Zum Hauptinhalt springen

Gemeinsamkeiten und Unterschiede Borderliner & Narzissten

Was ist ein Narzisst?

Kurz gefasst ist ein Narzisst ein Mensch mit einer tiefsitzenden Selbstwertproblematik. Sein geschwächtes Selbst versucht er zu stabilisieren, indem er andere Menschen kontrolliert und abwertet. Eine ausführliche Beschreibung dieser psychischen Störung führe ich in den ersten Seiten meines Buches „Narzissmus in der Familie – Untersuchung eines Verbrechens“ auf. Diese sind in der kostenlosen Leseprobe auf Amazon einsehbar.

Was ist ein Borderliner?

Borderliner sind – ebenso kurz gefasst – Menschen, die emotional deutlich instabil sind. Sie leiden unter einer enormen inneren Anspannung. Diese kompensieren sie häufig mit selbstschädigendem Verhalten. Der Begriff Borderline (englisch: Grenzlinie oder Grenzgebiet) entstand 1938, als Ärzte, Therapeuten und Wissenschaftler (immer m/w/d) dieses Krankheitsbild weder der Gruppe der Neurosen noch der der Psychosen so recht zuordnen konnten, sodass man sich auf diesen Begriff geeinigt hat. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine der beiden Erscheinungsformen der „Emotional instabilen Persönlichkeitsstörung“. Die andere Erscheinungsform ist der „Impulsive Typ“. Dieser ist in den Kliniken weniger anzutreffen als der Borderline-Typ, weil die meisten Betroffenen aufgrund von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und dann hinter Gittern landeten. In diesem Artikel konzentriere ich mich auf den Borderline-Typ, wobei es auch Mischformen gibt.

Es gibt natürlich auch Menschen, die beide Persönlichkeitsstörungen kombiniert aufweisen (Borderline und narzisstische PS).

Auftreten

Die Instabilität kann man den Borderlinern teilweise anmerken. In ihrem Auftreten werden ihre Minderwertigkeitsgefühle häufig spürbar. Sie wirken schwächer von ihrer Aura. Des Weiteren erlebe ich Boderliner freundlicher, fröhlicher und warmherziger. Narzissten hingegen sind sehr viel stärker von ihrer Aura her und in ihrem Auftreten. Sie sind standfester und haben oft einen fixierenden Blick. Sie können überdurchschnittlich selbstbewusst wirken, was in Wirklichkeit eine Überkompensation ihrer inneren, oft selbst nicht wahrnehmbaren Minderwertigkeitsgefühle ist.


Spüren der eigenen Minderwertigkeitsgefühle

In den Köpfen der Borderliner läuft ein Film ab und in diesem wiederholen sich die negativen Annahmen, die sie von sich haben: „Ich bin der letzte Dreck“, „Mir darf es nicht gut gehen“, „Ich bin nichts wert“. Sie verspüren ein sehr schwaches Selbstwertgefühl und zeigen nach außen hin diese Verwundbarkeit.

Narzissten hingegen haben ein aufgeblähtes Selbstwertgefühl und denken, Regeln gelten für alle, nur für sie nicht. Sie haben neben ihren positiven Annahmen („Ich kann alles“, „Ich bin kompetent“, „Ich bin wichtig“) auch negative Annahmen von sich („Ich kann nichts“, „Ich bin nicht kompetent“). Zwischen diesen positiven und negativen Annahmen von sich selbst schwanken Narzissten hin und her. Wenn die positiven Annahmen aktiv sind, ist der Narzisst erträglicher.


Umgekehrt ist es, wenn die negativen Annahmen aktiv sind. Die Schwankungen werden verursacht durch Stimuli von außen, z. B. durch Erfolge. Das Hin- und Herschwanken äußert sich in Stimmungsschwankungen. Nicht immer ist sich ein Narzisst seiner Selbstzweifel bewusst, doch es gibt Phasen, da wird er von starken Selbstzweifeln heimgesucht und dann bemerkt er diese auch.

Interesse an anderen Menschen

Borderliner können ein echtes Interesse an anderen Menschen haben.

Narzissten hingegen handeln aus egoistischen Gründen: Sie wollen Menschen ausbeuten, beeindrucken und kontrollieren.

