Skip to main content

Hypnotherapeutische Behandlung von Bulimie mit Autosystemhypnose

Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstkontrolle

FP 0518 Komplett Big Page58 Image1Fallstudie
Frau V. / 45 / verheiratet

Frau V. besuchte meine Praxis das erste Mal im August 2013 und kam sechsmal regelmäßig wöchentlich zur hypnotherapeutischen Behandlung zu mir.

Sie ist 1965 in Ostpreußen/Polen geboren und dort auf einem Bauernhof aufgewachsen. Hier stand harte Arbeit im Mittelpunkt. Die Eltern waren sehr streng und duldeten es nicht, wenn sich eines der Kinder zurückzog. Arbeit hatte höchste Priorität. Insbesondere der Vater versuchte, die Kinder mit viel Strenge und Prügel davon abzuhalten, etwas für sich zu tun, zu spielen oder zu lesen, weil das in seinen Augen nur unnötiger Kraft- und Stromverbrauch war. Die Mutter äußerte sich nicht zum Verhalten ihres Mannes, lebte sehr zurückgezogen und zeigte kaum Emotionen.

Frau V. hat drei wesentlich ältere Geschwister (Bruder 13, Schwester 11 und Bruder 9 Jahre älter), wobei sie nur zum jüngsten Bruder einen guten, positiven Kontakt hatte. Von ihm fühlte sie sich erwünscht, von den anderen Familienmitgliedern nicht.

Die beiden älteren Geschwister ließen ihre negativen Gefühle und Aggressionen an meiner Klientin aus. So warf der ältere Bruder vor ihren Augen Katzen, die sie sehr liebte, so lange und fest gegen das Scheunentor, bis sie am Boden liegen blieben, und tötete sie dann mit einem Spatenhieb. Die Schwester ärgerte sich darüber, dass sie oft auf die kleine Schwester aufpassen musste, beschimpfte sie, schlug sie und lachte, wenn sie sah, wie traurig es sie machte, wenn der Bruder die Katzen quälte. Der jüngere Bruder war sehr nett zu ihr, half ihr bei den Hausaufgaben, nahm sie gern mit zu seinen Freunden und versuchte, sie vor den älteren Geschwistern zu schützen.

Im November 1979 kamen sie, ihr ältester Bruder und ihre Eltern als Spätaussiedler nach Deutschland und zogen in einen Ort in der Nähe von Düsseldorf, in dem die Schwester mit ihrer Familie bereits seit einem Jahr wohnte. Der jüngste Bruder kam ein Jahr später, nachdem er eine Haftstrafe wegen Wehrdienstverweigerung abgesessen hatte. Er brachte seine Frau mit, die er kurz vor seinem Umzug von Ostpreußen nach Deutschland heiratete. Da seine Frau jedoch keinerlei Kontakt mit der Familie wünschte und sich der Bruder auf ihre Seite stellte, schmerzte das meine Klientin zusätzlich.

So begegnete sie ihm nur noch zu den Geburtstagen der Mutter, solange die noch lebte. Heute hat sie kaum noch Kontakt zu ihm, der eine der wenigen positiven Bezugspersonen ihrer Kindheit war.

Frau V. lebte mit den Eltern und dem ältesten Bruder (der im Laufe der Jahre zum Alkoholiker wurde) zunächst zusammen in einer Wohnung. Sie hatte gehofft, in Deutschland etwas mehr Freiheiten zum Lernen und Lesen zu haben. Da sie jedoch mit den Eltern ein Schlafzimmer teilen musste, konnte sie nur heimlich im Wohnraum ihre Hausaufgaben machen und lesen, was der Vater ihr immer noch verbot.

Ihr Vater starb bereits 1980, als sie 14 Jahre alt war, in seinem Bett. Er hatte sie kurz vorher beim Lernen erwischt und sehr beschimpft, als er am späten Abend zur Toilette gehen wollte. Die Mutter rief sie später zu sich und zeigte ihr, dass ihr Vater gestorben war.

