Mein Weg zu mehr Selbstliebe, Teil 2
Schon wieder eine Falte quer im Gesicht! Und diese Schlupflider ... die werde ich nie los! Das Kleid geht gar nicht bei dem Schwabbelbauch! Außerdem habe ich dicke Beine, ständig Hunger, Bad Hair Day, Cellulite. Brüchige Nägel und ebensolche Beziehungen machen mich total depri. Was bleibt von mir übrig, wenn ich nicht die ganze Zeit darüber nachdenke, was alles falsch an mir ist?
Viele Frauen führen eine selbstschädigende Beziehung mit sich selbst. Sie sind mit sich selbst überkreuz. Ständig unterschätzen sie sich, trauen sich selbst wenig zu, quälen sich mit nagenden Selbstzweifeln. Um den eigenen Beziehungsstatus im FacebookJargon auszudrücken: „Es ist kompliziert“. Mit der weiblichen Selbstliebe verhält es sich äußerst kurios. Vorsichtshalber beginnen Frauen erst dann damit, wenn wirklich alles an ihnen stimmt ... also nie.
Warum mangelnde Selbstliebe großes Leid anzieht
Die Kernfrage in der therapeutischen Arbeit mit Frauen lautet: Liebt sich die Klientin so, wie sie ist, mit ihrem Körper, ihrer Persönlichkeit, ihren Talenten und Eigenarten – oder nicht? Je weniger Liebenswertes sie an sich findet, desto dringender ist das Thema Selbstliebe für sie. Mangelnde Selbstliebe bzw. ein mangelndes Selbstwertgefühl ist Ursache für viel Leid.
Aus psychologischer Sicht ist mangelnde Selbstliebe das Epizentrum aller psychisch bedingten Probleme. Das hindert viele Frauen daran, ihrem Herzen zu folgen und ihre weibliche Strahlkraft zu entfalten. Sie führen ein trübes Dasein voller Selbstzweifel und Begrenzungen.
Die Basis für unser Lebensglück ist eine liebevolle Beziehung zu uns selbst. Sobald wir uns annehmen, wie wir sind, können wir die Geschenke des Lebens erkennen, empfangen und wertschätzen. Nur wer sich selbst liebt, den liebt das Leben. Die gute Nachricht lautet: Selbstliebe, also ein gutes Gefühl für seinen Selbstwert, kann man lernen.
In der Therapie motiviere ich meine Klientinnen dazu, sich gedanklich einen Schritt auf die Selbstliebe zuzubewegen, indem ich sie frage, was sich dadurch alles in ihrem Leben verändern würden.
- Was würden Sie sich endlich trauen (zu tun)?
- Welchen Lebenstraum würden Sie sich verwirklichen?
- Was könnten Sie endlich loslassen?
- Wie geborgen würden Sie sich in Ihrem Frauenkörper fühlen?
Selbstliebe erlernen Frauen meist erst auf dem „zweiten Bildungsweg“. In ihrem „ersten“ Dasein folgen sie dem verinnerlichten Glaubenssatz, alles „perfekt“ machen zu müssen. Das Perfektionsstreben gleicht einem Hamsterrad, es dreht sich bis zur Erschöpfung. Das ist eine riesige Lebensqualitätsbremse! Denn Menschen, die immer alles perfekt machen wollen, orientieren sich an der applaudierenden Außenwelt, um Anerkennung zu erhalten.
Ein typischer Frauenmechanismus ist, dass Frauen – im Bestreben, andere von sich überzeugen zu wollen – sich selbst vergessen. Damit missachten sie ihre eigenen Bedürfnisse ... bis zu dem Fälligkeitsdatum, an dem sich einiges an Unzufriedenheit angesammelt hat, um sich eine handfeste Depression zu züchten. Im Bewusstsein der Begrenztheit ihres Lebens sind sie dann endlich dazu bereit, ihr Leben umzukrempeln.
Was steckt hinter dieser chronisch mangelnden Selbstliebe?
Hintergrund für mangelnde Selbstliebe sind neben unseren Genen unsere frühen Kindheitsprägungen. Welche Meinungen wir über uns selbst entwickeln, entstehen aus dem Zusammenspiel mit unserer Umwelt, allem voran mit unseren Eltern. Wie sie uns spiegeln, ob wir in ihren Augen Wertschätzung sehen oder Ablehnung, beziehen wir alles ungefiltert auf uns. Das prägt unser Selbstbild.
