30 Jahre VFP
Sonja Kohn sprach mit Dr. Werner Weishaupt über den Alltag in der VFP-Geschäftsstelle
Im Dezember 1990 wurde der „Freie Verband der Psychologen, Psychotherapeuten und Psychologischen Berater“ gegründet und unter Führung der beiden Vorstände – Heinz Rosmanneck, Dipl.-Ing. und Psychologischer Berater, und Eckhardt Martin, Dipl.-Kfm. und Heilpraktiker – aufgebaut. Der FVDP sollte die Berufsinteressen der Psychologischen Berater, Psychologen und Psychotherapeuten in jeder Hinsicht fördern, ihnen eine einheitliche Stimme verleihen und die Berufe in der Öffentlichkeit bekannt machen.
Nach der Zulassung des auf Psychotherapie beschränkten Heilpraktikers durch das Bundesverwaltungsgericht 1993 wurde die Organisation umbenannt in „Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e. V.“ und hat sich – wie das ganze Berufsfeld – stürmisch entwickelt. Schon nach fünf Jahren zählte der Verband über 1 000 Mitglieder, Dipl.-Psych. Prof. Dr. Hans-Ulrich Ahlborn löste den aus Altersgründen zurückgetretenen Heinz Rosmanneck als Präsident ab, und die Mitgliederzahlen entwickelten sich kontinuierlich nach oben. Dazu hat sicher diese ab 2001 regelmäßig herausgegebene Verbandszeitung „Freie Psychotherapie“ wesentlich beigetragen.
Im März 2003 hatte der VFP 2 000 Mitglieder, davon 400 in eigener Praxis. Dr. Werner Weishaupt, Dozent und Heilpraktiker für Psychotherapie, wurde als Nachfolger von Prof. Ahlborn zum Präsidenten gewählt und koordiniert seither die Arbeit der Geschäftsstelle und des Kompetenzteams, das für alle Mitgliederanfragen zur Verfügung steht. Unter seiner Leitung wurden eine Zertifizierungsordnung, neue Berufsordnungen für die Psychologischen Berater (zur leichteren Lesbarkeit ist im Folgenden immer m/w/d gemeint) und die therapeutisch tätigen Mitglieder des VFP erarbeitet und ein Netz regionaler Arbeitskreise aufgebaut.
SK: 30 Jahre VFP. Seitdem hat sich der Verband ständig verändert und ist gewachsen. Welche Anforderungen stellen die Mitglieder im Jahr 2020 an den VFP? Was haben sie für Bedürfnisse?
WW: Viele Jahre lang lag der Schwerpunkt unserer Arbeit bei der Beratung unserer Mitglieder vor allem in Bezug auf die Praxisgründung und Praxisführung. Dementsprechend haben wir auch unser Serviceteam gestaltet mit Rechtsanwälten und Steuerberatern, Experten für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit und Supervisoren. Seit gut zwei Jahren erwarten die Mitglieder auch eindeutige Auskünfte zum Datenschutz, zu Hygienefragen und in diesem Jahr natürlich zum Umgang mit den Corona-Beschränkungen und Verdienstausfallregelungen.
Entsprechend der öffentlichen Diskussion um die Zukunft der Heilpraktiker wollen unsere Mitglieder verstärkt, dass wir sie politisch vertreten und dabei mit anderen Verbänden zusammenarbeiten. Das tun wir auch nach Kräften, z. B. in der „Gesamtkonferenz der Heilpraktikerverbände und Fachgesellschaften“ und durch Gespräche mit Bundestagsabgeordneten, Bundes- und Landesministerien usw.
SK: Ihr seid jetzt gut ein Jahr in den neuen Geschäftsräumen in Nienburg. Wie haben du und dein Team sich dort eingelebt?
WW: Ganz hervorragend, wir haben schöne, helle und große Büroräume mit guter Bürotechnik. Wir haben ein Superteam und den Umzug zum Anlass genommen, alle Arbeitsvorgänge zu überprüfen, zu rationalisieren und in einem „Handbuch“ so konkret aufzuschreiben, dass sich die drei Kolleginnen problemlos in ihren Aufgaben vertreten und ggf. neue Kräfte auch schnell einarbeiten können.
SK: Wie sieht der Arbeitsalltag im Büro aus? Welche Aufgaben fallen für deine Mitarbeiterinnen täglich routinemäßig an?
WW: Wir legen großen Wert darauf, zu den Bürozeiten telefonisch erreichbar zu sein, denn vieles lässt sich im direkten Gespräch oft besser klären als durch E-Mails, Faxe und Briefe. Trotzdem fängt der Arbeitstag i. d. R. mit dem Check der neu eingegangenen E-Mails und deren Beantwortung oder Weiterleitung an die Mitglieder unseres Serviceteams an. Jeden Tag werden auch die Neuanmeldungen bearbeitet – inzwischen haben wir die stolze Zahl von 11 000 Mitgliedern überschritten. Bei dieser großen Zahl ist es verständlich, dass es auch ständig Änderungen für die Mitgliedsdatei gibt bei Namen, Adressen, Kontoverbindungen.
