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Was wirklich zählt im Leben

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„Folgt eurem Herzen und eurer Intuition.
Sie wissen bereits, was ihr wirklich [...] wollt.“
Steve Jobs

Als ich begann, diesen Artikel zu schreiben, ließ ich mein Herz und meine Intuition sprechen. So kamen mir unvermittelt zwei Bilder in den Kopf:

Ich sah, wie Kinder an einem Strand in Brasilien herumtollten, wie wundervoll ausgelassen und sorglos sie im Meerwasser planschten, den Ball hin und her kickten, und ich lauschte bezaubert ihrem vergnügten Kichern.

Wenig später verschwand dieses Bild reinen Glücks und ich wähnte mich zurück am Sterbebett meines besten Freundes. Es war, als würde ich noch einmal sein Zimmer betreten, noch einmal seinen ausgemergelten Körper und seinen leidenden Blick wahrnehmen, der mich in eine Art Schockzustand versetzte. Ich konnte und wollte nicht akzeptieren, dass er mich für immer verlassen würde. Nein, es durfte nicht wahr sein! Ich hörte mich fluchen: „Mein Gott, das kannst du doch nicht zulassen!“ Dabei handelte es sich um den verzweifelten Versuch, das Unabwendbare doch noch in letzter Sekunde abzubiegen und dem Schicksal zu trotzen.

Es war, als ob ich all die Sprach- und Hilflosigkeit von damals noch einmal durchlebte. Nie werde ich diesen Augenblick vergessen und es gibt wohl selten einen Tag, an dem ich nicht an meinen besten Freund denke. Sein Tod stellte mich vor viele Fragen des Lebens, denen ich bislang – so gut ich eben konnte – ausgewichen war. Denn wer setzt sich schon freiwillig mit der eigenen Endlichkeit und dem eigenen Tod auseinander? Doch je tiefer ich schürfte und je intensiver ich nachfragte, umso mehr wurde mir bewusst, dass es gut ist, dass unser Leben endlich ist. Denn wäre es tatsächlich unendlich, würden wir schnell die Freude daran verlieren. Gäbe es „Gevatter Tod“ nicht, müssten wir ihn wohl erfinden, um unserem unendlichen Dasein ein Ende zu setzen. Auch wenn Sie jetzt vielleicht heftig widersprechen, lohnt es sich, doch einmal länger darüber nachzudenken.

Ist es nicht die Grenze, die der Tod unserem Leben setzt, der wir die Freude am Leben verdanken? Vielleicht ist es so wie mit einem guten Urlaub, den wir an einem herrlichen Sandstrand in der Karibik verbringen: Wir freuen uns darauf, genießen die schönen Tage und sind dann doch froh, wenn er zu Ende ist und wir nach Hause zurückkehren können. Aber vielleicht ist genau das das Schwierigste: Freude am Leben zu haben. Wie oft ärgern wir uns über dieses oder jenes, darüber, dass wir mal wieder an der falschen Schlange vor der Supermarktkasse stehen oder darüber, dass uns der Nachbar zugeparkt hat. Wir regen uns auf, dass es im Urlaub mal wieder regnet, sind entrüstet, weil der Bankautomat defekt ist, haben es satt, dass unser Kollege schlecht gelaunt ist und der Chef unsere Arbeit nicht würdigt, sind zerknirscht, weil wir mit dem falschen Fuß aufgestanden sind und nichts, aber auch gar nichts an diesem Tag funktioniert – und vieles, vieles mehr.

Was schätzen Sie, wieviel Zeit Sie damit verbringen, sich über irgendetwas zu ärgern? Vermutlich viel zu viel. Und dabei sind es wertvolle Stunden und Minuten, die von Ihrer Lebenszeit abgehen. Es ist Zeit, die Ihnen fehlt, und in der Sie Dinge tun könnten, die Sie schon immer gerne tun wollten, sich aber wieder und wieder sagen: „Ja, das mache ich später. Ich habe ja noch so viel Zeit.“ Doch das Leben passiert im Hier und Jetzt, nicht im Später oder Irgendwann. Denn wieviel Zeit uns bleibt, weiß niemand. Also bleibt uns nur, so zu leben, als sei jeder Tag unser letzter, und die Erkenntnis, dass selbst nach noch so düsteren Stunden wieder Tage voller Licht und Zuversicht kommen.

