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Gut aufgestellt

2016 04 Aufstellung1

Familien- und Systemaufstellungen erfreuen
sich bei Therapeuten und Klienten großer Beliebtheit.
Aber was sind Aufstellungen eigentlich?

fotolia©Lorelyn MedinaDer systemische Ansatz ist, dass nicht der Mensch krank ist, sondern dass ein Problem im familiären bzw. organisatorischen Zusammenhang besteht. Das Symptom des Menschen ist ein Lösungsversuch, um das System zu stabilisieren. Ein bildliches Beispiel hierfür bietet ein Mobile. Gerät es z. B. durch Schwere in eine Schieflage, muss an anderer Stelle wieder ausgeglichen werden, um das Gleichgewicht zu halten. Ebenso verhält es sich bei lösenden und heilsamen Interventionen. Wenn heilsame Impulse an einer Stelle gesetzt werden, wirken sie in mehr oder weniger starken Ausprägungen auch an den anderen Stellen eines (Familien-)Systems.

Ein System kann die Herkunfts- oder Gegenwartsfamilie, aber auch der Körper oder ein einzelnes Organsystem sein. Auch im beruflichen Kontext gibt es Systeme, wie ein Unternehmen oder einzelne Projekte.

Familien- und Systemaufstellungen sind ein Verfahren, bei dem stellvertretende Personen für Familienmitglieder eines Klienten in Bezug zueinander in einem Raum aufgestellt werden. Auf den eingenommenen Plätzen nehmen die Stellvertreter die Gefühle der Person wahr, die sie vertreten. Durch Beobachten und Befragen der Stellvertreter kann der Therapeut ein mögliches Ungleichgewicht im (Familien-)System erkennen. Einige wichtige systemische Grundsätze sind z. B.:

das Annehmen der Eltern

Wenn ein Mensch seine Eltern nicht annehmen kann, wie sie sind, kann das ein Grund für Depressionen, Angststörungen, berufliche Schwierigkeiten, Eheprobleme usw. sein. Möglicherweise hat er sich seine Eltern anders gewünscht. Oder er macht seinen Eltern Vorwürfe für das, was sie alles falsch gemacht haben, selbst wenn sie inzwischen längst verstorben sind. Da jeder Mensch Teil seiner Eltern ist, schadet er sich durch die Ablehnung oder Verachtung der Eltern selbst. Nun ist das leicht gesagt – wie soll das funktionieren, wenn z. B. Missbrauch durch ein Elternteil geschehen ist?

Hier wäre eine mögliche Lösung, dem entsprechenden Elternteil für das Geschenk des eigenen Lebens zu danken, sich von weiteren Erwartungen frei zu machen und die Schuld bzw. die Verantwortung bei den Eltern zu lassen.

Das Recht auf Zugehörigkeit

Alle, die zur Familie gehören, haben das gleiche Recht auf Zugehörigkeit. Hierzu gehören auch Verstorbene, Verstoßene, Behinderte, Kranke, Straftäter, zur Adoption Freigegebene usw. Sobald einem Mitglied der Familie die Zugehörigkeit verweigert oder abgesprochen wird, entsteht ein Ungleichgewicht im Familiensystem.

Sind Zugehörigkeiten in einem Unternehmen nicht klar geregelt, gibt das häufig Nährboden für mangelnde Produktivität und Mobbing, da die Arbeitnehmer damit beschäftigt sind, ihren Platz zu sichern. Die Zugehörigkeit endet üblicherweise mit dem Verlassen des Unternehmens. Unrechtmäßig Gekündigte können weiterhin im System wirken, sodass der Nachfolger ähnliche Schwierigkeiten bekommt.

Aufstellungen in der Gruppe

Es gibt unterschiedliche Methoden, wie eine Aufstellung durchgeführt werden kann. Aufstellungen in der Gruppe mit Stellvertretern werden häufig in Form von Seminaren angeboten. Der Vorteil ist, dass Körperausdruck, Mimik und Bewegung der lebendigen Stellvertreter sichtbar werden. Außerdem können die Stellvertreter Emotionen oder Gedanken äußern, die sie in der Position wahrnehmen.

Aufstellungsarbeit in der Einzeltherapie

Es ist nicht immer möglich, eine Aufstellung in der Gruppe durchzuführen. Zum einen ist eine Gruppe nicht zu jeder Zeit verfügbar und zum anderen ist es nicht von jedem Klienten erwünscht, sein Anliegen vor einer Gruppe zu erörtern. In diesem Fall kann man auf Bodenanker, wie Zettel oder Kissen, ausweichen. Hierbei können sowohl der Klient als auch der Therapeut die unterschiedlichen Positionen einnehmen und sich so in die einzelnen Personen einfühlen. Außerdem hat sich im Einzelsetting das sog. Familienbrett als sehr hilfreich erwiesen. Kleine Figuren werden hierbei als Stellvertreter genutzt. Diese Form der Aufstellung setzt eine gute Visualisierungsfähigkeit des Klienten voraus.