Dann erreichen uns fortlaufend Anträge für die Verbandszertifizierung zum „Geprüften Psychologischen Berater“, die wir bearbeiten und am Ende dann die Zertifikate ausstellen. Dazu kann ich sagen, dass der „Psychologische Berater – VFP“ schon lange auf dem Markt ein bekanntes und begehrtes Markenzeichen geworden ist. Weiter bekommen wir in jedem Frühjahr und Herbst zahlreiche Mitteilungen über die bestandene staatliche Überprüfung zum „Heilpraktiker für Psychotherapie“ und gratulieren den Kollegen.
SK: Wie viele E-Mails und Anrufe fallen täglich in der Geschäftsstelle an? Wie hoch ist das Aufkommen zu „Stoßzeiten“ (Beispiel: Corona-Krise)?
WW: Im Durchschnitt sind es 60 bis 70 E-Mails, zu Stoßzeiten auch doppelt so viel. Und es gibt Tage, da steht das Telefon nicht still und wir sprechen parallel auf beiden Leitungen. Und dann gibt’s natürlich auch ruhigere Zeiten.
SK: Wie ist die Kommunikation innerhalb des Teams? Gibt es Teamsitzungen? Legt ihr gemeinsam Prozessabläufe fest?
WW: Selbstverständlich haben wir regelmäßige, meist wöchentliche Teamsitzungen, in denen wir alles besprechen, was alle betrifft. Dann gibt es immer wieder Anfragen von Mitgliedern und Interessenten, aber auch von Klienten und Patienten, die in dieser Form erstmalig vorkommen, bei denen wir dann gemeinsam überlegen: Wie wollen und können wir damit am besten umgehen? Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und z. T. der rechtlichen Grundlagen und Vorschriften in einem bestimmten Bereich entwickeln wir dann Antworten und Strategien, die den jeweiligen Fragestellern am besten gerecht werden. Denn: Kundenorientierung ist oberstes Prinzip!
SK: Wie gestaltet sich dein persönlicher Arbeitsalltag? Was ist „Chefsache“?
WW: Alle Anfragen, die meist per E-Mail kommen, für die es noch keine „Routine“ gibt. Dazu gehören Vorschläge zur Verbesserung unserer Verbandsarbeit und politischen Aktionen genauso wie gelegentliche Beschwerden von Patienten. Dann Angebote oder Anfragen von offiziellen Institutionen, Presseorganen und Redaktionen. Oder Kollegen wenden sich an mich mit verzwickten Beratungs- oder Therapiesituationen; dann geht es mehr um Supervision auf dem Hintergrund meiner eigenen 27-jährigen Praxiserfahrung und Ausbildung zum Supervisor.
SK: Welche Rolle spielt das Serviceteam des VFP? Wie ist es für die Mitglieder gedacht?
WW: Wir sind ja von Haus aus keine Rechtsanwälte, Steuerberater oder Hygienefachärzte. Das heißt, wir kennen und respektieren unsere Grenzen genau und verweisen die Fragesteller dann auf unsere „Foren“ im internen Mitgliederbereich. Sie werden von den entsprechenden Fachleuten nebenberuflich in ganz hervorragender Weise betreut, sodass die Fragesteller in der Regel innerhalb einer Woche im jeweiligen Forum eine Antwort erhalten.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Fragen und Antworten im jeweiligen Forum von allen Mitgliedern gelesen werden können. Und sehr oft reicht es schon, wenn man ein Stichwort in die Suchmaske des Forums einträgt, und findet dann schnell die passenden Experten-Auskünfte, weil ja viele Kolleginnen und Kollegen schon ähnliche Fragen gestellt haben. Davon könnte noch viel mehr Gebrauch gemacht werden!
SK: Gibt es bestimmte Schwierigkeiten, mit denen du und dein Team manchmal im Alltag zu kämpfen habt?
WW: Manchmal stellt uns die Ungeduld mancher Mitglieder auf die Probe. Natürlich ist nachvollziehbar, dass jeder für sein aktuelles Problem „genau jetzt“ eine Lösung haben möchte. Aber gelegentlich haben uns die Fragenden selbst bestimmte Informationen oder Unterlagen noch gar nicht geschickt. Oder sie möchten von uns eine Stellungnahme zu ihrem Businessplan für die Arbeitsagentur haben. Da wir eine anerkannte „Fachkundige Stelle“ sind, geben wir die auch gerne ab, nachdem wir den Businessplan geprüft haben. Und da müssen wir mit so einer Stellungnahme natürlich auch unserer Verantwortung gerecht werden.
