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Kommunikation in der Liebe

Neben Attraktivität, Interessantheit, Sympathie und vielem anderen mehr bestehen Liebesbeziehungen aus einer Aneinanderreihung von Gesprächen zwischen zwei Menschen (immer m/w/d). Ob sie überhaupt entstehen, dann fortgesetzt werden und andauern oder wieder aufhören, hängt maßgeblich von den Gesprächen ab, d. h. deren Art, Qualität, Stil und Struktur.

Der Liebe Anfang ist Romantik

Obwohl Männer nur eine sehr, sehr kleine und begrenzte Kapazität für die romantische Liebe haben – und diese daher eher sparsam benutzen – gebraucht der Mann sie ganz beherzt, wenn er erst mal motiviert ist, das Herz einer Frau zu erobern und sie zu seiner Geliebten zu machen.

Dann verwandelt er sich. Er wird fast zu einem „Frauen-Menschen“. Er verzichtet vollends auf das sonst so übliche Konkurrenzgehabe und richtet seine volle Aufmerksamkeit mitsamt seinem Interesse ausschließlich auf die Befindlichkeiten der geliebten Frau. Mit liebevoller Hingabe an ihre Erwartungen tut er alles, um ihr zu gefallen. Er kann in dieser Phase der Eroberung gefühlvolle Gespräche führen und öffnet ihr sogar den Zugang zu seinem Innenleben. Meinungsverschiedenheiten oder gar Konflikte vermeidet er komplett und macht stattdessen eine Fülle von Bestätigungen für ihre Äußerungen und gibt ihr zahlreiche Komplimente. Kurzzeitig wirkt ein Mann dabei als sei er eine Frau – nur mit einer sexuell stark anziehenden anderen Anatomie.

In dieser Phase der anfänglichen Verliebtheit gibt sich ein Mann als großzügiger und opferbereiter Edelmann mit gewinnenden Manieren und ritterlicher Höflichkeit. Von den Freundinnen der betreffenden Frau wird er als zart und einfühlend wahrgenommen, während er in der Welt seiner Kumpels als mutig-starker Kavalier bestaunt wird. Er versteht, das Zusammensein mit der Geliebten zu genießen und mit zahlreichen Heldengeschichten unterhaltsam zu machen. Dabei schindet er natürlich mächtig Eindruck und holt sich dadurch das Maximum an Rendite, nämlich Bewunderung. (Für Frauen: Das ist dieses Aufsehen mit Hochachtung, unter dessen Elixier Männer erblühen, egal welchen Alters.) Leider ist das Ausmaß dieser ergreifenden Liebesfähigkeit begrenzt und bald erschöpft. Immerhin kann dieser Zustand der Verliebtheit 6 bis 18 Monate anhalten und soll das Paar dazu verleiten, Nachkommen in die Welt zu setzen (was viele auch tun).

Am Anfang der Kommunikation sind die Spielgefährten

Wie man Gespräche führt, lernen Jungs von gleichaltrigen Freunden und Mädchen von ihren Freundinnen. Während Mädels einander Geheimnisse anvertrauen, erzählen sich die Jungs Geschichten und Witze. Mädchen suchen die Aufmerksamkeit und Nähe ihrer Freundinnen. Die Boys hingegen sind aus auf Bewunderung, um ihren Status in der Gruppe zu erhöhen. Junge Frauen suchen eher die Kooperation und nicht den Wettbewerb wie ihre männlichen Pendants.

In der Mädchensprache werden die Personalpronomen wir, unser und uns bevorzugt, während die Jungs sehr klar von ich, meiner, mir und mich sprechen. Jungs sprechen einen „report-talk“, d. h. sie erzählen alles, von dem sie glauben, dass es berichtet werden soll, wie der folgende Gesprächsausschnitt veranschaulicht.

