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HERZWESEN®-Handpuppen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern

2016 04 Herz1

Fritz im Spannungsfeld von Familie und Schule oder was Fritz so alles machen muss, um die „Erwachsenenlebenswelt“ ganz schön auf den Kopf zu stellen.

2016 04 Herz2Als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach mit systemischer Ausrichtung und einer Traumatherapie-Zusatzausbildung in EMDR fördere ich ganzheitlich Kinder, Jugendliche und Eltern.

Eine klinische Mitarbeit von 2 Jahren in der Institutsambulanz des St. MarienHospitals in Düren vervollständigte das kinder- und Jugendpsychiatrische Wissen, festigte den Umgang und die Auswertung von Testpsychologie sowie klinischer Einzel- und Gruppentherapie und die Begleitung von Kindern und Eltern. Auch in der Zeit meiner klinischen Tätigkeit setzte ich bereits die HERZWESEN®- Handpuppen in der einzeltherapeutischen Arbeit ein. Der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie des dortigen Hospitals, Herr Dr. Bodo Müller, ermutigte mich, das Wissen um soziale und emotionale Kompetenzen in Form eines Konzeptes und Trainings sowie die mittlerweile 18 HERZWESEN®-Handpuppen professionell auf den Weg zu bringen.

Seit über 10 Jahren sind die HERZWESEN®- Handpuppen tätig in Kitas, Grundschulen, in Lerninstituten sowie auch bei Puppenspielen mit großen Gruppen und in der Begleitung für junge Geflüchtete. Auch in der Paracelsus Schule Aachen wurden bereits erfolgreich Kursteilnehmer (immer m/w) in das Konzept und die Arbeit mit den HERZWESEN®-Handpuppen eingeführt.

Diese Puppen sind kleine, „gefühlsstarke“ archetypische Wesen, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene ermutigen, stärken, trösten, Kinder ernst nehmen und einfach da sind. Sie sind Türöffner zu Gedanken und Gefühlen und Mittler für Perspektivwechsel. Sie sind gerade in Kitas und Grundschulen in Zeiten größerer Veränderungen und Belastungen tätig und widmen sich dort kindgerecht den Schwellenthemen wie dem Übergang von der Kita zur Grundschule sowie dem Übergang von der dritten und vierten Klasse in eine weiterführende Schule.

fotolia©pio3Von Fritz, 8 Jahre, handelt die nachfolgende Fallbeschreibung

Fritz ist ein zugewandter, sensibler Junge mit vielseitigen Interessen wie Schwimmen, Malen und Beobachtung der Welt. Es kann sein, dass er dabei manchmal das Lernen und Termine in seinem Lerninstitut vergisst, weil er auf der Straße ein ADAC-Service-Fahrzeug sieht, dessen Einsatz ihn fasziniert.

Er überprüft aber auch Abläufe im Allgemeinen auf ihre Logik hin. Bereits in der Kita fällt auf, dass er verhaltensauffällig ist, und er wird mit diesem Hinweis eingeschult.

Auch in der Familie ist es für ihn nicht leicht, seinen Platz einzunehmen, insbesondere das Verhältnis zu seiner Mutter ist angespannt. Dauernde Ermahnungen bezüglich seines Verhaltens verunsichern ihn über lange Zeit, sodass er bereits in der ersten Klasse der Grundschule als traurig, auffällig, oftmals wütend in seinem Verhalten eingeschätzt wird. Ein Schulwechsel soll helfen, die aufnehmende Grundschule bemüht sich sehr, auf Fritz einzugehen. Schnell werden aber wieder alte Verhaltensweisen sichtbar, die die Kinder und die Pädagogin und so manche Eltern anderer Kinder erst verärgern, dann aber mehr und mehr zu Ausgrenzung führen. Häufig wird Fritz ausgelacht, wenn er seine Gefühle nicht verstecken will und dann weint.

Und nicht nur die Kinder, sondern auch die ihm wirklich sehr zugewandte Pädagogin ist zu Beginn des dritten Schuljahrs mit ihrem Latein am Ende. Seine mittlerweile im SPZ diagnostizierte LRS und Dyskalkulie führen ihn in ein Lerninstitut. Dort wird er in seinen Fähigkeiten optimal unterstützt und kann die nötigen Kompetenzen nun in seinem Tempo erwerben. Aber auch hier tritt hervor, dass ein anderer Bereich sehr viel auffälliger ist. In der Schule kommt es immer häufiger zu Kränkungen und Verletzungen anderer Kinder. Fritz setzt schlimme und beleidigende Wörter ein, aber auch körperliche Angriffe erfolgen.

