Fallstudie: Ausgebrannt
Carola, 47 Jahre, kam zu mir in die Praxis, weil sie sich völlig ausgebrannt fühlte. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, war nur noch bedingt arbeitsfähig, fühlte sich ausgelaugt und schwach. Seit vielen Jahren arbeitete sie in einem kleinen Unternehmen mit ca. zehn Mitarbeitern. Sie war schon bei den Anfängen dabei und hat das Unternehmen mit in den Erfolg geführt. Mit dem Chef verband sie eine gute Beziehung, die sich jedoch im Laufe der Zeit veränderte. Carola arbeitete gerne und definierte sich auch über den Erfolg ihrer Arbeit. In dieser Sitzung erzählte sie, dass sie vor allem Stress mit der Mutter des Chefs hat. Diese Frau sei sehr bestimmend, unberechenbar und mischte sich in innerbetriebliche Angelegenheiten ein.
Ich frage Carola, ob sie damit einverstanden ist, diese Konfliktsituation mit playemotion genauer zu betrachten.
play-emotion ist ein Spiel, das zur Lösung von Konflikten in der therapeutischen Praxis eingesetzt werden kann. Die Therapeuten unterstützen die Klienten (immer m/w) beim „Spielen“. Durch Beobachten können Gedankenmuster und wiederkehrende Verhaltensweisen schnell erkannt und in den Sitzungen kann daran gearbeitet werden.
Wie funktioniert play-emotion?
In dem Brettspiel wird gewürfelt. Es ist in vier Felder aufgeteilt und wird in zwei Durchgängen gespielt. Zu Beginn geht es um das Betrachten der inneren Ist-Situation.
Dabei taucht Carola in ihre Gefühls-, Körper-, Verhaltens- und Gedankenwelten ein: „Was bewegt mich emotional?“, „Was zeigt mein Körper?“, „Wie verhalte ich mich?“, „Was denke ich?“
Carola beschreibt ihre Konfliktsituation folgendermaßen: „Wenn ich die Tür zu meinem Arbeitszimmer öffne und die Seniorchefin im Zimmer steht, dann zucke ich innerlich zusammen und habe Angst. Ich befürchte, dass sie schlecht gelaunt ist und ihre Laune an mir auslässt.“
Im weiteren Verlauf wird eine positive Sichtweise angeregt, die zu einem Lösungsprozess führt. Die äußere Situation ändert sich nicht, aber die innere Einstellung dazu.
Carola geht in den inneren Dialog und findet anhand ihrer gespeicherten Erfahrungen und ihrer Ressourcen eine für sie stimmige Lösung.
Um die Klientin in den inneren Prozess zu führen, werden unterstützende Fragen gestellt. Zum Beispiel: „Wie könnten Sie die Ressourcen einsetzen, um eine positive Veränderung auf dem Feld zu bewirken?“ „Welche Ressource spricht Sie am meisten an?“ „Wie kann Ihnen die Ressource X in dieser Situation helfen?“
Carola ordnet die Karten auf dem Spielfeld nach ihrem inneren System. Sie hat die Möglichkeit, eine Ressourcenkarte für eine oder mehrere auf dem Feld liegende Karten zu verwenden.
Ihr helfen die Ressourcen „Erfolg“, „Gelassenheit“ und „Begeisterung“. Sie macht sich bewusst, dass sie begeistert arbeitet und den Erfolg aus ihrer Arbeit genießt. Dieses bewusst gemachte Wissen führt sie wieder in die Gelassenheit. Die Intensität der Gefühle „Ohnmacht“ und „Hilflosigkeit“ reduzieren sich.
Im Körperfeld liegen die Ressourcen „Hingabe“ und „Authentizität“. Hier wird sie sich ihrer Angst bewusst und agiert sie über die Atmung aus. Mit „authentisch sein“ verbindet die Klientin, dass ihre Bedürfnisse sein dürfen und sie diese auch ausdrücken darf und kann.
Im Feld der Verhaltensweisen entscheidet sie sich, ein neues Verhalten auszuprobieren. Dabei helfen ihr die Ressourcen „Flexibilität“, „Selbstvertrauen“ und „Anerkennung“.
Im Gedankenfeld zieht Carola die Ressourcen „Respekt“ und „Neugier“. Respekt erinnert sie daran, dass es hier um den Respekt geht, den sie für sich selbst empfindet. Sie wird sich bewusst, dass die Neugier sie im Leben immer positiv begleitet hat. Die Neugier inspiriert sie, mutig neue Wege zu gehen.
Während der Sitzung erinnert sie sich, dass sie diese Gefühle und Gedanken, die auf dem Spielbrett liegen, schon als junges Mädchen hatte.
Carola hat einen Onkel, der gerne junge Mädchen antatschte. Damals fühlte sie sich in dieser Situation hilflos und ausgeliefert. Sie sagte zu Hause nichts, weil sie dachte, „Es hat eh keinen Sinn, da die Eltern an der Situation nichts ändern können.“
Während des Spiels wird ihr bewusst, dass die heutige Situation mit der Mutter des Chefs Ähnlichkeiten in ihren Empfindungen aufweist wie in der Situation als junges Mädchen. Doch heute ist sie eine erwachsene Frau und ist der Situation nicht mehr hilflos ausgeliefert. Sie hat andere Möglichkeiten, sich zu schützen und zu verhalten. Sie kann neu wählen und sich neu entscheiden.
Die Quintessenz des Spiels für Carola war: „Ich kann mich behaupten.“
Sie hat während des „Spielens“ Stress abgebaut. Sie fühlte sich zunehmend freier und entspannter und verließ die Praxis voll freudiger Erwartung auf die Zukunft.
Manuela Pfefferle
Heilpraktikerin für Psychotherapie, kreative Tanz- und Ausdruckstherapeutin, Praxis für Körper- und Psychotherapie in Bad Krozingen. Arbeitsschwerpunkte Stressmanagement, Beziehungskonflikte
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