Skip to main content

Gut gefragt – ist fast gelöst

2014-01-Gut1

Für Berater und Coachs – aber auch Führungskräfte – sind Fragen ein wichtiges Arbeitsinstrument. Also sollten sie die verschiedenen Fragetypen kennen und gezielt einsetzen können.

Jeder Mensch hat aufgrund seiner Biografie und seines Wertesystems individuelle Vorstellungen davon, was (für ihn) „gut“ ist; außerdem davon, was „richtig“ ist. Also hat er auch eine subjektive Wahrnehmung der „objektiven“ Dinge. Diese kennt ein Coach oder Berater nicht. Er muss die Gedanken-, Werte- und Gefühlswelt seiner Klienten durch Fragen erkunden,

  • um ihnen neue Perspektiven beim Betrachten ihres „Problems“ zu eröffnen
  • um sie auf einen für sie gangbaren und befriedigenden Lösungsweg zu führen

Zum Erreichen des Ziels kann ein Coach mehrere Kategorien von Fragen nutzen:

  • problemorientierte
  • ressourcenorientierte
  • zielorientierte

Ihren professionellen Einsatz muss jeder Coach beherrschen, denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob er fragt

  • Wieso klappt das nicht? (problemorientiert)
  • Wann hat die Sache schon einmal geklappt? Was war damals anders? (ressourcenorientiert)
  • Was möchten Sie erreichen? Wie könnte eine Lösung für Sie aussehen? (zielorientiert)

Bei der lösungsorientierten Arbeit eines Coachs liegt der Fokus auf den ressourcen- und zielorientierten Fragen. Denn sie eröffnen eine Welt der Möglichkeiten und durchbrechen die oft bestehende „Problem- Trance“ bei Coachees.

Problemorientierte Fragen

fotolia©DOC RABE MediaDiese Fragenkategorie dient dem Coach unter anderem zum genaueren Kennenlernen der Situation des Coachees. Problemorientierte Fragen liefern oft nur dem Coach neue Einsichten. Denn der Coachee ist „der Experte“ für sein Problem, und er kennt alle Details. Beispiele:

  • Seit wann besteht das Problem?
  • Wer ist am Problem und dessen Entstehung beteiligt?
  • Wie geht es Ihnen in der Problemsituation?

Auch die Frage: Was haben Sie schon unternommen? zählt zu dieser Rubrik. Denn die Antwort auf diese Frage beinhaltet alle bereits gescheiterten Versuche. Wäre das Problem gelöst, säße der Coachee dem Coach nicht gegenüber. Zusammengefasst beinhaltet diese Fragenkategorie alle Fragen rund um die Thematik des Problems.

Problemorientierte Fragen sollten Coachs sparsam einsetzen. Denn sie können zu einer „Problem-Trance“ des Coachees führen, aus der er sich nur schwer lösen kann. Denn der Coach aktiviert hiermit beim Coachee vor allem Gedanken und (Hilflosigkeits-)Gefühle rund um die negativ erlebte Situation. Das erschwert das Finden neuer Lösungsansätze. Denn wer ein Problem lösen möchte, muss einen anderen geistigen Raum betreten.

Wichtig: Problemorientierte Fragen

  • verschaffen einen Überblick über die Situation
  • sollten von Coachs mit Maß und Ziel eingesetzt werden, um eine „Problem-Trance“ zu vermeiden

Ressourcenorientierte Fragen

Diese Kategorie Fragen lenkt den Blick auf die Stärken von Menschen und die Dinge, die beim Bewältigen der Herausforderung hilfreich sein könnten. Beispiele

  • Was oder wer könnte Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein?
  • Was könnten Sie tun, damit das Problem besser wird?

Auch Fragen nach Ausnahmen zählen zu dieser Rubrik, etwa: Beschreiben Sie eine Situation, in der das Problem nicht auftrat und was in ihr anders war? Oder: ... was Sie in ihr anders gemacht haben? Hilfreich beim Suchen von Ressourcen für eine Lösung können auch Fragen sein wie: Was unternahmen Sie bisher, damit das Problem nicht schlimmer wurde?

Wichtig: Ressourcenorientierte Fragen

  • setzen den Fokus auf hilfreiche Menschen, Umstände oder Dinge
  • können auch Fragen nach Ausnahmen vom Problem sein

Zielorientierte Fragen

Diese Fragenkategorie lenkt die Aufmerksamkeit auf die gewünschte Zukunft. Hierzu zählen klassische Zielfragen wie:

  • Was genau wollen Sie erreichen?
  • Wie sollte eine Lösung aussehen?
  • Bis wann wollen Sie Ihr Ziel erreichen?

