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Aus dem Leben einer Heilpraktikerin für Psychotherapie: „Sie machen doch etwas mit Menschen – oder?“

©Andrey PopovHallo. Schön, dass Sie das hier lesen. Schön, Sie kennenzulernen! Ich lerne gerne neue Menschen kennen ... und heute lade ich Sie dazu ein, mich und meine Gedanken als "Heilpraktikerin für Psychotherapie" ein wenig kennenzulernen.

Manchmal erscheint es mir, als würden uns Menschen und entsprechende Impulse „genau zur richtigen Zeit“ begegnen.

Manchmal trifft man in seinem Alltagsgeschehen auf einen Menschen, ob kurz oder lang, und entwickelt daraus neue Energien, Gedanken und Taten. Wenn Menschen aufeinandertreffen, erfolgt ein Austausch. Wenn Menschen wertschätzend aufeinandertreffen, lernt man mitunter voneinander und vielleicht sogar eine ganze Menge über sich selbst.

Hierzu eine kleine Anekdote aus dem Leben einer „Heilpraktikerin für Psychotherapie“. Ja, okay, es ist eine kleine Anekdote von mir. Aus meinem Leben. Aber vielleicht haben Sie das auch schon einmal in ähnlicher Weise erlebt und können über so manches schmunzeln:

Ich musste lernen, ruhig zu bleiben. Ich übte mich in Geduld. Ich hatte einen Muskelfaserriss im Bein. Es wurde besser … Schritt für Schritt. Es ist noch gar nicht so lange her. Die Erinnerungen sind deshalb noch frisch. Ich möchte Ihnen mit einem Lächeln auf den Lippen von einem „Erlebnis“ erzählen, für das ich sehr dankbar bin.

Ich bin, so sage ich von mir, ein dankbarer Mensch. Auch wenn mir scheinbar „Schlimmes“ widerfährt, versuche ich, das Positive zu sehen. Durch einen kleinen Unfall hatte ich nun seit Wochen mit einem Muskelfaserriss in meiner Wohnung gelegen. Ich bin im Allgemeinen ein sehr aktiver Mensch. Natürlich hatte mir nicht gefallen, dass ich einige Seminare krankheitsbedingt nicht hatte halten können und auch sonst „wenig Mensch und wenig Input“ meine Tage beeinflusst hatten.

Ich freute mich über den Genesungsprozess und suchte einen Physiotherapeuten auf. Das war trotz der hartnäckigen Schmerzen eine erfreuliche Abwechslung. Ich kannte meinen Physiotherapeuten nicht. Zwei fremde Menschen trafen aufeinander.

Ich weiß nicht, wie Sie das handhaben. Wenn ich Menschen, die ich noch nicht kenne, begegne, halte ich mich erst einmal mit Informationen über mich zurück.

Ich denke, es ist ein wenig die Erfahrung … Wenn man z. B. auf einer Grillfeier erzählt, dass man eine psychotherapeutische Ausbildung genossen hat, fangen die Menschen an, einen mit anderen Augen zu sehen, und entdecken darin mitunter auch die Möglichkeit, „etwas loszuwerden“. Kennen Sie das?

Wir, also wenn Sie auch „psychologisch und/oder psychotherapeutisch unterwegs“ sind, lernen also, auch damit umzugehen und entsprechend zu verfahren. Also lag ich die ersten zwei Termine „stumm“ auf der Liege beim Physiotherapeuten und in diesem Kontext musste man ja auch nicht viel von sich erzählen außer berichten, wie das Schmerzempfinden war.

Doch manchmal muss man auch nicht viel von sich erzählen. Manchmal ... ja manchmal spüren Menschen scheinbar irgendwie (jetzt muss ich wieder grinsen), dass man ein guter Zuhörer oder eine gute „Hinhö- rerin“ ist.

Bei mir ist das so. Während andere beim Friseur losplaudern und von sich erzählen, kam es bei mir schon häufig vor, dass ich beim Strähnchenfärben und Haareschneiden auf einmal „eine ganze Lebensgeschichte“ in kleinen Auszügen präsentiert bekommen habe. Mist, ich war ja auch selbst schuld … irgendwie. Ich hatte vielleicht an der ein oder anderen Stelle eine kleine Frage gestellt. Grinsen meinerseits. Ja-ha, diese kleinen Fragen. Ich interessiere mich dann für den Menschen vor mir. Manchmal stelle ich eben gerne Fragen und komme dadurch in Kontakt mit Menschen.

