Die Reise ins Licht
Das veränderte Leben nach einer Nahtoderfahrung
War es mein Sterben? War es mein Kontakt mit dem Tod? Habe ich meinen Körper wirklich verlassen? War es der Übergang in eine andere Welt? War ich im Universum? War es der direkte Weg in ein erweitertes Bewusstsein? Gibt es ein Leben danach? Wieso habe ich überlebt?
Diese und weitere Fragen stellen sich mitunter sehr viele Menschen, die eine Nahtoderfahrung, eine Grenzerfahrung erlebt haben.
Seit einigen Jahren wird das Phänomen der Nahtoderfahrung von der Wissenschaft erforscht und bewegt viele Gemüter. Studien belegen, dass schätzungsweise vier Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal nach einem Unfall, durch schwere Krankheit, durch Traumatisierungen oder auch ganz spontan durch ein außergewöhnliches tief greifendes Erlebnis im Leben eine Grenzerfahrung, eine sog. Nahtoderfahrung erleben.
Zu den häufigsten Kennzeichen einer Nahtoderfahrung (NTE) gehören:
- Lichtvision am Ende eines Tunnels
- personalisierte Begegnungen oder Begegnungen mit Lichtwesen
- Schwebeerlebnis mit Beobachtung des eigenen Körpers (Außerkörpererfahrung)
- Ablauf eines Lebensfilms
- das Erleben außerordentlicher Glücksgefühle
- Begegnung mit verstorbenen Verwandten
- Enttäuschung über die „Rückkehr“ in den kranken Körper
- die Angst vor dem Tod geht verloren
- verändertes Leben nach der NTE
Zu den tiefsten Erfahrungen einer NTE gehört die Begegnung mit einem hellen Licht, das heller ist als jedes irdische Licht, das die grenzenlose Liebe ausstrahlt. Manche Menschen erleben während einer NTE eine Art Lebensrückschau, das eigene Leben wird dabei bewertet. Durch die Erfahrung der göttlichen bedingungslosen Liebe, der Glückseligkeit, einer grenzenlosen Freiheit und eines himmlischen Friedens stellen Betroffene plötzlich ihre irdischen Partnerschaften und Beziehungen auf den Prüfstand. Ehen und Beziehungen können daran zerbrechen. Unverständnis und Ratlosigkeit der nahen Angehörigen, des familiären und beruflichen Umfelds führen Betroffene im schlimmsten Fall in eine Lebenskrise.
Die Schilderungen persönlicher Erlebnisse einer Nahtoderfahrung durch Betroffene sind subjektiv und individuell. Die bereits aufgeführten Merkmale stellen die wesentlichen Kennzeichen einer solchen Grenzerfahrung dar.
Ich bin selbst eine Betroffene mit einer Nahtoderfahrung. Im Alter von 33 Jahren erlitt ich nach einer Lungenoperation einen Atemstillstand, der mich in eine andere Dimension des Bewusstseins geführt hat. Wie viele andere Betroffene einer NTE hatte auch ich das Gefühl, durch einen Tunnel zu schweben und von einem hellen Licht angezogen zu werden. Es war ein unbeschreiblich leichtes, befreiendes Gefühl. Meinen schmerzenden Körper ließ ich zurück, nahm diesen unter mir liegend wahr. Ich schwebte in ein Reich, vollkommen losgelöst von Raum und Zeit. Es war ein Augenblick, in dem ich ins unendliche Universum, ins Licht geschaut hatte.
Zudem erlebte ich eine Grenzenlosigkeit und Freiheit. Ein unbeschreibliches Gefühl von Glückseligkeit und Liebe erfüllte mich. Es fühlte sich an, wie in weißer, strahlender, samtweicher Watte gebettet zu sein. Jeder körperliche und emotionale Schmerz war verschwunden. In Sequenzen sah ich Bilder meines Lebens blitzschnell an mir vorüberziehen. Ich sah meinen Körper wie eine Silhouette unter mir liegen. Nichts von all dem Materiellen auf der Erde habe ich mitgenommen. Die Lebenserfahrungen verbunden mit einem Gefühl, Empfindungen und Emotionen gehen mit auf diese Reise in diese andere Dimension.