Frau V. hat therapeutisch viel daran gearbeitet, dass sie sich über den Tod des Vaters gefreut hat und auch nicht bereit war, ihn ein letztes Mal zu besuchen und Abschied zu nehmen.

Schon in Ostpreußen wurde viel Wert darauf gelegt, dass die Dorfbewohner bei einer Totenwache Abschied von den Verstorbenen nahmen. Das war sowohl für Erwachsene wie auch für Kinder Pflicht. Für sie war dies immer ein grauenhaftes Erlebnis. Sie hatte diesbezüglich häufig Albträume, in denen die Toten zurückkamen, weil sie keine Ruhe fanden. Sie ging abends daher oft in die Küche und sagte der Mutter, dass sie hungrig sei, um nicht mit ihrer Angst allein sein zu müssen.

In Deutschland besuchte sie zunächst die Hauptschule in einem kleinen Ort in der Nähe von Düsseldorf, später wechselte sie auf ein Gymnasium in Düsseldorf und machte 1985 ihr Abitur.

1984 trat erstmals ihre Essstörung (Bulimie) auf. 1985–1988 machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester mit Krankenpflegediplom und wohnte im Personalwohnheim des Krankenhauses. Anschließend war sie im selben Krankenhaus bis 1993 in der Chirurgie tätig, wo sie auch erstmals allein war mit soeben Verstorbenen, die sie versorgen musste, was sie als sehr belastend empfand.

Die Essstörung hat nach dem Krankenpflegediplom stark zugenommen und ging einher mit Albträumen, Depressionen und Suizidgedanken.

Ende 1991 war sie deshalb drei Monate in einer Klinik in Wittgenstein und im Anschluss daran einige Wochen in einer Tagesklinik in Düsseldorf und fast ein Jahr stationär in einer psychosomatischen Klinik in Dortmund.

Seit 1989 hatte sie ihren ersten langjährigen Partner, mit dem sie zunächst im Wohnheim des Krankenhauses zusammenlebte. 1993 mieteten sie eine gemeinsame Wohnung in Düsseldorf. Je mehr sie sich von der Essstörung befreite, desto stärker ist ihr Partner in die Alkoholsucht gerutscht. Die Trennung erfolgte dann 2001 nach zwölf Jahren.

Berufliche Weiterbildung war ihr sehr wichtig. 1997–1999 machte sie eine Umschulung zur Bürokauffrau und arbeitete ab 1999 in der Verwaltung der St. Lukas Klinik in Solingen.

2007–2009 machte sie eine weitere Ausbildung zum Kieser-Training mit Instruktortätigkeit in Neuss. Seit 2009 ging sie der Instruktortätigkeit im Kieser-Studio in Düsseldorf nach.

Im Juni 2006 lernte sie ihren späteren Mann kennen, dessen Familie auch als Spätaussiedler aus Polen nach Deutschland kam. Im Dezember 2006 sind sie in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Sie heirateten im Dezember 2007. Im Oktober 2008 zogen sie zusammen in ihr Einfamilienhaus mit Garten, das sie per Mietkauf finanzierten. Im September 2009 starb ihre Mutter nach neunmonatigem Leiden. Frau V. hatte sie zusammen mit der Schwester gepflegt und dann die Wohnung aufgelöst.

Nach einer längeren symptomfreien Zeit hatte sie dann wieder einen Rückfall und ihr wurde im Januar 2012 die Diagnose ADHS gestellt, bekam ab Februar eine Medikation (Konzerta 36 mg, Kinderdosis), die sie aber bald wieder absetzte. Sie hat sich dann entschlossen, die Verhaltenstherapie abzubrechen, da sie sich nicht richtig gesehen/aufgehoben fühlte. Danach fühlte sie sich befreit, Ruhe kehrte ein, sie machte Tanzkurse und war sportlich aktiv.

