Skip to main content

Neue Ansätze der ambulanten psychologischen und psychiatrischen Versorgung

Das Gesundheitsministerium plant und strukturiert gerade die Gesundheitsversorgung um. „In Deutschland gäbe es zu viele stationäre und unnötige Behandlungen, weil Krankenhäuser unter zu großem wirtschaftlichem Druck stünden. Das müsse sich im Sinne der Patienten ändern“ (Bundesministerium für Gesundheit, 2023).

Hinsichtlich dessen stellt sich diese Frage auch in Bezug zu den stationären Aufenthalten in Psychiatrien. „Auf der anderen Seite belegen umfangreiche Studien (z. B. Wampold, 2001), dass die Wirkung von Psychotherapie weniger auf spezifische therapeutische Techniken, sondern vor allem auf sogenannte kontextuelle Faktoren zurückzuführen ist.“ (therapie.de).

Hierbei stehen die Beziehung und das Vertrauen zwischen Therapeuten und Patienten (immer m/w/d) im Vordergrund. Dazu zählt die Persönlichkeit genauso wie das Vertrauen in den Therapieerfolg. Aus diesem Grund können verschiedene Therapieverfahren passend zu Patienten angeboten werden. In Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien sind nur vier bis fünf Therapieverfahren anerkannt. Österreich hingegen erkennt zweiundzwanzig Therapieverfahren an und Finnland, die Tschechische Republik oder Slowenien mehr als fünf, aber weniger als zweiundzwanzig. Belgien, Dänemark, Frankreich und Portugal haben hingegen keine offiziell anerkannten Therapieverfahren (therapie.de). In Frankreich wird nicht nur die Psychotherapie zur Behandlung von Patienten angeboten, sondern es werden auch Beratungen, Coachings, allgemeine Lebenshilfe und Sitzungen zur Persönlichkeitsentwicklung zur Verfügung gestellt.

Bei der allgemeinen Lebenshilfe geht es z. B. um Trennung, Migration und Flucht, Gewalt, Arbeitslosigkeit.

Die Persönlichkeitsentwicklungsangebote beinhalten die Persönlichkeitsveränderung, Reifung, Stärkung und sollen den Menschen innerlich wachsen lassen (Sonnenmoser).

Bei der Therapie überwiegt die Psychoanalyse in Frankreich, trotzdem werden gerne neue Therapieansätze entwickelt, „… sodass von einer kreativen, experimentierfreudigen Psychotherapieszene gesprochen werden kann“ (Sonnenmoser). Wie lässt sich in Deutschland die stationäre Versorgung umstrukturieren und können manche Aufenthalte reduziert werden und einige Angebote besser ambulant oder in Form von Coachings erfolgen? Dieser Beitrag möchte aufzeigen, wie effektive stationäre und ambulante Behandlungen in Deutschland von vornherein strukturiert erfolgen können. Akutaufnahme

Die Akutaufnahme könnte vor Ort anders aufgebaut und strukturiert werden. Leider fehlt gerade bei der Erstaufnahme die Zeit für die Patientengespräche. Dies liegt oft am Personalmangel. Doch gerade hier sollte der höchste Zeitfaktor bei der Behandlung liegen. Denn die Patienten sollten erst einmal kennengelernt werden, die Belastungen oder Erkrankungen erfragt, diagnostiziert und eingeordnet werden. Danach sollte in der Behandlungszeit bei Gesprächssitzungen und Therapieangeboten überprüft werden, ob die Belastungen oder Erkrankungen in dieser Form vorliegen und weitere Schritte der Behandlung geändert oder weitergeführt werden.

Bei dieser Akutaufnahme dienen die Therapieangebote und Gespräche der Diagnoseerstellung und der Einordnung der Patienten. Ab der erstellten Diagnose sollte überlegt werden, ob ein stationärer Aufenthalt nötig ist oder die Patienten eine ambulante Therapie oder ein Coaching brauchen. Bei stationären Aufenthalten sollte noch differenziert werden, ob ein weiterer Verbleib in der Akutpsychiatrie sinnvoll ist oder die Patienten direkt in Fachkliniken überwiesen werden können und ein Transport bereitsteht.

Zum Beispiel wäre es bei einer Traumatherapie sehr wichtig und sinnvoll, die Patienten direkt in die jeweiligen Trauma-Fachkliniken oder Trauma-Ambulanzen zu vermitteln. Einordnung
– Patienten mit Belastungen – Patienten mit leichten Erkrankungen – Patienten mit manifesten psychischen Erkrankungen – Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen – Patienten mit geistiger Beeinträchtigung – Gewalttäter mit psychischen Erkrankungen

Hierbei sollte unterschieden werden, ob die Belastungen nur vorübergehend sind oder sich dadurch z. B. schon Persönlichkeitsoder Verhaltensstörungen entwickelt haben oder es sich um andauernde oder gar chronische Erkrankungen handelt.

