Praxismarketing – Teil 2
Praxismarketing „irgendwie so nebenher“ funktioniert auf Dauer nicht. Das ist in Folge 1 der fünfteiligen Artikelserie von Jens Heckmann schon deutlich geworden. Woran liegt es, dass Angehörige heilender Berufe häufig ein Problem mit dem Thema „Marketing“ haben? Menschen helfen zu wollen und dafür Werbung zu machen, das scheint sich geradezu zu widersprechen. Helfende Berufe sind doch etwas anderes als der Verkauf z. B. von Autos oder die Vermietung von Appartements.
Das ist auch so. Aber: Auch die Heilpraktikerin für Psychotherapie, der Psychologische Berater oder die Freie Psychotherapeutin wollen in aller Regel von ihrem Beruf leben – und dies umso mehr, weil bei ihnen „Beruf“ meist von „Berufung“ kommt. Wer aber selbstständig ist und von seiner Arbeit leben will, der oder die muss deutlich machen, was er oder sie kann. Vor allem beim Start der eigenen Praxis. Marketing sollte also nicht „irgendwann, wenn’s passt“ angegangen werden, sondern sehr zeitig.
Außerdem: Marketing ist mehr als Werbung im engeren Sinne, und auch die eigentliche Werbung muss nicht penetrant sein und nerven. Jens Heckmann, Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation, gibt in dieser Serie einen Überblick, verrät einige Tricks und beleuchtet die verschiedenen Instrumente des Marketings.
Die Klienten abholen
Geht es um Marketing im weitesten Sinne, ist es, wie in der täglichen Arbeit in der Praxis auch, hilfreich, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen: „Angenommen, ich hätte keine Ahnung von Psychotherapie allgemein und von meinen Angeboten im Besonderen – was würde mich ansprechen?“
Die Versuchung ist groß, möglichst viel darstellen und erklären zu wollen. Manche Therapeuten, manche Heilpraktiker (jeweils m/w, auch im folgenden Text) haben in ihrer Ausbildung mehr als ein Aha-Erlebnis gehabt: Plötzlich erschließen sich Zusammenhänge und Mechanismen, man erkennt Muster und sieht, wie die Menschen sich viel zu oft selbst das Leben schwer machen und wie man ihnen helfen kann. Es gibt eine Vielzahl von Methoden, von denen sich viele klientenbezogen kombinieren lassen – gerade für Freie Psychotherapeuten oder Heilpraktiker für Psychotherapie gibt es große Spielräume in ihrer Arbeit. Das will man erklären – auch damit die Menschen verstehen, wie man ihnen helfen kann!
Das ist grundsätzlich ein guter Ansatz, der aber in der Praxis selten funktioniert. Das, was Psychotherapeuten in jahrelanger Ausbildung gelernt und auch selbst fortentwickelt haben, lässt sich beim besten Willen nicht in wenigen Worten in einem Flyer, einem Text oder einer Anzeige erläutern. Ohne ein recht hohes Maß an Grundwissen können Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller damit wenig anfangen, und einen Text, den man im Grunde nicht versteht, finden die meisten Menschen auch nicht überzeugend. Ein Autohersteller wird nicht versuchen, die Ingenieurleistungen bei der Motorenentwicklung, aerodynamische Berechnungen oder die Prozessortechnik im Bordcomputer zu erläutern. Meist wird er das nicht einmal erwähnen – er setzt auf ein (emotionales) Gesamtbild und bietet denen, die mehr wissen wollen, z. B. Zusatzinformationen im Internet an. Und wenn der Bäcker seinen Kunden vor Abgabe der Brötchen erklären würde, was er im Einzelnen anstellt, damit seine Ware so eine lecker fluffige Kruste bekommt, täte er sich damit bei den meisten Kundinnen und Kunden auch keinen Gefallen.
Hinzu kommt noch ein hintergründiger Aspekt, der aber nicht zu unterschätzen ist: Wem es nicht gut geht, der möchte in aller Regel, dass ihm geholfen wird. Thema ist das jeweilige Lebensproblem. „Hilf mir, mach das weg!“ – mit dieser Haltung sucht der Mensch Unterstützung. Je klarer und selbstbewusster der Helfende auftritt, desto leichter entsteht Vertrauen. Umfangreiche Erläuterungen und Erklärungsversuche wirken da eher verunsichernd: Der Weg zur Hilfe soll nicht kompliziert sein, sondern klar. Als Hilfesuchender muss ich zunächst mal nicht verstehen, was passiert – ich will, dass es mir besser geht.