Und plötzlich, in meine Gedanken hinein, hatte mein Physiotherapeut mir eine Frage gestellt: „Was machen Sie eigentlich beruflich? Ich glaube ja, etwas mit Menschen …“. Ich brummte zustimmend. Ich lag gerade auf dem Bauch und er bearbeitete mein Bein. Aua. Reichte ihm das als Antwort? – Nein. Er spekulierte weiter: „Sie strahlen so eine Ruhe aus. Sie machen doch etwas mit Menschen, oder? Was denn?“

Ich kannte solche Fragen. Ich kannte so Feststellungen. „Ja, ich arbeite im Personalwesen“, antwortete ich, was ja auch stimmt. Auch. Punkt. Ihm schien das nicht zu reichen. Er machte ein „Punkt, Punkt, Punkt“ draus. Ihm reichte es wohl nicht mehr, nur ab und zu einen Witz zu erzählen, wenn ich mein Bein wieder zu sehr verkrampfte, oder mit mir über das Wetter und das politische Geschehen zu reden.

„Aha. Joa, also, und was machen Sie noch so? Warum sind Sie so ausgeglichen? Das merkt man richtig. Ich wäre gerne auch so ausgeglichen. Wie machen Sie das?“ Meine Antwort: „Yoga. Also sonst. Und ich beschäftige mich generell und habe mich viel mit mir selbst beschäftigt. Gerade in den letzten Wochen. (Kleiner Witz meinerseits, weil ich nichts anderes gedurft hatte außer eben Rumliegen.) Ich konnte ja nicht weg. Ich konnte echt zur Ruhe kommen.“

„So, so“, hörte ich meinen Physiotherapeuten gedankenvoll murmeln und dann fing er an, zu bekennen und zu erzählen: „Joa, aber man muss auf jeden Fall lernen, mit sich selbst allein und dann noch zufrieden damit zu sein. Ich wäre wie gesagt auch gerne ausgeglichener, aber …“.

Ja, ich konnte da ja auch nicht weg. Ich erzähle Ihnen das jetzt mit einem Zwinkern. Eine physiotherapeutische Behandlung dauert eigentlich zwanzig Minuten ... eigentlich. Mein Physiotherapeut bearbeitete mein Bein und erzählte … von seiner Familie, von seiner bald anstehenden Scheidung … von seinen Sorgen und … seiner inneren Welt. Er bemerkte gar nicht, dass eine neue Patientin bereits im Empfangsbereich wartete. (Das Läuten war eigentlich nicht zu überhören gewesen. Na ja, egal ... dachte ich entspannt.) Auch als ich ihn weitere fünf Minuten später freundlich darauf hinwies, dass da schon jemand Neues seit zehn Minuten wartete, riss sein Sprachfluss nicht ab. Ganz im Gegenteil. Mit den vermeintlich verheißungsvollen Worten: „So. Fertig. Ziehen Sie sich bitte wieder an. Pause – ich zeige Ihnen jetzt noch Fotos“, hielt er mich in der Kabine. Ich hatte keine Anschlusstermine und viel Zeit … also sah ich mir festgehaltene Momente seiner Hochzeit, Fotos von seiner baldigen Ex-Frau und bunte Bilder von ihrem gemeinsamen Leben, nun Vergangenheit, an.

Die Kundin, die da immer noch wartete, räusperte sich seit einigen Minuten ziemlich laut. Ja, sie hustete beinahe vorwurfsvoll. Ich sah meinen Physiotherapeuten an. Der sah auf die Uhr. „Ach ja, ja … also, na dann … danke. Äh` … bis zum nächsten Mal. Dann mehr“, winkte er mir zu. Ich dachte noch im Rausgehen: „Dann mehr?“

Endlich rief er die nächste Patientin auf. Ich hörte noch, wie er die ältere Dame fragte: „Haben Sie schon unterschrieben vorne?“ Sie bejahte knapp. Ich konnte mir ihren Gesichtsausdruck vorstellen. Er: „Sie sind ja eine von der ganz schnellen Sorte.“ Und dann hörte ich die Patientin, die fast eine halbe Stunde gewartet hatte, mit gepresster Stimme zurückgeben: „Ja, genauso wie Sie, nicht wahr – von der besonders schnellen!“ Als ich die Tür der physiotherapeutischen Praxis hinter mir schloss, musste ich wirklich breit grinsen. Die Arme! Aber mein Physiotherapeut hatte das wohl gebraucht.