„Ich bin der letzte Dreck!“ „Ich bin nichts wert!“

Äußeres Erscheinungsbild

Einige Borderliner färben ihre Haare auffällig mit einem knalligen Grün, Rot oder Rosa. Einige Frauen tragen Kurzhaarfrisuren. Einige haben auch einen auffälligen Kleidungsstil. Das kann ein Zeichen der Abgrenzung von den Angepassten sein. Es könnte aber auch Ausdruck ihrer Identitätssuche sein. Identitätsprobleme sind eines der neun Merkmale, von denen fünf zutreffen müssen, um die Diagnose „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ stellen zu können.

Narzissten wollen immer positiv auffallen. Sie folgen zumeist den jüngsten Trends und müssen immer das Neueste vom Neuen haben.

Sehr viele Borderliner haben Narben von Schnittwunden, die sie sich selbst zugefügt haben. Narzissten hingegen verletzen sich in aller Regel nicht.

Leidensdruck

Borderliner verspüren einen hohen Leidensdruck. Ich erlebe in der Klinik oft eine hohe Motivation, an sich zu arbeiten: daran, dem Alltag besser nachkommen zu können und mehr Struktur in den Alltag zu bekommen. Die Gefühlsausbrüche unter Kontrolle zu bringen, an der Abhängigkeit zu anderen Menschen zu arbeiten, sich besser zu verstehen, mit Wutgefühlen umgehen zu können und so weiter.

Narzissten hingegen wissen in der Regel nicht, dass sie ein Problem haben und was sie in Ordnung bringen müssten. Auch werden sie wütend auf jeden, der sie darauf aufmerksam machen will, dass sie etwas an sich verändern müssten. Wenn ein Narzisst sich in Therapie begibt, dann in den wenigsten Fällen, weil er unter seiner Störung leidet, sondern wegen einer komorbiden Störung wie Alkoholsucht oder Depression.

Krankheitseinsicht

Ist bei Narzissten seltener und bei Borderlinern häufiger. Prognose

Es gibt sehr gute Therapieangebote für Borderliner. Die Störung ist gut behandelbar und viele Borderliner erreichen eine deutliche Verbesserung der Symptomatik. Die Prognose ist gut.

Die Therapie von Narzissten hingegen gestaltet sich schwierig, weil die Krankheitseinsicht nicht besteht. Wenn ein Narzisst allerdings ernsthaft an sich arbeiten möchte, kann auch dieser Besserung erzielen.

Innere Anspannung

Borderliner leben tagtäglich mit einer hohen inneren Anspannung. Manchmal wippen sie mit dem Fuß im Sitzen oder spielen nervös mit Stressringen. Dieser Zustand ist für Betroffene sehr belastend. Wenn zu der hohen Anspannung noch weitere belastende Gefühle kommen, steigt die Anspannung noch weiter an. Viele Borderliner regulieren diese schwer erträglichen Gefühle, indem sie sich schneiden oder anderweitig selbst verletzen. Laut Angabe der Charité verletzen sich zwischen 69 und 80 % der Borderliner. Die Betroffenen berichten, dass sie während der selbstverletzenden Aktion keinen Schmerz spüren und sich im Anschluss in einem euphorischen Zustand befinden. Sie fühlen sich erleichtert und auch ihre Angstgefühle lassen nach. Bei Narzissten hingegen habe ich oftmals eine gewisse innere Ruhe vernommen, die meiner Beobachtung nach daher rühren könnte, weil sie mit einer gewissen Sorglosigkeit leben, bedingt durch ihr beeinträchtigtes Gewissen und die Überschätzung ihrer Fähigkeiten. Trotzdem sind auch sie häufig innerlich unruhig, auch wenn sie es selbst nicht wahrnehmen. Sie sind aber nicht in dem Maße gestresst, wie es Borderliner sind.