Als Therapeut sollte man sich darum auch mit der eigenen Begeisterung über Erfolge und Möglichkeiten bestimmter Therapieansätze und -methoden zurückhalten. Das kann leicht „übergriffig“ wirken. Besser ist es, den Menschen bei seinem Problem abzuholen, ihn quasi an die Hand zu nehmen und souveräne Hilfestellung anzubieten.
Gummibärchen
Wer zu viele Kernkompetenzen nennt, wirbt leicht an den Menschen vorbei. Stellen Sie sich vor, sie haben fünf Weingummis – rote Himbeere, gelbe Zitrone, orange Ananas etc. Jedes Weingummi steht für ein besonderes Angebot Ihrer Praxis, eine Kernkompetenz oder eine Klientengruppe. Stecken Sie die Weingummis in eine kleine Tüte und werfen Sie sie Ihrem Gegenüber zu, wird er oder sie die Tüte wahrscheinlich fangen. Alle Weingummis erreichen ihr Ziel. Ein gewisses feinmotorisches Grundvermögen auf beiden Seiten vorausgesetzt, könnten Sie die Weingummis auch nacheinander werfen und sie würden wohl auch nacheinander gefangen werden. Werfen Sie aber alle fünf Stück auf einmal, fängt Ihr Partner wahrscheinlich kein einziges.
Mit anderen Worten: Ein gewisser „Mut zum Minimalismus“ ist beim Marketing oftmals eine gute Entscheidung. Die erfordert aber eben Mut – und Standhaftigkeit, denn im Marketing von Firmengründern will das Umfeld gern mitreden.
Eine Zahnarztpraxis ist zunächst mal eine Zahnarztpraxis. Das steht für gewisse Inhalte, ist eine grundsolide Aussage ohne Blümchen und Spitzenrahmen. Wer Probleme mit den Zähnen hat, kann sich dorthin wenden. Bei entsprechenden Spezialisierungen finden sich auf dem Praxisschild vielleicht noch einige wenige Schlagworte wie „professionelle Zahnreinigung“ oder „Implantologie“ – viel mehr nicht. Das wäre also die Weingummi-Tüte: Man weiß, man bekommt eine Tüte, weiß aber nicht, welche Formen, Farben und Geschmacksrichtungen das Weingummi im Einzelnen hat.
Sich an diesem Modell zu orientieren, ist auch für die Praxen von Heilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie oder Freien Psychotherapeuten eine gute Idee. Was spricht dagegen, eine Praxis für Psychotherapie schlicht „Praxis für Psychotherapie“ zu nennen? (Natürlich mit den vorgeschriebenen Zusätzen von Namen, Berufsbezeichnung etc.) Das spricht für sich und drückt Seriosität aus. Einzelne Schwerpunkte sollten mit Bedacht genannt werden, etwa bei eindeutigen Spezialisierungen auf bestimmte Methoden oder Zielgruppen. Statt sich als eine Art „alles könnender Wunderheiler“ zu präsentieren, wird eine vermeintlich zurückhaltende, dabei aber eindeutige, solide und selbstbewusste Botschaft à la „Praxis für Psychotherapie“ die Klienten eher erreichen. Im Gespräch mit den Menschen lassen sich Inhalte schneller und einfacher vermitteln als in Texten, Anzeigen, Flyern oder auf Praxisschildern. Und vor allem: Im Gespräch kann man den einzelnen Menschen viel einfacher dort abholen, wo er gerade steht, die Information geben, die gewünscht ist. Um auf die Weingummis zurückzukommen: Man kredenzt dem Klienten das optimale Weingummi.
Frontal oder subtil?
Marketing ist Vertrauenssache – vor allem aber Geschmackssache. Zwar steht eine grundsätzliche Differenzierung zwischen Anzeigenwerbung (meist schlagwortartig) und textlastigem Marketing (meist zurückhaltender) sicher nicht infrage. Doch ob die Werbung frontal (Kauf mich!) oder subtiler erfolgen soll, bleibt eine Entscheidung des Auftraggebers. Frontal und subtil schließen sich indes nicht aus. Wichtig ist aber, dass beide Instrumente gemäß ihren Stärken eingesetzt werden.
Die unerreichte Stärke einer Anzeige liegt in der Möglichkeit, ein Angebot über eine einprägsame bildliche Darstellung und mittels einer prägnanten Aussage im Gedächtnis des Betrachters zu verankern. Bei den Inhalten einer Anzeige für die Praxen von Heilpraktikern für Psychotherapie, Freien Psychotherapeuten oder Psychologischen Beratern ist aus rechtlicher Sicht einiges zu beachten (fundierte Informationen dazu gibt es z. B. beim VFP), aber generell gilt: je klarer die Optik und je kürzer die Aussage, desto besser.