Sich bedingungslos zu lieben, wurde vielen Frauen von ihren ersten Bezugspersonen, meist Mutter und Vater, nicht beigebracht, weil jene selbst unterversorgt waren. Im Mittelpunkt der Erziehung standen andere Werte. Um dem gesellschaftlichen Leitbild eines „süßen Mädels“ und späterer „Traumfrau“ gerecht zu werden, haben sie vermittelt bekommen, was sie tun und was sie lassen sollen; welches Verhalten punktet und mit welchem sie Missfallen erregen: Sei nicht so nervig! Sei nicht so neugierig! Sei nicht so vorlaut! (Mir persönlich sehr vertraut!) Sei nicht so verfressen! Sei nicht so gefühlig! Sei nicht so dies ... sei nicht so das! Ihr Umfeld fütterte die Damen mit fraglichen Leitmotiven ... und sie richteten sich daran aus. Also aufgepasst: kontrollieren, zurücknehmen, zusammenreißen, Mund halten, Bedürfnisse unterdrücken, Herz verschließen.
Die daraus resultierenden Glaubenssätze wie „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich bin nicht erwünscht“, „Ich kann das nicht schaffen“ wurden unbewusst zu ihren Leitsätzen und Ursache dafür, dass sie immer wieder Enttäuschungen erleben. Viele Frauen sabotieren sich, verlangen sich Unmögliches ab, verbiegen sich, sagen „Ja“, obwohl sie „Nein“ meinen.
Damit geraten sie in eine seelische Obdachlosigkeit und schaffen den Nährboden für Mangel, Leid, Schmerz und Enttäuschung. Sie haben von Kindesbeinen an gelernt, dass ihr Glück in der Anerkennung durch andere liegt. Um geliebt zu werden, passen sie sich an, gehen in die Leistungsschiene, setzen auf Aussehen, Pflegeleichtigkeit, Einkommen, Erfolg und Titel.
Das Rollenbild der ehrgeizigen, weltgewandten, vorzeigbaren und vollzeitbeschäftigten Frau, die mehrere Leben parallel stemmt, wurde zu ihrer Blaupause für ein erfolgreiches Leben. Sie haben aber nicht gelernt, sich in ihrer Individualität wertzuschätzen und auf ihr Herz zu hören. Aber: Sie können diese Geschichte heute umschreiben.
Verdammt, ich lieb mich! Endlich Ichwärts!
Angestachelt vom Wunsch, ihr Dasein nicht im luftleeren Raum zu verbringen, sind Frauen bereit für Experimente. Von außen kaum wahrnehmbar, kommt es zunächst zu leisen Veränderungen im Alltag.
Sie lösen sich von inneren Begrenzungen und richten den Blick nach innen, gönnen sich eine Auszeit, lesen Bücher oder hören CDs und Podcasts, die von Neuanfängen, Um- und Aufbrüchen berichten. Sie bringen Schwung in ihr Dasein, indem sie etwas nur für sich tun: meditieren, neue Lebenskonzepte ausprobieren, Seminare, Workshops und Netzwerke besuchen, sich therapieren oder coachen lassen.
Selbstliebe beginnt mit einer Entscheidung. Die Frauen entscheiden sich dazu, sich nicht mehr vorbehaltslos mit den Glaubenssätzen ihrer Eltern zu identifizieren. Das ist die Grundlage jeder Veränderung. Einen Schritt aus sich herauszutreten und zu überlegen: Was haben mir meine Eltern vermittelt, welche Botschaften davon waren förderlich und welche schädlich für mich?
Ihr Herz für das zu öffnen, was sie bisher nicht ausgelebt oder sogar an sich abgelehnt haben. Das sind in erster Linie die unangenehmen Gefühle. Ihre Wut, Angst, Scham, die unerbittliche Härte sich selbst gegenüber. In meiner therapeutischen Praxis lade ich meine Klientinnen dazu ein, sich mit ihren frühen Prägungen auseinanderzusetzen und abgespaltene, ungeliebte Gefühle mit Liebe, Mitgefühl und offenem Herzen wahrzunehmen. Gefühle wollen gefühlt werden.
