Ein moderner Clowndoktor – der etwas andere „Arzt“ mit Herz!
1. Die Gelotologie ist die Wissenschaft vom Lachen.
2. Lachen entspannt und ist gesund.
3. Komm, wir gehen zum Lachworkshop.
4. Lachen fördert Atmung und regt den Kreislauf an.
5. Lachen unterstützt das Immunsystem.
6. Lachen begünstigt schwierige Heilungsprozesse.
7. Lachen ist eine heilende Kraft.
8. Das Lachen ist die Tochter der Komödie.
9. Lachen wirkt wie eine heilgymnastische Übung.
10. Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.
Diese zehn oder ähnliche Aussagen könnten das Thema treffend beschreiben. Selbst ein kleines Schmunzeln beeinträchtigt ein Gespräch im positiven Sinne. Natürlich auch ein Stirnrunzeln, das uns eher skeptisch macht, was wir allerdings erst später erinnern. Der Körper lügt nicht, das ist eine alte Weisheit. Die Experten weisen nach, dass man mit acht Muskeln ein breites Lachen hervorbringen kann und dass bei Ärger und angespanntem Gesicht bis zu 60 Muskeln beteiligt sind.
„Das Unlogische ist notwendig.“
(Friedrich Nietsche)
„Paradoxie gehört zum höchsten geistigen Gut.“
(C. G. Jung)
„Humor löst die Blockierung des rationalen Denkens.“
(Paul Watzlawick)
„Grenzüberschreitung mit Humor distanziert von Moral, Scham und Norm.“
(Michael Balint)
„Der Witz ist sozialer lustvoller Vorgang bei Überwindung triebhafter Hemmung.“
(Sigmund Freud)
Da kommt nun der Clowndoktor ins Spiel. Hier geht es allerdings nicht ausschließlich um Spaß, Humor und Ulk. Auch das traurige Gesicht, ein Zittern, hochgezogene Augenbrauen, ein herabhängendes Kinn, all das hilft ohne Worte, eher mit Gesten und Mimik, eben pantomimisch, einen Kontakt herzustellen. Zu beachten ist natürlich die Eindeutigkeit der angestrebten Wirkung. Es nützt nichts, bei Zustimmung unbewusst den Kopf zu schütteln. Das wirkt verwirrend und ist in der Auswirkung eine doppelte Botschaft.
Der Clown bleibt immer einzeln, auch in der Gruppe. Weißer Kittel, Jonglieren, Zaubertricks, Farbenspiel, Kartentricks, Ballons, Bauchreden, Verkleidung und die traditionelle rote Nase gehören zum Clowndoktor, der mit Einladung der Ärzte in den Kinderkliniken tätig wird. Natürlich betritt der Clown nicht unvorbereitet einfach ein Krankenzimmer. Die Krankengeschichte wird vorher vertraulich mit den behandelnden Ärzten besprochen. Eine mögliche Ansteckungsgefahr, der Zustand des Kindes, ein chronisch schwerer Krankheitsverlauf, die elterliche Situation müssen berücksichtigt werden. Niemals ist vorhersehbar, wie das Kind reagieren wird. Der Clown hat kein Programm, wenn er das Krankenzimmer betritt. Der Patient bestimmt die Interventionen.
Schmerz, Trauer, Depression, Angst, Sprachlosigkeit, Erschöpfung sind nur einige der anzutreffenden Situationen. Eine verzweifelte Mutter sagte mir einmal: „Können Sie noch mal kommen? Mein Kind hat schon seit einem halben Jahr nicht mehr gelacht.“ Bei diesem Besuch war nur möglich, eine Geschichte vorzulesen, eine großartige Clownerie war nicht angebracht. Auch Stille, geringe Bewegung und das Überreichen einer kleinen Trostpuppe waren für dieses kranke Kind schon ausreichend.