Ein Extrembeispiel wäre eine Anzeige lediglich mit dem Foto eines hochwertigen Autos und dem Logo des Herstellers – Message: „Man kennt uns, wir müssen nicht schreiben, wie wir heißen. Wir bauen die Autos.“ Klare Optik und kurze Aussage können auch durchaus überraschend sein (asymmetrische Aussage), um einprägsamer zu wirken. Heute noch in vielen Köpfen ist die berüchtigte Schockwerbung von Benetton oder – weniger heftig – der Satz „Wir retten Ihren Montag“ eines bekannten Personaldienstleisters. Der Leser fragt sich natürlich: „Was hat mein Montag mit denen zu tun?“ Er befasst sich also gedanklich mit dem Unternehmen – Ziel erreicht. (Gemeint war, dass der Kundenbetrieb dank der Dienstleistung des Zeitarbeitsunternehmens auch am Wochenende störungsfrei läuft und die Betriebsleitung keine Angst vor montäglichen Katastrophen haben muss.)
Um inhaltlich/argumentativ zu überzeugen, ist eine Anzeige weniger gut geeignet. Eine Anzeige ist ja „Werbung“, dient also mehr oder weniger direkt dazu, potenzielle Kunden zum Kauf zu animieren. Der Betrachter weiß das und wertet die Aussage der Anzeige entsprechend.
Ein redaktioneller Beitrag (also ein Artikel) ist per se neutral. Wenn über einen solchen Artikel eine positive Botschaft verbreitet wird („Autohaus xy schafft 15 neue Arbeitsplätze“, „Bauhaus-Chef Mustermann spricht vor Züricher Handelskammer“), wird diese Nachricht deutlich unkritischer als die Werbung in einer Anzeige gesehen. Die positive Wirkung entfaltet sich subtiler (Autohaus xy wächst, ist also wirtschaftlich gesund – die müssen gute Arbeit machen; Bauhaus-Chef Mustermann ist eine echte Größe, dessen Kompetenz sogar in Zürich gefragt ist – sein Unternehmen muss gut sein). Das bedeutet aber auch, dass die Entwicklung eines redaktionellen Beitrags eine deutlich andere Herangehensweise erfordert als eine Anzeige.
Der Versuch, beides – Anzeige und redaktionellen Beitrag – zu vermischen, geht meist daneben. Ziel ist in solchen Fällen, mehr oder weniger unverhohlen für das eigene Produkt zu werben, und zwar mindestens über viel Text (und gegebenenfalls Bilder) oder sogar mit dem Eindruck eines redaktionellen Artikels. Was dabei herauskommt, kann man in vielen Anzeigenblättern sehen: Der Kunde hat einen Platz in der Zeitung gekauft (also eine Anzeige) und füllt ihn mit Text. Den Texten merkt man in der Regel an, dass sie kein Fachmann geschrieben hat. Und da dem Auftraggeber naturgemäß so ziemlich alles an seinem Produkt/seinem Angebot wichtig und erwähnenswert erscheint, ist die Anzeige vollgepfropft mit Text. Damit auch wirklich alles reinpasst, ist die Schrift noch ein Tickchen kleiner als im Rest der Zeitung, und aus rechtlichen Gründen steht oben drüber – klein, aber lesbar – „Anzeige“. Das alles sieht meist nicht schön aus und wirkt wie „gewollt und nicht gekonnt“, nicht Fisch und nicht Fleisch, nicht Anzeige, aber auch nicht Text ...
In Deutschland dürfen Werbung und Nachrichten nicht vermischt werden. Medienunternehmen, die diese Vorschrift missachten, laufen Gefahr, ernste Schwierigkeiten zu bekommen. Textvorschläge für die Redaktion müssen aus Sicht des Unternehmens also einerseits dem Anspruch der Redaktion genügen – d. h. sie brauchen: Nachrichtenwert, Neutralität, Bezug zum Leserkreis. Andererseits müssen sie aber – quasi „unauffällig nebenbei“ – Imagewerbung für das Unternehmen machen.
Die Unternehmensbotschaft muss in einem Artikel somit wesentlich indirekter verpackt werden als in einer Anzeige.
Viele Aspekte lassen sich überhaupt nur über eine Anzeige transportieren (konkrete Preise, oftmals auch konkrete Bezeichnung eines Produkts etc.). Und: Was (unerlaubte/ ungewollte) Werbung ist oder nicht, was für die Leserinnen und Leser interessant ist oder nicht, entscheidet die Redaktion – nicht der Verfasser der Texte und auch nicht der Praxisinhaber.