Auf in die seelische Mittagsrevolution!
Viele Frauen in der Middle-Age-Phase kommen mit dem Wunsch in die therapeutische Praxis, weniger angepasst, sondern mehr „von innen nach außen“ zu leben. Wie ist dieser Wunsch zu erklären?
In ihrer Lebensmitte angekommen, schauen (wir) Frauen in zwei Richtungen: Wie ist das Leben bisher gelaufen? Und: Wie wird es weitergehen?
Zu Beginn der gemeinsamen therapeutischen Reise bitte ich meine Klientinnen oft, auf ein Blatt Papier eine waagerechte lange Linie zu zeichnen. Der Anfang steht für die Geburt, das Ende für den Tod. Dann inspiriere ich sie dazu/gebe ich ihnen den Impuls, auf dieser Linie den Punkt zu markieren, an dem sie sich jetzt gerade befinden – in der Mitte, mehr links oder mehr rechts. Jetzt lasse ich sie in aller Ruhe erspüren, wie es ihnen dabei geht: Welche Gefühle kommen an die Oberfläche? Welche Gedanken haben sie? Welche Körpersignale nehmen sie wahr?
Diese Übung führt unseren Klientinnen die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Nachdenklichkeit schleicht sich ein, verbunden mit Fragen:
- Was will ich erlebt haben, bevor mein Leben zu Ende geht?
- Wo komme ich selbst als Hauptfigur in meinem Leben vor?
- Welche Fußspuren möchte ich dieser Welt hinterlassen?
Der Psychoanalytiker C. G. Jung nennt diesen wichtigen Lebensmoment „Seelische Mittagsrevolution“. Diese beschreibt den Zeit- und Wendepunkt, wenn der Mensch realisiert, dass die Sonne kaum auf Mittagshöhe angelangt, wieder zu sinken beginnt.
Jung teilt unser Leben in zwei Hälften. Während es in der ersten um den „äußeren Menschen“ geht, steht in der zweiten Hälfte der „innere Mensch“ im Mittelpunkt. Die früheren Jahre dienen dem Aufbau unseres Lebens in der äußeren Welt. Dazu zählen Berufs- und Beziehungsfindung sowie Familiengründung. Kurzum: Der Mensch erfüllt sein demografisches Soll.
In ihrer Lebensmitte angekommen, beginnen Frauen ganz bewusst damit, sich neu mit sich selbst auseinanderzusetzen. Sie wenden sich ihrem Innenleben zu. Das Ergebnis ihrer Selbstbeschau: Sie vermissen Wesenszüge, die sie bislang nicht gelebt haben. Jung nennt sie die „Schattenseiten“. Im therapeutischen Rahmen begleiten wir unsere Klientinnen dabei, diese unbewussten Anteile zu entdecken und zu verstehen, sodass sie diese in ihre Persönlichkeit integrieren können.
Es geht in der therapeutischen Arbeit also darum, die Klientinnen darin zu bestärken, Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte aufzuspüren, die bislang keinen Platz in ihrem Leben hatten. Diese Vervollständigung unserer Persönlichkeit in der zweiten Lebenshälfte ist, laut Jung, die Quelle für neue Lebenskraft.
Die „Mittagsrevolution“ zeigt sich auch auf biologischer Ebene. Die Hormone Progesteron und Östrogen verabschieden sich peu à peu. Das führt dazu, dass Frauen keine Lust mehr verspüren, es allen recht zu machen. Beflügelt von einer Extraportion Testosteron gewinnen Frauen mehr Antriebskraft und einen klaren Kopf. Auch auf körperlicher Ebene sind alle Voraussetzungen gegeben, um neu durchzustarten.
Das ist eine bedeutende Phase, in der sich Frauen oftmals neu definieren. Frauen werden in ihren 40-ern nicht „unsichtbar“, im Gegenteil: Sie sind stärker, kraftvoller und stabiler als je zuvor! Sie wollen herausfinden, wer sie sind, welche unentdeckten Ressourcen noch in ihnen stecken und was sie wollen. Endlich ist die Zeit gekommen, ihr Ding zu machen: eine neue Berufsausbildung, eine Blogger-Karriere, ein YogaRetreat, ein eigenes Unternehmen gründen, ein Geschäft eröffnen, eine Weltreise, eine Typveränderung, eine Ernährungsumstellung, eine Grenzerfahrung, eine Persönlichkeitsentwicklung.
