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Sebstwirksamer Leben durch eigene Entscheidungen

Selbstwirksamkeit ist manchmal gar nicht so einfach. Die Welt dreht sich schnell. Wir sind vielen Anforderungen und Außenreizen ausgesetzt – manchmal verlieren wir uns darüber selbst aus den Augen.

 

In der Folge sind wir vielleicht häufig gereizt oder müde. Denn: Wenn wir dauerhaft unsere Bedürfnisse und Grenzen übergehen und mehr im Außen, also bei anderen Menschen, als bei uns selbst sind, kann sich das sowohl psychisch als auch physisch auswirken. Etwa durch Verspannungen, Verdauungsbeschwerden, Schlafprobleme usw.

Die gute Nachricht: Das muss nicht so bleiben. Nichts ist statisch im Leben. Manchmal erfordert es jedoch zunächst etwas Übung oder auch Begleitung, z.B. durch einen Therapeuten oder Entspannungs-/ Achtsamkeitscoach. Einiges können wir aber auch selbst tun. 

Selbstwirksam erlebe ich mich, wenn ich selbst Entscheidungen treffe.

Katharina Renke

Im Gespräch mit der Gestalttherapeutin, Podcasterin und angehenden Psychologin Katharina Renke sind wir dem näher nachgegangen.

„Selbstwirksam erlebe ich mich, wenn ich selbst Entscheidungen treffe“, eröffnet Katharina Renke unser Gespräch. Für sie bedeutet es, dass sie sich bei anstehenden Herausforderungen deutlich macht, über welche Fähigkeiten und Ressourcen sie verfügt. Und auch, was sie in der Vergangenheit schon alles geschafft hat. Ihre Metapher dafür ist, sich das Leben als ein Schiff vorzustellen, auf dem sie die Kapitänin ist. Das heißt, sie kann handeln und das Leben passiert ihr nicht nur. „Auch, wenn dann im Außen ein Sturm aufzieht, muss ich diesen nicht auf mich beziehen“, erklärt sie die Bedeutung dieses Bildes für sich, „meine Segel kann ich dann anders setzen bzw. aktiv handeln und schauen, was ich für mich tun kann.“ In der Gesellschaft wird Selbstwirksamkeit oft mit Selbstwert gleichgesetzt. Das ist in dem Sinne passend, wenn ich mich selbst kompetent erlebe.

INNERE ANTEILE UND GEFÜHLE ALS WEGWEISER

Gerade erst steht Katharina Renke selbst vor einer Veränderung: Eine Praxisphase in ihrem Masterstudium steht kurz bevor. „Bin ich denn gut genug dafür?“ und ähnliche Sätze gingen mir durch den Kopf, je näher das Praktikum rückte, beschreibt sie. Statt sich davon entmutigen zu lassen oder diese auf Glaubenssätzen beruhenden Gedanken verdrängen zu wollen, ging sie mit ihrem inneren Kritiker in den Dialog. Dafür nutzt sie etwa die folgende Gewahrseinsübung oder schreibt ihre Gedanken auf und setzt sich mit ihnen auseinander.

Sie ist bewusst so achtsam, was ihre Emotionen angeht, und gibt ihnen entsprechend Raum, denn: „Meine Gefühle sind ein Wegweiser für mich“. Was wiederum eine selbstwirksame Sichtweise ist, so zeigen diese uns auf, wo wir noch einmal hinspüren dürfen und vielleicht ein Thema haben. Auch mit Freunden spricht sie darüber, was sie emotional beschäftigt und herausfordert. Diese Art der Unterstützung und besonders die damit häufig verbundene Ermutigung bestärkt sie.

KLEINE ERFOLGE IM LEBEN FEIERN

Auch ihre Klienten ermutigt Katharina Renke immer wieder, das Steuer selbst in die Hand zu nehmen. Und sie bestätigt und stärkt sie darin, auch ihre kleinen Erfolge im Leben zu feiern, damit sie sich diese selbst zuschreiben. Genauso wichtig ist es ihr in ihrer Arbeit, die Frustrationstoleranz zu erhöhen, denn zum Erreichen von Zielen gehören auch Rückschläge auf dem Weg dahin. Und es geht dabei genauso darum, sich einen realistischen Blick zu bewahren. Um bei dem Bild vom Anfang zu bleiben:„Ein Schiff, durch raue See, das Beschädigungen davongetragen hat, muss nicht gleich zu einer Jacht werden. Auch muss man nicht gleich den gesamten Atlantik überqueren,“ erläutert sie ihren Ansatz. Vielmehr empfiehlt sie, etwa bei großen Lebenszielen, kleine Schritte zu machen, um langfristig frischen Selbstwert aufzubauen.

Das impliziert, dass man sich nicht zu viel aufbürdet und sich bewusst macht, dass man Unterstützung annehmen darf. Gerne lässt sie in ihren Sitzungen, wenn es passt, Geschichten von sich selbst einfließen. So etwa die für sie größere Entscheidung, ob sie mit der Psychologie noch ein zweites Vollzeit-Studium beginnen soll (sie hat bereits einen Bachelor in Kulturwissenschaft) und wie sie den dann eingeschlagenen Weg für sich gestalten wird. Solche Beispiele können auf das Gegenüber inspirierend und ermutigend wirken. Es handelt sich dabei um Lernen am Modell.

