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Achtsamkeit

Das Thema Achtsamkeit rückt mehr und mehr in den Vordergrund unserer schnelllebigen, hektischen und auch von Angst und Krisen gebeutelten Zeit. Und gleich ergeben sich nachfolgende Fragen. Was steckt denn hinter dem Wort Achtsamkeit? Was versteht man darunter? Gibt es da nur eins, was Achtsamkeit ausmacht, oder ist es eine Auslegungssache?

Was man in unserer westlichen Welt darunter versteht, lässt sich vor allem in den Wurzeln des Buddhismus und seiner Praxis wiederfinden. Macht man sich weiter auf die Suche, wird klar, dass auch andere Religionen und Urvölker Achtsamkeit praktizierten.

Wie kann man Achtsamkeit definieren?
Sie ist eine Haltung, in der man sich ganz bewusst entscheidet, mit der vollkommenen Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zu bleiben, statt auf Autopilot zu schalten oder multitasking zu sein.

Hirnforscher haben festgestellt, dass sich die Leistung unseres Gehirns im Multitaskingmodus eher verschlechtert. Eigentlich psycho-logisch: Macht man mehrere Sachen gleichzeitig, verteilen sich Leistung und Energie auf mehrere Schauplätze.

Achtsamkeit beschreibt einen Zustand der vollkommenen Präsenz, in der der Mensch ganz bewusst all das wahrnimmt, was in seinem Inneren – in seinem Körper und seinem Geist – und um ihn herum geschieht. Man könnte es auch als eine Art höhere Warte der Beobachtung beschreiben.

So wie der Jäger auf dem Hochsitz viel Zeit einfach nur beobachtet oder der Blick aus dem Flugzeug hinunter auf die Erde. Wahrnehmen, was ist, ohne zu bewerten oder gezielt darüber nachzudenken.

Ist das jetzt so etwas wie Konzentration? Oder wo liegt der Unterschied?

Die Antwort liegt möglicherweise darin, dass Konzentration wohl mehr mit dem Fokussieren auf ein Objekt oder einen bestimmten Bereich zu tun hat. Wie bei einer Taschenlampe. Richtet man den Strahl gezielt auf ein Objekt, kommt genau dort Licht ins Dunkel. Die Wahrnehmung richtet sich komplett auf diesen ausgewählten und gleichzeitig begrenzten Bereich, z. B. ein gezieltes Denken und Handeln.

Achtsamkeit hingegen stellt eine Beobachtungsform ohne bestimmtes Denk- oder Handlungsziel dar. Hier wird das Fokussieren weit gestellt – auf Art und Weise eines Weitwinkelobjektivs – das sich für die Fülle des Gesamten und nur der Wahrnehmung öffnet. 

Apropos Ziel. Kann man bei Achtsamkeit ebenso von einem Ziel sprechen, das erreicht werden soll oder kann? Man könnte es wohl eher eine Absicht nennen. Achtsamkeit beabsichtigt, in den gegenwärtigen Moment zu kommen und mit allen Sinnen wahrzunehmen, was ist.

Was sind Effekte, die durch Achtsamkeit erreicht werden können? Oder bildhaft gesprochen, was erblüht aus den Samen der Achtsamkeit?
Dazu mag ich Sie nochmals an den Anfang des Textes mitnehmen. In unserer heutigen schnelllebigen und hektischen Zeit erleben Menschen leider viel zu oft das Gefühl von Stress. Dass sie weniger belastbar und mit vielen Situationen, die das Leben von ihnen fordert, vielleicht auch überfordert sind. Das kann sich in Erschöpfungszuständen, Müdigkeit, Anfälligkeiten für Infekte, Schnell-aus-der-Haut-Fahren, Antriebslosigkeit, Unruhe etc äußern.

Man ist mehr im Modus des Funktionierens unterwegs, als dass man selbstbestimmt gestalten kann. Die Welt stellt uns vor viele Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Es gibt Menschen, die gut damit zurechtkommen, energiegeladener und resilienter sind. Für andere wiederum stellt das eine große Belastung dar, mit der sie weniger gut klarkommen und manchmal sind sie auch in ihren Problemen und Umständen gefangen sind oder werden wie in einer Negativspirale nach unten gezogen.