Im Juli 2013 spürte sie einige Tage wieder vermehrt eine innere Unruhe, hatte das Gefühl, dass sie selbst nicht mehr ihre Grenzen in Bezug auf Essen und Arbeiten steuern konnte. Sie fühlte sich ihrem Mann ausgeliefert und führte nach langer Zeit erstmals mit ihm darüber ein Gespräch. Dabei erfuhr sie von ihm, dass er bei einer Reise in seine alte Heimat eine alte Freundin wiedergetroffen hatte und die Beziehung zu ihr nun ausbauen möchte, weil sie seine große Liebe sei. Dies hatte Frau V. nicht gewusst und sie fühlte sich dadurch tief gekränkt.

Am meisten machte sie jedoch die Kälte betroffen, mit der er manchmal mit ihr umging, und er andererseits auch wieder sehr positiv auf sie reagierte. Beides traf sie meistens jeweils völlig unvorbereitet.

Sie hatte nun den Wunsch, alternativ zu den herkömmlichen Therapieformen mit Hypnose zu arbeiten. Im Internet fand sie meine Website zur selbstorganisatorischen Hypnosetherapie und wollte nun damit bei mir an ihren Problemen arbeiten, worin ihr Mann (der als Bankkaufmann tätig ist) sie finanziell unterstützen wollte.

Der Schilderung ihrer Situation entnahm ich das, was sie mir zu Beginn der Therapie berichtete, und ergänzte dieses durch Erinnerungen, die ihr im Verlauf der insgesamt sechs Therapiesitzungen deutlich wurde.

Hypnotherapieverlauf und Ergebnis

Die erste Sitzung Mitte August 2013 bestand überwiegend aus einem Gespräch zur Kontaktaufnahme und zum Kennenlernen. Schon in einem Telefongespräch hatten wir ihr Anliegen besprochen und ich hatte sie gebeten, sich Notizen zu machen über ihre Wünsche und Ziele, die sie schon zur ersten Sitzung mitbrachte.

Da wir sehr schnell einen guten Kontakt aufbauen konnten, war es bereits in dieser ersten Sitzung möglich, mit Autosystemhypnose zu arbeiten. Nach einer kurzen Körperreise mit geschlossenen Augen und anschließender Befragung des Unbewussten (UB) stellten wir fest, dass sie mit Hypnose arbeiten darf und damit ihre Probleme lösen kann ohne Rückfall und ohne die Verschiebung von Symptomen. Dann stellte sie sich vor, sie könne zaubern und ihre Ziele für die Zukunft seien bereits erreicht. Anschließend fanden wir die passende Hypnose-Zielfarbe. Auch die Erkenntnis, was erste bewusste Schritte sind, die sie machen kann, war möglich.

Am Ende der Sitzung konnten wir dann noch einen völlig unbewussten Schritt mit „Rossi“ einleiten, der sie darin unterstützen kann, neue Wege zu gehen. Sie verließ meine Praxis völlig ruhig und entspannt und bemerkte, dass sie den starken Druck, den sie sonst meistens zwischen den Augen und an der Brust empfand, überhaupt nicht spürte.

Wie besprochen, brachte sie zur zweiten Sitzung schriftliche Erinnerungen in einer Art Lebenslauf mit. Sie war beim Schreiben zunächst überwältigt, als sie an Situationen von früher dachte, hatte dann aber gut für sich gesorgt, wie wir das bereits in der ersten Sitzung besprochen hatten, indem sie sich entschloss, nicht so tief einzusteigen und sich unter den Kirschbaum in ihrem Garten zu setzen und sich in die Zielfarbe einzuhüllen, die wir ja bereits zur Selbstentwicklung und Selbstverwirklichung verankert hatten.

Nachdem wir Sicherheitsfragen gestellt und bearbeitet haben, war es möglich, in den weiteren Sitzungen dann systematisch einige Themen zu bearbeiten, die wir jeweils vorher ansahen und beim UB mittels Autosystemhypnose auf die Bedeutung und Notwendigkeit der Bearbeitung abfragten. Da Frau V. in ihrer Geschichte viele traumatische Erlebnisse hatte, nutzten wir bei der Bearbeitung die eine Hand, über die sich die Tiefenperson ausdrückt, und die andere als eine Sicherheitshand, die zeigt, wann es für sie wichtig ist, die Therapie zu unterbrechen.

