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Klärungsorientiertes Coaching von Annelen Collatz und Rainer Sachse

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Mehr als eine Buchbesprechung

Hogrefe Verlag, 162 Seiten, ISBN 978-3-8017-2391-0Wer die Titel „Persönlichkeitsstörungen verstehen“ und „Klienten motivieren“ von Rainer Sachse kennt, der wird auch im „Klärungsorientierten Coaching“ seinen unverkennbaren Stil wiederentdecken! In dem kompakten Buch liefert er hochdosiert seine Praxiserfahrung auf eine gut verständliche und anschauliche Weise.

Die Gliederung ist einfach: Nach einer kurzzen Einführung zur Beziehungsgestaltung im Coaching geht es um das Klären und Bearbeiten von Schemata. Diese Schemata beeinflussen unsere Interaktionen, sodass er dem Thema Interaktionsprobleme ein eigenes, zentrales Kapitel widmet. In einem knappen, abschließenden Beitrag entwirft Sachse ein Klienten-Modell, das „als Grundlage für Interventionen“ verwendet werden kann.

„Klärungsorientiertes Coaching“ erinnert mich sehr an die verwandten Bezeichnungen „Lösungsorientiertes Coaching“ und „Ressourcenorientiertes Coaching“. Klar voneinander abzugrenzen sind die Inhalte nicht. Auch Collatz und Sachse verbinden die Themen Klärung/Analyse, Ziel/Lösung und Potenzial/Ressourcen miteinander. Wobei sie sich auf die „klärungsorientierte Psychotherapie“ berufen, die sich „im Bereich der Therapie bestens bewährt hat und die gut empirisch abgesichert ist“. Damit rechtfertigen sie ihr Buch als „schlüssiges Rahmenkonzept“. Die empirische Absicherung wird mit einem Verweis auf die Bücher „Klärungsorientierte Psychotherapie“ und „Grundlagen und Konzepte Klärungsorientierter Psychotherapie“ belegt, die beide u. a. von Rainer Sachse verfasst wurden. Auf die schlüssige, wissenschaftliche Evaluierung kann ich daher nicht weiter eingehen.

Viel wichtiger scheint mir der praktische Nutzen des Ansatzes für Coach und Klient. Und der ist meiner Meinung nach erfreulich hoch. Das rührt wohl auch daher, dass es Rainer Sachse versteht, komplexe Themen modellhaft zu vereinfachen und schlüssig auf Praxisfälle anzuwenden. Dadurch wird deutlich, dass bei aller Individualität der Klienten und Coaching-Anliegen auch ein fester Rahmen mit schlüssigen Methoden nötig und sinnvoll ist. Das „Klärungsorientierte Coaching“ unterstützt die allgemeinen Wirkfaktoren, wie z. B. die motivationale Klärung, Problemaktualisierung und die therapeutische Beziehung. Dafür sorgt vor allem die Arbeit an den Beziehungsmotiven und Schemata.

Inhaltlich wird das Buch stark aus den Erfahrungen der Schematherapie geprägt. Auch das Schema-Coaching erlebt zurzeit einen spürbaren Auftrieb in der Coaching- Landschaft, sodass der Titel gut in diese Entwicklung passt. Annelen Collatz und Rainer Sachse waren da einigen anderen Autoren zu diesem Thema um zwei Jahre voraus.

An verschiedenen Stellen weisen die Autoren darauf hin, dass das „Verstehen“ ein zentraler Aspekt der Beziehungsgestaltung ist: Im Sinne der Informationsverarbeitung wie auch im Sinne des tragfähigen Kontaktes zwischen Coach und Coachee. Aus systemischer Sicht ist das Verstehen nicht ganz ungefährlich: Je mehr ich verstehe, desto mehr bin ich auch in der Wirklichkeit des Klienten, seiner Problem-Konstruktion. Im schlimmsten Falle gehen mir dadurch Optionen verloren, um den Prozess zu gestalten und quer zu denken. Insofern finde ich den Hinweis zur Beziehung absolut richtig.

Das Bemühen, „dass der Coach nachweislich das Denken und Erleben des Klienten nachvollzieht und nachvollziehen kann“, würde ich so nicht unterschreiben. Es gibt sehr erfolgreich arbeitende Coachs und Therapeuten, die das Problem des Klienten auf der inhaltlichen Ebene gar nicht kennen und trotzdem (oder gerade deswegen?) sehr erfolgreich intervenieren. Das kann z. B. durch Trancen, gestalttherapeutische Ansätze oder auch systemische Fragen gelingen.

