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Dürfen Heilpraktiker für Psychotherapie verschreibungspflichtige Arzneimittel im Notfall anwenden?

2014-01-Notfall1

fotolia©Maksym YemelyanovIm VFP-Rechtsforum auf unserer Homepage stellt ein Mitglied die Frage: „Darf ein Heilpraktiker für Psychotherapie Patienten im Notfall z. B. bei einem epileptischen Anfall in der Praxis ein verschreibungspflichtiges Notfallmedikament verabreichen oder muss in jedem Fall der gerufene Notarzt abgewartet werden? Welche Haftungsproblematik könnte auf Heilpraktiker für Psychotherapie zukommen?”

Verschreibungspflichtige Arzneimittel

Arzneimittel, die der Verschreibungspflicht unterliegen, dürfen von Apothekern nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung an den Verbraucher abgegeben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz-AMG). Die Auflistung ist abschließend, sodass Heilpraktiker aus dem verschreibungsberechtigten Fachkreis ausgeschlossen sind. Sie sind deshalb als „Verbraucher“ im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 AMG einzuordnen.

Verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Praxis lagern und anwenden?

Erhalten Heilpraktiker auf ärztliche Verschreibung ein Arzneimittel, stellt sich die Frage, ob sie dieses für eine Notfallbehandlung in ihrer Praxis lagern und anwenden dürfen oder sogar müssen. Regelungszweck von § 48 AMG ist der Schutz vor Gefahren, die drohen können, wenn Arzneimittel ohne ärztliche Anweisung und Kontrolle angewendet werden (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band 4, Anm. 1 zu § 48 AMG). Die Regelung der Verschreibungspflicht bezieht sich also nach Sinn und Zweck der Norm auf die Abgabe in Apotheken und die Anwendung. Erhalten Heilpraktiker legal als Verbraucher ärztlich verschriebene Arzneimittel, liegt bei deren Anwendung am Patienten zwar kein Verstoß gegen § 48 AMG vor, jedoch kann bei einem Zwischenfall eine fahrlässige Körperverletzung (§ 230 Strafgesetzbuch) gegeben sein. Der Fahrlässigkeitsvorwurf besteht dann darin, dass ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel bei einem Patienten angewendet wurde, was Ärzten vorbehalten ist.

Rechtfertigung der Anwendung nach § 34 Strafgesetzbuch

Unter sehr engen Voraussetzungen eines rechtfertigenden Notstandes kann der Heilpraktiker berechtigt sein, ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel anzuwenden, sodass der zuvor geschilderte Fahrlässigkeitsvorwurf entfällt. Kommt es zu einem Zwischenfall, würde eine Fahrlässigkeitsbeurteilung erfolgen, so als wäre der Heilpraktiker berechtigt, wie ein Arzt dieses Arzneimittel beim Patienten anzuwenden. Die Voraussetzungen sind in § 34 Strafgesetzbuch geregelt: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ Die Voraussetzungen werden streng ausgelegt, sodass im Zweifel keine Rechtfertigung anzunehmen ist. Heilpraktiker sollten deshalb nicht darauf vertrauen, sich auf § 34 Strafgesetzbuch berufen zu können.

Von Lagerhaltung ist abzuraten

Wendet der Heilpraktiker verschreibungspflichtige Arzneimittel an und kommt der Patient zu Schaden, kann auch zivilrechtlich eine Pflichtverletzung vorliegen. Die Folge können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche sein. Ein Problem könnte sich auch mit der Haftpflichtversicherung ergeben. Käme man zu dem Schluss, dass die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ausschließlich Ärzten vorbehalten ist und deshalb der Heilpraktiker den Zwischenfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, könnte die Versicherung nach § 82 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz von ihrer Leistung ganz oder teilweise frei werden. Nach allem ist von der Lagerhaltung und Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel abzuraten.

Und wenn der Patient das verschreibungspflichtige Arzneimittel mitbringt?

Gelegentlich liest man den Rat, die Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel sei für Heilpraktiker unzulässig, es sei denn, der Patient bringe diese mit einer konkreten Verordnung mit (Sieler-Schulz in Deinzer, Notfälle und Sofortmaßnahmen für Heilpraktiker, Seite 22). Der Autor meint mit „konkreter Verordnung“ wohl, dass das verschreibungspflichtige Arzneimittel dem Patienten selbst auch verordnet wurde. Wie auch immer, gegenüber der oben geschilderten Rechtslage ergibt sich auch dann, wenn der Patient das verschreibungspflichtige Arzneimittel mitbringt und übergibt, keine Änderung. Es bleibt dabei, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers Abgabe und Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel arztgestützt sein sollen.

Quintessenz

Egal in welcher Situation und Fallgestaltung ist Heilpraktikern und Heilpraktikern für Psychotherapie zu raten, keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel anzuwenden. Im Zusammenhang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln werden Heilpraktiker rechtlich wie Verbraucher eingestuft. Die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels im Notfall wird bei einem Zwischenfall meistens als Pflichtverletzung eingestuft.

Fazit:

Im Notfall sofort den Notarzt rufen und allgemeine Maßnahmen ergreifen.

Dr. jur. Frank A. Stebner Dr. jur. Frank A. Stebner
Fachanwalt für Medizinrecht
www.drstebner.de