Nach drei weiteren Terminen hatte ich das Gefühl, ein recht gutes Bild von meinem Physiotherapeuten zu haben. Beim darauffolgenden Termin erzählte er gerade wieder von seiner baldigen Ex-Frau und schilderte mir ungefragt so manche Geschichte, als ich ihn fragte: „Und wie fühlen Sie sich damit?“ Ich merkte, dass ihn diese Frage leicht aus der Bahn geworfen hatte. Er dachte nach. Er sagte nichts mehr. „Ich fühle mich ausgenutzt“, sagte er dann, fast flüsternd.

Ich sagte nichts. Ich drehte mich über die Schulter nach hinten. Er hatte Tränen in den Augen. Er wischte sich mit seinem Unterarm über die Augen, ich drehte mich wortlos wieder zurück, und er massierte weiter mein Bein – zwar an gleicher Stelle – aber er massierte das gesunde Bein. Ich sagte nichts. Er merkte es nach einigen Sekunden von selbst und stellte fest: „Huch, ich bin schon total in Gedanken. Ganz woanders. Ich habe mir das falsche Bein vorgenommen. So. Für heute ist es gut.“ Ich nickte zustimmend.

Zwei Wochen später begrüßte er mich dann eines Abends mit den Worten: „So, der Scheidungstermin steht fest. Ich habe viel durch Sie in dieser Zeit gelernt. Ich weiß jetzt durch Sie, dass ich lernen darf, loszulassen.“

Bitte glauben Sie mir … ich hatte bei den Terminen nicht viel gesagt. (Ich war auch gar nicht dazu gekommen.) Ich hatte nur ein paar Fragen gestellt. Ich hatte nicht mit ihm gesprochen, wie mit einem Klienten in der Beratung oder beim Training. Ich hatte „nur dagelegen“ und zwischendurch mal nachgefragt – nach Bedürfnissen, nach Perspektiven, nach Wahrheiten. „Was ist Ihnen im Leben jetzt wichtig? Was ist ihr wichtig?“, zum Beispiel. Ich lächelte und sagte: „Ich habe nicht viel damit zu tun. Sie haben das für sich selbst herausgefunden.“

Doch eine Sache blieb in meinem Kopf. Seine baldige Ex-Frau, die ihn gefühlt benutzt und augenscheinlich sehr verletzt hatte, war selbstständig. Auf seinem Empfangstresen lagen immer noch ihre Visitenkarten. Mein Physiotherapeut redete auch sehr viel von ihr. Konnte er schon loslassen? Ich fragte ihn und wählte bedacht die Worte: „Wieso liegen noch die Visitenkarten von ihr auf Ihrem Tresen? Sie sehen diese jeden Tag … beim Hereinkommen in die Praxis und beim Heimgehen am Ende des Tages. Ist Ihnen das bewusst?“ Mir war es aufgefallen. Diese Frau, dieser Mensch, war einfach noch sehr präsent in seinem Leben. Verständlicherweise. Aber mit einer gewissen Distanz eben mehr als deutlich. Da lag der Stapel Karten mit dick und fett ihrem Namen drauf. So oft ihr Name …

Mein Physiotherapeut hatte seine baldige Ex-Frau seit dem ersten Tag ihrer Beziehung unterstützt. Nicht nur monetär. Er machte ihr immer noch Geschenke und bedachte sie mit Zuwendungen aller Art, während sie weiterhin alles annahm und, so spürte er wohl immer deutlicher, nichts von sich gab. So schien es zumindest.

Mein Physiotherapeut antwortete: „Ich fühle mich für den Erfolg ihres Business und ihr Weiterkommen im Leben immer noch verantwortlich. Ich möchte sie weiterhin unterstützen. Warum auch immer. Die Visitenkarten liegen nur da, um sie zu verteilen, wenn ich zufällig von ihr rede.“

„Sie fragen sich, warum oder wieso auch immer, Sie das tun … fragen Sie sich das? Wenn Sie zufällig von ihr reden?“

Ich fragte weiter und dann, ob er mit ihr eine Verbindung halten wolle. Ich kann Ihnen jetzt nicht im Detail die ganze Geschichte meines Physiotherapeuten und den Prozess erläutern. Aber ich kann Ihnen sagen, was als Nächstes geschah.

