Angst, sein Leben und seine geliebte Prinzessin zu verlieren. Da ließ er sich von seinem Hofapotheker einen Zaubertrank mischen. Dieser ließ ihn drei Monde lang wie tot aussehen und würde dann seine Wirkung verlieren. Für seine Prinzessin schrieb er einen Brief, in dem er ihr die zauberhafte Wirkung seines Tranks verriet und ihr seine ewige Liebe schwor.

Nun fand die Prinzessin eines Morgens den tot geglaubten Prinzen am Boden. Aber sie fand nicht den Brief, den er unter ihrem Kopfkissen versteckt hatte. Voller Trauer, aber auch voller Kränkung entschied sie sich, in den Tod zu gehen, hatte doch das Leben für sie ohne ihren Prinzen keinen Sinn mehr.

Nach drei neuen Monden erwachte nun der Prinz. Nachdem er erfuhr, dass sich seine Prinzessin das Leben genommen hatte, fühlte er sich schuldig an ihrem Tod. Er sah sich an seinen ewigen Liebesschwur gebunden und stach sich ein Messer in die Brust.“

Nachdem Petra die tragischen Verstrickungen in der Geschichte herausgearbeitet hatte, fragte ich sie, welche Parallelen es zu ihrer Geschichte geben könnte.

„Nun ja, vielleicht weiß ich auch nicht alles, was zu der plötzlichen Veränderung geführt hat. Ich fühlte mich auch verletzt, obwohl ich gar nicht weiß, ob das alles so gemeint war.“

Am Ende der Stunde entschied sich Petra, noch einmal den Kontakt aufzunehmen. Es würde sich für sie lohnen, auch wenn es das wirkliche Ende der Freundschaft besiegeln sollte.

Horst LempartHorst Lempart
Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologischer Berater, Systemischer Coach, Spectrum Coaching, Koblenz

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