Vom Randthema zur Volkskrankheit: Zahl psychischer Erkrankungen nimmt ungebremst zu
Psychische Störungen und Erkrankungen entwickeln sich zu einem immer drängenderen Problem. Vor 2019 waren psychische Erkrankungen in der offiziellen Statistik eher ein Randthema. Doch seit der Pandemie hat sich die Situation dramatisch geändert: Die Zahl krankheitsbedingten Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen stieg zwischen 2019 und 2024 um mehr als 50 % [1]. 2024 gingen 17,4 % aller Krankheitstage auf psychische Störungen zurück. Insgesamt fielen 342 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherte an, wobei Depressionen mit 182,6 Tagen die Hauptursache waren [1]. Ohne Gegenmaßnahmen drohen neben zunehmendem individuellem Leid negative Einflüsse auf die Produktivität und weiter steigende Kosten.
Insbesondere Depressionen und stressbedingte Anpassungsstörungen dominieren die Statistik: 60 % der Diagnosen entfallen auf depressive Episoden, 25 % auf Angststörungen, 15 % auf Burnout und Anpassungsstörungen.
Die Gründe für den dramatischen Anstieg sind vielfältig. Die Digitalisierung hat viele Jobs beschleunigt und flexibilisiert – Fluch und Segen zugleich. Homeoffice isoliert, der ständige Informationsfluss führt zu Reizüberflutung. Kollektive Krisen wie Pandemie, Kriege und Klimawandel verstärken Angst und Unsicherheit. Informationsdruck spielt ebenfalls eine Rolle: Das permanente Scrollen führt zu Vergleichsstress und verstärkt das Gefühl, ständig reagieren zu müssen. Viele Menschen haben keine Zeit für Erholung – ein Nährboden für Burnout.
Gerade junge Menschen reagieren sensibel: So stieg die Prävalenz von Angststörungen bei Frauen von 18 bis 29 Jahren zwischen 2019 und 2023 deutlich an [3].
Beschäftigte im Sozial- und Gesundheitswesen sowie Erziehungs- und Bildungsberufen weisen die höchsten Fehlzeiten aufgrund psychischer Diagnosen auf. Auch Verwaltungs- und Lehrberufe liegen über dem Durchschnitt, während Industrie- und Handwerksberufe seltener betroffen sind.
Frauen melden häufiger psychische Erkrankungen; junge Erwachsene berichten von einem besonders starken Anstieg von Angststörungen seit 2020.
Psychische Erkrankungen verursachen enorme volkswirtschaftliche Schäden. Obwohl sie nur 4,8 % aller Krankheitsfälle ausmachen, verursachen sie 12,5 % aller Fehlzeiten; die durchschnittliche Falldauer beträgt 28,5 Tage. Damit gehören sie zu den langwierigsten Erkrankungen [4]. Laut Destatis betrugen die Gesundheitsausgaben für psychische Störungen in Deutschland 63,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 – 12,9 % der gesamten Gesundheitsausgaben [6].
Unternehmen versuchen, mit Gesundheitsprogrammen, Resilienztrainings und modernen Arbeitsmodellen gegenzusteuern. Laut Umfragen investieren zunehmend mehr Firmen in betriebliche Gesundheitsförderung. Der Anteil der Unternehmen mit strukturierten Mental-Health-Programmen stieg von 20 % (2019) auf 55 % (2025). Resilienztrainings, die 2019 nur 10 % anboten, sind 2025 bei 40 % der Arbeitgeber Standard. Flexible Arbeitsmodelle, die Homeoffice, Büro und Coworking kombinieren, wachsen ebenfalls; sie werden inzwischen von fast 60 % der Unternehmen angeboten.
Zusammengestellt von Jens Röge – Redaktion Norvio
https://norvio.de/psychoreport-2025-deutschlands-mentale-gesundheit-im-wandel/
Quellenverzeichnis
- DAK-Gesundheit– Psychoreport 2025, Hamburg
- RKI– Gesundheitsmonitor Depression 2025
- RKI– Gesundheitsmonitor Angststörungen 2025
- WIdO– Arbeitsunfähigkeitsgeschehen 2025
- Techniker Krankenkasse (TK)– Krankenstand 2024 leicht gesunken, Hamburg 2025
- Statistisches Bundesamt (Destatis)– Gesundheitsausgaben 2023: Psychische Störungen
- WHO– Depression and anxiety cost the global economy US$ 1 trillion per year
- Fraunhofer IAO– New Work & Mental Health 2025
Insgesamt fielen 342 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherte an, wobei Depressionen mit 182,6 Tagen die Hauptursache waren
Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Diagnosen wuchs von rund 122 Tagen je 100 Versicherte im Jahr 2019 auf 182,6 Tage im Jahr 2024 [1][8