Dieses Phasenmodell verdeutlicht, dass bestimmte Themen in der Lebensmitte einfach dran sind. Zu einer bedrohlichen Krise werden sie erst dann, wenn der Entwicklungsschritt als solcher ignoriert oder verweigert wird. Wenn wir Frauen das akzeptieren, hilft es uns, die Umbrüche und Fragen, mit denen wir konfrontiert sind, weniger dramatisch zu sehen, sondern als Herausforderung, an der wir wachsen. Eine Ermutigung zum Aufbruch! Ein Seelen-Workout, um unsere Persönlichkeit zu vervollständigen.
Was konkret in der psychotherapeutischen Praxis zur Entfaltung von Selbstakzeptanz, Selbstwertgefühl und Selbstliebe ansteht und welche psychotherapeutischen Ansätze und Methoden nutzbar sind, ist detailliert in den Artikeln „Ich Idiot, Versager, Vollpfosten! Was bin ich mir selbst eigentlich wert?“ (Freie Psychotherapie 03.19) sowie „Achtsamkeit, Selbstmitgefühl, Trance: Wie wir (neue) therapeutische Ansätze in der Praxis nutzen können“ (Freie Psychotherapie 04.19) beschrieben.
12 Bausteine für ein Selbstliebe-Fundament
Selbstliebe ist unser inneres Fundament. Damit es einen festen Stand hat, benötigt es einige „Bausteine“. Die wichtigsten sind:
1. Selbstblockierende Glaubenssätze loslassen!
Erst dann, wenn wir uns von limitierenden Glaubenssätzen lösen, gewinnen wir neue Denk- und Handlungsspielräume sowie die Freiheit, das zu tun, was wir wollen. So wusste schon Henry Ford: „Ob du glaubst, du kannst es, oder ob du glaubst, du kannst es nicht – du hast immer Recht. Daher empfehle ich dir dringend, an dich zu glauben!“ Sich mit seinen frühen Prägungen auseinandersetzen. Einen Schritt aus sich heraustreten und überlegen: Was haben mir meine Eltern vermittelt, welche Botschaften davon waren schädlich für mich?
Typische Glaubenssätze, die zu Lebensbremsen werden, sind: „Ich kann tun, was ich will – ich schaffe es eh nicht!“ „So, wie ich bin, bin ich nicht liebenswert.“ „Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich etwas leiste.“
Um limitierende Denkmuster in bejahende Glaubenssätze zu transformieren, ist es erforderlich, diese positiv zu formulieren! Beispiele: „Ich kann alles erreichen, was ich will.“ „Ich bin liebenswert, egal, was ich tue.“ „So, wie ich bin, bin ich genau richtig.“
2. Sein inneres Kind reanimieren!
Unsere Kindheit verrät viel über den ursprünglich heilen Kern unserer Persönlichkeit. Als Mädchen haben wir uns noch geliebt und in unserer Einzigartigkeit bewundert. Wir waren eins mit uns selbst.
Zielführende therapeutische Fragen, die zum inneren Kind führen, sind:
Wobei haben Sie als Kind die Zeit vergessen? Was haben Sie damals gerne getan? Wovon haben Sie geträumt? Was hat Sie als Kind begeistert und wer hat Sie dabei besonders inspiriert?
3. Auf sein Herz hören!
Sein Herz und seinen Geist für eine liebevolle Beziehung zu sich selbst, seinem Frausein, seinem Körper, seinen Gedanken und Gefühlen, nicht zuletzt zu seinem inneren Kind öffnen. Unser Herz sagt uns, wo und wie wir Freude finden. Es ist eine Stimme, die aus unserem Inneren kommt. Sie erzählt von unseren Träumen, Potenzialen, der Liebe und dem Leben, das für uns bestimmt ist. Jeder Mensch kann sein Herz wieder zum Klingen bringen. Sich immer wieder fragen: Wo und wann bin ich in meinem Element?
4. Belastendes nicht länger festhalten!
Ob engstirnige Ansichten, gekränkter Stolz, überfüllte Schränke, selbstschädigende Gewohnheiten oder Menschen, die einen runterziehen.