Die eigene Achtsamkeit hat Auswirkung und Außenwirkung

Studien belegen, dass Achtsamkeitsübungen messbare körperliche Veränderungen im Blut und im Gehirn aufweisen und sich positiv auf Körper und Geist auswirken. Dies verbessert die Selbstregulation im Körper, vor allem im vegetativen Nervensystem. Dadurch werden unweigerlich alle anderen Körperfunktionen unterstützt und begünstigt, z. B. verbesserte Stressregulation, Entspannung, Schmerzlinderung, Wach- und Bewusstheit ... alles hängt mit allem zusammen ... nichts kann oder darf getrennt voneinander betrachtet werden. Durch praktizierte Achtsamkeitsübungen erlebt man sich intensiver, lernt sich selbst besser kennen und nimmt tiefen Kontakt mit sich auf. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass praktizierte Achtsamkeit mit sich selbst nicht nur eine unglaubliche Wirkung auf das eigene Leben hat, sondern sich auch in der Außenwirkung bemerkbar macht. Wie man auf andere wirkt und auch wie andere Menschen mit einem in Kontakt treten und interagieren.

Geht man achtsam mit sich selbst um, wird man auch achtsamer mit anderen umgehen

Übungsangebote gibt es in Hülle und Fülle. Sie liegen uns zu Füßen, in unseren Händen und in unseren Sinnen.

Das Schöne an Achtsamkeitsübungen ist, dass man nichts Zusätzliches braucht wie z. B. ein Fitnessstudio oder Ähnliches. Das Leben und alle Tage bieten so viele Möglichkeiten, Achtsamkeit zu üben und diese ins Leben zu integrieren.

Die Herausforderung liegt nicht an den Übungen, vielmehr an der Herang

Von der Theorie in die Praxis

Nun folgen einige Achtsamkeitsübungen. Denn Wissen reicht nicht aus, nur im „Tun“, im Achtsamsein, verändert sich etwas. Das ist mit der Achtsamkeit genauso wie bei allem anderen. Oder wie sagt man so schön: „Der Weg ist das Ziel!“

Und noch eins mag ich mit auf den Weg geben. Seien Sie liebevoll mit sich. Vor allem dann, wenn Sie beginnen, achtsamer mit sich zu sein. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Auch wenn es manchmal vielleicht etwas langsamer geht, als Sie es gerne hätten. Im steten, regelmäßigen Üben und Ritualisieren geht´s voran oder besser gesagt in die Tiefe Ihres Seins.

1. Achtsamer Start in den Tag

Die erste Chance, sich in Achtsamkeit zu üben, bietet sich direkt nach dem Aufwachen. Statt nach dem Weckerausmachen sofort aufzuspringen, das Handy zu checken oder halb verschlafen ins Badezimmer zu gehen etc., könnten Sie auch achtsam in den Tag starten.

Bleiben Sie noch ein paar Minuten liegen oder setzen Sie sich auf die Bettkante. Nehmen Sie ein paar bewusste Atemzüge, wandern mit Ihrer Aufmerksamkeit durch Ihren Körper und nehmen ihn ein paar Momente wahr.

Begrüßen Sie den neuen Tag mit Dankbarkeit. Fühlen Sie das Geschenk der 86 400 Sekunden, die heute auf Sie warten, entdeckt und gelebt zu werden. Aus dieser Achtsamkeit heraus lade ich Sie ein, Ihren Tag gedanklich durchzugehen.

Worauf freue ich mich? Was steht heute an? Wie will ich mich am Ende des Tages fühlen und sehen?

Es sind wenige Minuten und Momente Zeit, die Sie zum Start in Ihren Tag investieren – und gleichzeitig lohnenswert und kostbar. Auf in einen neuen Tag! 

In der

Tiefe des

Seins!

2. Essen mit allen Sinnen

Die Mahlzeiten achtsam, mit Genuss und vor allem in Ruhe zu sich zu nehmen, ist die nächste Gelegenheit. Sich Zeit lassen, ohne Hektik, Hinunterschlingen oder einfach so nebenbei, während man schon die ersten E-Mails checkt und gedanklich bereits beim Tagesgeschäft ist.