2014-01-Klaerung3Auch zum Thema Respekt vertrete ich eine andere Meinung als die Autoren. So kann ich meiner Meinung nach durchaus respektlos, in der Sache aber wertschätzend in der Beziehung agieren. Wenn die Beziehung zum Klienten ausreichend tragfähig ist, wenn ich ausreichend Beziehungskredit habe, dann können respektlose Anmerkungen (mit denen die provokative Therapie sehr professionell arbeitet) sehr erfolgreich sein. Für mich ist deshalb die Möglichkeit einer „wertschätzenden Respektlosigkeit“ hier völlig aus dem Blickwinkel geraten.

Sehr hilfreich sind die vielen Beispiel- Schemata und kurzen Dialoge zwischen Coach und Coachee. Gerade die zirkulären Fragen machen nochmal deutlich, was unter „prozessdirektiven Fragen“ zu verstehen ist und wo die Verantwortung des Coaches liegt.

Eine ganz enge Verbindung zum Buch „Klienten motivieren“ gibt es durch die Beziehungsmotive, die „Personen […] durch ihr Handeln zu befriedigen suchen“. Im Kapitel Interaktionsprobleme geht es deshalb auch um die Befriedigung dieser Motive. Übersichtliche Abbildungen machen schnell die Zusammenhänge von Motiven, Schemata und Interaktionen deutlich. Dem interessierten Leser empfehle ich daher die Lektüre des Titels von Rainer Sachse.

Als zentrales Interventions-Tool konzentrieren sich die Autoren auf das Ein-Personen- Rollenspiel (EPR). Dieses Werkzeug wird daher auch recht detailliert erklärt, obwohl es meines Erachtens nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, um erfolgreich an Schemata zu arbeiten. Die Bereiche Achtsamkeit, Imagination, Kognition und Aufstellungsarbeit werden dabei nur flüchtig erwähnt. Eine Berücksichtigung dieser Methoden hätte allerdings den Umfang des Buches deutlich erweitert. Die hohe Wirksamkeit und schnelle Umsetzbarkeit des EPR sind jedoch gute Argumente, um das Tool besonders hervorzuheben.

Ganz besonders hilfreich fand ich die Anmerkungen zur „Struktur von Schemata“: Übersetzen könnte man sie vielleicht als „Wenn … dann … und das bedeutet für mich …“-Funktionen. Dieser rote Faden zieht sich durch das ganze Buch und wird immer wieder mit beispielhaften Annahmen untermauert.

Die Inhalte des Buches „Klärungsorientiertes Coaching“ finde ich sehr griffig und sie haben für mich einen hohen praktischen Nutzen. Wie gewohnt schreibt Rainer Sachse mit seiner Co-Autorin in einer gut verständlichen Sprache und ist sehr dicht am Praxisalltag. Einige Stichwörter wie Regel- Schemata oder Alienation erläutert er mehrfach an verschiedenen Stellen des Buches nach dem Motto „doppelt hält besser“. Bei der Dichte an Informationen war das für mich in Ordnung, weil gerade zum Ende hin doch einige Erklärungen schon wieder verblasst waren. Alternativ würde für mich ein Stichwortverzeichnis als Anhang wirklich Sinn machen. Man könnte so Platz sparen für weitere und vertiefende Gedanken.

Ich bin inzwischen zum Sachse-Fan geworden und kann das Lesen des Buches jedem Coach und Berater empfehlen. Da auch systemisches Coaching oder Schema-Coaching sehr klärungs- und lösungsorientiert arbeiten, verbirgt sich hinter dem gut gewählten Titel kein neuer Ansatz. Vielmehr ist er für mich eine attraktive Verpackung für die schlüssig dargestellten Inhalte.

Horst Lempart Horst Lempart
Heilpraktiker für Psychotherapie, Coach und Psychologischer Berater für Einzelpersonen und Paare, betrieblich ist er Organisationsberater und systemischer Coach, er ist Autor zahlreicher Fachaufsätze.
Spectrum Coaching
Südallee 60, 56068 Koblenz
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