Er: „Manu hat heute Nacht ihr Kind bekommen, sie haben es Alex genannt.“

Sie: „Wie geht es ihr denn? Und dem Kind? Ist es jetzt ein Junge oder ein Mädchen? Ging alles glatt bei der Geburt? Oder gab es Komplikationen? Wie groß und wie schwer ist es?“

Er: „Das hat Micha in der WhatsApp nicht geschrieben.“

Sie: „Wieso hast du nicht nachgefragt?“ Er: „Ich denke, Micha hat mir alles geschrieben, was er mir mitteilen wollte. Wenn er möchte, dass ich mehr weiß, hätte er es mich schon wissen lassen.“

Frauen bevorzugen den „rapport-talk“, ihnen geht es mehr um einen guten Kontakt statt um Informationen. Für sie steht der Beziehungs- und Bedeutungssinn im Vordergrund. Sie wollen in Verbindung bleiben, an einer Aufzählung von Zahlen, Daten und Fakten sind sie weniger interessiert. 

Jetzt wird’s komplex

Als wären die Sprechwelten von Männern und Frauen nicht schon unterschiedlich genug, kommen nun auch noch kommunikative Besonderheiten hinzu. Sind Gespräche eh schon ein komplexes System, in dem alles, was gesagt wird, gleichzeitig Aussage und Wirkung bzw. Reaktion und Information ist, beinhalten sie obendrein „verbale Spielereien“ zur Annäherung und Distanzierung.

Nehmen wir als Beispiel den Satz „Meine Mutter haben wir auch schon länger nicht mehr besucht“, so haben wir es mit einer personenbezogenen Information zu tun (Mutter und wir) sowie einer zeitlichen (länger nicht mehr).

Wahrscheinlich hat dieser Satz auch eine Wirkung – ob beabsichtigt oder nicht – und es erfolgt eine Reaktion: „Die dauernden Besuche bei deiner Mutter kosten ganz schön viel Geld, Zeit und Nerven.“ Hier trifft das Spiel „Andeutung“ (zur Annäherung) auf das Spiel „Direktheit“ (zur Distanzierung).

Zwei andere Spiele sind „Höflichkeit“ und „Ehrlichkeit“. Bei Ersterem geht es darum, dass nicht nur die Worte selbst, sondern auch deren Wirkung berücksichtigt werden, sodass sie nicht als sozial unangemessen, gefühllos oder gar grob empfunden werden. Es ist also eine Sache des Benehmens, der Manieren, der guten Sitten und eines guten Stils. Im zweiten Spiel fungiert die Ehrlichkeit als „Regel der Regelmissachtung“ bei Höflichkeitszeremonien zur Tarnung für den willentlichen Verzicht auf Einfühlungsvermögen. „Offen gestanden ...“ heißt dann übersetzt: „Wappne dich, was jetzt kommt, wird ziemlich wehtun.“ Beim Spiel „Fehlinterpretationen“ – natürlich der Intention des anderen und nicht der eigenen – werden böse Absichten und Motive unterstellt, obwohl wir die Logik im Denk- und Kommunikationssystem des anderen nicht erkennen können. Michael Lukas Moeller hat diese Wahrheit in folgende Worte gekleidet: „Ich bin nicht du und weiß dich nicht“.

Dennoch kommen die „Meta-Mitteilungen“ an, denn zum einen macht der Ton die Musik und zum anderen sagen unsere Gespräche immer etwas über die Beziehung aus. WIE wir sagen, WAS wir sagen, vermittelt die eigentliche Bedeutung.

Botschaft: „Wir wollen doch am Wochenende meine Schwester besuchen!?“

Meta-Botschaft: „Ich will das – und ich will, dass du das auch willst!“ Rückfrage: „Willst du das wirklich?“ Meta-Botschaft: „Ich will das ganz und gar nicht. Bitte hilf mir aus der Patsche und sag‘, dass du das auch nicht willst.“

Emotionen sind die Briefträger der Informationen

Wir alle haben ziemlich sensible Messinstrumente für die emotionale Temperatur einer Aussage und diese Fühler sind immer ausgefahren! Damit erkennen wir Vereinnahmung und „Eingemeindungsversuche“. Wir spüren Herablassung, Überlegenheitsgefühle, Anmaßung und Unverschämtheit, aber auch Verbrüderung, Solidarität und Rücksichtnahme. Und ganz oft verkennen wir die Absichten und Motive.