Coachs nutzen bei ihrer Arbeit auch häufig folgende Fragen:

  • Woran merken/erkennen Sie, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?
  • Wer wird außer Ihnen die Zielerreichung noch merken?
  • Wie wird das Erreichen des Ziels Ihr Leben verändern?

Solche Fragen bewirken, dass der Coachee vor seinem inneren Auge sieht, wie die Zukunft aussehen könnte. Er kann die Erfolgssituation erfühlen. Damit erkennt er auch die Perspektiven, die sich ihm hierdurch eröffnen. Zugleich werden vorhandene Ressourcen und mögliche Hindernisse erkannt. So könnte z. B., wenn ein Coachee sich beruflich verändern und den nächsten Karriereschritt machen möchte, sein Umfeld hierauf nicht positiv reagieren. Der Lebenspartner könnte nicht glücklich darüber sein, dass er weniger Zeit für die Familie hat. Oder dass ein Ortswechsel nötig wird.

Auch das kleine Wörtchen „stattdessen“ bewirkt oft einen Wechsel der Denkrichtung – vom Problem zum Ziel. Coachees wissen meist genau, was sie nicht mehr haben wollen. Aber was sie „stattdessen“ möchten, ist ihnen unklar. Die Frage: Was wollen Sie stattdessen? löst oft einen schwierigen Denk- und Entscheidungsprozess aus: Was will ich wirklich? Was ist mein Wunschziel?

Wichtig: Zielorientierte Fragen

  • sind zukunftsorientiert
  • beschreiben den erwünschten Zustand
  • decken die Folgen für den Coachee und für sein Umfeld auf
  • ermöglichen es, Hindernisse aufzuspüren

Neben den bisher beschriebenen Fragenkategorien gibt es mehrere Fragetypen, die es wert sind, sie zu kennen. Jeden von ihnen kann man aus einer der vorgenannten Blickrichtungen stellen – also problem-, ressourcen- und zielorientiert.

Skalierungsfragen

Skalierungsfragen sind ein Instrument, um Empfindungen und Gefühle wie Erfolg oder Misserfolg, Freude oder Frustration zu bewerten. Nicht nur der Coach kann sich hiermit ein Bild über die Stärke des Empfindens des Coachees machen, auch der Coachee selbst bekommt hierdurch einen anderen Blick auf seine Lage. Hilfreich ist dieser Fragetyp auch, um die Fortschritte innerhalb eines Coaching- Prozesses zu überprüfen.

Oft nutzen Coachs eine Skala von 0 bis 10. Dabei stellt die 0 die minimale und 10 die maximale Ausprägung eines Gefühls dar. Soll z. B. die Zufriedenheit mit dem derzeitigen Job eingeschätzt werden, bedeutet der Wert 0 „absolut unzufrieden“ und der Wert 10 „absolut zufrieden“. Und mithilfe der Frage: „Wie würden Sie auf einer Skala von 0 bis 10 Ihre aktuelle Zufriedenheit im Beruf einschätzen?“ kann der Coachee eine entsprechende Einschätzung vornehmen.

Mit Skalierungsfragen können auch Veränderungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten erfasst werden; zudem können sie zum Planen der nächsten Schritt genutzt werden. Beispiele:

  • Auf einer Skala von 0 bis 10 ausgedrückt, wie hat sich das Klima in Ihrer Abteilung seit unserem letzten Treffen verändert? (Veränderung)
  • Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass sich das Arbeitsklima durch die neue Aufgabenverteilung von 4 auf 6 verbessert? (Erfolgswahrscheinlichkeit)
  • Wenn Sie Ihre Zusammenarbeit im Team heute bei 4 sehen, was müsste geschehen, um auf 6 zu kommen? (Maßnahmenplanung)

Coachs sollten bei der Arbeit mit Skalierungsfragen immer die kleinen Unterschiede beachten. Es geht um kleine, umsetzbare Schritte, die motivierend wirken.