Dissoziative Symptome

Dissoziation ist ein Abwehrmechanismus, der häufig in traumatischen Situationen greift. Hierbei werden das Bewusstsein, das Gedächtnis, die Identität und die Wahrnehmung der Umwelt unterbrochen. Die Person „beamt“ sich quasi aus der belastenden Situation weg. Dies ist eine Schutzeinrichtung der Psyche, um das Überleben der Person zu sichern. Man erkennt eine dissoziierte Person daran, dass sie starr geradeaus schaut, durch einen hindurchsieht oder die Augen nach links unten gerichtet hat. Manche sitzen gekrümmt auf ihrem Stuhl, andere gestikulieren. Einige sind schwer oder gar nicht mehr ansprechbar. Wenn sie in der Vergangenheit wiederholten Traumatisierungen aus-

„Ich kann alles!“ „Ich bin sehr wichtig!“

Handelt aus egoistischen Gründen.Weiß nicht, dass er ein Problem hat.

gesetzt waren (z. B. durch wiederholte sexuelle Übergriffe), kann es sein, dass sie ganz häufig dissoziieren mussten.

Das kann zur Folge haben, dass dieser Mechanismus auch später noch im Alltag auftritt, wenn das ohnehin schon sehr hohe Erregungsniveau noch weiter ansteigt. Das kann negative bis gefährliche Auswirkungen haben, speziell wenn die Person mitten in einer Auseinandersetzung plötzlich weg ist oder wenn es im Straßenverkehr passiert.

Es ist wichtig, dass Menschen mit dissoziativen Symptomen lernen, die Dissoziation rechtzeitig zu erkennen und sich aus diesem Zustand zu befreien.

Im Rahmen der Therapie wird ihnen beigebracht, wie sie sich rechtzeitig zurück ins Hier und Jetzt holen. Zum Beispiel über Körperübungen wie eine Standwaage (alle Gleichgewichtsübungen wirken antidissoziativ) oder ganz schnelles Hochrennen der Treppen, Planks sowie Seilspringen. Da man diese Übungen nicht überall machen kann, wenn man z. B. in der Uni oder in der Bahn sitzt, gibt es viele andere Varianten wie das Beißen auf eine Chilischote, einen Stressring oder Ammoniak. Wobei Ammoniak wirklich nur im Notfall angewendet werden sollte, da es laut einer Studie bei einer zu häufigen Anwendung zu Veränderungen im Gehirn führen kann.

Betroffene haben ganz oft richtig zu kämpfen, dass sie nicht dissoziieren. Es gibt Patienten, die mit dem Zug bis in die Schweiz fuhren, weil sie abgedriftet waren und dadurch die Haltestelle verpassten. Dissoziation ist laut ICD-10 ein Diagnosekriterium für die BPS.

Bei Narzissten hingegen ist Dissoziation keines der Diagnosekriterien. Das bedeutet aber nicht, dass Narzissten nicht auch dissoziieren können. Grundsätzlich können das alle Menschen. Es ist eine Schutzeinrichtung des Körpers, um nicht von unaushaltbaren Gefühlen überwältigt zu werden. Verhalten bei Stress

Borderliner reagieren bei Stress zum einen mit Selbstverletzung und Dissoziation. Zum anderen können sie in hoch stressigen Phasen auch psychotische Symptome zeigen. Sie hören dann z. B. Stimmen.

Narzissten werden bei Stress eher noch ungemütlicher für ihre Mitmenschen und quälen ihre Zielperson vermehrt. Suizidalität

Das Suizidrisiko bei Borderlinern ist hoch. Über 60 % haben versucht, sich das Leben zu nehmen, und 5 bis 10 % machen es tatsächlich. Die höchste Suizidgefahr liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Nach außen hin ist es nicht immer deutlich, was die Suizidalität des Betroffenen ausgelöst hat. Es kann ausreichen, wenn der Borderliner seinen Partner um einen Gefallen bittet und der diesen ablehnt. Dann treten unaushaltbare Gefühle oder Erinnerungen in ihm auf, die für die betreffende Person nicht mehr ertragbar sind.

Narzissten hingegen werden erst suizidal, wenn ganz viel auf einmal für sie wegbricht: Der Ehepartner reicht die Scheidung ein, die Kinder brechen den Kontakt ab, sie verlieren ihren Job … Dann kann es auch für Narzissten sehr gefährlich werden. 