Durch das tiefe Tal der Tränen, das ich nach dem Tod meines Freundes durchschritt, verstand ich auch, dass in unserem Leben Abschied und Schmerz, Leid, Freude und Glück oft so dicht beieinander liegen, dass uns dazwischen meist nur ein paar Atemzüge bleiben. Und wenngleich wir wissen, dass das Leben noch viele Gipfelstürme und rasante Talfahrten für uns bereithält, wünschen wir uns nichts sehnlicher, als das Glück des Augenblicks für immer zu bewahren. Leider gleicht dieser Wunsch dem Vorhaben, einen wunderschönen seltenen Schmetterling für immer festzuhalten. Versuchen wir es mit aller Gewalt, so rauben wir ihm nicht nur seine Freiheit, sondern laufen Gefahr, ihn zu verletzen oder gar zu erdrücken.

Doch was bleibt, wenn wir unser Glück nicht für immer einfangen und festhalten können und wenn wir weder den Tod eines geliebten Menschen noch unseren eigenen verhindern können? Was zählt dann überhaupt im Leben? Machen wir uns nicht viel zu selten Gedanken darüber? Für alles nehmen wir uns Zeit: Wir überlegen, was wir frühstücken wollen, denken darüber nach, was wir anziehen werden, zerbrechen uns den Kopf darüber, was wir im Büro zu erledigen haben oder mit wem wir am Abend ausgehen werden. Doch für die wirklich wichtigen Fragen im Leben, nämlich sich klarzumachen, worauf es tatsächlich ankommt und was wirklich zählt im Leben, bleibt oft keine Zeit.

Umso überraschter war ich, als ich vor einigen Tagen eine Umfrage auf Facebook zu diesem Thema startete und von der Resonanz regelrecht überwältigt wurde: Die meisten Facebook-NutzerInnen antworteten auf die Frage „Was zählt wirklich im Leben?“: Gesundheit, Liebe (jemanden lieben und geliebt werden), Freunde, Glück und Zufriedenheit, Familie, Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Kinder, Tiere und Natur, Glaube, Hoffnung, Achtsamkeit, Frieden und Vertrauen.

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Soweit, so gut - so wenig überraschend. Und doch gab es etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte, nämlich, dass „Menschlichkeit und Barmherzigkeit“ – kurz: Mitmenschlichkeit – unter den Top Ten landeten. Denkt man jedoch einmal länger darüber nach, ist es gar nicht so außergewöhnlich, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Denn fragt man sich einmal, was nach den Momenten des Glücks, nach der Freude, der Trauer und nach dem Schmerz kommt, ist es vor allem eines, das uns unser Leben lang begleitet, unser Leben lebenswert macht, ganz gleich, was auch geschieht: die Hoffnung.

Doch Hoffnung allein wäre nichts, wäre da nicht noch etwas, das, ganz gleich welcher Schicksalsschlag uns auch ereilen mag, bleibt – es ist das, was uns menschlich macht: Unsere Liebe, unsere Empathie, unsere Fähigkeit mitzufühlen – kurz unsere Mitmenschlichkeit. Sie hilft uns, Schicksalsschläge zu überwinden, nach vorn zu blicken, sie schickt uns Hilfe, wenn wir sie am nötigsten brauchen, sie gibt uns das Gefühl, geliebt und wertgeschätzt zu werden, als das, was wir sind: als Mensch.

Und weil gelebte Mitmenschlichkeit leider so rar geworden ist und gleichermaßen so wertvoll, ja, existenziell für uns alle ist, setzen wir uns mit dem Förderkreis: „Was wirklich zählt im Leben” für mehr Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft ein, damit sich wieder mehr Menschen sozial engagieren, aktiv Verantwortung übernehmen und hilfsbereiter sind. Im Mittelpunkt stehen all jene Menschen, die selbstlos für andere da sind, Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, anderen in Notsituationen geholfen haben und die Zivilcourage und Mitmenschlichkeit zeigten und zeigen.

Mit dieser Aktion hoffen und wünschen wir uns von Herzen, dass sich viele von dem, was diese großartigen Menschen Tag für Tag leisten und vollbringen, inspirieren lassen, dass sie ihrem Herzen folgen, aktiv werden und mithelfen, unsere Welt wieder zu einem l(i)ebenswerten, einem schöneren und besseren Ort zu machen. Denn das ist es doch, was wirklich zählt im Leben: Ein „Geburtshelfer“, ein „Mittler“ zu sein, wie es der Media-Markt-Gründer Walter Gunz ausdrückte. Etwas im Menschen anzustoßen, auf dass wir „anständige Erinnerungen prägen“ – wie es Roland Kaiser zutreffend formulierte: Damit sie später über uns sagen können „Schön, dass es dich gegeben hat.“

Mehr Informationen zur Aktion „Was wirklich zählt im Leben” finden Sie hier:

http://was-wirklich-zaehlt-im-leben.jimdo.com

https://www.facebook.com/groups/was.wirklich.zaehlt.im.leben/

Dr. Sandra Maxeiner Dr. Sandra Maxeiner
promovierte Politik- und Sozialwissenschaftlerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, ehrenamtliche Hospizhelferin

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