Fritz gerät tagtäglich mehr unter Druck, er hat kaum noch eine Möglichkeit, mit den Situationen adäquat umzugehen, was zur Folge hat, dass er sich diesen Situationen entzieht. Zuletzt läuft er aus dem Klassenraum weg und irrt in der Schule oder auf dem Spielplatz umher. Hier geht es natürlich um die Aufsichtspflicht der Schule, schnell wird erkennbar, dass es zu einer schwierigen schulischen Situation gekommen ist.

In den Jahren zuvor sind bei Fritz die sozialen und emotionalen Kompetenzen wenig in den Fokus gerückt, auch wurde mehr auf seine Defizite geschaut als auf seine Ressourcen.

Zur Mitte des dritten Schuljahrs, mit gestiegenen Erwartungen an Leistung bzw. auch bereits mit Blick auf die weiterführende Schule werden die sozial-emotionalen Defizite sehr viel sichtbarer, die schulischen Leistungen sinken, es findet keine Kontinuität mehr statt. Mal ist ein Test in Mathe oder Deutsch ungenügend, mal schreibt er eine Drei.

Innerhalb des Lerninstituts wird er mit einer weiteren Stunde in das sozial-emotionale Kompetenztraining eingebunden. Auch die Vorstellung in der Ambulanz einer Klinik bringt nun diagnostische Kriterien einer Anpassungsstörung aufgrund der jahrelangen belastenden Situationen in der Grundschule und seinem Elternhaus zutage.

Fritz entwickelt im Laufe des Trainings Vertrauen, auch seine Eltern sind in Form von Elterncoachings eingebunden, sodass das sozial-emotionale Einzeltraining von Kompetenzen gut greift. Innerhalb der Trainingseinheit von 10 Stunden werden auch die Eltern engmaschig begleitet. In einem gemeinsamen Termin mit der Mutter fällt auf, dass ihr Verhältnis zu Fritz kühl und leistungsorientiert ist, dann wieder verwöhnend und einlenkend.

Augenfällig im Elterntraining sind die hohen Ansprüche beider Elternteile, die so gar nicht verstehen können, dass ihr Sohn in der Schule kaum Leistung bringt, wie sie sagen. „Das müsse doch ein fast 9-jähriger Junge mit seinem Verstand erfassen, wie er sich zu verhalten hat“, sagt seine Mutter. Sie äußert, dass sie die anderen Kinder verstehen könne, wenn sie nicht mit Fritz spielen wollen, denn er führe sich ja wie ein „Kontrolletti“ auf. Nie könne er sich einfügen. Mit so einem Kind wolle sie auch nicht spielen!

Trotz der harten Worte wird auch bei den Eltern eine Form des Leidens und der Hilflosigkeit erkennbar. In einem Gespräch mit der Klassenlehrerin spricht auch diese an, regelrecht verzweifelt zu sein und nicht mehr zu wissen, was sie tun soll, wenn Fritz wütend, impulsiv, teilweise übererregt den Klassenraum verlasse, wenn er eine Situation nicht mehr aushalten könne. Sie finde in der Klasse von 26 Kindern nicht den Moment, wo Fritz ihrer ganzen Aufmerksamkeit bedarf. Wahrscheinlich habe er dann kaum noch eigene Ressourcen, um wieder zur Ruhe zu kommen, und laufe dann einfach weg, konstatiert sie. Sie könne sein Verhalten nicht ganz verstehen, denn keiner tue ihm etwas Böses, sagt sie.

Seine Leistung sei gar nicht so schlecht, sie ermutige ihn einfach, sich etwas mehr anzustrengen, dann werde es auch alles besser. Ich lasse in diesem Erstkontakt ihre Äußerungen stehen und bewerte sie nicht.

Im Kontakt zu Fritz geschieht die Beziehungsgestaltung langsam und leise, ist immer wieder von Ängsten, Zweifeln und Rückzug geprägt, aber die HERZWESEN®-Handpuppen in der Rolle der Kotherapeuten lassen ihn immer wieder wach werden und von sich erzählen. Fritz ist stabiler geworden. Durch den Einsatz der Handpuppen lassen sich Alltagssituationen übertragen und ohne Überforderung des Jungen nachspielen, um ihm seine Verhaltensweisen viel deutlicher erfahrbar zu machen.

So sucht er sich gleich zu Beginn einer Trainingsstunde das HERZWESEN® Teddibunt aus, den Archetyp des göttlichen Kindes. Teddibunt steht für das unverstellte, echte Kind in jedem Menschen. Fritz hat sofort Kontakt zu dieser Handpuppe aufgenommen und mit seinen Worten dieses kleine Wesen so ursprünglich beschrieben, die ich gerne hier wiedergebe.

2016 04 Herz4Wie ich so bin, lieber Teddibunt.

Der Teddibunt ist so rund und kuschelig, da habe ich Vertrauen, ihm möchte ich das sagen.

Ich werde schnell wütend und traurig, wenn andere mich erschrecken oder ich gar nicht weiß, was jemand von mir will. Dann habe ich auch Angst und haue zurück. Ich glaube aber, dass ich gar nicht so oft Schuld habe, wie man mir immer wieder sagt.

