Buch- und CD-Besprechungen
Michalik bezieht sich auf den Neurowissenschaftler Gerald Hüther: „Wenn sich Menschen verbinden, wenn sie gemeinsam ihre Potenziale entfalten, dann entsteht etwas, das mehr ist als Kooperation. Dann können wir von Co-Creation sprechen.“
Der im Buch vorgestellte Prozess der Weiterentwicklung integriert die beiden Ansätze von Kübler-Ross (Change-Kurve analog den Trauerphasen) und die U-Prozedur nach Otto Scharmer. Der Autor macht daraus einen achtteiligen Co-Creation-Prozess, der sich sowohl in der Teamentwicklung, im Einzelsetting als auch in der Selbstreflexion einsetzen lässt. Außerdem ist das Modell zeitlich flexibel und kann von einer sechzigminütigen Arbeitseinheit bis zu einer mehrtägigen Veranstaltung reichen.
Großes Gewicht wird auf ein vertieftes Kennenlernen, die gemeinsame Erarbeitung von Zielen, das Identifizieren individueller Werte und Bedürfnisse und konkreter Maßnahmen gelegt. Ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen Seminaren besteht darin, dass keine Ziele von außen vorgegeben werden, sondern die Gruppe eigene Bedarfe erarbeitet. Kaskadenförmig werden daraus Teilziele entwickelt, die sich an der Matrix „Wollen x Können“ ausrichten: Wie wichtig ist dieser Aspekt für das übergeordnete Ziel? Und wie stark ist unser Einfluss darauf? Ein kurzer Exkurs zu Simon Sineks „Golden Circle“, der Frage nach dem Warum, ergänzt diesen Ansatz sinnvoll.
Im Buch werden Beispiele vowrgestellt, die den Einsatz von Co-Creation verdeutlichen. Auch die Abbildungen sind aussagekräftig und können Anregungen für Seminar-Visualisierungen bieten. Allerdings braucht man einen etwas längeren Atem, um den praktischen Einsatz zu erfahren. Die ersten hundert Seiten sind eher eine theoretische Einführung und hätten mehr Praxisbezug vertragen. Auf den letzten Seiten macht der Autor zudem deutlich: „Um diese Aufgabe professionell ausführen zu können, sollte der Co-Creation-Coach über eine fundierte Co-Creation-Ausbildung und über ausreichend Erfahrung verfügen. Optimalerweise ist der Coach durch Co-Creative zertifiziert.“ Der Werbeblock fehlt also auch nicht.
Insgesamt ein lesenswerter Stoff, der neue Anregungen bietet für eine potenzialorientierte, agile Prozessbegleitung.
Rezension: Horst Lempart, Coach
Michalik, Dr. Georg: Co-Creation. Die Kraft des gemeinsamen Denkens. Verlag Schäffer-Poeschel, ISBN 978-3-79104-809-3
Welches Schema ist für den Klienten in Trigger-Situationen typisch? Die Bildkarten des 75-teiligen Therapiekarten-Sets erlauben einen spontanen, vor allem emotionalen Zugang: So komme ich mir in der auslösenden Situation vor. Aufbauend darauf können die Schemata mit den Hintergrundinformationen auf den Kartenrückseiten bearbeitet werden. Im Anschluss daran bietet die Autorin 18 positive Schemakarten an, um hilfreichere Denkund Verhaltensstrategien mit dem Klienten zu erarbeiten. Sie sollen ihn dabei unterstützen, eine feste Regulationsinstanz aufzubauen, z. B. in Form eines liebevollen Erwachsenen, eines Mutmachers oder eines Beschützers. Im Rahmen einer Schema-Einführung oder Psychoedukation liefern die ersten 15 Karten wichtige Hinweise auf die Grundlagen der Schema-Arbeit. Das hochwertige Kartenset ergänzt die erfolgreiche Kartenserie im BeltzVerlag, die durch ein extragroßes Format, die besonders griffige Haptik und die gute Bildqualität bestechen. Zusammen mit dem äußerst spannenden Ansatz der Schema-Therapie ist daraus wieder ein gut durchdachtes Werkzeug entstanden.
Rezension: Horst Lempart, Coach
Brüderl, Dr. Leokadia: Positive und negative Schemata. 75 Therapiekarten, 32 Seiten Booklet, Beltz-Verlag, ISBN 401-9-17210-036-0
Mit ihrem autobiografischen Buch „Mein Weg aus dem Fegefeuer“ wendet sich Brigitte Kaindl in erster Linie an Opfer sexualisierter Gewalt, die an ihren Erlebnissen verzweifeln.
Die Schilderungen ihrer persönlichen Missbrauchserfahrungen sind drastisch, für Opfer aber sicher nur allzu bekannt. Durch das autobiografische Konzept gelingt es Brigitte Kaindl, das kindliche Erleben und Verhalten der Opfer für Erwachsene nachvollziehbarer zu machen: Die hinterhältige Weise, mit der Täter die Abhängigkeit und Naivität ihrer Opfer ausnutzen und sie manipulieren, wird ebenso deutlich wie das für Nichtbetroffene oft kaum erklärliche, häufig lebenslange Schweigen der Opfer und anderer Zeugen.
Die 1960 in Wien geborene Österreicherin versteht ihr Buch als Trostspender und Ratgeber: „Ich möchte signalisieren: Du bist nicht allein! Kämpfe auch du um dein Glück! Schau, es geht!“ Sie nimmt dabei nicht für sich in Anspruch, die Generallösung für alle Missbrauchsopfer gefunden zu haben.
Brigitte Kaindl hat es geschafft, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Es sei ihr gelungen, schreibt sie, ihre negative, ehemals selbstzerstörerische Energie in Kreativität zu verwandeln. Sie will mit ihrem Buch auch jenen Opfern helfen, die in so jungen Jahren missbraucht wurden, dass ihnen jede bewusste Erinnerung an das Geschehen fehlt, sie aber dennoch massiv leiden.
Die Autorin ermutigt Betroffene, sich professionelle Hilfe zu sichern – nur wenige Menschen seien in der Lage, Missbrauchserfahrungen allein aufzuarbeiten.
Brigitte Kaindl: Mein Weg aus dem Fegefeuer. via tolino media, ISBN 978-3-73944-693-6