Mit allen Sinnen wahrnehmen. Die warme Tasse in den Händen spüren ... das duftende Aroma des Tees oder Kaffees in die Nase aufnehmen ... den ersten Schluck so richtig genießen ... bewusst, achtsam und langsam kauen und die Geschmacksknospen aktivieren. So wie es einmal ein Mönch gesagt hat: „Wenn ich esse, dann esse ich!“ All das fördert Ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden. Die nächste köstliche Mahlzeit wartet bereits auf Sie!

3. Rituale als Chance

Gerne dürfen Sie einmal überlegen, wie viele Rituale Sie schon in Ihren Alltag und Ihr Leben integriert haben. Ich bin mir sicher, Sie werden fündig. Sei es das Zähneputzen. Das Überlegen und Rauslegen der Kleidung für den nächsten Tag. Den Schlüssel oder andere Dinge nach Gebrauch immer wieder an ihren angestammten Platz zu legen, um sie dort wiederzufinden. Begrüßungsrituale. Tage oder „Dates“ für bestimmte Aufgaben zu Hause, im Büro, Ihr Hobby ... Und nun denken Sie einmal darüber nach, ob Sie z. B. beim Zähneputzen so richtig achtsam sind oder voll auf Autopilot schalten. Rituale und Automatismen erleichtern uns so manches im Leben. Und wenn Sie jetzt noch die Achtsamkeit reingeben, dann sind das wunderbare Chancen, noch mehr Achtsamkeit in Ihr Leben zu bringen. Ich lade Sie ein, sich eines der Rituale herauszupicken und sich diesem einmal in einer ganz neuen Art und Weise – achtsam und bewusst – wie wenn es das erste Mal ist, zu widmen. Ganz im Hier und Jetzt, ohne Wenn und Aber, gedankenlos im Tun versinken. Lassen Sie sich überraschen!

4. Die Liebe zum Detail

Eines der großen Geschenke, die wir von kleinen Kindern annehmen können, ist die Liebe und Hingabe zum Detail. Alles nehmen sie genau unter die Lupe. Sei es ein Blatt, ein Stein, ein Stock oder auch ein Spielzeug. Sie betrachten es in vollem Umfang, drehen und wenden es und können sich eine gefühlte Ewigkeit damit beschäftigen. Sie sind ganz in der Präsenz des Moments ... Raum und Zeit spielen überhaupt keine Rolle.

So lädt Sie diese Übung dazu ein, die Liebe zum Detail auf eine etwas andere Art und Weise neu zu entdecken. Vielleicht einmal den Blick in die Ferne schweifen lassen, um darin zu versinken, ohne etwas bewusst zu fokussieren. Sie können auch gerne eine Frucht oder einen lieb gewonnenen Gegenstand in die Hand nehmen, von allen Seiten betrachten, spüren, daran riechen. Tun Sie so, als ob es etwas Neues in Ihrem Leben ist, was es zu entdecken gilt. Auf allen Ebenen Ihrer Wahrnehmung.

So wird die Liebe zum Detail von außen nach innen gekehrt. Mögen Ihnen viele wunderbare Momente und Details bewusst werden!

5. Auf der Lebensreise

Auf unserer Lebensreise machen wir unzählige Schritte – einen nach dem anderen. Auch hier bietet sich eine wunderbare Gelegenheit, einmal ganz bewusst zu gehen und achtsam laufen zu lernen.

Der erste Weg des Tages ist raus aus dem Bett ins Bad. Weiter zur Küche. Aus dem Haus zur Arbeit. Auf der Arbeit zu einer Kollegin, einem Kollegen, zum Kunden ... und wieder nach Hause. Sie kennen Ihre Wege besser als ich. Jeder Tag bietet so viele Möglichkeiten, den Weg mit achtsamen Schritten zu beschreiten.

„Denken“ Sie sich in Ihre Füße. Spüren Sie Ihre Fußsohlen, die den Boden berühren. Wie fühlen sich Ihre Füße an? Was nehmen Sie wahr?