Wenn man all das loslässt, gewinnt man den Raum, um seinen Horizont zu erweitern und zu wachsen. Wie Loslassen geht? Positive Gefühle in sich aufnehmen, um sich zu trösten und die schmerzhaften zu ersetzen. Einen Leichtigkeitsbrief schreiben, um den eigenen Kummer loszuwerden. Dinge weggeben, die man nicht mehr braucht. Auf Gedankenspiele verzichten, wie „Was wäre gewesen, wenn …“ Der buddhistische Lehrer Ajahn Chah sagte einmal: „Wenn du ein bisschen loslässt, erfährst du ein bisschen Frieden. Wenn du weiter loslässt, erfährst du mehr Frieden. Wenn du vollkommen loslässt, erfährst du vollkommenen Frieden.“
5. Seinen Körper wie eine kostbare Schatztruhe behandeln!
Unser Körper ist ein Wunderwerk, das wertvollste Geschenk, das wir besitzen. Er tut alles, um gesund zu bleiben. Doch dazu braucht er uns, unsere proaktive Entscheidung für ihn, für unser Frausein und unsere Weiblichkeit. In der Therapie stellen sich folgende Fragen: Lieben Sie Ihr Frausein? Zelebrieren Sie Ihre Weiblichkeit und Ihren femininen Körper? Viele meiner Klientinnen antworten darauf kleinmütig: „Ehrlich gesagt, nein.“
Laut neuesten Umfragewerten sind 90 % aller Frauen in Deutschland mit ihrem Körper unzufrieden. Das ist schlimm. Ebenso, wie wir unseren Körper brauchen, braucht auch unser Körper unsere Zuwendung. „Ja“ zu seinem Frausein sagen. No Body Shaming! Die neue Parole lautet: Body Positivity! Sich und seinen weiblichen Körper umarmen! Sich regelmäßig fragen: In welchen Situationen kümmere ich mich gut um meinen Körper? Wie fühle ich mich danach?
6. Den Atem zu seinem Freund machen!
Der Atem ist das verlässlichste Tor in unsere Innenwelt, die Verbindung von Körper und Seele. Wer Stress oder Angst hat, atmet flach in den Brustbereich hinein. Herzschlag und Nervosität steigen. Wenn wir tief Luft holen, beruhigen sich Herz und Kopf. Willkommen in der Gegenwart! Deshalb immer wieder tief durch die Nase ein- und ausatmen und sich dabei bewusst machen, was in Körper und Geist vor sich geht. In den Moment eintauchen. Spüren, wie sich die Atmung vertieft und leicht wird. Mit jeder Einatmung Sauerstoff und neue Lebensenergie aufnehmen und mit jeder Ausatmung bewusst alle Anspannungen aus dem Körper fließen lassen.
7. Sich genügend Zeit für sich selbst nehmen!
Sich mit sich selbst verabreden, um Dinge zu tun, die einem Spaß machen. Dinge, die wir mit Leidenschaft betreiben, sind unsere seelischen Standbeine. Tennis spielen, tanzen, mit dem Fahrrad um den See entlangfahren ... sich regelmäßig fragen: Nehme ich mir genügend Zeit für mich? Bin ich freundlich zu mir? Das besonders in den Situationen checken, in denen es einem nicht so gut geht. Denn solche Momente sind die Sternstunden der Selbstliebe.
8. Grenzen setzen und „Nein“ sagen!
Eine Eigenschaft, die uns Frauen vereint, ist unsere dramatische Unfähigkeit zur Abgrenzung. Dinge nicht bloß deshalb tun, weil sie von uns erwartet werden, und damit beginnen, die Dinge zu tun, die nicht länger auf sich warten lassen. Sich in rhetorischen Minimalaussagen üben, also „Nein“ zu sagen. Das „Nein“ zu seinem Selbsterfahrungsexperiment machen. Der fantastische Nebeneffekt: Man wird respektvoller behandelt, wenn man auf liebevolle Art Grenzen setzt. Jedes gut platzierte „Nein“ ist ein „Ja“ zu sich selbst!
