Mediation: Schon versöhnt? Oder streitest du noch?
Überall, wo Menschen zusammenkommen und kommunizieren, gibt es Konfliktpotenzial. Konflikte beeinflussen unsere Gefühle, unser Verhalten, unsere weiteren Absichten und natürlich im Endeffekt unsere Beziehungen. Wenn sie nicht in vernünftige Bahnen gelenkt oder auf sachlicher Ebene geführt werden, können sie schnell eskalieren. Spätestens dann haben die Konfliktparteien die Situation nicht mehr im Griff und ein neutraler Konfliktmoderator muss helfen. Sogar schon in der Prävention kann solch eine Person zur Deeskalation beitragen.
Das Wort Mediation wird vom Laien oft mit dem Wort Meditation verwechselt. Darin sieht man, was ein einzelner Buchstabe in der deutschen Sprache anrichten kann. Aber was heißt denn Mediation eigentlich?
Mediation (lateinisch: Vermittlung) ist ein strukturiertes, freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konflikts, bei dem unabhängige „allparteiliche“ Dritte die Konfliktparteien in ihrem Lösungsprozess begleiten (Wikipedia).
Ganz einfach kann man Mediation auch mit „Streitschlichtung“ übersetzen. Wenn Streitigkeiten ausgebrochen sind, kann oft ein neutraler Mediator dabei helfen, eine Einigung zu erzielen. Grundbedingung dabei ist aber zuerst die Bereitwilligkeit beider Seiten, einen Kompromiss finden zu wollen. Denn nur darum geht es. Oder wie man in der vorgerichtlichen Streitschlichtung sagt, einen Vergleich zu finden. Dieser gefundene Vergleich ist dann sogar 30 Jahre nach Protokollierung noch vollstreckbar. Grundsätzlich wird also in vorgerichtliche (formale) und allgemeine (informale) Mediation unterschieden.
Ein vorgerichtlicher Streitschlichter, auch Schiedsperson genannt, ist in den Gemeinden ehrenamtlich tätig. Nicht jeder Streit, der nach einer gründlichen Beratung nicht beigelegt werden kann, muss unbedingt vor Gericht ausgetragen werden. Kosten und Dauer von Gerichtsverfahren müssen hier bedacht werden. In einigen Bundesländern ist ein Schiedsverfahren zum Beispiel in nachbarrechtlichen Streitigkeiten sogar vorgeschrieben. Ähnlich verhält es sich mit den Schiedsstellen im Bereich des Handels oder Handwerks. Die Inanspruchnahme einer Schieds- oder Schlichtungsstelle schließt allerdings eine spätere Anrufung eines staatlichen Gerichtes nicht aus, wenn keine gütliche Einigung erreicht werden konnte.
Mediation bietet aber auch ein strukturiertes, zeitlich begrenztes, zielorientiertes Vermittlungsverfahren in allen Lebenslagen eines Familiensystems. Womit wir nun im Bereich der psychologischen Beratung oder systemischen Therapie wären.
Natürlich kommt es hier öfter zu Streitfällen und Konflikten mit anderen Systemmitgliedern. Gerade wenn man eine systemische Beratung durchführt, fällt immer wieder auf, wie eng die einzelnen Mitglieder eines Systems eigentlich miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Oft kommt man dann an ungelöste Konfliktpunkte oder stellt fest, dass es den Parteien schwerfällt, überhaupt miteinander zu kommunizieren. Aber nur wer miteinander spricht, kann den anderen auch verstehen. Hier setzt die Mediation gezielt an.
Grundsätzlich gliedert sich die Mediation in sechs Schritte:
1. Vorbereitungsphase
Es muss abgeklärt werden, ob auch beide Parteien bereit sind, sich auf eine Streitschlichtung einzulassen. Denn Schlichtung heißt auch immer Kompromissfindung. Ziel ist, die Bereitschaft der Parteien zu wecken, sich auf den Prozess der Mediation einzulassen, und die Parteien grundlegend darüber zu informieren.