Am Ende einer Paarsitzung fragten wir die Partner, wie sie denn jetzt fühlen und was ihnen grad‘ durch den Sinn geht. Die Frau meinte, dass sie froh ist, dass sie sich beide durchgerungen hatten zu kommen, und nun sei sie erleichtert und sogar hoffnungsvoll. Danach warf sie ihm das Wort zu: „Und du?“ Worauf er sagte: „Dass das so einfach ist!“ Das brachte die junge Dame sichtlich in Verärgerung. Sie wandte sich ihm zu, rutsche im Sessel vor und raunzte ihn an: „Reut dich jetzt das Geld, das diese Therapie kostet? Oder dachtest du, wir kriegen das alleine auch hin?“ Weder das eine noch das andere. Eigentlich meinte er, dass das ganze Gespräch für ihn viel einfacher war, als er sich das vorgestellt hatte, und er nun froh war, dass ihre Probleme nicht unlösbar seien.

Um Missverständnissen vorzubeugen, können wir unsere Absichten durch eindeutige emotionale Zuordnung verdeutlichen. Zum Beispiel hätte der Mann sagen können: „Dass das so einfach ist! Das freut mich.“ Unsere Worte enthalten keine Gebrauchsanweisung – bis wir sie nachliefern, und wenn die emotionalen Fußnoten fehlen, bleiben einem nur intuitive Mutmaßungen – und oft Fehleinschätzungen – auf der Suche nach dem unausgesprochenen Sinn der Worte.

Wenn es aber doch zu Missverständnissen in Beziehungsgesprächen kommt, dann glaubt unser Gehirn sofort, dass es ein Versagen gibt: entweder bei einem selbst oder beim anderen oder in der Beziehung. Das eigentliche Problem liegt jedoch in der großen Unterschiedlichkeit der Sprachwelten.

Sie: „Ich bin mir die ganze Party über wie mitgenommen und abgestellt vorgekommen, weil du dauernd mit einer anderen getanzt hast. Und ich durfte zuschauen.“

Männer und Frauen haben völlig verschiedene Vorstellungen von dem, was interessant ist und erinnert werden sollte. Für Männer zählt die Faktenlage, für Frauen die Gefühlslage.

Sie: „Ich bin mir die ganze Party über wie mitgenommen und abgestellt vorgekommen, weil du dauernd mit einer anderen getanzt hast. Und ich durfte zuschauen.“ Er: „Ich habe auf der Party dreimal mit einer anderen Frau getanzt und zwar jeweils drei Tänze. Drei mal drei Minuten sind nicht mal zehn Minuten. Und bei drei Tanzpartnerinnen sind das gerade 30 Minuten – also nicht ‚die ganze Party über‘!“

Das Begriffs- und Erinnerungsvermögen ist bei Männern und Frauen auf unterschiedlichen Gebieten ausgebildet und das beeinflusst, was der Einzelne vergisst und behält. Für eine Frau ist alles, was gesagt wird, ein Ausdruck von Gefühlen. Zusätzlich ist das menschliche Gehirnradar beim defensiven Zuhören auf Intentionen ausgerichtet: „Warum sagt er/sie das, was er/ sie da sagt?“ Wir finden immer zahlreiche Bedeutungshinweise in der jeweiligen Kommunikationsart und Sprechweise des anderen: „Er/sie will mich treffen. Was sonst soll das bedeuten?“ Und so kommt es zu völlig unterschiedlichen Versionen von ein und demselben Verhandlungsverlauf. Statt die Schuld immer auf den anderen zu schieben, wäre es besser, die Ursachen in den Kommunikationsprozessen zu sehen.