Wo ich jetzt aber mit dem Teddibunt spreche, merke ich, dass ich doch etwas mit dem Hauen zu tun habe. Ich haue wirklich.

Ich mag aber nicht die Wahrheit sagen, zu lügen ist aber auch doof, weil das rauskommt. Lügen ist dann für mich das größte Problem, da habe ich noch mehr Stress.

Der Teddibunt hört die ganze Zeit zu, der ist ganz still und ernst, er hat wohl einiges verstanden.

Ich weiß manches Mal gar nicht mehr, ob es eine Lüge oder ob es die Wahrheit ist, dann bekomme ich noch mehr Angst, weil ich es nicht mehr weiß. Eigentlich kenne ich aber die Wahrheit, will sie aber nicht sagen.

Es tut mir weh und leid, dass ich so viel Probleme und Stress mache.

Fritz erzählt nun auch zu Hause mehr von Teddibunt. Zu Ostern erhält er seinen eigenen Teddibunt und erzählt in der Schule nach den Ferien davon. In einer Schulstunde darf er sein HERZWESEN® vorstellen. Im Training am Nachmittag berichtet er davon, wie gut er das gemacht hat. Auch mit dem Einwand eines Jungen in der Klasse sei er cool umgegangen, als dieser gesagt habe, dass er keine Kuscheltiere brauche, die seien für kleine Kinder.

Fritz ist mutig und selbstbewusst, bleibt ruhig, als er ihm sagt, dass Teddibunt kein Kuscheltier sei, so wie viele andere. Er sei sein Freund und Helfer und nicht durch Kuscheltiere zu ersetzen. Ihm könne man vieles anvertrauen.

Die Klassenlehrerin berichtet von Zeit zu Zeit per E-Mail oder im Telefonat, dass Fritz nun schon ruhiger mit belastenden Situationen umgehen könne, manches aber auch noch einfach schwierig sei.

Am Ende des Schuljahrs wird noch einmal eine Förderkonferenz einberufen, alle Pädagogen, die Klassenlehrerin, die Direktorin, die Leiter der OGS sowie die Eltern und die Therapeutin sitzen zusammen und besprechen die Abläufe für das kommende 4. Schuljahr. Der Austausch zwischen der Klassenlehrerin und der Therapeutin sowie die Einbeziehung der Eltern haben in dem halben Jahr der kooperativen Zusammenarbeit einen guten und sicheren Beziehungsrahmen geschaffen, sodass die Bedürfnisse von Fritz sehr viel mehr im Mittelpunkt stehen. Das Verhalten von Fritz wird weiter in Richtung eines erwünschten Verhaltens aufgebaut und begleitet.

Alle Beteiligten verstehen besser, was Fritz in der Vergangenheit zu seinem impulsiven Verhalten gebracht hat. Erste kleine Schritte sind zwischen der Therapeutin und der Klassenlehrerin bereits erarbeitet worden und werden in eskalierenden Situationen sicherer eingesetzt. Auch das Thema der Loyalitätskonflikte, die Fritz immer wieder belasten und ihn überfordern und ihn beständig nach Lösungen suchen lassen, wie er es seinen Eltern und auch der Klassenlehrerin recht machen kann, werden wertschätzend und offen angesprochen.

Fritz ist bei seinem letzten Termin vor den Sommerferien auf dem Schulhof zufrieden und entspannt. Er berichtet davon, dass ihm die Klassenlehrerin geholfen habe, die Angst vor dem Zeugnis zu nehmen. Er habe gedacht, dass es ganz schlecht ausgefallen sei, weil er sich so oft danebenbenommen habe, und ist eher erstaunt, dass er ein durchweg befriedigendes Zeugnis bekommen hat.

Die Aussicht auf sechs freie Wochen beschreibt er als tolles Gefühl. Er wolle einfach spielen, die Ferienspiele besuchen und mal nicht lernen müssen. Schon ist er wieder weg und ist dabei, mit einem Kameraden Fußballbilder auszutauschen.

Die Fortsetzung des Einzeltrainings findet nach den Sommerferien statt. Alle Beteiligten werden in Form von kontinuierlich stattfindenden Fördergesprächen eingebunden. Ein Beispiel für eine ganzheitliche Therapie, die sicher Schule machen darf.

Marie-Anne RaithelMarie-Anne Raithel
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach DVNLP mit systemischer Ausrichtung, EMDR-Therapeutin, Aktive Imaginationstherapie, Dozentin an der Paracelsus Schule Aachen
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2016 04 Herz6Das Buch zum Thema
Raithel, Marie-Anne:
HERZWESEN® – Lernen mit allen Sinnen.
Sozial-emotionales Kompetenztraining,
Shaker Media Verlag,
ISBN 978-3-84401-054-1