2. Einleitungsphase
Mediationsgespräche sollten in einer angenehmen, vertrauensfördernden Atmosphäre stattfinden, in der eine gleichwertige Kommunikation möglich ist. Alle Beteiligten werden (noch einmal) darüber informiert, wie das Gespräch abläuft, dass der Mediator als Moderator den Ablauf gestaltet, die Konfliktparteien selbst jedoch die Experten für den Konflikt sind, die selber entscheiden, ob und wie dieser gelöst wird.
Grundregeln dabei sind
- sich gegenseitig ausreden zu lassen
- nicht beleidigend oder gar handgreiflich zu werden
- ggf. greifen die Mediatoren entsprechend regulierend ein
3. Auftragsklärung oder die Sichtweise der Betroffenen
Wie allgemein auch in der Gesprächstherapie bzw. systemischen Beratung üblich, steht an erster Stelle die Auftragsklärung. Um was soll es eigentlich im Gespräch gehen? Die Kontrahenten stellen hier ihre Sicht des Konflikts dar – ohne dass die Gegenpartei sie unterbricht. Der Mediator hört aktiv zu und stellt ggf. Verständnisfragen. Ist der Auftrag klar zu formulieren oder springt der Klient von einem Thema zum nächsten und kann sich nicht entscheiden, was für ihn am wichtigsten ist? Hier gilt es, klar herauszuarbeiten, um was es eigentlich geht. Außerdem sollte es möglichst nur ein Thema sein, auf das man sich fokussiert. Andernfalls kann es leicht passieren, dass man während der Mediation den roten Faden verliert und man zu keinem Ergebnis kommt. Alle Beteiligten haben sich nun zum ersten Mal gegenseitig zugehört, sie haben durch die Spiegelung die Sicht auf den Konflikt neu gehört und erste Motive sind sichtbar geworden.
4. Konflikterhellung
Mit Unterstützung des Mediators werden nun verborgene Gefühle, Wünsche und Interessen herausgearbeitet. Kernsätze zum Verständnis des Konflikts werden von der jeweiligen Gegenseite zusammengefasst und damit gespiegelt. Grundlage ist hier das aktive Zuhören. So werden Missverständnisse vermieden und von den Positionen im Konflikt der Weg zu den Wünschen und Bedürfnissen der Parteien gefunden.
5. Lösungen entwickeln
Alle Beteiligten überlegen in einem kreativen Prozess gemeinsam, wie sie ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen können und wollen. Für die Lösung tragen alle gemeinsam die Verantwortung. Feinjustierungen erfolgen erst in der Diskussion und Formulierung der Vereinbarung.
6. Einen Kompromiss/Vergleich finden
Die Konfliktparteien einigen sich auf einen Lösungsvorschlag, der ihnen am meisten zusagt. Bei Bedarf – in der obligatorischen Streitschlichtung erforderlich – hält der Mediator die Vereinbarungen protokollarisch fest und lässt sie von allen Betroffenen unterschreiben. Andernfalls wird unter Umständen ein Folgegespräch vereinbart.
In Folgeterminen wird geprüft, ob die Konfliktlösung so tauglich war. Vielleicht müssen noch Korrekturen vorgenommen werden. Dies ist allerdings in der formalen Schiedsverhandlung nicht vorgesehen.
Der Mediator folgt durch den gesamten Prozess dem Prinzip der gewaltfreien Kommunikation und dem aktiven Zuhören. Grundsätzlich muss er von allen Konfliktbeteiligten als Vertrauensperson akzeptiert werden. Natürlich behandelt er alle Informationen vertraulich und sorgt dafür, dass die Parteien das ebenfalls tun. Er ist neutral, unparteilich, darf keine eigenen Interessen vertreten und setzt sich für die Interessen aller Konfliktparteien allparteilich ein. Er darf weder bewerten noch urteilen! Er ist nur für den Gang der Mediationsgespräche verantwortlich und hilft so den Beteiligten, Gefühle und Interessen verständlich auszudrücken. Er sorgt dafür, dass eventuelle Machtungleichgewichte den Prozess nicht stören und achtet darauf, dass realisierbare Vereinbarungen getroffen werden. Zur Not kann er aber auch das Gespräch abbrechen oder vertagen.