Bei der Beschäftigung mit der Bulimie stellten wir fest, dass sie dazu diente, u. a. die Angst vor Toten abzuwehren – gekoppelt an die Vorstellung, dass sie später in ihr Leben zurückkehren, um Rache zu üben.

In diesem Zusammenhang haben wir uns wie im Kino ihre Vaterproblematik angesehen und teilweise lösen können.

Mit der kombinierten Traumatherapie nach Götz Renartz konnten wir insbesondere mit der Kinotechnik und dem Heilen des inneren Kindes sie darin unterstützen, mehr Abstand zu ihrem Mann aufzubauen, nachdem sie erfahren hatte, dass er seit einiger Zeit seine alte Freundin wieder trifft und mit ihr sogar einen Kurzurlaub gemacht hat.

Ein für sie wichtiges Ziel ist es, auf eigenen Beinen zu stehen wie auch weiterhin in ihrem Haus zu leben – egal ob mit oder ohne ihren Mann. Sie hat eine ganz neue Selbstsicherheit gewonnen, die es ihr möglich macht, die anstehenden Konfliktthemen mit ihrem Mann zu besprechen.

Der ist inzwischen in die Dachgeschosswohnung umgezogen. Er verhält sich sehr unterschiedlich: manchmal sehr zugänglich und freundlich, dann aber auch abweisend. Frau V. ist es gelungen, sich nun stärker auf ihre Ziele in der Zukunft zu konzentrieren, und sie muss sich nicht mehr mit Essen oder Arbeiten ablenken.

Sie fühlt sich nach jeder Sitzung entspannt, locker und frei und kann auch ihr Essverhalten mehr und mehr kontrollieren.

In unserer letzten Sitzung im Oktober 2013 berichtete sie, dass ihr Mann nun nicht mehr bereit ist, die Behandlungen zu bezahlen. Sie konnte sich mit ihrem geringen Einkommen keine weiteren Sitzungen mehr leisten. Sie sagte auch, dass sie nun am liebsten alles Hals über Kopf regeln möchte (Hausübernahme, Scheidung ...), doch sie sieht ein, dass ihr das nicht guttun würde und sie das Ganze Schritt für Schritt angehen wird.

Bei unserem Abschlussgespräch freut sie sich darüber, dass sie ein ganzes Stück weitergekommen ist und mehr Sicherheit in sich selbst findet. Sie fühle sich sehr gut, entspannt und voller Energie und ist zuversichtlich, dass alles gut wird.

Sie wollte ihre inzwischen im Therapieverlauf veränderte Zielfarbe und die Vorstellung nutzen, wie sie unter dem Kirschbaum in ihrem Garten zur Ruhe kommt.

Sie würde sich melden, wenn es ihr finanziell möglich ist, die Therapie fortzusetzen.

In einem Telefongespräch Anfang 2018 sagte sie mir, dass viel passiert ist in den letzten Jahren, und sie hofft, dass sie bald wieder zu mir kommen und weitere Themen bearbeiten kann. Sie freut sich darü- ber, dass ihre Essstörung nach der Therapie nicht mehr aufgetreten ist.

Ihr ist unsere gemeinsame Zeit bei der Bearbeitung ihrer Probleme in guter Erinnerung geblieben. Nach dieser Erfahrung kommen herkömmliche therapeutische Verfahren für sie nicht mehr infrage. Sie erzählt vielen Menschen von der positiven Wirkung unserer Arbeit mit Hypnose, in der sich ihre Probleme und deren Bearbeitung letztlich als Chance erwiesen haben.

Ich freue mich, dass ich Frau V. darin unterstützen konnte, für sich neue Ziele zu finden, und sie dabei zu begleiten, erste Schritte zu deren Umsetzung zu tun.

Margarete Rodenbach-StadlerMargarete Rodenbach-Stadler

Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dipl.-Pädagogin
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Foto: fotolia©RFBSIP