Jobwahl
Narzissten kämpfen um einen Job, der in der Gesellschaft angesehen ist und bei dem sie Macht über andere Menschen ausüben können. Weil sie keine Schwierigkeiten dabei haben, das Wohl der anderen zu ignorieren, können sie dabei über Leichen gehen. Borderliner hingegen tun sich oft schwer, an einer Sache dranzubleiben. Häufig werden Ausbildungen abgebrochen, weil sie zum einen Schwierigkeiten dabei haben, sich selbst zu strukturieren, und zum anderen ergreifen sie die Flucht, wenn es belastende zwischenmenschliche Probleme gibt.

Mitgefühl

Borderliner haben in der Regel viel Mitgefühl. Sie wollen, dass es anderen besser geht, als es ihnen selbst ergangen ist. Sie sind hilfsbereit und kümmern sich teilweise so sehr um andere Menschen, dass sie sich selbst dabei völlig vergessen. Aus diesem Grund sind sie häufig in sozialen Berufen anzutreffen.

Narzissten hingegen weisen in einer für das Mitgefühl relevanten Region des Gehirns weniger graue Substanz auf als Menschen ohne NPS. Dies ergaben Untersuchungen mit Magnetresonanztomographen in der Charité Berlin.

Echtes Interessse an anderen Menschen.Hoher LeistungsdruckViel Mitgefühl.

Gewissensbisse

Borderliner können von schlechtem Gewissen geplagt sein, wenn sie jemandem wehgetan haben, und verdammen sich dafür. Oft erkennen sie, wenn sie sich anderen gegenüber nicht korrekt verhalten haben, und entschuldigen sich dafür.

Narzissten hingegen mangelt es an Einsichtigkeit, Gewissensbissen und Reuegefühlen.

Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)
Die häufigsten Komorbiditäten der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind Depressionen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Substanzmissbrauch, die Posttraumatische Belastungsstörung (tritt bei Borderlinern häufiger auf als bei Narzissten), soziale Phobien, Panikstörungen und Essstörungen. Komorbide Persönlichkeitsstörungen sind die ängstlich-vermeidende, dependente, paranoide und die dissoziale Persönlichkeitsstörung (früher: Psychopathie).

Die häufigsten Komorbiditäten bei Narzissten sind affektive Störungen (z. B. Depressionen), Störungen durch Substanzkonsum und Magersucht. Komorbide Persönlichkeitsstörungen sind die histrionische, paranoide, Borderline- und die dissoziale Persönlichkeitsstörung.

Die Komorbiditäten der beiden Personengruppen sind ähnlich, Narzissten weisen aber eine deutlich geringere psychische Belastung dabei auf als Borderliner. Abhängigkeit von anderen Menschen
Borderliner sind sehr auf andere Menschen angewiesen. Sie können schlecht allein sein, sodass sie sich auch mit der nächstbesten Person treffen, nur, um nicht allein sein zu müssen. Sie würden auf den Erfolg verzichten, wenn dadurch Beziehungen erhalten würden.

Der Narzisst ist auch abhängig von anderen Menschen, aber er leugnet diese Abhängigkeit und spürt sie auch nicht so stark. Er trifft sich am liebsten mit Personen erster Klasse, mit denen er glänzen kann. Er würde für den Erfolg seine Beziehungen opfern. Gemeinsamkeiten

Häufig entstehen die BPS und auch die NPS aufgrund von emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit. Menschen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung haben allerdings in vielen Fällen zusätzlich wiederholten sexuellen Missbrauch erfahren.

Bedürfnis nach Kontrolle

Sowohl Borderliner als auch Narzissten haben das Bedürfnis, andere Menschen zu

kontrollieren. Die Motivationen sind aber verschieden: Borderliner versuchen, andere Menschen zu kontrollieren, um sich sicher zu fühlen. Narzissten kontrollieren andere, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

Unternehmensfreudigkeit

Viele Menschen mit BPS und NPS sind sehr unternehmensfreudig und wollen ständig etwas erleben. Einige Betroffene haben viel Energie und können sehr lebhaft sein.

Andere Menschen lesen können

Beide Typen können häufig in kürzester Zeit die Schwachstellen des anderen Menschen herausfinden.