Frisch Verliebte umwerben einander aus einer Position der Distanz und suchen aufmerksam nach Anzeichen der Annäherung. In langjährigen Liebesbeziehungen hingegen sucht und findet man Verfehlungen, die kaum sonst jemand sieht. Denn man befindet sich ja schon in beidseitiger Nähe und hält daher eher argwöhnisch Ausschau nach Hinweisen, ob der andere sich nicht entfernen will. Das Problem ist, dass man wahrscheinlich findet, was man sucht. Und dann geht es los.

Kommunikation in problematischen Beziehungssituationen

Eine der am weitesten verbreiteten Kommunikationsformen, denen sich Männer im Konfliktgespräch mit Frauen ausgesetzt fühlen, sind „Schnellfeuerfragen“. Hier wird ein berechtigtes Interesse zum Verhör. Wenn er sich dann anschließend noch mit seinem besten Kumpel im Pub trifft, kann es passieren, dass der ihn fragt: „Na? Hattest du heute wieder mal ein Gespräch mit ‚Miss FBI‘ zu Hause?“

Es gibt die Redewendung, dass man eine Salami nicht im Stück essen kann. Das stimmt wohl. Dummerweise denken viele Menschen, dass es sich mit der Wahrheit wie mit der Salami verhält, und so servieren viele Menschen die Wahrheit „scheibchenweise“, Nicht die volle Wahrheit auf einmal, sondern nur immer so viel Wahrheit, wie man glaubt, dass der andere – und man selbst – es vertragen kann.

Doch hier liegt ein Irrtum vor, denn entweder mutet man dem anderen nicht zu, was man ihm schon längst zugemutet hat (durch die bereits geschehene ungute Tat) – der andere weiß nur nichts davon. Oder man will sich selbst nicht zumuten, was man dem anderen schon längst zugemutet hat. Meist ist das Schlimme ja schon passiert und bloß noch nicht ans Licht gekommen. Der andere empfindet so ein Verhalten meist als Vertrauensbruch und fühlt sich belogen und betrogen.

„Ja, mir tut es auch leid ...“. Was genau will uns solch ein Satz eigentlich sagen?! Handelt es sich um ein solidarisches Miteinstimmen in die Klage? „Tut mir aufrichtig leid, dass ich dir mit meiner Art so viel Kummer und Schmerz bereite.“ Oder: „Ja, mir tut es auch leid, dass ich leide – unter dir ...“.

„Und wenn du nicht das ... dann hätte ich nicht das ...“. So machen wir andere dafür verantwortlich, wie wir auf sie reagieren. Dennoch behält eines seine Gültigkeit: Selbst, wenn in Liebesbeziehungen beide zu 50 % an einer Misere beteiligt sind, so sind doch beide auch zu 100 % für ihr eigenes Verhalten verantwortlich und nicht nur der andere.
Und dann wäre da noch die Kritik
Jede Kritik enthält die Meta-Botschaft „Mit dir stimmt doch etwas nicht!“ Einige Beispiele gefällig?

Da wäre zum Beispiel das nörgelnde „Du machst das aber nicht so wie ich.“ Die Meta-Botschaft hört sich so an: „Du Verräter!“ Oder: „Ich will dir doch nur helfen.“ (Die innere Antwort: „Ja, darauf kann ich verzichten!“), denn die Meta-Botschaft lautet: „Offensichtlich bist du zu dumm.“

Selbst Lobreden eignen sich: „Schau mal, wie schön deine Schwester ihr Zimmer aufgeräumt hat.“ Da könnte man auch gleich die Meta-Botschaft hinterherschicken: „So kriegst du das nie und nimmer hin.“ Auch unscheinbare Fragen wie „Machst du das immer so?“ und „Ich hab‘ doch nur gefragt!“ enthalten eine Meta-Botschaft, nämlich: „Wie kann man nur!“

