Kann Musik den Menschen verändern?
... und zwar so, dass sie einen neuen, einen besseren Menschen aus ihm macht?
Ludwig van Beethoven ging dieser Frage nach, als er sich an die Komposition der 9. Sinfonie machte, seine letzte, sein wahres Meisterwerk. Für Therapeuten dürfte interessant sein, dass Beethoven zur gleichen Zeit lebte wie Samuel Hahnemann und dass beide Freimaurer waren. Mozart übrigens auch.
Was Beethoven für mich besonders interessant machte, waren seine psychosomatischen Erkrankungen, die ihn sein Leben lang plagten. Von Tinnitus bis Hörverlust, von Schlafstörungen bis Panikattacken, von extremen Stimmungsschwankungen bis zu cholerischen Episoden und nervösen Magenleiden.
Es gibt Biografen, die schreiben ganze Bücher nur über seine Krankheiten. Doch das erschien mir zu banal. Ich wollte das Warum wissen. Denn die Psychosomatik hat ihre Pathogenese im Leben selbst, in unverarbeiteten Erlebnissen, Traumata usw.
Und siehe da, ich wurde fündig. Schon als Fünfjähriger vom Vater zum Klavierspielen gezwungen (inklusive körperlicher Gewalt), nachts aus dem Bett gezerrt und für private Konzerte ausgenutzt, hatte der junge Ludwig nicht gerade eine liebevolle Kindheit. Die Mutter starb, als er 16 Jahre jung war. Der Vater mutierte indes zum arbeitslosen Alkoholiker, der keinen Cent besaß. Seine große Liebe, die schöne Josephine, durfte er nicht heiraten. Er war ihren Eltern nicht adelig genug. Eine weitere Beziehung zu einer Angebeteten ging ebenfalls in die Brüche, da diese ihrerseits einen Aristokraten vorzog.
Hinzu kam, dass Beethoven sich immens über die Politik in Europa ärgerte. Deutschland und Österreich unterdrückten das freiheitliche Denken und wurden zu Kontrollstaaten. Die Werke der Künstler wurden streng zensiert und eingeschränkt. Wer seine Leser oder Zuhörer zum freigeistigen Denken motivierte, konnte sofort eingesperrt werden. Kein Wunder also, dass der Komponist den lärmenden Unfug seiner Zeit nicht mehr hören konnte ... und taub wurde.
Aber genau hier liegt das Geheimnis der Neunten begraben. Beethoven erkannte, dass der Mensch zum Glücklichsein weder Staat noch Religion noch Kirche braucht. Einzig seinen (vorbestimmten) Weg muss er gehen und dabei auf seine innere Stimme hören. Ein gefährlicher Gedanke damals! Den Menschen unabhängig zu machen, passte weder Kirche noch Staat. Der Komponist musste also seine Anleitung zur ultimativen Freude verschlüsseln, und zwar im Lied „Ode an die Freude“.
Wenn es also da heißt „Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“, dann versucht das Genie ein Gefühl innerer Glückseligkeit zu beschreiben, die ein Produkt des Himmels ist oder ein Produkt des eigenen höheren Selbst, wie man heute sagen würde. Damit keiner auf die Idee kommt und Parallelen in der starren Religion sucht, wählt er „Elysium“ aus der griechischen Mythologie statt „Paradies“ aus der Bibel. Er spricht auch von „Cherubinen“ statt von „Engeln“. Und statt „Gott“, was einen christlichen Touch hat, wählt er „Schöpfer“, „Vater“ (im Sinne von Ursprung) und „Göttlichkeit“. Letztere kann jeder in sich selbst erzeugen. Aber wie?
Beethoven erkannte, dass uns Menschen die Freude verloren geht, wenn wir von negativen Stimmungen/Schwingungen umgeben sind. Wir werden dann nämlich depressiv, mutlos, hoffnungslos, dunkel und stumpf. Darum singt sein Chor gleich am Anfang: „Nicht diese Töne! Sondern lasst uns andere anstimmen!“
Überhaupt ist seine Sinfonie so aufgebaut, dass sie schrittweise das Herz des Zuhörers öffnet. Als ich das einer indischen Bekannten erzählte, die sich ihr Leben lang mit Mantren befasste (das Fach „Mantra“ kann man an indischen Universitäten studieren), sagte sie, Beethoven habe bestimmte Frequenzen in sein Meisterwerk eingebaut, die eine positive, öffnende Wirkung auf das Herzchakra hätten. Ich war erstaunt. Das würde erklären, warum Menschen weltweit in Tränen ausbrechen, wenn sie gebannt der Neunten lauschen – auch wenn sie kein Deutsch verstehen. Die Sinfonie erreicht am Ende die Seele des Zuhörers, reinigt ihn und gibt ihm zu verstehen, dass es zum wahren Glück nur eines bedarf: der Liebe. Und zwar der bedingungslosen Liebe.
Meine Faszination für Beethovens Meisterwerk veranlasste mich, ein Buch darüber zu schreiben. Da ich 12 Jahre in Japan lebte, erschien es zuerst auf Japanisch. In nur wenigen Wochen wurde es zum Bestseller.
Für die deutsche Ausgabe ließ ich hinten eine CD mit der Sinfonie in voller Länge einfügen. Eine besonders herzberührende Aufnahme mit Herbert Kegel als Dirigent und dem Dresdner Sinfonieorchester. Meines Erachtens handelt es sich um die therapeutischste Musik, die je geschrieben wurde. In Japan wird sie sogar von Ärzten eingesetzt bei Depressionen, mangelnder Freude, Lebenskrisen und Orientierungsverlust.
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Lassen Sie mich meinen Beitrag mit einem Zitat von Beethoven schließen, das zu erkennen gibt, welch großer Geist in diesem Manne gewohnt haben muss.
„Jede echte Erzeugung der Kunst ist unabhängig, mächtiger als der Künstler selbst und kehrt durch ihre Erscheinung zum Göttlichen zurück und hängt nur darin mit dem Menschen zusammen, daß sie Zeugnis gibt von der Vermittlung des Göttlichen in ihm.“
Prof. h. c. Manfred Krames
Experte für Psychosomatik,
Gründer des Vereins Beethovens Botschaft für die Welt e. V.