Schwarz-Weiß-Denken

Sowohl Narzissten als auch Borderliner klassifizieren die Menschen als Schwarz oder Weiß. Grautöne dazwischen gibt es nicht. Sie können einen Menschen nicht mit seinen positiven und negativen Eigenschaften vereint betrachten. Aber auch hierbei unterscheiden sich Borderliner und Narzissten in folgender Hinsicht: Wer in den Augen eines Narzissten einmal „schwarz“ ist, wird sich in der Regel ein Leben lang vor den Wutgefühlen in Acht nehmen müssen. Ein Borderliner hingegen ist nicht so nachtragend. Auch wechselt er oft mehrmals täglich zwischen Schwarz und Weiß hin und her.

Beide brauchen sehr viel Aufmerksamkeit und können sich, auch wenn sie beachtet werden, unbeachtet fühlen. 

Wutausbrüche

Sowohl Borderliner als auch Narzissten werden zeitweise von einer intensiven und häufig nicht kontrollierbaren Wut heimgesucht. Nach dem Wutausbruch schämen sich Borderliner und entschuldigen sich, Narzissten hingegen machen ihre Zielperson für den Wutausbruch verantwortlich. Sowohl die emotional instabile Persönlichkeitsstörung als auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung können sich im Alter abschwächen.

Beziehungstests

Der Borderliner testet, wenn er herausfinden möchte, wie sicher er in dieser Beziehung ist. Dabei greift er die Schwachstellen seiner Zielperson an, für die er ein gutes Gespür hat. Er möchte testen, ob er immer noch gemocht wird, wenn er ungemütlich wird. Er will wissen, ob die andere Person in der Beziehung bleibt oder ob er verlassen wird (so, wie er es in seiner Kindheit wurde), wenn es schwierig wird. Nachdem die Zielperson den Beziehungstest bestanden und es geschafft hat, die Gefühle „zu halten“, freundlich und zugewandt zu bleiben, stehen weitere Beziehungstests an der Tagesordnung.

Solche Beziehungstests sind nicht angenehm! Im therapeutischen Kontext sind sie aber positiv zu werten. Denn es bedeutet, dass die Fachkraft das Interesse des Patienten bzw. der Patientin geweckt hat.

Narzissten wenden zum Teil auch Beziehungstests an. Im Unterschied zu Borderlinern werten sie andere Menschen einfach nur ab, um diese zu verunsichern, sich selbst zu erhöhen und um narzisstische Zufuhr zu gewinnen. Sie wollen andere Menschen verletzen, um zu erkennen, dass sie „mächtig“ genug sind, um Emotionen zu wecken. Zielpersonen von Narzissten berichten auch davon, dass sie ein Schmunzeln im Gesicht des Narzissten sehen konnten, wenn dieser ihnen emotionale Verletzungen zufügte.

Projektive Identifikation

Sowohl Narzissten als auch Borderliner projizieren ihre Gefühle auf andere Menschen. Eine projektive Identifizierung ist die Rekreation einer Projektion in einer anderen Person. Etwas, was zu mir gehört (z. B. ein Gefühl, ein Gedanke, eine Annahme), dessen ich mir aber in der Regel nicht bewusst bin, sehe ich im ersten Schritt in einer anderen Person (Projektion) und im zweiten Schritt löse ich es in ihr aus. Mein Gegenüber fängt also an, sich mit dem, was meins ist, zu identifizieren und sich dementsprechend zu verhalten. Es ist ein Abwehrmechanismus, mit dem schwer erträgliche Gefühlszustände in eine andere Person verlagert werden. Es bedienen sich vor allen Dingen zwei Bevölkerungsgruppen der projektiven Identifikation.

1. Babys. Sie projizieren ihre Gefühle in die Eltern hinein, sodass in den Eltern genau das Gefühl entsteht, das das Baby hat. Der Mechanismus ist für diese Lebensphase gedacht, in der Menschen ihre seelischen

Befindlichkeiten noch nicht anders kommunizieren können.

2. Menschen mit BPS oder NPS. Oftmals wurden sie in der Kindheit nicht ausreichend emotional versorgt und nicht adäquat gespiegelt. Sie wissen daher nicht, was in ihnen los ist. Es fällt ihnen schwer, sich selbst zu regulieren, weil niemand da war, der ihnen gezeigt hat, wie das geht. Sie müssen die Gefühle nach außen verlagern, weil sie selbst mit den Gefühlen nicht umgehen können. Durch die fehlende Selbstspiegelung haben sie viele unbewusste Aspekte in sich und verlagern diese nach außen bzw. in andere Personen. Durch diese Fähigkeit haben sie häufig ein ausgeprägtes Talent, ihre Mitmenschen und Therapeuten zu beeinflussen.