Und zu guter Letzt noch die Tarnkappenkritik: „Ich wollte doch nur, dass du weißt.“ Sie enthält die Meta-Botschaft: „Ich wollte dir einen mitgeben und hoffentlich hab‘ ich dich damit schmerzlich getroffen.“

Jeder neue Schlag trägt die Wucht der vorangegangenen Schläge in sich, und das ist es, was es auf die lange Dauer und Sicht so schlimm macht. „Ich habe ihn/sie geheiratet, weil er/sie mir durch seine/ihre Zuwendung das Gefühl gab, ein wunderbarer Mensch zu sein. Doch mittlerweile bin ich durch seine/ihre Verbesserungsbestrebungen völlig verschlissen.“

Der amerikanische Beziehungswissenschaftler John Gottman hat vier destruktive Kommunikationsverhaltensmuster beschrieben, die er die „apokalyptischen Reiter“ nennt. In der Offenbarung des Johannes kündigen sie den nahenden Weltuntergang an, und bei John Gottman lassen sie den Untergang einer Liebesbeziehung bedrohlich näher rücken.

Der erste Reiter ist bei ihm Kritik, und damit meint er, dass man nicht nur sagt, was einen stört, sondern darüber hinaus auch noch etwas Negatives über den anderen als Mensch äußert. „Schon wieder liegen überall deine Sachen rum – du bist wirklich ein Schlamper.“ Nach Gottman ist dies ein Angriff auf die Persönlichkeit und Würde. In langjährigen intimen Beziehungen kann Kritik ein Mittel sein, mit dem man sich vor zu viel Nähe und Verbundenheit schützen möchte, insbesondere dann, wenn wir uns in unserer Individualität bedroht fühlen. Kritik könnte aber auch ein Produkt von Vertrautheit sein, nur dann muss es in einer konstruktiven Gestalt daherkommen.

Kritik durch Feedback ersetzen

Kritik ist die Kunst der Beurteilung. Und darin versteckt sich das Problem. In jeder Kritik steckt ein Urteil. Mit einem negativen Urteil über einen anderen können wir uns selbst zwar aufwerten, aber der Beurteilte wird das gar nicht so gut verknusen können – schließlich ist er ja der Abgewertete. Niemand wird gern beurteilt oder gar verurteilt. Und doch passiert es ständig.

Studien zufolge benötigt das menschliche Gehirn gerade mal eine Zehntelsekunde, um ein Urteil über einen Menschen zu fällen. Es macht etwas mit unserem Selbstwertgefühl, wenn laufend über uns geurteilt wir. Wir schämen uns dann, wir selbst zu sein. Die Urteile anderer beeinflussen, ob wir uns selber gernhaben können oder ob wir uns so, wie wir sind, nicht liebenswert oder sogar falsch fühlen. Ein Urteil sagt uns: So, wie wir sind, sind wir offensichtlich nicht richtig.

Feedback geben ist etwas ganz anderes. Feedback bezieht sich nicht auf das SEIN als Person, sondern bloß auf das TUN. Feedback geben bedeutet, einen anderen darüber in Kenntnis zu setzen, wie ich das, was ich von ihm gerade hörte, verstanden habe oder wie ich sein Verhalten erlebt und empfunden habe, wie dies auf mich gewirkt hat, wie ich es aufgefasst habe und welche Gefühle es in mir hervorgerufen hat. Das ist, was ein Feedback ist: eine Rückmeldung.

Damit Feedback überhaupt ankommen kann und angehört wird, muss es in ICH-Sprache formuliert sein, sonst scheitert es meist schon an der Grund-Defensivität eines Menschen. Wie so etwas aussehen kann, zeigen wir im Folgenden: Eine einfache Feedback-Methode: S.A.G. E.S.