Machen Sie sich den Abrollvorgang bewusst, gerne auch einmal in Zeitlupe. So wird unweigerlich Ihre Geschwindigkeit gedrosselt und das Wahrnehmen vertieft. (Denjenigen, die sich schon einmal das Bein gebrochen haben oder eine Fußverletzung hatten, kommt das vielleicht bekannt vor. Wieder Schritt für Schritt laufen zu lernen mit einem runden Gang).

Ganz intensiv können Sie das üben und vor allem auch erleben, wenn Sie barfuß durchs feuchte Gras laufen. So kräftigen Sie zudem Ihre Fußmuskulatur, stärken ebenfalls Ihr Immunsystem, „erden“ sich und werden so richtig wach. Nicht nur am Morgen!

Viel Freude beim Laufenlernen.

6. Atem verbindet

Unsere Atmung funktioniert ohne unser bewusstes Zutun. Sie läuft autonom über unser vegetatives Nervensystem. Das ist schon das erste Geschenk. Das zweite Geschenk ist, dass wir die Atmung bewusst steuern können in Geschwindigkeit und Tiefe – so wie wir es in dem Moment brauchen können. Somit ist die Atmung einer der Schlüssel hin zur Achtsamkeit. Er verbindet uns nicht nur mit der Außenwelt, sondern vor allem mit uns selbst. Einatmen und aufnehmen. Ausatmen und abgeben. Richten Sie Ihren Fokus ganz auf Ihren Atem und begleiten Sie die Atemluft von außen hinein in Ihren Körper. Atemzug für Atemzug.

ehensweise und der Praxis beim Üben. Es braucht Entschlossenheit, Ruhe und anfangs vielleicht auch ein wenig Geduld, achtsame Momente zu erleben.

Auch hier ergeben sich viele uneingeschränkte Möglichkeiten, sich des Atems bewusst zu werden. Am besten geht es natürlich in Stille und Ruhe. An einem für Sie ungestörten Ort, um sich vollkommen auf die Atmung einzulassen, tief mit sich selbst in Kontakt zu kommen und sich mit Ihrer Innenwelt zu verbinden.

Und falls Sie einmal in einen stressigen und herausfordernden Moment kommen, ist die Atmung Ihr schnellster und bester Ersthelfer!

7. Wasser ist Leben

Wir können uns glücklich schätzen und dankbar sein, dass Wasser in unseren Breitengraden ausreichend vorhanden ist. Die Frage, ob wir es in vollem Umfang schätzen, achtsam und auch sparsam damit umgehen, ist etwas, was sich vielleicht aus der Achtsamkeit heraus klarer beantworten lässt. Nehmen wir einmal das Duschen. Egal, ob Sie am Morgen oder am Abend duschen oder sich ein heißes Bad gönnen. Auch hier bietet sich eine wunderbare Gelegenheit, achtsam zu sein. Nicht nur schnell unter die Dusche hüpfen, abtrocknen, anziehen und weiter ...

Genießen Sie die ersten Wasserberührungen auf Ihrer Haut. Spüren Sie die Wärme (oder auch die Kälte beim Eisduschen) und nehmen Sie die Frische und die reinigende Wirkung des Wassers wahr.

Ist das Wasser hart oder eher weich? Können Sie die einzelnen Wasserstrahlen sehen und empfinden? Wie fühlen Sie sich dabei? Auch das Händewaschen kann achtsam geschehen. Ich erinnere mich gerne an unsere Kinder, die das Händewaschen so richtig zelebriert haben. Hände nass machen, einseifen, jeden Finger damit einschäumen, zwischen den Fingern, die Handinnenflächen, die Handrücken und danach die Hände wieder mit klarem Wasser abspülen. Welch ein Genuss!

Und jetzt dürfen Sie sich aufs nächste Händewaschen, Duschen oder Baden freuen!

Nun wünsche ich Ihnen einen guten Start mit der Achtsamkeit oder ein Vertiefen und Versinken darin
Beginnen Sie sanft mit einer kleinen Übung. Bleiben Sie dran und erinnern Sie sich immer wieder daran, dass jeder achtsame Moment Ihrem Leben noch mehr Lebendigkeit und Tiefe schenkt.

Simone Hauswald Dipl.-Mentalcoachin (CH), Biathlon-Weltmeisterin und -Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen
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