Die projektive Identifikation ist einer der Hauptgründe, die das Auskommen mit Borderlinern und Narzissten so schwer macht. Viele Menschen bemerken eine Wesensveränderung der eigenen Person oder noch viel wahrscheinlicher: Das Umfeld bemerkt eine Veränderung.

Ein Beispiel für eine projektive Identifizierung aus meinem Buch „Verlorenes Ich – Ein Essay zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung“: Mary steckt unwissend in

einer Beziehung mit einem Narzissten. Bis zu dieser Beziehung erlebte sie selten Neidgefühle. Nach wenigen Wochen erkennt sie sich selbst nicht mehr. Sie ist unzufrieden mit sich und neidisch auf viele Frauen. So neidisch, dass sie wütend auf diese Frauen wird. Ursprung der Neidgefühle war, dass ihr narzisstischer Freund sie die gesamte Beziehung über abwertete und mit anderen Frauen verglich. Dieser konnte sich so erfolgreich von seinen Unzufriedenheits-, Wut- und Neidgefühlen distanzieren, die einen großen Bestandteil des Innenlebens eines Narzissten ausmachen.

Ein Beispiel für eine Projektion im beruflichen Kontext könnte sein: Therapeut: „Ich nehme bei Ihnen Wut wahr.“ Patient: „Ich soll wütend sein? Sie sind wütend!“ Für Therapeuten kann es schwierig sein, zu unterscheiden: Was ist deins und was ist meins? Warum fühle ich mich so wütend/ unsicher/inkompetent/traurig/aggressiv in Gegenwart/nach dem Kontakt mit dieser Person? Jene Therapeuten, die mit Borderlinern oder Narzissten arbeiten, müssen innerlich gut aufgeräumt sein, um einfacher entscheiden zu können, welche Gefühle zu ihnen gehören und welche zum Gegenüber. Auch brauchen sie eine hohe Frustrationstoleranz.

Therapeuten brauchen ein echt dickes Fell, wenn sie einen Wasserfall an Abwertungen erhalten. Diese dürfen nicht persönlich genommen werden, sondern es muss als Ausdruck der Spaltung des Patienten gesehen werden. Auch müssen sie lernen, ihren Patienten Grenzen zu setzen und trotzdem zugewandt zu bleiben.

Jeder, der mit diesen Personengruppen arbeitet, braucht Unterstützung durch andere Therapeuten und Supervision. Das brauchen Therapeuten grundsätzlich, aber bei diesen Patienten eben noch mehr.

Diese Arbeit kann erlernt und mit der Zeit einfacher werden. Sie kann auch Spaß machen. Es ist wichtig, dass es gut ausgebildete Therapeuten gibt, die diese Beziehungen tragen können.

Weitere Gemeinsamkeiten sind: eine hohe Kränkbarkeit, häufiges Lügen, starke Verlustängste (bei Borderlinern stärker ausgeprägt als bei Narzissten). 

Anwendung von Gaslighting

In einer Partnerschaft erleben die Partner einen Missbrauchszyklus, dessen Hauptphasen von Idealisierung, Abwertung und vollständiges Fallen-gelassen-Werden sowie das daraufhin mit Liebesverkündungen Zurück-gezogen-Werden, damit der Kreislauf dann von Neuem beginnen kann, geprägt ist.

Zum Schluss sei noch gesagt, dass sich niemand aussucht, Narzisst oder Borderliner zu sein. Die hier beschriebenen Auffälligkeiten entwickelten Betroffene, um die schlimmen Erfahrungen in ihrer Vergangenheit irgendwie zu überstehen.

Therapie mit guter Prognose.

Elena Digiovinazzo Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mitarbeiterin einer psychosomatischen Klinik, Autorin der Bücher „Narzissmus in der Familie – Untersuchung eines Verbrechens“ und „Verlorenes Ich – Ein Essay zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung“
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.