Stationsaufbau in Psychiatrien mit Vermittlung ins ambulante Setting Station1: akute Aufnahme und von dort nach Diagnoseerstellung die Vermittlung in ein ambulantes Setting, einen stationären Aufenthalt oder eine Fachklinik 

Station 2: stationärer Aufenthalt für Personen mit Belastungen, schweren Schicksalsschlägen, Umgang mit Beeinträchtigungen, Depressionen, suizidalen Personen, Personen in Trauer, Angstpatienten

Bei dieser Station sollte unbedingt bedacht werden, dass Patienten mit anderen Krankheitsbildern nicht auf diese Station dürfen, denn dies könnte den Belastungsfaktor und die Erkrankung der Patienten sehr negativ beeinflussen und verschlechtern. Patienten dieser Station haben Belastungen erlebt, die sich noch nicht zu einer Erkrankung manifestiert haben und deshalb sehr gut behandelt werden können, sodass diese vollständig abklingen können. Hier sollte nur einfühlsames Personal arbeiten. Es sollte viele Gesprächsangebote und Therapien geben, die das Selbstkonzept, das Selbstwertgefühl, das Attributionskonzept stärken, Regulierungsmechanismen in speziellen Situationen oder Schicksalsschlägen vermitteln.

Die Patienten sollten gestärkt ins Leben zurückkehren und eigenständig handeln können, sich selbstständig regulieren können, wenn schwierige Situationen auftreten. Die Station 2 sollte warmherzig, fröhlich und stärkend gestaltet sein. Es sollte eine Wohlfühlatmosphäre zu spüren sein, die Freude und Lust auf das Leben macht.

Diese Station lässt sich auch sehr gut mit der ambulanten Therapie für Personen mit Belastungen und den Wohnprojekten der Kliniken verbinden.
Station 3: für suchterkrankte Personen und Patienten mit leichter Schizophrenie sowie weitere psychische Erkrankungen, die zu diesen Krankheitsbildern passen Station 4: für schwere Erkrankungen und geistige Beeinträchtigungen

Station 5: für gewaltbereite Patienten. Diese sollten auf einer eigenen Station untergebracht oder in spezielle Fachkliniken verwiesen werden.

Die Aufteilung ist von enormer Bedeutung, da in Akutpsychiatrien alle Krankheitsbilder zusammen auf Stationen untergebracht sind und Personen mit Belastungen oder leichten Krankheitsbildern sehr unter den anderen Krankheitsbildern und Gewalttaten leiden, was ihren Grund der Therapie erheblich negativ beeinflussen und den Verlauf massiv verschlechtern kann, was wiederum einen längeren Krankheitsverlauf nach sich ziehen kann.

Therapieangebot
Zusätzlich sollte es mindestens eine Person auf jeder Station geben, die in der Akkulturationspsychologie mit interkultureller und transkultureller Kompetenz ausgebildet ist sowie Gespräche zu Rassismus- und Rechtsradikalismus-Erfahrungen anbieten kann. Sollte dies von der Qualifizierung des Personals nicht umsetzbar sein, wäre es auch gut, wenn ein bis zwei Psychiater oder Psychologen die Gesprächsangebote im gesamten Haus auf allen Stationen übernehmen. Wichtig ist, dass es in jeder Psychiatrie diesbezüglich ein Therapieangebot gibt. Das Therapieangebot sollte eine entwicklungspsychologische, sozialpsychologische und akkulturationspsychologische Sicht in einem Ganzheitskonzept vereinen und sich nach der geistigen, seelischen und körperlichen Entwicklung der Patienten ausrichten. Dieser Ansatz sollte den Patienten vermittelt werden und aktiv mit ihnen gemeinsam an ihrer Entwicklung gearbeitet werden. Im Fokus der Therapie stehen die Entwicklung der Patienten und ein gesundes Leben. Therapien haben das Ziel, eigenständige, mündige Klienten zu entlassen und ins Leben zurückzuführen, die auch schwierige Situationen selbstständig bewältigen können und gestärkt im Leben stehen. Dies sollte nachhaltig angelegt sein und sich im Alltag einbauen und umsetzen lassen, sodass sich das Verhalten und die Persönlichkeit positiv verändern und stärken.