Wichtig: Skalierungsfragen

  • eignen sich, um Wahrnehmungen, Gefühle und Einschätzungen „messbar“ zu machen
  • machen (kleine) Veränderungen sichtbar

Dissoziierte Fragen

Dissoziieren heißt, vom Problem Abstand nehmen – also dieses z. B. aus der „Vogelperspektive“ zu betrachten:

  • Was meint Ihr Chef zu Ihrem Problem?
  • Was würde Ihnen Ihre Mutter in dieser Situation raten?

Wenn Coachees aus einer Außenperspektive auf ihr Problem blicken, sehen sie oft neue Aspekte und entdecken alternative Lösungsansätze. Denn die neuen Informationen bringen neue Sichtweisen hervor und setzen wertvolle Denkprozesse in Gang.

Coachees wissen oft gar nicht, wie viel sie wissen. Dissoziierte Fragen sind eine Methode, um das verborgene Wissen anzuzapfen und versteckte Ressourcen zu entdecken. Der Coach kann auch fragen: „Wenn Sie an meiner Stelle wären, welche Fragen würde Sie dann stellen?“

Wichtig: Dissoziierte Fragen

  • schaffen durch die „Vogelperspektive“ eine Übersicht
  • ermöglichen ein Loslösen des Problems
  • bringen neue Denkprozesse in Gang
  • fördern unbewusstes Wissen zutage

Hypothetische Fragen

Wenn es im Coaching zu einem Stillstand kommt und der Coachee keine Lösungsmöglichkeiten sieht, können hypothetische Fragen helfen, z. B.: Angenommen das Problem wäre gelöst, was hätten Sie dann wahrscheinlich getan? Wie würden sich Ihre Kollegen dann verhalten? Was wäre dann anders?“

Hypothetische Fragen bieten dem Coachee ein Lösungsszenario an, das er, indem er es beschreibt, erlebt. So bei der Frage: „Angenommen Sie könnten sich Ihren Traumberuf kreieren. Wie würde dieser aussehen? Wie würde ein Tag, eine Woche in diesem Beruf verlaufen?“

Aus den Antworten können Schritte zum Erreichen des Ziels abgeleitet werden. Hypothetische Fragen haben den positiven Effekt, dass der Coachee diese Schritte ausprobiert und testet, ob sie für ihn überhaupt erstrebenswert und durchführbar sind.

Wichtig: Hypothetische Fragen

  • erlauben, sich wünschenswerte Situationen oder Lösungen vorzustellen
  • ermöglichen es, die Machbarkeit von Lösungen zu reflektieren
  • erleichtern das Probehandeln eines gewünschten Verhaltens

Paradoxe Fragen

Paradox bedeutet widersprüchlich. Paradoxe Fragen sind provokative Fragen, die auf ein Verstärken des Problems abzielen: Was müssten Sie tun, damit Sie endgültig einen Burnout erleiden?“, …, damit Ihr Chef Sie entlässt? Diese Fragetechnik eignet sich besonders bei Coachees, die in ihren Problemen sehr gefangen sind. Paradoxe Fragen wie: Wie könnten Sie erreichen, dass Sie noch schlechter schlafen? reizen den Coachee und lösen dadurch oft erhellende Reaktionen aus. Man kennt dieses Phänomen aus der Kindererziehung. Wenn ein Kind schreit, hört es erstaunlicherweise damit auf, wenn man es bittet, lauter zu schreien.

Zuweilen empfiehlt es sich, paradoxe Fragen anzukündigen, damit der Coachee sich darauf einlässt – z. B. mit folgenden Worten: Mir fällt gerade eine Frage ein, die Ihnen vielleicht verrückt erscheint. Und danach stellen Sie die Frage: Was müsste ich als Coach tun, damit Sie nicht mehr zu mir kommen?

Wichtig: Paradoxe Fragen

  • arbeiten widersprüchlich, indem sie das Problemverhalten verstärken
  • erschüttern festgefahrene Sichtweisen
  • provozieren beim Coachee eine Gegenreaktion
  • stärken das Selbstbewusstsein des Coachees

Die genannten Fragenkategorien und Fragetypen sind ein Basiswerkzeug im „Werkzeugkoffer“ jedes Coachs. Und jeder Coach sollte den Einsatz professionell beherrschen. Dies gilt es zu trainieren – z. B. in einer Coach-Ausbildung.

Sabine Prohaska Sabine Prohaska
seminar consult prohaska, Wien.
Im Oktober 2013 erschien ihr neustes Buch „Coaching in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche Coaching-Anlässe, Junfermann Verlag.
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.