Auch wenn sich also in der Zeitung kaum das unterbringen lässt, was sich die Praxisinhaber wünschen, ist eine (wiederkehrende) Präsenz im redaktionellen Teil von Zeitungen enorm hilfreich: Wird aus den verschiedensten Anlässen und mit verschiedenen Inhalten (Jubiläen, Auszeichnungen für das Unternehmen, das Knowhow der Mitarbeiter/Inhaber ist so gefragt, dass sie in anderen Regionen oder gar im Ausland Vorträge halten sollen, soziales Engagement, Innovationen) immer wieder einmal über eine Firma berichtet, wird das nicht als (Verkaufs-)Werbung für das Unternehmen verstanden. Dennoch wird das Unternehmen immer bekannter und baut ein positives Image auf, das sich selbstredend auch auf die Wahrnehmung/Wertung der Anzeigen überträgt.
Das positive Image wird also im Idealfall über redaktionelle Texte aufgebaut und mit Anzeigen verfestigt und transportiert.
Diese redaktionellen Texte müssen also scheinbar neutral verfasst sein. Doch das ist kein Nachteil: Eine professionelle Pressemitteilung transportiert natürlich bei aller Neutralität positive Zwischentöne. Der Leser fühlt sich (unbewusst) angesprochen, aber nicht „gedrängt“.
Eine Zeitung schreibt z. B.: „Der Jagdhof in Oberhinter-Schwangelried gilt auch wegen seiner rustikalen Küche bei vielen Norddeutschen als Geheimtipp für den Urlaub im Allgäu.“
Eine scheinbar neutrale, eher zurückhaltende Behauptung. Aber: Der Leser ist interessiert und wird dazu animiert, einen „Geheimtipp“ auszuprobieren. Da es ja ein „Geheimtipp“ ist, profitiert er gefühlt von einer gewissen Exklusivität. Er wird eingeladen, selbst etwas zu entdecken und festzustellen: „Das ist ja noch viel schöner, als das, was in der Zeitung stand!“ Nach seinem Urlaub wird er von der Küche schwärmen, von der Landschaft und sich als erfahrener Weltenbummler fühlen, der sich dort auskennt, wo „man gewesen sein muss“, aber wo bisher kaum jemand war (ist ja ein Geheimtipp).
Hier liegt aber eine Gefahr der neuen Medien: Das in dem „Geheimtipp“-Artikel transportierte Bild sollte zur Aussage des eigenen Internetauftritts passen. Ist z. B. die Rede von „Idylle“ und vom „urwüchsigen Bayern“ passen Appartement-Klötze und durchgestyltes Nightlife nicht ins Bild.
Steht dagegen in einer Anzeige: „Genießen auch Sie die kulinarischen Kreationen unseres Meisterkochs inmitten der einmaligen Landschaft des Allgäus“, so entspricht das zunächst ziemlich genau dem, was in allen einschlägigen Anzeigen steht. Es ist also nicht auffällig bzw. einprägsam, meist liest man darüber weg. Die Formulierung „auch Sie“ beschreibt ziemlich genau das Gegenteil von einem Geheimtipp. Das Angebot wird damit ungewollt zur Allerweltsware. Und schließlich weckt die Aussage voller Superlative eine hohe Erwartungshaltung, die kaum zu erfüllen ist. Mit Glück bekommt der Kunde, was ihm versprochen wurde und was er erwartet hat – meist bekommt er es nicht: Landschaft gibt´s woanders auch, das Essen war in Ordnung, aber der Salat ein bisschen ölig und das Zimmer ziemlich dunkel. Im schlechten Fall wirkt diese massive Werbung (Kauf mich!) am Ende sogar negativ, weil die Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Es gilt also, die potenziellen Kunden einzuladen, aber nicht zu bedrängen. Sie sollen das Gefühl haben, selbst zu bestimmen und selbst zu entdecken. Werden Kunden auf diese Art behutsam in eine bestimmte Richtung gelenkt, sodass sie das Gefühl haben, sich selbst für ein Produkt oder ein Angebot entschieden zu haben, fällt die Bindung an dieses Produkt viel stärker aus – es ist ja eine „eigene“ Entdeckung.
Praxen von Heilpraktikern oder Freien Psychotherapeuten haben es hier sogar einfacher als „klassische“ Unternehmen, denn auch wenn jede Kaufentscheidung immer eine individuelle Entscheidung ist, erliegen Unternehmen anderer Branchen leichter der Versuchung, sich und ihr Angebot wie ein Marktschreier anzupreisen. Der Inhaber einer Praxis wird per se eher den einzelnen Menschen ansprechen.
Jens Heckmann
Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit/Unternehmenskommunikation, er berät seit Jahren VFP-Mitglieder in Marketingfragen