Das Einsichtsrecht des Patienten in die Behandlungsunterlagen
Seit der Einführung des Patientenrechtegesetzes im Jahre 2013 ist das Recht der Patienten auf Einsichtnahme in seine Krankenunterlagen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Die Vorschriften über den Behandlungsvertrag (§§ 630a bis 630h BGB) finden auch Anwendung auf nicht ärztliche Heilberufe, psychologische Psychotherapeuten sowie Heilpraktiker. Dies wurde bereits in der Gesetzesbegründung entsprechend hervorgehoben und in die juristische Literatur übernommen.
Der Patient hat ein Recht auf Einsicht!
Das Einsichtsrecht des Patienten ergibt sich aus § 630g BGB, wonach er Anspruch auf die unverzügliche Einsichtnahme in seine vollständige, ihn betreffende Behandlungsdokumentation hat. Unerheblich ist es dabei, in welcher Form die Patientenakte geführt wird. Der Patient hat sowohl in eine elektronisch geführte als auch in eine Behandlungsdokumentation in Papierform ein Einsichtsrecht. Der Patient hat das Recht, den gesamten Akteninhalt einzusehen. Hiervon umfasst sind auch – handschriftliche – Niederschriften über persönliche Eindrücke oder subjektive Wahrnehmungen des Therapeuten.
Wie wird die Einsichtnahme praktisch durchgeführt?
Grundsätzlich muss das Einsichtsrecht durch den Patienten in den Praxis- und Therapieräumen ausgeübt werden. Aus praktischen Gründen wird aber in der Regel eine Kopie der Patientenunterlagen an den Patienten übermittelt, was ihm laut Gesetz auch zusteht. Es ist empfehlenswert, die Originalunterlagen dem Patienten lediglich bei einer Einsichtnahme in den Praxisräumen vorzulegen. Keinesfalls sollten die Originalunterlagen verschickt oder an den Patienten herausgegeben werden. Um eine „unverzügliche“ Einsichtnahme zu gewährleisten, müssen die Unterlagen dem Patienten innerhalb von zwei Wochen vorgelegt werden. Handelt es sich um sehr umfangreiche Unterlagen, kann auch eine Einsichtnahme von bis zu vier Wochen nach dem Auskunftsverlangen noch als unverzüglich gelten.
Können die Kosten dem Patienten in Rechnung gestellt werden?
Bei der – vorzugswürdigen – Variante, dem Patienten die Unterlagen in Kopie zu übersenden, besteht die Möglichkeit, dem Patienten die Kosten für die Anfertigung des Kopiensatzes in Rechnung zu stellen. Eine Regelung über die Höhe der Kopierkosten findet sich im Patientenrechtegesetz nicht, jedoch wird hier üblicherweise auf andere Gesetze verwiesen, in denen konkrete Angaben zu Kopierkosten und deren Höhe existieren, z. B. das Rechtsanwaltsvergü- tungsgesetz (RVG). Hiernach können für die ersten 50 schwarz-weiß kopierten Seiten je 0,50 € pro Seite und für jede weitere Seite je 0,15 € pro Seite angesetzt werden. Grundsätzlich ist jedoch immer der tatsächliche Aufwand, der mit der Fertigung der Kopien verbunden ist, für die Höhe der Kosten maßgeblich. Bei einem Computerausdruck oder der Möglichkeit, die Unterlagen durch den Selbsteinzug des Kopiergeräts zu fertigen, dürften die Kosten daher entsprechend geringer ausfallen.
Das Recht auf Einsichtnahme steht grundsätzlich dem Patienten selbst zu, der diesen Anspruch auch gegenüber dem Therapeuten bzw. Heilpraktiker geltend machen muss.
Dürfen andere Personen (Dritte) Einsicht nehmen?
Für den Fall, dass das Auskunftsverlangen nicht durch den Patienten selbst, sondern durch einen Dritten geltend gemacht wird, muss eine eigenhändig unterzeichnete Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten für die Einsichtnahme in die Unterlagen vorgelegt werden. Dabei sollten in der Schweigepflichtentbindungserklärung ein konkreter Behandlungszeitraum und der Behandlungsgrund angegeben sein. Der Name des Therapeuten, dessen Behandlungsdokumentation eingesehen werden soll, muss zwingend in der Erklärung enthalten sein. Zudem sollte es sich um eine aktuelle Erklärung handeln, sodass auf das Datum der Unterschrift zu achten ist, da eine solche Erklärung stets widerrufen werden kann. Es ist weiter zu empfehlen, die Schweigepflichtentbindungserklärung in der Patientenakte zu verwahren.