SINN IM LEBEN DURCH SELBSTWIRKSAMKEIT

In der Gestalttherapie und allgemein in den humanistischen Therapieformen ist die Selbstwirksamkeit von großer Bedeutung. Sie ist an den Existenzialismus angelehnt. Die Werte sind dort – ebenso wie in der Gestalttherapie – dass wir unserem Leben Sinn zuschreiben können. Das Leben wird als eine Aneinanderreihung von Entscheidungen gesehen.

Wir Menschen sind dabei nicht fremd-, sondern selbstbestimmt. Das heißt, wir können immer mehr lernen, zu unterscheiden, was real ist und was wir uns durch Erfahrungen über uns selbst erzählen. Auch können wir immer mehr verstehen, was für uns persönlich wichtig ist und welches unsere Bedürfnisse sind. „Wir öffnen so auch wieder den Raum dafür, unsere Gefühle auszudrücken. Eine zentrale Frage dafür ist, wie wir es schaffen, wieder mehr Zugriff zu unseren Emotionen zu bekommen und diese dann auch zu äußern. In der Therapie übt man dies etwa durch Experimente wie Rollenspiele“, weiß die Gestalttherapeutin.

Auch auf gesellschaftlicher Ebene hat die Selbstwirksamkeit positive Effekte: „Menschen sind zufriedener, wenn sie wissen bzw. überzeugt sind, dass sie etwas verändern können. Sowohl im Kleinen als auch im Großen. Dann werden sie auch mutiger und motivierter, aktiv mitzugestalten“, schließt Katharina Renke.

NOCH KURZ ETWAS THEORIE

Der kanadische Psychologe Albert Bandura (1925 bis 2023) hat ein viel zitiertes Konzept zur Selbstwirksamkeit entwickelt. Er definierte es als die Überzeugung eines Menschen, Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Entscheidend seien dafür vier Faktoren, die sowohl negativ als auch positiv erlebt werden bzw. sich auswirken können:
Die Verarbeitung von Erfahrungen: Während positive Erfahrungen (etwa eine erfolgreich bestandene Prüfung oder Lob am Arbeitsplatz) das Gefühl

der Selbstwirksamkeit bestärken, können negative Erfahrungen (z.B. durch eine Prüfung fallen, kritisiert oder gekündigt werden) es vermindern.
Das Nachahmen erfolgreicher Modelle: Personen, die wir im positiven Sinne als erfolgreich wahrnehmen, können uns zum Vorbild werden. Wir ahmen dann bestimmte Eigenschaften nach und können dadurch unsere Selbstwirksamkeitserwartung steigern.
Die Ermutigung durch andere Menschen: Wenn andere uns ermutigen und dadurch ihren Glauben an unsere Fähigkeiten zum Ausdruck bringen, kann uns das bestärken. Und wir können uns sogar auch selbst bestärken – etwa indem wir uns unsere Erfolge vor Augen halten und positive Glaubenssätze sowie Affirmationen formulieren.
Physiologische Einflüsse: Körperliche Empfindungen können den Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Das heißt, wenn ich z.B. vor einer Präsentation sehr aufgeregt bin und mein Körper daher vermehrt Adrenalin und andere Stresshormone ausschüttet, kann ich es als Versagensangst (verminderte Selbstwirksamkeit) als auch Motivation/Begeisterung (gesteigerte Selbstwirksamkeit) wahrnehmen.

Demzufolge gibt es Personen, die aufgrund negativer vergangener Erfahrungen eine niedrige Selbstwirksamkeitsüberzeugung haben, und solche, die durch positive Erfahrungen von ihrem Erfolg überzeugt sind. Wichtig ist: Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung kann positiv gestärkt werden – etwa durch die im Artikel beschriebenen Wege.

ÜBUNG: DEN ZUGANG ZU SICH SELBST VERBESSERN

Eine kleine effektive Übung in puncto Selbstwirksamkeit ist, sich morgens nach dem Aufwachen oder in der Mittagspause bzw. abends bewusst einige Minuten Zeit zu nehmen, um in sich hineinzuspüren. Was für Körperempfindungen sind da? Was für Gefühle oder Gedanken? Vielleicht zeigen sich auch Bilder. Diese gilt es nicht zu bewerten, sondern erst mal nur wahrzunehmen und da sein zu lassen. Oft wollen wir gerade unangenehme Gefühle und Empfindungen schnell wieder loswerden. Das würde aber – im Gegenteil – häufig sogar zu noch mehr innerem Druck oder Unruhe führen.

Stattdessen kann man sich selbst die Frage stellen, was einem in dem Moment oder an dem Tag gerade guttun würde. Gar nicht lang drüber nachdenken – meist ist das Erste, was uns dabei intuitiv in den Sinn kommt, auch das Passende. Vielleicht eine Tasse Tee trinken, ein Buch lesen oder einen schönen Film schauen.

Regelmäßig angewendet (bitte ohne Druck) kann diese kleine Wahrnehmungsübung dabei unterstützen, dass wir uns selbst wieder besser im Blick haben, auf unsere Bedürfnisse und Grenzen achten und so auch selbstwirksamer leben können.

Ein weiterer positiver Effekt: Durch einen besseren Zugang zu uns – und dadurch zu einem selbstwirksameren Leben – verbessern sich oft auch unsere Beziehungen im Außen.

Katharina Renke Gestalttherapeutin, Beraterin, Podcasterin
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im Gespräch mit

Vanessa Kämper (M.A.) Heilpraktikerin für Psychotherapie, Redakteurin „Gefühlssprechstunde“, Praxis für Persönlichkeitsentwicklung

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