Ich spürte einen deutlichen Widerstand bei dem Sog, der mich in meinen Körper zurückholte. Das erste Gefühl, wieder im Körper zu sein, fühlte sich kalt, schmerzhaft und eingesperrt an. Ich war enttäuscht über meine Rückkehr. Für mich begann das veränderte „Leben danach“ mit einer undefinierbaren Suche nach irgendetwas, letztendlich der Suche nach mir selbst.
Es war der Beginn eines beschwerlichen, teilweise sehr einsamen Wegs. Aber es war zugleich auch eine spannende, erlebnisreiche spirituelle Reise. Mein individueller Transformationsprozess führte mich durch das Tal einer spirituellen Sinnkrise bis zu einer schweren Depression. Ich gelangte an einen Punkt, an dem ich mein gesamtes bisheriges Leben, meine damalige Partnerschaft und meine bisherigen materiellen, beruflichen Werte infrage stellte. Es folgte ein schmerzhafter Prozess des Loslassens.
Die fehlende notwendige Aufklärung und Reflexionsmöglichkeit meiner Erlebnisse führte mich auf meiner Suche nach Antworten in den Irrgarten der Esoterik. Im Markt verschiedenster Angebote und schneller Heilversprechen traf ich auf viele Esoteriker mit ganz unterschiedlichen Lebensphilosophien. Ich erhielt viele unterschiedliche Antworten auf meine Fragen, aber keine klare Richtung. Leider wurde während meiner konventionellen Psychotherapie mein grundlegendes Thema der NTE nicht als Ursache meiner Depression erkannt.
Meine nach der NTE veränderten Wert- und Moralvorstellungen sowie das Gefühl, in meinem Leben grundlegend etwas ändern zu müssen, waren der Anlass für meine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie. In dieser Ausbildung erlangte ich das Wissen über die Psyche des Menschen, verstand Zusammenhänge im Leben, erkannte meine eigenen Glaubens- und Handlungsmuster, entwickelte schließlich ein Verständnis für meine eigene Spiritualität.
Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Aufarbeitung einer NTE ist ein seriöser Ansprechpartner oder ein erfahrener Therapeut, der dem Betroffenen, seinen Erlebnissen und deren Nachwirkungen mit Akzeptanz und Mitgefühl begegnen kann. Ist dies der Fall, kann der Betroffene die eigenen Erfahrungen schnell im Leben integrieren und eine positive Wirkung kann sich entfalten. Eine psychotherapeutische Unterstützung oder Seelsorge sollte daher unbedingt auf den spirituellen Hintergrund der Erfahrungen ausgerichtet sein. Die spirituelle Dimension eröffnet einen Raum, der als eine wertvolle Ressource für den Transformationsprozess des Betroffenen genutzt werden kann.
Eines der Hauptanliegen der therapeutischen Begleitung Nahtoderfahrener ist die Integration der Erlebnisse in das Alltagsleben sowie das Erlangen des eigenen Selbstverständnisses zum Erlebten. Die Integrationsprozesse können sehr rasch verlaufen. Bei einer besonders starken beruflichen oder familiären Beanspruchung, aber auch durch innere Blockaden können diese Prozesse auch mit großen zeitlichen Verzögerungen stattfinden. Hier fehlen die Zeit und die Kraft für die intensive Auseinandersetzung mit dem Erlebnis.
Die Nachwirkungen einer Nahtoderfahrung, auch die Grenzerfahrungen durch Krankheiten und Lebenskrisen werfen ein ganz neues Licht auf den spirituellen Charakter dieser Erlebnisse. Daraus entstehende Probleme und Konflikte können Betroffene vor neue Herausforderungen in der Lebensbewältigung stellen. Diese können sich in einer spirituellen Krise äußern.
Die Symptome dieser Krise sind vielfältig. Nicht jeder, der eine Nahtoderfahrung durchlebt, hat dabei positive Lichterfahrungen. Auch der „Gang durch die Hölle“ kann eine Erfahrung sein. Manche Menschen empfinden nach der Wiedererlangung des Bewusstseins mitunter Schuldgefühle, da sie ohne Kontaktaufnahme zu ihren Angehörigen in der anderen Welt bleiben wollten.
Diese transzendenten Erfahrungen verändern die Persönlichkeit des Menschen sehr stark, ein Transformationsprozess beginnt. Menschen mit einer sehr tiefen Nahtoderfahrung kann es schwerfallen, die Rückkehr ins bisherige Alltagsleben zu akzeptieren. Eine starke Sehnsucht nach der Welt des Lichts kann sich einstellen, in der man Ganzheit, vollkommenes Glück und absolute Liebe erfahren hat. Die Reaktion dieser Menschen auf das Erlebte kann mit den klinischen Symptomen einer Depression oder Anpassungsstörung einhergehen.