Grundsätzlich können im Prozess alle Methoden der Gesprächsführung und Kommunikation angewandt werden, um die jeweiligen Ziele der einzelnen Phasen zu erreichen.
Bedingungslose Wertschätzung
Es sollten beiden Parteien das ausgewogene Interesse und die bedingungslose Annahme der Persönlichkeit entgegengebracht werden. Neutralität ist hier oberstes Gebot. Für beide Parteien soll das Interesse an der Meinung des anderen geweckt werden.
Das aktive Zuhören
Die Sicht der anderen Person soll voll und ganz verstanden werden. Hierzu gehört, das Gesagte zu wiederholen und zusammenzufassen, mit dem Ziel, dass der andere richtig verstanden wird. Der Mediator geht dabei behutsam, empathisch auf jede einzelne Person ein und nimmt sich die Zeit, bewusst zuzuhören.
Allparteiliche Haltung: Beiden Parteien sollte eine neutrale Grundhaltung entgegengebracht werden. Abwechselndes Reden und Zuhören: Nur einer redet, der andere hört zu! Gegebenenfalls muss eine Reihenfolge festgelegt werden.
Ich-Botschaften: Jeder redet von seinen eigenen Erfahrungen und Gefühlen und versteckt sich nicht hinter allgemeinen Anschuldigungen.
Skalierungsfragen: Dadurch können starre Entweder-oder-Positionen aufgeweicht werden. Unterschiede sind in Ordnung und ihre Anerkennung ist Teil der Lösungsfindung.
Nonverbale Kommunikation: Es sollte auf die vertrauensfördernde Atmosphäre geachtet werden. Ausreichender Platz zwischen den Parteien sollte vorhanden sein. Außerdem sollte es den Beteiligten möglich sein, den Abstand zwischen den Parteien selbstständig zu regeln. Entscheiden Sie über die Sitzordnung.
Struktur einhalten: Je konfliktreicher ein Gespräch ist, umso sinnvoller kann es sein, genau die Phasen und die Struktur einer Mediation einzuhalten. Vor allem Visualisierungen wie z. B. die Protokollierung kann hierbei sehr hilfreich sein, da das Vorliegen von niedergeschriebenen Themen oder Ideen verbindlichen Charakter hat.
Einzelgespräche: sind sinnvoll und notwendig, wenn einzelne Aspekte nur ohne „Druck“ der Gegenseite angesprochen werden können.
Brainstorming: ist als zusätzliche Möglichkeit eine kreative Ideensammlung, bei der alle Vorschläge gemeinsam unkommentiert gesammelt und die brauchbarsten zur Weiterarbeit verwendet werden können.
Wann ist Mediation sinnvoll?
Mediation ist eine wichtige Konfliktlö- sungsstrategie. Vor allem, wenn die Streitenden ein Interesse an guten zukünftigen Beziehungen haben und sich Streit in Verstehen verwandeln soll. Und wenn ein Streit komplex ist und der Konflikt nicht oder nur schlecht direkt gelöst werden kann. Natürlich erst recht, wenn die Situation sich ausweglos anfühlt und die Parteien sich in einer Sackgasse befinden.
Grundsätzlich kann das gelingen, wenn alle bereit für diese Art der Konfliktlösung sind und eine einvernehmliche Lösung anstreben.
Iris Klapper
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Praxis für Gesprächstherapie,
Systemische Beratung, Mediation, seit 16 Jahren Schiedsfrau für Maintal bei Frankfurt a. M.
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