Dabei ist es sehr bedeutsam, den Patienten eine Struktur für den Tagesablauf und eine gesunde Ernährung sowie Lebensweise zu vermitteln. Bei der Ernährung sollte darauf geachtet werden, dass die Nahrung kostengünstig ist (je nach Einkommen der Patienten), leicht herzustellen, gesund und vor allem glücklich machen sollte.

Dabei sollten auch die Medikamente und ihre Nebenwirkungen sowie Vorerkrankungen beachtet werden. Die Ernährung sollte auf alle vorliegenden Erkrankungen individuell zu Patienten erstellt werden und auch präventiv andere mögliche zukunftsnahe Erkrankungen miteinbeziehen und somit die Auftretenswahrscheinlichkeit reduzieren. Hierbei sollte auch ein individuell passendes Bewegungs- oder Sportangebot konzipiert werden.

Patienten sollten sich in der Therapie immer mit diesen Fragen beschäftigen:
– Was macht mich glücklich?
– Was entspannt mich? – Wer bin ich?
– Wer möchte ich sein?

Was muss ich dafür an mir ändern? Wie kann ich dies an mir ändern? – Was sind die Stressauslöser in meinem Leben? Und wie reagiere ich darauf? Was gibt es in diesen Situationen für Regulierungsmechanismen für mich? Ziel der Therapie sollte sein, dass Patienten zu Hause alles eigenständig weiterführen können, was während der Therapie besprochen oder erarbeitet wurde. Diesbezüglich wäre es sinnvoll, ihnen einen Ordner auszuhändigen, der die einzelnen Arbeitsschritte der Therapie, ihre Erfolge, aber auch die Rückschläge, und dem jeweiligen Umgang damit, enthält. Zusätzlich sollten noch weitere Aufgaben und Übungen aufgezeigt werden, sodass zu Hause noch an weiteren Punkten gearbeitet werden kann.

Eigene Energiequellen

Patienen können für sich selbstständig ein Buch anlegen. – Was ist mir heute Positives passiert?

– Worüber habe ich mich gefreut?
– Was hat mich glücklich gemacht? Diese Fragen sollten täglich schriftlich beantwortet werden. Am Sonntag sollten die Patienten dann in den Park, auf den Balkon, in den Garten gehen oder sich in den Sessel zu Hause kuscheln, vielleicht mit einem Tee oder Kakao. Und dann die Woche reflektieren, indem von Montag bis Sonntag alles Notierte gelesen wird, sich erinnert wird, die Glücksgefühle dieser Wochenmomente im Herzen und Gesicht zu spüren sind und darüber reflektiert und gestrahlt wird.

So wird einem bewusst, wie viele besondere und schöne Freudens- und Glücksmomente die Woche einem geschenkt hat, und am Sonntag können alle in einer glücklichen Wohlfühlatmosphäre noch einmal erinnert, erlebt und gespürt werden. Dadurch lernen Patienten das Gute und Schöne wahrzunehmen, es zu fühlen und Freude für diese Augenblicke zu empfinden.

Zudem erkennen sie, was sie glücklich oder fröhlich macht. Die Aspekte, die sie glücklich oder fröhlich machen, sollten vermehrt in ihr Leben eingebaut, bewusst gelebt und erlebt werden.

Wenn sie Spaziergänge im Park glücklich machen, dann sollten diese regelmäßig in den Tages- oder Wochenablauf eingebaut werden. Wenn diese Spaziergänge regelmäßig stattfinden, sollte den Patienten zudem aufgezeigt werden, wie sie diese noch bewusster erleben können, indem sie achtsam auf das Rascheln der Blätter achten, die Luft tief ein- und ausatmen, das Farbenspiel jeder Jahreszeit genießen, die Geräusche um sich herum aufnehmen. Dabei sollten sie die Augen schließen und spüren, wie ihr Herz sich mit Freude oder sogar mit Glück füllt und ihr ganzer Körper entspannt, und sie sollten spüren, wie gestärkt sie sowohl seelisch als auch körperlich aus diesem Spaziergang im Park herausgehen.

Das Ziel ist es, die eigenen Energiequellen zu finden und diese regelmäßig aufzusuchen, um voller Energie, Kraft und Aktivität zu sein. Jeder Patient kann mehrere unterschiedliche Energiequellen aufzeigen. So kann es am Montag der Spaziergang im Park sein, am Mittwoch zu Hause Musik hören, mitsingen und tanzen, am Freitag schwimmen gehen, das Wasser spüren und am Sonntag Personen besuchen, die ihnen viel bedeuten und weil der Kontakt sowie die gemeinsame Zeit ihnen guttut.