Die Verschiebung der Wertprioritäten führt dazu, dass die Betroffenen ihren gewohnten Alltagsrollen nicht mehr den gleichen Stellenwert beimessen und den bisherigen Lebensstil verändern wollen. Dies hat Folgen für die Beziehungen. Angehörigen und Freunden fehlen oft das Verständnis und die nötige Aufklärung für diese Veränderungen. Es kann der Eindruck entstehen, es mit einer ganz anderen Person zu tun zu haben. Trennungen aus bestehenden Partnerschaften und Ehescheidungen sind mögliche Folgen. Die Betroffenen selbst können die Veränderungen, die sie bei sich feststellen, nicht richtig einordnen.
Menschen mit Nahtoderlebnissen und Grenzerfahrungen gelangen in den Zustand eines erweiterten Bewusstseins. Die persönliche Transformation zeigt den Betroffenen ganz neue Seiten des Lebens. Diese Bewusstseinserweiterung ist eine spirituelle Entwicklung, wobei die Wahrnehmungen sowie die Empfindungen für die unsichtbare Welt um ein Vielfaches sensibilisiert werden. Es beginnt ein sehr intensiver Prozess der inneren Reifung, des inneren Wachstums und der Selbstverwirklichung.
Ein Mensch, der sich auf den spirituellen Pfad begibt, stellt die bisherigen materiellen Werte wie Karriere, Geld, Akzeptanz im Außen oder Machtstellung in der Gesellschaft infrage. Die Interessen eines spirituellen Menschen verlagern sich mehr und mehr in die geistige und psychologische Richtung. Dabei wird die Frage nach dem Sinn des Lebens neu beantwortet.
Ein spiritueller Mensch erkennt sein inneres Wesen, fühlt sich in Liebe mit allem und jedem verbunden, trifft Entscheidungen im Leben mit seiner Herzensweisheit, entwickelt eine Achtsamkeit und folgt seiner Intuition. Spiritualität ist die eigene Hinwendung an eine höhere Kraft und das Vertrauen auf eine göttliche Führung. Es ist die Fähigkeit, das Geistige, Nichtsichtbare anzuerkennen und seine Existenz zuzulassen.
Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, die Psychologie und die Spiritualität miteinander zu vereinen, Menschen in Lebenskrisen unvoreingenommene Aufmerksamkeit zu schenken sowie die Gesamtheit aus Körper, Geist und Seele zu betrachten. Eine spirituelle Begleitung hilft dem Menschen, eine starke Einheit mit sich selbst zu werden und von innen heraus zu gesunden.
Meine Erfahrungen und Erlebnisse als Folge meiner Nahtoderfahrung habe ich zum Anlass genommen, als aktives Mitglied dem Netzwerk für Nahtoderfahrungen beizutreten. In diesem Netzwerk erhalten die Betroffenen einer Nahtoderfahrung sowie Menschen mit Grenzerfahrungen aufklä- rende Informationen, finden Literaturhinweise, können sich in einem geschützten Raum über ihre Erfahrungen austauschen. Weiterhin bietet es die Möglichkeit, in Wohnortnähe Anschluss an eine lokale Gruppe von Nahtoderfahrenen zu erhalten.
Das Netzwerk NTE ist über folgenden Link zu erreichen: http://www.netzwerk-nahtoderfahrung.org
In meiner Praxis in Leipzig biete ich betroffenen Menschen einer NTE, deren Angehörigen sowie auch Menschen mit Grenzerfahrungen einen geschützten Raum des Vertrauens. Ich biete eine Möglichkeit, über das Unaussprechliche ganz offen und unvoreingenommen zu reden. Ich biete Hilfestellung, das Erlebte anzunehmen und im Leben zu integrieren. Meine Intention ist es, Nahtoderfahrenen, Angehörigen und Betroffenen einer Grenzerfahrung in ihrer Bewusstwerdung durch einfühlsame Gespräche eine Reflexionsmöglichkeit zu geben und sie in ihrem spirituellen Entwicklungsprozess zu unterstützen.
D. Hanke
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach, Psychologische Beraterin, Praxis für Seelische Gesundheit, Leipzig