Als Dritte kommen vom Patienten bevollmächtigte Personen wie z. B. ein Rechtsanwalt in Betracht. Ferner besteht auch die Möglichkeit, dass Familienangehörige eine Einsichtnahme in die Unterlagen fordern. Auch bei einer familiären Verbundenheit muss stets eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten vorliegen. Macht die gesetzliche Krankenversicherung des Patienten ein Einsichtsverlangen geltend, muss ebenfalls eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten vorgelegt werden, da eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Einsichtnahme für die Krankenversicherungen nicht besteht.
Lediglich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) darf – bei einem Gutachtenauftrag durch die Krankenkasse – aufgrund der gesetzlich eingeräumten Ermächtigung gem. § 276 SGB V Einsicht in die Dokumentation nehmen, ohne dass eine entsprechende Entbindungserklärung des Patienten vorgelegt werden muss.
Nach Versterben des Patienten haben auch dessen Erben ein grundsätzliches Einsichtsrecht in die Patientendokumentation. Dieses gilt jedoch nicht uneingeschränkt und wird üblicherweise bejaht, wenn die Erben vermögensrechtliche Ansprüche – z. B. Haftungsansprüche gegen den behandelnden Therapeuten – verfolgen. Bei Unsicherheiten über die Berechtigung oder das Einsichtsrecht von Dritten sollte ggf. Rücksprache mit einem Rechtsanwalt gehalten werden.
Wann darf die Einsichtnahme verweigert werden?
Gerade im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung ergibt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation verweigert werden kann. Grundsätzlich ist eine Verweigerung des Einsichtsrechts gem. § 630g Abs. 1 S. 2 BGB lediglich in Ausnahmefällen zulässig.
Eine Verweigerung des Einsichtsrechts kann aus erheblichen therapeutischen Gründen erfolgen, beispielsweise wenn die Kenntnis des Akteninhalts bei dem Patienten zu einer Selbstgefährdung führen könnte. Der Therapeut hat daher stets im Einzelfall den gesamten Inhalt der Unterlagen in Bezug auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls zu prüfen. Maßgeblich ist stets das Wohl des Patienten.
Zieht der Therapeut eine Verweigerung der Einsichtnahme aus therapeutischen Gründen (Selbstgefährdung des Patienten) in Betracht, muss stets eine Abwägung mit dem Informationsinteresse des Patienten erfolgen. Um das Einsichtsrecht nicht insgesamt zu verweigern, muss bei entgegenstehenden erheblichen therapeutischen Gründen auch eine Akteneinsicht einer Vertrauensperson unter die Einsichtnahme in Gegenwart des Therapeuten oder eine (nur) auszugsweise Einsichtnahme in Erwägung gezogen werden.
Ferner besteht die Möglichkeit, dass Rechte Dritter einer Einsichtnahme durch den Patienten ausnahmsweise entgegenstehen können. Hier ist an die Rechte der Eltern von minderjährigen Patienten oder an die Rechte von mitbehandelnden Kollegen oder Ärzten zu denken.
Kommt der Therapeut im Einzelfall zu dem Ergebnis, die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen zu verweigern, muss er diese Entscheidung entsprechend gegen- über dem Patienten begründen. Es wird empfohlen, die Begründung schriftlich abzufassen und eine Kopie des Begründungsschreibens zur Patientenakte zu nehmen.
Was muss dokumentiert werden und warum?
Durch das Patientenrechtegesetz wurde gesetzlich verankert, was der Behandelnde dokumentieren muss. Aus § 630f BGB ergibt sich, dass alle für die Behandlung wesentlichen Maßnahmen dokumentiert werden müssen. Hierunter fallen z. B. die Anamnese, Diagnosen, Therapien und deren Wirkung.
Auch Arztbriefe, die der Patient Ihnen aushändigt, müssen zur Patientenakte genommen werden.
Wichtig ist, dass eine Dokumentation stets in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung erfolgen muss.
Der Therapeut darf die Dokumentation elektronisch oder in Papierform führen. Berichtigungen und Änderungen sind in der Behandlungsdokumentation nur zulässig, wenn die Eintragungen mit dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleiben, und sich aus der Dokumentation ergibt, wann die Änderungen vorgenommen werden.
Die Dokumentation ist mindestens zehn Jahre aufzubewahren und vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu schützen.
Alexa Frey
selbstständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, tätig im Berufsrechts, Vergütungsrecht, Haftungsrecht der Heilberufe
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