Ambulantes Belastungszentrum

Ein ambulantes Belastungszentrum, außerhalb von Kliniken, könnte ausschließlich die ambulante Versorgung abdecken. Gerade aktuell, durch alle Weltkrisen oder innerdeutsche Probleme wurde aufgezeigt, dass die Anzahl der psychischen Erkrankungen gestiegen ist.

Aus diesen Gründen und für die Versorgung der Gesamtbevölkerung wäre es sinnvoll, gezielte Coachings, Trainings und Therapien anzubieten. Hierbei würde es auch um Persönlichkeitstrainings gehen, die der Selbstoptimierung dienen. Dazu muss nicht gleich eine Therapie begonnen werden. Auch bei Belastungen könnte geschaut werden, welche Trainings und Coachings helfen würden oder ob eine Therapie sinnvoll wäre.

Wichtig hierbei wäre die Abrechnung der Angebote und Diagnosen bei den Krankenkassen. Während in Deutschland bei einer Therapie gleich der Bezug zu Krankheit gezogen wird, ist in anderen Ländern die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit, dem Verhalten und dem Selbstkonzept positiv gewertet. Dies wäre auch für die berufliche Weiterbildung notwendig, da auch bei der Verbeamtung Vorerkrankungen eine Rolle spielen.

Gerade bei Angeboten für Kinder und Jugendliche wären Coachings und Trainings von Vorteil, da sie nicht in jungen Jahren schon direkt eine Therapie angehen müssten. Zumal bei ihnen eher ambulant als stationär gearbeitet werden sollte, solange die Belastung oder die Krankheit dies ermöglicht.

Auch bei Antiaggressions-Trainings und Antigewalt-Trainings könnte es eher positive gewertete Angebote zur Stärkung des Selbstkonzepts, und des Verhaltens geben, sowie das Lernen von Nähe und Distanz und sozialer Interaktion. Auch bei Rassismus-, Rechtsradikalismus könnte eher mit Trainings oder Coachings gearbeitet werden statt in Therapieform.

Gerade bei der interkulturellen oder transkulturellen Therapie bieten sich Persönlichkeits- oder Akkulturationstrainings und Coachings für Personen mit Migrationshintergrund, aber auch der Aufnahmegesellschaft an. Diese Angebote würden den stationären Ablauf komplett entlasten, die Klienten stärken und dabei helfen, dass sie erst gar nicht eine stationäre Versorgung benötigen, sondern gesund, gestärkt und aktiv im Leben sind.

Räume der Kliniken oder der ambulanten Versorgung

Für die Patienten sollte es Entspannungsräume, Chillplätze, Gruppenangebotsräume, Fitnessräume, Sporträume, Gemeinschaftsräume, Kreativräume, Küchen und Speiseräume, Gärten, Gesprächsräume mit einer Atmosphäre der Gesprächsoffenheit, kleine Bibliotheken mit Literatur – auch Fachliteratur in Form von Ratgebern zu bestimmten Themen, geben. Dabei sollten die Räume freundlich und lebensfroh gestaltet sein. Farben, Pflanzen, Wasserbrunnen liefern eine entspannende Wohlfühlatmosphäre. Bei speziellen Kliniken mit Platz und Ausrichtung wäre auch ein Schwimmbad sinnvoll.

Aber auch die Räume des Personals sollten in die Planungen miteinbezogen werden. So sollten sie einen Pausenraum mit Kochgelegenheit, Besprechungs- und Arbeitsräume, Weiterbildungsraum, Kreativräume, Entspannungsräume, aktive Pausenräume, Schlafräume bei Nachtschichten vorfinden. Ihre Pausen sollten der Essensaufnahme, der Entspannung, aber auch der Aktivität dienen. Die Pausen sollten aktiv gestaltet werden.

So können einmal in der Woche Fitnesstrainer vorbeischauen und mit dem Personal trainieren oder es werden Firmenrabatte mit Fitnessstudios vereinbart und das Personal kann dort vergünstigt an der Gesundheit und Fitness arbeiten.

Es kann aber auch z. B. jeden Mittwoch gemeinsam gejoggt werden. Dies steigert den Gesundheits- und Fitnesszustand des Personals, die Aktivität, die Motivation und den Zusammenhalt. Es kann auch einmal in der Woche oder im Monat ein gemeinsames gesundes Frühstück geben.

Sina Guettaf Sportwissenschaftlerin, Pädagogin, freiberufliche Autorin
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.