Ein anderes Mal ist ein Zaubertrick angesagt, etwa ein Tuch vor den Augen des im Bett liegenden Kindes verschwinden zu lassen. Weitere Möglichkeiten: eine Handpuppe, ein Musikinstrument, die den Gesichtsausdruck des Kindes zurückspiegelt und ein Lachen hervorrufen kann, eine kleine Mundfl öte mit einem Rhythmus, ein Hut, den das Kind gern selbst aufprobiert, eine Tierstimme imitieren ...
Manchmal geschieht auch etwas zwischen den Clowns, besonders gut zu zweit, wenn zwei kleine Patienten im Bett liegen. Die Clowns können sich getrennt den Kindern zuwenden oder etwas als Sketch vorführen. Der eine als der Kluge und der andere als der Dumme. Eine Pfauenfeder sanft auf dem Ellenbogen zu balancieren gelingt auch im Liegen. Spontanes Handeln ist der Schlüssel zur Echtheit, mit der selbstverständlichen Akzeptanz des Scheiterns: das eigentliche Wesen eines Clowns.
Also, ein breites Spektrum an Kreativität, gepaart mit Ernsthaftigkeit in der Sache. Vor allem ohne Technik, ohne Handy, ohne PC, medizinische Gerätschaften, eben auf natürlichem Wege. Ungenauigkeiten, Versagen, komisches Gehen, übergroße Füße, wackelnde Ohren, Tölpelhaftigkeit, Tollpatschigkeiten – alles dient dazu, hoffnungslose Alltagssituationen zu erleichtern. Eine Gruppe mit seit drei Wochen schweigenden Kindern auf einer Krebsstation erlebte, dass beim Verabschieden des Clowns die Kinder laut riefen: „Wann kommst du wieder?“
Nicht umsonst spricht man in Fachkreisen vom therapeutischen Clown, der dann zum Einsatz kommt, wenn die Medizin in festen Strukturen von Abrechnungsformalitäten, Vorschriften und Hierarchien ihre Grenzen hat. Der Clowndoktor kann, wie ein Schauspieler, seine Gesten verlangsamen, die Stimme verstellen, seinen Gang holperig machen, sich taub stellen und dadurch von einer Verhaftung im logischen Denken ablenken – etwa die Angst beim Warten auf eine Operation entschärfen.
Ein Rollenwechsel, etwa dass der kleine Patient als Arzt die Operation erklärt und der Clown ängstlich zittert, um dann lächelnd zu einem stummen zustimmenden Nicken überzuwechseln. Gemeinsam ein Bild malen zu zweit mit einem Stift oder ein Quiz erraten; seine Möglichkeiten sind unbegrenzt in Absprache mit den Ärzten. Eines ist sicher, der Clowndoktor kann nicht von seinem eigenen Humor ausgehen. Er muss ständig auf sein Gegenüber eingehen, um dessen Wahrnehmung zu erkunden.
Wir kennen typische Zuschreibungen aus dem Kontext unserer eigenen Familiengeschichten: Stubenhocker, Nesthäkchen, Opferlamm, Wunderkind, Tausendsassa, Trauerkloß, Prinzessin, Zappelphilipp, Muttersöhnchen, Klassenclown ...
Hier wird oft mit einem Augenzwinkern und der Anlehnung an den Humor treffend ein Verhalten unserer Menschen im Umfeld skizziert. Der Vater durfte freilich nicht die gleichen Scherze machen wie die Mutter. Clown sein heißt auch, paradox und therapeutisch handeln zu können. Eine überlieferte Kunst, wie zwei Beispiele aus der Blütezeit arabischer Medizin zeigen. Es sind zwei psychotherapeutische Geschichten der berühmten Ärzte Rhazas und Avicenna:
Ein königlicher Prinz litt an der Vorstellung, eine Kuh zu sein. Immer wieder schrie er, man möge ihn doch schlachten und das Fleisch zu einem guten Braten machen. Als Avicenna gerufen wurde, sagte der Arzt schon in der Tür: „Wo ist die Kuh, die ich schlachten soll?“ Sofort legte der Patient sich zu Füßen von Avicenna nieder und begann zu muhen. Der Arzt band ihn wie ein Vieh, tastete ihn überall ab und diagnostizierte: „Diese Kuh kann man noch nicht schlachten, sie muss erst fetter werden.“ Seit dem Tag begann der Prinz wieder zu essen. Als man später nach dem Schlächter gerufen hatte, soll der Prinz nach einem jungen Mädchen verlangt haben.