9. Eine „Kraftliste“ für kritische Zeiten erstellen!
Wir Frauen sind wahre Heldinnen des Listen-Schreibens. Nur die persönliche Überlebensliste haben wir nicht im Sortiment. Deshalb zehn Lebenskraftspender verfassen, die einen „in die Mitte“ bringen. Das kann eine Atem- oder Achtsamkeitsübung sein, ein Waldspaziergang, ein Gespräch mit einer vertrauten Person, eine Yogaeinheit, ein Lieblingsbuch, das Leibgericht aus der Kindheit, eine Massage oder ein Saunabesuch. Und noch vieles mehr. Es geht darum, sich selbst Heimat und Familie zu sein, für sich selbst gut zu sorgen. Selbstcoaching- Übung: Beispiele aufschreiben, wie man gut für sich selbst Sorge tragen kann. Aktivitä- ten notieren, die einem Spaß machen.
10. Das Gehirn mit „Clean Food“ füttern!
Seinen Geist immer wieder herausfordern. Deshalb gilt: Bewusst in schönen Erlebnissen verweilen. Sich geistige Nahrung gönnen. Das Lächeln eines lieben Menschen, ein Kompliment, der zwitschernde Vogel auf dem Baum, der gesellige Grillabend mit Freunden, die schmusende Katze auf dem Schoß. Die Zaubermomente des Lebens auf sich wirken lassen und sie verinnerlichen. Seinen Geist jeden Tag dehnen. Zielführende therapeutische Fragen sind:
Welche liebenswerten Gedanken über sich haben Sie aus Bescheidenheit oder Scham zurückgepfiffen?
Wann haben Sie das letzte Mal einen prickelnden Gedanken und Ihren Verstand nach den Sternen greifen lassen?
11. „Ja“ zu sich sagen!
Diese Botschaft ist verblüffend einfach. Denn es gibt keine andere Option. Sich selbst mit seiner ganzen Geschichte, seinen Blessuren, seinem Körper, seinem Charakter anerkennen. Den Fokus auf das lenken, was gelingt. Dadurch werden eigene Stärken und Ressourcen wahrgenommen. Das wiederum stärkt die Erfahrung der Selbstwirksamkeit und kultiviert ein positives Selbstbild.
Selbstcoaching-Übungen: Jeden Morgen bewusst in den Spiegel schauen und „Ja“ zu sich sagen. Sich selbst das „Ja“ geben, was man sich von anderen wünscht: Ja, ich lebe. Ja, ich bin auf dieser Welt willkommen. Ja, ich bin okay so, wie ich bin. Ja, ich erkenne mich an sowohl mit meinen Stärken als auch mit meinen Schwächen. Yes, I can!
Sich jeden Abend schriftlich für alles loben, was einem am Tag gut gelungen ist. Zehn kleine und große Tageserfolge. Sich auf Selbstwertschätzung programmieren anstatt auf Selbstablehnung.
12. Eigene Wünsche und Sehnsüchte aufsteigen lassen!
Herausfinden, was alles im Leben möglich ist. Wenn wir Wünsche unterdrücken, parken wir geistige Energie in einer Sackgasse und beschränken uns.
Übung in der therapeutischen Praxis
Wenn eine Fee Ihnen alle Wünsche erfüllen könnte, wie würde Ihr Leben ab sofort aussehen? Alle Wünsche werden unzensiert notiert. In einem weiteren Schritt wird festgehalten, was die Klientin bis wann konkret für die Realisierung ihres jeweiligen Wunsches tun wird. Wie fühlt es sich für die Klientin an, wenn sie all ihre Wünsche in ihrem Bewusstsein ankommen lässt und willkommen heißt?
Ganz Frau sein: Outro und Ausblick
Die Entdeckungsreise in das Frausein geht in der nächsten „Freien Psychotherapie“ weiter. Dann geht es um die konkrete Neuentdeckung des Lebens, um die Selbstverwirklichung! Schritt für Schritt wird gezeigt, wie sich die zur Veränderung bereiten Frauen ihrem Wunschleben annähern. Wie sie ihre Herzensprojekte finden und umsetzen können. Wie sie sich peu à peu voller weiblicher Schöpferkraft ihrem Wunschleben annähern.
Conny Thaler:
Ganz Frau sein.
Aufbruch in mein neues Leben.
Hörbuch,
Verlag healthstyle
Conny Thaler
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Psychologin (M. A.), Kommunikationswissenschaftlerin, Yogatherapeutin, Buchautorin
Fotos: ©Nelos ©Khosrork ©Kurhan