Gewaltfreie Kommunikation – die Sprache des Lebens
Wer kennt sie nicht, diese Gespräche, in denen Wörter gesagt werden, die sehr unschön sind. Meistens finden solche Gespräche nachts statt oder wenn wir gerade zurück sind von der Arbeit (noch völlig gestresst vom Einkauf kommend) oder in irgendeiner anderen unpassenden Situation. Erfahrungsgemäß werden in diesen Unterhaltungen Themen angesprochen, die uns wichtig sind. Das zeigt sich daran, dass wir bei ausbleibendem Verständnis mit lauter Stimme reagieren oder den anderen beleidigen oder sogar verbal angreifen.
Wir verletzen unser Gegenüber mit Worten. Dies kann in hitzigen Diskussionen mit purer Absicht geschehen. Am Ende gewinnt niemand. Alle Parteien fühlen sich verletzt und traurig. Von einer angestrebten Lösung oder einem Kompromiss sind wir dann weit entfernt. Sind solche Gespräche an der Tagesordnung, kann es die Betroffenen mürbe bis krank machen.
Hilfe in Form einer psychologischen Beratung oder eines Kommunikationsseminars kann unterstützend sein, um diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Wie unsere Kommunikation geprägt wird
Unsere Kommunikation, die Art, wie wir miteinander reden, lernen wir in frühester Kindheit. Im Elternhaus wird uns Neuankömmlingen der Umgang mit- und untereinander gezeigt. Unsere Eltern und Geschwister fungieren hierbei als Vorbild. Die Kleinkinder lernen durch Beobachtung und Nachahmung.
Lernen wir, dass Kommunikation über die Lautstärke funktioniert, wenden wir diese Methode später selber an.
Lernen wir, dass unschöne Wörter genannt werden dürfen, wenden wir auch diese Methode an.
Lernen wir, dass es wichtig ist, im Gespräch zu gewinnen, wenden wir das an.
Unsere erste Prägung wird von der Umwelt weiter geformt. Meistens verfestigen wir unsere Art des Redens, wenn wir keine besseren Möglichkeiten vorgestellt bekommen. Das bedeutet, dass unsere Kommunikation geprägt sein kann von:
Kritik: „So wie du das machst, ist es falsch.“
Interpretation: „Du denkst das, weil …“
Bewertungen: „Du bist dick, doof, hässlich, faul, arm ...“
Strafandrohung: „Wenn du das nicht machst, dann passiert ein Donnerwetter.“
Verallgemeinerungen: „immer, alle, stets …“
Sich im Recht fühlen: „…“
Im Rahmen einer psychologischen Beratung oder eines Kommunikationsseminars werden diese Kommunikationsmuster aufgedeckt. Zusammen mit dem Klienten wird besprochen:
Von wem habe ich diese Muster gelernt?
Haben mir diese Muster in der Vergangenheit geholfen oder eher geschadet?
Wie geht es mir, wenn ich so rede?
Wie geht es mir, wenn ich sehe, dass es den anderen betroffen macht, wenn ich so rede?
Ist dem Klienten sein Kommunikationsmuster bewusst, kann dieses Stück für Stück neu erlernt werden. Eine Form der wertschätzenden Kommunikation ist die gewaltfreie Kommunikation.
Was ist gewaltfreie Kommunikation?
Sie wurde von Marshall Rosenberg ins Leben gerufen. Bei dieser Art der Kommunikation richtet sich die Aufmerksamkeit auf das, was einem wichtig ist. Die eigenen Wünsche und Bedürfnisse stehen hierbei im Mittelpunkt.
Dabei wird alles vermieden, was beim Gegenüber als Kritik, Bewertung, Angriff oder Beschuldigung ankommen könnte. Diese „gewaltvolle Sprache“ löst beim Gegenüber eine Verteidigungshaltung oder Aggression aus. In Gesprächen wirken diese Eigenschaften eher kontraproduktiv.
Wir kommen weg von den Du-Botschaften und hin zu den Ich-Botschaften.
Im Gespräch tauschen wir uns über die individuellen Bedürfnisse und Wünsche aus. Wir schauen auf uns, auf unser Gefühl. Wie geht es mir in diesem Gespräch? Was ist mir wichtig und warum? Welches Bedürfnis wird gerade genährt und welches nicht? All diese Fragen werden beantwortet. Im Beratungskontext wird dies Schritt für Schritt gemeinsam mit dem Klienten erarbeitet.
Am konkreten Beispiel kann der Klient die einzelnen Schritte üben und festigen. Reale Situationen können bearbeitet werden. Der Vorteil dabei ist, es ist praxisnah:
Der Klient kann sich auf eine bestehende Situation vorbereiten.