Ein Emir litt so sehr an Rheumatismus, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Kein Arzt konnte ihm helfen. So wurde Rhazas herbeigeholt, zunächst vergebens. Eines Tages sagte er zu dem Emir: „Morgen werde ich eine neue Behandlung durchführen, allerdings wird sie dich dein kostbarstes Pferd kosten.“ Der Kranke nickte bloß. Am anderen Tag legte Rhazas den Kranken außerhalb der Stadt, einsam gelegen, in ein heißes Bad.
Der Arzt ging, kleidete sich um wie zu einer langen Reise, sprang dann mit einem Dolch auf den Patienten zu und schrie: „Jetzt töte ich dich, du hast mich lange genug gequält.“ Der Emir sprang aus dem Bade, so sehr hatte ihm der Schreck die Glieder gelöst. Der Arzt verschwand mit dem kostbaren Pferd. Später wurde er belohnt. Der Brief des Arztes bleibt noch zu erwähnen. „Langes Leben dem Emir in Gesundheit. Ich habe dich nach Kräften behandelt, als meine Schwäche zu groß wurde, habe ich Psychotherapie angewendet, um deine Lebensgeister wieder zu beleben.“
Ein Beispiel aus der neueren Zeit:
Milton Erickson, ein weltbekanntes Genie der Hypnose, wurde einmal in eine Klinik gerufen, weil sich dort ein Patient selbst als Jesus defi nierte. Statt mit den üblichen Unterlagen wie Fieberkurve, Medikation, Blutdruckgerät und Spritzen begrüßte er den Patienten mit Handschlag und der Frage: „Ich habe gehört, dass Sie Erfahrung als Zimmermann haben.“ Seitdem baut der Patient Möbel (In der Bibel sind Jesus und Josef Zimmerleute.). Quick Reframing (Umdeuten) wird diese paradoxe Technik genannt.
Das sind Beispiele paradoxer, psychotherapeutischer Interventionen, also einer besonders anspruchsvollen Tätigkeit, als Clowndoktor zu moderieren und sich einzufühlen. Deshalb sollte dieser Beruf künftig nicht nur ehrenamtlich ausgeübt werden. Besonders im harten Wirtschaftsleben mit strengen Hierarchien im Management könnten wir eines Tages einen echten „Clownmanager“ hervorbringen. Im Westerwald sorgt W. Kiss mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband dafür, dass die Kliniken der Umgebung auf die aus- und fortgebildeten Clowndoktoren zurückgreifen können. Es gibt schon Hunderte Sponsoren und Förderer, die mithelfen.
Am Ende der Ausbildung verleiht W. Kiss den „weißen Kittel und die rote Clownnase“ an die neuen Clowndoktoren. Eine ernste Angelegenheit, schlüpfen doch die Clowndoktoren mit dem Aufsetzen der Nase in eine andere Welt. Sie warten dann ungeduldig auf die Dienstpläne für die Einsätze an den Wochenenden in ihrer jeweiligen Kinderklinik. Es gibt auch bereits Seniorenclowns in der Altenbetreuung.
Machen Sie, verehrte Leser, eine kleine spontane Übung. Heben Sie Ihre Hände hoch mit ausgestrecktem Arm über dem Kopf. Verziehen Sie Ihren Mund, so als würden Sie lächeln wollen. Dann sagen Sie laut: „Ich bin depressiv.“ Sie merken, dass Sie nicht vermögen, das glaubhaft zu tun, schon gar nicht ohne Lachen oder Schmunzeln, stimmts?
Allein die Muskelbewegung Ihrer Lippen und Arme löst im Gehirn die Botschaft von Humor und Freude aus, oder?
Dieter Loboda
Gestalttherapeut, Counselor grad., Dozent, Buchautor, Medical Journalist