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Misophonie

Die Frage nach dem, was Misophonie ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden, denn die Forschung zu diesem Thema befindet sich noch in den Anfängen. Man kann sie als Intoleranz auf bestimmte Alltagsgeräusche beschreiben, bei der meist „menschliche Körpergeräusche“ wie Schlucken, Schmatzen, Atmen als Trigger fungieren.

Es gibt Hinweise, dass durch solche Triggergeräusche eine Überaktivierung bestimmter Hirnareale angeregt wird.

Es können aber auch visuelle Reize oder Gerüche sein. Die Trigger selbst lösen keine Emotion, sondern einen körperlichen Reflex aus, der vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird.

Dieser Reflex aktiviert eine extreme Emotion, weil das Gehirn den Reflex als Angriff deutet und im Organismus einen Kampf- oder Fluchtmodus in Gang setzt. Es handelt sich um ein komplexes Beschwerdebild.

Obwohl Misophonie einen extremen Leidensdruck bei den Betroffenen hervorruft, handelt es sich nicht um eine Krankheit oder einen Tic, sondern um einen Reflex, der mit zahlreichen Körperreaktionen zusammenhängt. Die Beschwerdebilder sind generell in ganz unterschiedlichen Intensitäten ausgebildet.

Da das Thema selbst noch nicht ausreichend erforscht und nicht in die Klassifizierung psychischer Erkrankungen aufgenommen ist, werden häufig Fehldiagnosen gestellt.

Statistiken lassen vermuten, dass bis zu 15 % der Menschen unter Misophonie leiden. Da sich das Wissen über das Beschwerdebild jedoch erst noch verbreitet, ist die Misophonie noch nicht ausreichend geläufig, um als solche erkannt zu werden. Ärzte, Heilpraktiker und Hörgeräteakustiker (immer m/w/d) werden von den Betroffenen aufgesucht, das Problem ist jedoch noch nahezu unbekannt. Häufig werden Hyperakusis, affektive Störungen, Hypersensibilität, Migräne, Zwänge oder ADHS diagnostiziert.


Es gibt unterschiedliche Schweregrade, die sich durch Fragebögen greifbarer bewerten lassen, z. B. die „Amsterdam Misophonieskala“. Häufig steigert sich der Leidensdruck jedoch über die Jahre.

Die Trigger können weit über Schluck- und Kaugeräusche hinausgehen, wie Kratzgeräusche oder das Drücken von Kugelschreibern. Häufig kommen später visuelle Reize dazu, sodass schon der Anblick kauender Menschen Reaktionen auslösen kann. Die genetische Disposition ist gegeben.

Misophonie kann jedoch auch auftreten, weil ein Eltern- oder Geschwisterteil entsprechende Beschwerden aufweist und der Fokus dahingehend gelenkt wird.

... keine anerkannte psychische Erkrankung und dennoch meist ein hartnäckiges Beschwerdebild

Meist tritt ein solcher Leidensdruck bereits im frühen Kindesalter auf und verstärkt sich im Laufe der Jahre. Jedoch kann sich auch im späteren Erwachsenenalter ein misophonisches Störbild entwickeln. Eine Erklärung dafür ist bisher noch nicht bekannt.

Eine Misophonie geht meist mit großer Wut und Hassgefühlen einher. Die Gefühle richten sich häufig gegen (eigentlich) geliebte Mitmenschen, was zu Irritationen, Schuld- und Schamgefühlen führen kann. Auch entstandene Glaubenssätze können eine Rolle spielen, da sich im frühen Alter ein Gefühl des Andersseins entwickeln kann. Die sich daraus ergebende soziale Komponente kann ebenfalls eine große Belastung darstellen.

Betroffene beginnen, lieber getrennt zu essen und Veranstaltungen, wie Familienfeiern, zu meiden. In Trigger-Momenten sollten sich Leidende zurückziehen können, um allein zu essen oder durch Kopfhörer Ablenkung zu finden.

Auch sollte die Ernsthaftigkeit der Beschwerden und die emotionale Belastung der Betroffenen von Menschen im direkten Umfeld respektiert und anerkannt werden. Meine Arbeit setzt bei allen Symptomen der Misophonie an, die sehr individuell sein können. Gemeinsam arbeiten wir an den Triggern, an den Ursachen, an Emotionen und körperlichen Reaktionen.

Eine reine Hypnose reicht hier nicht aus, vielmehr handelt es sich um die Anwendung verschiedenster Therapieformen. Betroffene können zu Hause parallel Entspannungsübungen durchführen, um die Wut wieder zu „verlernen“.

Misophonie ist nicht heilbar, ein entsprechendes Coaching kann jedoch helfen, dass keine weiteren Trigger hinzukommen (was ohne Behandlung meist der Fall ist) und sich bestehende Trigger reduzieren.

Denn wenn die emotionalen Netzwerke im Organismus nicht mehr befeuert werden, reduzieren sie sich über die Zeit.

In Elterngesprächen erfahre ich manchmal, dass Vater oder Mutter selbst früher unter Misophonie litten, während sich die Beschwerden im Heute komplett gelöst haben. Betroffenen Familien gebe ich den Hinweis, dass es Sinn macht, sich Unterstützung zu holen, da sich Trigger häufig ausweiten und zu wutauslösenden Geräuschen auch optische Trigger hinzukommen können. Je früher Hilfe in Anspruch genommen wird, desto mehr Leid erspart man den Betroffenen.

Bianca Gutzeit Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Schwerpunkt Hypnose, Autorin Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.