Leider erfahren wir in letzter Zeit häufiger, dass unsere E-Mail-Adressen
Dann kommt es auch häufig vor, dass Mitglieder sich die Bedingungen zur Verbands-Zertifizierung nicht durchlesen, mit der Folge, dass es zu unnötigen Missverständnissen, Fehlinterpretationen und Rückfragen kommt. Wir würden uns sehr freuen, wenn sich alle Zertifikations-Anwärter auf www.vfp.de alle Informationen unter dem Button „Zertifizierung“ genau und bis zu Ende durchlesen und sich auch die einzelnen Links anschauen bzgl. Praktikum und Fach-/Projektarbeit etc.
SK: Wie werden Probleme im Allgemeinen bewältigt? Was ist das Erfolgsgeheimnis?
WW: Wir verstehen uns als Serviceteam, das am gleichen Strang zieht, um die beruflichen Interessen unserer Mitglieder zu vertreten und ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Eine meiner ersten therapeutischen Ausbildungen war die Gesprächstherapie nach Carl Rogers mit ihren drei Prinzipien: einfühlendes Verstehen – wertschätzende Akzeptanz – Kongruenz/Echtheit. Diese Prinzipien versuchen wir in unserem Job täglich zu verwirklichen – untereinander und im Umgang mit allen, die sich an uns wenden.
SK: Welches Feedback bekommt ihr von den Mitgliedern? Sind sie grundsätzlich zufrieden oder gibt es auch mal Kritik?
WW: Wir bekommen sehr viel Zustimmung in unterschiedlicher Form, was uns natürlich gut tut und ermutigt, auf dem eingeschlagenen Weg zu bleiben. Die große Mehrheit unserer Mitglieder ist sehr zufrieden und bringt das auch zum Ausdruck. Natürlich gibt es gelegentlich auch Kritik, die uns ebenfalls weiterhilft, vor allem, wenn sie konstruktiv geäußert wird. Und zum Glück nur selten kommt es vor, dass wir zum Sündenbock für etwas gemacht werden, wofür wir gar nicht zuständig sind oder waren.
SK: Welche Pläne haben du und dein Team?
WW: Wir haben schon einige Projekte auf den Weg gebracht, die von den Mitgliedern noch zahlreicher genutzt werden könnten – wie z. B. die Praxisabrechnungs-Software vereto.de. Wir wollen auch in anderer Hinsicht noch besser werden, z. B. mit Profis im Serviceteam, die die Mitglieder beim Erstellen eines Businessplans unterstützen oder bei der rechtssicheren Gestaltung von Praxiswebsites. Wir planen, zu verschiedenen wichtigen Themenbereichen auch Webseminare zu produzieren, weil Bild und Ton oft eingängiger sind als bloße Beschreibungen.
Wir müssen unbedingt unsere Öffentlichkeitsarbeit weiter ausbauen und regelmäßige Pressemeldungen über uns und unseren Berufsstand an Presseorgane und Rundfunksender verschicken. Wenn wir das nur intern publizieren durch unseren Newsletter und die „Freie Psychotherapie“, erzielen wir zu wenig Außenwirkung. Und wir sollten unbedingt ein Qualifizierungssystem einrichten, das Fortbildung für die Praxisbetreiber verpflichtend macht. Das sind wir nicht nur unseren Klienten und Patienten schuldig, das ist auch eine der Hauptforderungen aus der Politik.
SK: Möchtest du den Mitgliedern an dieser Stelle noch etwas sagen?
WW: Ja, ich wünsche mir – und allen Autoren unseres tollen Verbandsmagazins – einfach mehr Feedback zu ihren Artikeln. Da steckt so viel Mühe und Liebe drin, die öfter gewürdigt werden sollte – auch in Form von Kritik und Diskussion. Und ich habe eine ganz einfache Bitte: Aktivieren Sie im internen Mitgliederbereich unter dem Button „Meine Daten“ den Bezug unseres Newsletters und Ihre aktuelle E-Mail-Adresse, damit wir Sie überhaupt erreichen und informieren können – gerade in „CoronaZeiten“, wo sich Landesverfügungen etc. oft ganz schnell ändern!
SK: Abschließend – wie und wann kann man euch am besten erreichen?
WW: Unsere Telefonsprechzeiten sind Mo.–Fr. von 9.30–15.00 Uhr unter 0 50 21 / 915 90 40. Wir planen auch wieder eine Nachmittagssprechstunde. Per E-Mail an
SK: Lieber Werner, vielen Dank für das informative Gespräch! Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit dir!
Sonja Kohn
Heilpraktikerin, freie Redakteurin,
Dozentin an den Paracelsus Schulen
Dr. Werner Weishaupt
Heilpraktiker für Psychotherapie,
Dozent, Präsident des VFP
Foto: ©Tobrono