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Die erste Stunde in Coaching, Beratung oder Therapie

„Ich dachte mir: Was denkt der wohl, was ich denke?“

Versteht der mich? Kennt der mein Problem? Komme ich mit dem zurecht? Solche oder ähnliche Fragen sind es, die sich Klienten stellen, wenn sie zum ersten Mal in einer Beratungsstunde sitzen. Das geschwungene Fragezeichen pendelt aber vom Du auch zum Ich: Wie fühle ich mich gerade? Möchte ich hier bleiben? Was möchte ich von mir preisgeben?

Die erste Stunde ist für beide Seiten ein „Austarieren“, ob die Zusammenarbeit längerfristig Früchte tragen kann. Kann die Beziehung ausreichend tragfähig gestaltet werden, um sich auf den Beratungsprozess vertrauensvoll einlassen zu können? Zu diesem Vertrauen gehört für den Klienten auch, unangenehme, schmerzhafte Situationen auszuhalten und darauf zu bauen, dass der „Finger in der Wunde“ keine masochistische Veranlagung des Beraters ist.

Meine Erfahrung zeigt mir, dass Klienten sich besonders dann gut aufgehoben fühlen, wenn sie den Eindruck haben, verstanden zu werden. Oft verwechseln sie das Verstehen jedoch mit „Recht geben“: Solange der Coach mich in meinem Denken, Fühlen und Handeln bestätigt, glaube ich doch noch an meine Zurechnungsfähigkeit, stabilisiert sich mein Selbstbild wieder. Die Qualität eines Coaches wird gelegentlich daran gemessen, wie sehr er sich auf die Seite seines Klienten schlägt!

Gerade in der ersten Stunde ist es daher eine Gratwanderung, zwischen Stabilität und Veränderungsimpulsen angemessen zu wechseln.

Wenn wir schnell in eine Phase der Veränderung überleiten möchten, kann der Klient mit Rückzug reagieren. Er fühlt sich von unserem Tempo überfordert, missverstanden, sich mit seinen Sorgen nicht ausreichend erstgenommen. Wovon ist der Übergang von Verstehen und Anerkennen zur Veränderung abhängig? Ein ganz wichtiger Faktor ist die Zeit: Wenn ein Klient nur für ein oder zwei Stunden in die Beratung kommen möchte, dann macht es wenig Sinn, zwei Stunden das Problem von allen Seiten auszuleuchten. Auch die Schilderungen des Klienten geben Hinweise darauf, wie nah er schon selber an seinen Ressourcen ist und Zutrauen hat.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, welche große Bedeutung die Persönlichkeit des Beraters auf die Lösungsfokussierung hat. Mir fällt es manchmal schwer, die Klienten so auf das Problem fixiert zu sehen. Ich merke dann, wie ich innerlich unruhig werde und schnell zu Fragen oder Aufgaben überleite, die zur Veränderung führen sollen. Damit trage ich aber meinen eigenen Bedürfnissen eher Rechnung als denen des Klienten.

Eine ganz zentrale Frage am Anfang der Beratung ist die Frage nach dem Ziel. Was möchten Sie? Wo werden Sie in vier Wochen, drei Monaten, einem Jahr stehen? Achtung! Ziele sind manchmal nur Komponenten eines übergeordneten Motives! Ein Klient kann das Ziel haben, 15 Kilo abzunehmen. Sein Motiv dahinter ist der Wunsch nach mehr Beweglichkeit, Selbstbewusstsein, Ausdauer usw.

Berater wie Klienten tun also gut daran, sehr genau zu überprüfen, ob das vorläufige Ziel tatsächlich das Thema ist, um das es gehen sollte.

Horst Lempart Horst Lempart
Heilpraktiker für Psychotherapie, Coach und Psychologischer Berater für Einzelpersonen und Paare, betrieblich ist er Organisationsberater und systemischer Coach, er ist Autor zahlreicher Fachaufsätze.
Spectrum Coaching
Südallee 60, 56068 Koblenz
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