Shiatsu als Beziehungserfahrung
Zusammenfassung der Literaturarbeit „Shiatsu aus Sicht der westlichen Psychotherapie“
Shiatsu und Körperpsychotherapie haben einiges gemeinsam, darunter die Tatsache, dass beide eine Vielzahl von Verfahren und Stilen umfassen – und deren Untersuchung ist ohne weitere Präzisierung schwierig. Zudem wird Shiatsu in der Öffentlichkeit sehr unterschiedlich wahrgenommen: als energetische Körperarbeit, als manuelle Therapie, als reine
Wellnessbehandlung, als Akupressur-anwendung.
Betrachtet man die historische Entwicklung von einer traditionellen Massage bis zur ganzheitlichen Körpertherapie, so wird diese Pluralisierung verständlich. Ähnlich verhält es sich im Fall der Körperpsychotherapie. Bereits einige Veröffentlichungen gehen der Frage nach, inwieweit Shiatsu bei seelischen Problemen helfen kann, während andere Arbeiten sich mit der Integration manueller Verfahren in die psychotherapeutische Praxis beschäftigen.
Claas Michelsen hat in seiner Literaturarbeit „Shiatsu aus Sicht der westlichen Psychotherapie“ untersucht, welche nach westlicher Lesart psychotherapeutischen Elemente sich im Shiatsu nach Shizuto Masunaga finden. Aus dieser Fragestellung ergibt sich zugleich ein Ausblick darauf, inwieweit psychotherapeutische Elemente in eine Shiatsu-Behandlung integriert werden können. Zu diesem Zweck werden in der Arbeit zunächst Berufs- und Anwendungsfelder definiert und die historische Entwicklung des Shiatsu von der traditionellen Anma-Massage bis zur ganzheitlichen Körpertherapie skizziert. Hier wird auch ein typischer Verlauf einer Shiatsu-Behandlung beschrieben, der die Basis für den weiteren Verlauf der Arbeit bildet. Es folgen Definitionen von Psychotherapie und Körperpsychotherapie. In diesem Zusammenhang wird auch auf körperliche Berührung und energetische Konzepte in der Psychotherapie eingegangen.
Im Hauptteil der Arbeit werden psychotherapeutische Elemente im Shiatsu nach Shizuto Masunaga beschrieben. Ein Exkurs zu den Risiken und Wirkfaktoren in der Körperpsychotherapie runden den Text ab. Die Arbeit baut in erster Linie auf tiefenpsychologische und psychoanalytische Fachliteratur sowie Literatur aus dem Bereich Shiatsu auf. Auch die praktische Erfahrung des Autors sowie beratender Kollegen (immer m/w/d) fließen in die Arbeit ein. Claas Michelsen kommt zu interessanten Schlussfolgerungen und Ergebnissen. Zunächst die Feststellung, dass Shiatsu für sich genommen keine Psychotherapie darstellt und die dreijährige Ausbildung zum Shiatsu-Praktiker nach den Standards der Gesellschaft für Shiatsu in Deutschland nicht zur psychotherapeutischen Arbeit qualifiziert. Gleichwohl ist psychologisches Grundwissen nicht nur Bestandteil der Ausbildung, sondern unabdingbar für die tägliche Arbeit. Und: Körperliche Berührung kann im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung legitim sein, sofern sie psychotherapeutischen Zwecken dient. Shiatsu als energetische Körperarbeit findet außerhalb der Heilkunde statt und gilt in diesem Rahmen als unbedenklich, da weder körperliche Manipulationen vorgenommen werden noch mit psychischen oder gesundheitlichen Problemen gearbeitet wird. Nichtsdestotrotz finden sich verschiedene psychotherapeutische Elemente im Shiatsu, die aus Sicht der westlichen Psychotherapie Bestandteil einer psychotherapeutischen Behandlung sein können: das therapeutische Gespräch, Achtsamkeit und gleichschwebende Aufmerksamkeit, Übertragung, Gegenübertragung und Resonanz, Körperwahrnehmung und Körperabwehr sowie Regression und Körperregression.
Im Unterkapitel über manuelle Techniken in der Psychotherapie wird zudem beschrieben, dass solche Anwendungen Ängste und Depressionen positiv beeinflussen können, wenn sie entsprechend modifiziert und in ein psychotherapeutisches Gesamtkonzept eingebettet werden. Shiatsu enthält also nicht nur psychotherapeutische Elemente, die sich auch in der westlichen Psychotherapie finden, sondern kann auch sinnvoll durch psychotherapeutische Elemente ergänzt werden.
Für Shiatsu-Praktiker mit einer entsprechenden Heilerlaubnis ergeben sich interessante Möglichkeiten integrativer Ansätze. Insbesondere körperliche Berührung kann auf diese Weise für die psychotherapeutische Arbeit fruchtbar gemacht werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der in der Literaturarbeit vorgestellte Ablauf einer Shiatsu-Behandlung, die aus dem Vorgespräch, der Shiatsu-Behandlung und dem Nachgespräch besteht. Die Inhalte des Vorgesprächs, das bereits Übungen zur Körperwahrnehmung enthalten kann, werden auf eine nonverbale Ebene überführt. Innerhalb der Shiatsu-Behandlung kann zunächst mit den sog. Meridian-Qualitäten gearbeitet werden. Sie spiegeln Grundemotionen des Menschen wie Angst, Wut, Trauer oder Freude wider und können auf körperlicher Ebene angesprochen werden. Im Sinne der Körperpsychotherapie ist die Qualität der Berührung von Bedeutung: Sie kann beruhigen, stabilisieren, emotionalen Halt geben und die Abwehr entlasten. Das Nachgespräch gibt dem Klienten die Möglichkeit, das Erlebte einzuordnen und zu integrieren. Die Arbeit hat auch gezeigt, dass Shiatsu, sofern es in einem psychotherapeutischen Setting Anwendung findet, anderen als den in der Ausbildung zum Shiatsu-Praktiker vermittelten Maßgaben unterliegen kann. Das ist kein Widerspruch in sich, sondern unterstreicht die Tatsache, dass verschiedene Anwendungsfelder in unterschiedliche Rahmenbedingungen eingebettet sind. Psychotherapie ist dynamisches Beziehungsgeschehen und eine stabile therapeutische Beziehung bildet die Grundlage für gewünschte Veränderungen.
Shiatsu kann keine in der Kindheit und frühen Jugend versäumte Zuwendung nachholen – jedoch in einem therapeutischen Gesamtkonzept angewendet – korrigierende und heilsame Beziehungserfahrungen ermöglichen.
Die Literaturarbeit (40 Seiten, A5) kann gegen eine Schutzgebühr von 7 Euro (zzgl. Porto) beim Autor bezogen werden.
Claas Michelsen Heilpraktiker für Psychotherapie, Supervision, Shiatsu-Behandlungen, Dozent an der Paracelsus Gesundheitsakademie Hamburg