S Situation A Auswirkung G Gefühl E Erfragung S Stillsein und zuhören

Beispiel: „In der Situation heute Morgen (= konkretisieren beugt der Neigung zum Verallgemeinern vor), als ICH dich im Auto habe warten lassen und ICH mir dafür einen Anpfiff eingefangen habe, hatte ICH den Eindruck bzw. hat das auf MICH gewirkt (Auswirkung), dass ICH gerade wie ein Viertklässler behandelt werde. Und Ich habe mich richtig klein gemacht gefühlt.“ Jetzt erst kommt die Wendung zum DU (Erfragung): „Was wolltest du MIR damit eigentlich zu verstehen geben?“

Und jetzt still sein, zuhören und bloß nicht die Stille unterbrechen, bis der andere etwas geantwortet hat.

Meist entspinnt sich daraus ein konstruktives und versöhnliches Gespräch.

Feedback mit „Wie jetzt?“

Beispiel: Als ein Mitarbeiter von seinem Chef zu hören bekam, dass er sich nicht mehr vorstellen könne, ihn in seinem früheren Bereich einzusetzen, fragte jener: „Wie jetzt?! Habe ICH das gerade richtig verstanden? Wollen Sie MIR etwa sagen, dass ICH MEINE Fähigkeiten eingebüßt habe und dort nicht mehr zu gebrauchen bin?! Oder wie meinten Sie das eben?“ (Mit diesem Satz wird der Ball wieder zurückgespielt und der andere kann präzisieren, was er eigentlich meinte.)

Er: „Ich habe auf der Party dreimal mit einer anderen Frau getanzt, und zwar jeweils drei Tänze. Drei mal drei Minuten sind nicht mal zehn Minuten. Und bei drei Tanzpartnerinnen sind das gerade 30 Minuten – also nicht ‚die ganze Party über‘!“

Diese Kommunikationsfi gur eignet sich als Zugang zu einem tieferen Nachdenken, Präzisieren, Zurückrudern oder einem besseren Verständlichmachen. Es geht darum, zunächst die Aufregung und damit das Gesprächstempo herunterzubremsen und die Interaktion zu verlangsamen. Das ist der größte Nutzen dieser Einstiegsfrage. Anstelle von „Wie jetzt?“ eignen sich auch „Entschuldigen Sie“ oder „Wie bitte?“ oder „Warten Sie bitte mal“ oder „Was?“ oder „Moment mal“ oder „Wie war das?“ Das ist der erste von drei Teilen dieser Gesprächsfigur. Teil 2: „Habe ich das richtig verstanden, dass ...“ „Wollen Sie/willst du etwa sagen, dass ...“ Und nun kann und sollte man geradeaus und klar sagen, was einem da jetzt quer sitzt, z. B. „... dass ich zu nichts mehr zu gebrauchen bin?“

Und bitte keine Angst und Sorge, es folgt ja noch Teil 3: „Wie war das denn jetzt gemeint?“ bzw. etwas höflicher: „Oder wie meinten Sie/meintest du das gerade?“ Bitte beachten! Diese Kommunikationsgestaltung besteht aus drei Teilen – genau wie H2O – ein oder zwei Elemente ergeben noch kein Wasser. Alle drei gehören zwingend zusammen!

Die Kurzform könnte einen Konflikt heraufbeschwören, wie in dem folgenden Beispiel: „Sag mal, wo hast du denn das Fleisch gekauft?“ – „Wie jetzt?! Schmeckt es dir etwa nicht?“

Feedback mit „Mich wundert ...“

Diese Gesprächsfigur besteht aus zwei Teilen, die genauso zwingend zusammengehören, der Teil drei ist optional: „MICH wundert, dass ... (Teil 1) und ICH frage MICH, ob ... (Teil 2)“ oder „Seltsam, dass ... und ICH frage MICH, ob ... was meinst du? (Teil 3)“. Hier geht es um eine frische Neugier auf die Hintergrundgeschichten, denn alles hat seine Vergangenheit. Es geht um Anteilnahme, Empathie und Interesse. Menschen fühlen sich nämlich hingezogen zu Leuten, die sich tatsächlich für einen interessieren. Das schafft Verbundenheit, die Bereitschaft zu Offenheit, und es kommt etwas in Bewegung.