Der Klient übt die einzelnen Schritte um sie im Alltag anwenden zu können.
Der Klient erhält eine zeitnahe Rückmeldung über sein Kommunikationsverhalten.
Die vier Schritte im Überblick
Beobachten – statt bewerten und interpretieren
Gefühle – wahrnehmen, fühlen und benennen
Bedürfnisse - wahr- und ernstnehmen (die eigenen wie auch die der anderen)
Bitten – auf Grundlage der Bedürfnisse klar äußern (konkret, positiv, erfüllbar, verhandelbar)
Ein Beispiel zum Verständnis
Die Ehefrau sitzt bei mir in der Praxis und beschwert sich darüber, dass ihr Mann abends immer spät nach Hause kommt. Auf die Frage, wie sie in dieser Situation reagiere, antwortet sie:
„Sobald ich sein Auto vor dem Haus höre, bekomme ich Puls. Ich bin dann von jetzt auf gleich so sauer, dass ich platzen könnte. Wenn ich dann den Schlüssel an der Tür höre, stelle ich mich schon bereit. Und sobald er durch die Tür kommt, frage ich ihn, wo er denn so lange war. Ich erkläre ihm, dass er sich unmöglich verhält, kein Interesse an mir und den Kinder hat und frage ihn, ob das jetzt für immer so sein wird. Meistens werde ich laut dabei. Wenn dann alles gesagt ist gehe ich ins Bett.“
Auf die Frage, was denn ihr Mann dazu sagt, meinte sie, das wisse sie nicht wirklich. Schließlich geht sie ja gleich ins Bett und bestraft ihn mit Ignoranz.
Im nächsten Schritt bat ich die Dame mir nur die Beobachtung zu nennen:
„Mein Mann kommt täglich gegen 20 Uhr nach Hause.“ Sie brauchte einige Anläufe, um von den Bewertungen hin zur reinen Beobachtung zu kommen.
Der nächste Schritt ist, dass sie mir ihre Gefühle mitteilen soll:
„Ich bin traurig, dass er abends spät heimkommt.“ Auch hier dauert es eine Weile, ehe sie sich darauf einlassen kann ihre Gefühle wahrzunehmen. Meistens versteckt sich die Trauer hinter Wut und Zorn.
Der folgende Schritt ist, dass sie mir ihr Bedürfnis nennt, das nicht genährt ist:
„Ich möchte am Abend gerne mit meinem Mann Zeit verbringen.“ Hier zeigt sich ihr Bedürfnis nach Nähe, Austausch und Gemeinschaft.
Im letzten Schritt formuliert sie eine Bitte an ihren Mann:
„Wenn ich sehe, dass du abends immer erst um 20 Uhr nach Hause kommst, macht mich das traurig, weil ich gerne mit dir Zeit verbringen möchte. Ich bitte dich, etwas früher nach Hause zu kommen, damit wir uns über den vergangenen Tag noch austauschen können. Das ist mir wichtig.“
Da eine Bitte immer verhandelbar sein sollte, kann sie mit ihrem Mann nun die einzelnen Punkte konkretisieren, wie z. B. die Uhrzeit.
Das Wort zum Schluss
Unsere Schwierigkeit liegt darin, dass wir nicht gelernt haben, auf unsere Bedürfnisse und Gefühle zu schauen, geschweige denn danach zu handeln. Viele haben nicht gelernt, richtig zu bitten, ohne dass es wie eine Forderung formuliert ist. Und wir haben nicht wirklich gelernt, uns ehrlich und echt zu zeigen. Für viele in der heutigen Zeit eine große Barriere, wo doch durch die Medien zusätzlich viel Misstrauen geschürt wird.
Gerne verstecken sich die Menschen hinter ihrem Online-Leben und der dortigen Kommunikation. Aber ist das echt? Zeigen wir uns auf solchen Portalen immer genau so, wie wir sind – im realen Leben? Ist es nicht leichter, aus der Deckung heraus zu kommunizieren, ohne sich zu zeigen und ohne auf den anderen einzugehen?
Aber werden wir dabei wirklich glücklich und zufrieden? Werden wir wirklich gesehen, mit all unseren Eigenschaften und Wünschen? Werden wir wirklich verstanden und wahrgenommen? Ist es das, was jeder Einzelne wirklich will?
Der Mensch hat das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Austausch
Wollen wir gut miteinander reden, uns austauschen und wirklich wissen, wie es dem anderen geht, und dabei noch unsere eigenen Bedürfnisse befriedigen, kann es hilfreich sein, auf seinen Kommunikationsstil zu achten. Eine psychologische Beratung oder ein Kommunikationsseminar können dabei sehr unterstützend sein.
Jana Ludolf
Geprüfte Psychologische Beraterin, Kommunikationstrainerin