Anamnese und Genogramm

Das Genogramm und die Anamnese sind wichtig für die Vorbereitung einer Aufstellung. Sie dienen dem Therapeuten dazu eine geordnete Übersicht über die Familienmitglieder zu bekommen. Gerade bei Patchworkfamilien kann ein Familiensystem sehr umfangreich sein und ohne Aufzeichnung für den Therapeuten schnell unübersichtlich werden. Es werden alle, die dazugehören, aufgezeichnet. Personen, die vielleicht unbewusst ausgegrenzt wurden, weil sie in Vergessenheit geraten oder bereits verstorben sind, kommen hier häufig wieder in Erinnerung.

Eine biografische Anamnese, in der alle wichtigen Lebensereignisse des Klienten erfasst sind, gibt dem Therapeuten einen ersten Überblick.

Bei Aufstellungen für ein Unternehmen kann eine Aufzeichnung der Firmenhierarchie sinnvoll sein.

Wann eine Aufstellung sinnvoll ist

Die Aufstellungsarbeit ist ein weites Feld mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Einige Beispiele sind:

  • Ehe- bzw. Partnerschaftsprobleme
  • Probleme innerhalb der Familie
  • Probleme in der Kindheit
  • Selbsttötungen innerhalb der Familie
  • schwere Schicksale in der Familiengeschichte
  • Kinderlosigkeit
  • Fehlgeburten oder Schwangerschaftsabbrüche
  • berufliche Schwierigkeiten
  • seelische Belastungen
  • körperliche Symptome
  • immer wiederkehrende Probleme
  • Beratung für Unternehmen
  • Krieg, Flucht und Vertreibung
  • u. v. m.

Ethik der Aufstellungsarbeit

Der Therapeut schaut frei von Angst sowie frei von moralischen und emotionalen Einflüssen auf die aufgestellte Situation. Er macht sich frei von eigenen Wünschen, wie die Aufstellung verlaufen solle, und wendet sein systemisches Wissen an. Es versteht sich von selbst, dass der Therapeut über eine fundierte Ausbildung verfügen sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen (DGfS) setzt sich für Qualität und Verantwortungsbewusstsein in der Aufstellungsarbeit ein. Hier kann man sich nach qualifizierten Systemaufstellern erkundigen, die den vorgegebenen Ausbildungskriterien entsprechen.

Gefahren der Aufstellungsarbeit

Ein zu schnelles Vorgehen kann den Klienten überfordern, deshalb ist ein achtsames Herangehen des Therapeuten von besonderer Wichtigkeit. Dies gilt natürlich insbesondere bei Traumatisierten, da die Gefahr einer Retraumatisierung besteht. Der Therapeut sollte mit dem Klienten gemeinsam die Aufstellung sorgfältig vorbereiten, wobei das Anliegen und das Ziel des Klienten genau geklärt werden. Außerdem sollte eine angemessene Nachbereitung gewährleistet sein. Es ist möglich, dass durch die Aufstellung Prozesse angeschoben werden, bei deren Bewältigung die Unterstützung des Therapeuten hilfreich oder sogar nötig ist.

Das Lösungsbild

In der Regel ergeben sich am Ende einer Aufstellung Lösungsbilder, die hilfreich und stärkend sind. Es sind Vorschläge, die sich aber mit der Zeit verändern können. Sie entwickeln sich mit dem Prozess des Klienten weiter. Gute Lösungsbilder begleiten den Klienten und haben über lange Zeit Kraft.

Die sog. Lösungssätze, die der Therapeut dem Klienten in einer Aufstellung vorschlägt, dienen dazu, den Klienten an seine Gefühle heranzuführen und Impulse für die Lösungsfindung zu setzen. Tatsachen werden festgestellt, die in einer Beziehung vielleicht nie ausgesprochen wurden, oder Ereignisse aus der Vergangenheit können zum Abschluss gebracht werden. Es ist sichtbar, ob der gewählte Lösungssatz wirkt. Der Klient erlangt Klarheit und kann sich häufig auch körperlich entspannen.

Ist ein Lösungsbild nicht in Resonanz mit dem Klienten, weil der Therapeut eine Lösung erzwingen wollte, sich von der persönlichen Wahrheit des Klienten entfernt hat oder weil er zu schnell auf eine Lösung drängt, bleibt die Aufstellung kraftlos.

Jessika WohlfeilJessika Wohlfeil
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Systemaufstellerin, Psychologische Homöopathie

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