In seinen Augen blitzte es nach einigen Minuten auf einmal. Er lachte auf, ging schnellen Schrittes zum Tresen und pfefferte die Visitenkarten, den gesamten Stapel, zack, in den Mülleimer. Dann lachte er wieder. Wie befreit. Und stellte für sich fest: „Das war ja jetzt magisch. Wow! Das war jetzt richtig gut. Sehen Sie. Sie schon wieder. Das hatte ich alles gar nicht gesehen, weil ich es nicht sehen wollte. Die Visitenkarten haben da gelegen, weil ich wohl immer noch nicht loslassen kann ... so richtig loslassen kann.“

Was sollte ich darauf sagen? Ich sagte: „Das war nicht unbedingt magisch, aber auf jeden Fall symbolisch, sagt mir mein Gefühl. Und es ist auf jeden Fall schön, dass wir zwei wertschätzende Menschen sind, die sich gegenseitig ein kleines Stück Lebensweg begleiten und unterstützen dürfen.“

Er nickte zustimmend und fügte hinzu: „Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzählt habe. Also so meine Probleme. Eigentlich schade, dass Ihr Bein gute Fortschritte macht und unsere Zeit bald zu Ende ist. Sie waren da für mich in dieser Zeit. Das tat gut. Ich habe das Gefühl, dass ich Ihnen alles erzählen kann. Aber das gerade ... das gerade war ... nochmals richtig gut. Ich habe das so heftig gespürt. Als ich die Karten mit ihrem Namen weggeschmissen habe. Magisch! Sie sollten das beruflich machen.“

Dies ist also eine kleine Geschichte aus dem Leben einer „Heilpraktikerin für Psychotherapie“ ... mit einem Schmunzeln und den besten Wünschen für Sie. Ist Ihnen schon einmal Ähnliches passiert? Können Sie sich gut abgrenzen? Ich habe an so mancher Stelle bei einem „Irgendwie“ und beim Beschreiben meiner Gedanken ausgelassen, dass ich mich natürlich auch immer selbstkritisch hinterfrage – gerade weil ich „Freie Therapeutin“ bin. Ich möchte dem Leben in meinen Zeilen aber gerne auch mit Humor und offen fürs Menschlichsein begegnen – unabhängig von der Ausbildung.

Wie begegnet Ihnen vielleicht Ihre Berufung im Alltag? Was machen Sie aus Ihren beruflichen und privaten Geschichten und diesen Impulsen? Nehmen Sie Kontakte mit Menschen anders wahr (nach Ihrer Ausbildung)? Geben Sie manchmal anderen Menschen Impulse? In welchem Kontext passiert das? Was bedeutet Ihnen Empathie? Schreiben Sie mir. Lassen Sie uns in Kontakt und in Austausch treten.

Mitunter erscheint es uns, als würden uns Menschen und entsprechende Impulse „genau zur richtigen Zeit“ begegnen. Manchmal trifft man in seinem Alltagsgeschehen auf einen Menschen, ob kurz oder lang, und entwickelt daraus neue Energien, Gedanken und Taten. Wenn Menschen aufeinandertreffen, erfolgt ein Austausch. Wenn Menschen wertschätzend aufeinandertreffen, lernen sie mitunter voneinander und vielleicht sogar eine ganze Menge über sich selbst.

Für solche und ähnliche menschliche Momente bin ich sehr dankbar. Und am Ende des Tages lernt man durch jede kleine Begegnung dazu. Egal, ob beruflicher oder privater Natur. Das Leben zeigt sich so facettenreich. Man lernt neue Perspektiven und Realitäten kennen. Man lernt Menschen kennen, ihre Geschichten und Lebensinhalte.

Zeitweise wirkt es dann sogar für den einen oder anderen ein klein wenig magisch – Magie? Vielleicht aber einfach auch nur ein Faktor für mehr Zufriedenheit, wenn Menschen füreinander da sind. Das Dasein. Im Alltag. Ohne lange Wartezeiten. Ohne Termin. Einfach zwischenmenschliche Unterstützung.

Nichtsdestotrotz: Wie gut, dass es fundierte Ausbildungen gibt, damit sich Menschen noch besser und vor allem professionell um andere Menschen kümmern können. Achtsam. Hineinfühlend. Da.

Sie möchten „etwas mit und für“ Menschen oder Ihre Berufung zum Beruf machen, sich weiterbilden oder mehr über sich und „Freie Psychotherapeuten“ wissen? Der VFP e. V. unterstützt Sie dabei (www.vfp.de).

Auf mehr Zufriedenheit!

Jenny Miosga Jenny Miosga
Heilpraktikerin für Psychotherapie, zertifizierte Psychologische Beraterin, Dozentin an der Paracelsus Schule Essen, Fachautorin

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