Kommunikationsfiguren müssen eingeübt werden, um sie zu beherrschen, wenn sie dann später im Ernstfall gebraucht werden. Am besten ist es, sich mit eher unverfänglichen Themen anzunähern und die Satzteile einzusprechen bis sie sitzen – so wie Schauspieler das mit ihren Texten machen. Beispiel: „Seltsam, dass keine Bienen mehr kommen, wenn wir auf dem Balkon Kuchen essen. Ich frage mich, ob die Spezies wirklich schon bald ausgestorben sein wird“. Oder: „Mich wundert, wie es von einem Tag auf den andern so brutzelnd heiß wird und ich frage mich, ob das der Klimawandel ist oder bloß ein Hitze-Zyklus, wie es ihn seit vielen Jahren schon immer gegeben hat und der in den Geschichtsbüchern als Dürre auftaucht. Was meinst du?“

Er zu ihr: „Ich wundere mich, dass du viele Dinge auf den letzten Drücker machst, und frage mich, ob du den Druck brauchst, damit du in einen gewissen Flow kommst.“ Antwort von ihr: „Ich glaube, ich funktioniere wie eine Orange oder Zitrone: Ich brauche eine gewisse Vorlaufzeit, damit die Dinge in mir zur Reife kommen können, und dann den Druck, damit der ganze Saft aus mir herauskommen kann.“

Auch konfrontative Dinge können auf diese Weise angesprochen werden: „Seltsam, dass du mit schwierigen Themen erst nach dem zweiten Bier rausrückst. Ich wundere mich schon länger darüber und frage mich, ob du dir irgendwie Mut antrinken musst. Mach‘ ich dir denn so viel Angst? Oder was ist das?“

Sie zu ihm: „Mich wundert, dass du immer nur so viel zugibst, wie eh schon aufgeflogen ist, und ich frage mich, ob da noch mehr auffliegen wird. Womit habe ich zu rechnen?“

Er zu ihm: „Seltsam, dass Sie so derbe Scherze mit Ihrer Frau machen. Mich wundert, dass Sie daran so einen Spaß haben, und ich frage mich, ob Sie gar nicht merken, wie sehr Sie sie damit verletzen.“ Er zu seinem Freund: „Ich wundere mich, dass ich dir wegen dem Geld nachlaufen muss, und frage mich, ob es klug ist, dir noch einmal etwas zu leihen.“

Im Redaktionsteam: „Seltsam, dass Sie schon wieder eine meiner Ideen für Ihre ausgegeben haben. Ich frage mich, ob Sie das mit Absicht tun oder gar nicht merken, was Sie da tun.“

In der Gesellschaft: „Mich wundert, dass keiner protestiert, und ich frage mich, ob das alles schon egal ist.“

Wir hoffen, dass in all diesen Beispielen deutliche geworden ist, wie wichtig eine ICH-Sprache für das Gelingen von Feedback ist.

Und beim Einüben und Anwenden wünschen wir Ihnen viel Freude und Gelingen.
Literatur
Dietrich Schwanitz: Männer: Eine Spezies wird besichtigt. Deborah Tannen: Du kannst mich einfach nicht verstehen. Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden. Deborah Tannen: Das hab‘ ich nicht gesagt! Kommunikationsprobleme im Alltag. James E. Ryan: Wait, What? and Life‘s Other Essential Questions (YouTube: https:// www.youtube.com/watch?v=bW0NguMGIbE) James E. Ryan: Wie jetzt?! Und andere entscheidende Fragen des Lebens.

Herbert und Gisela Ruffer Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Paar- und Psychotherapie in Landshut, Wochenend-Intensivtherapie für Einzelpersonen und Paare
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