Face-to-face-Kontakt oder sich als Life-Coach neu im Markt positionieren
Die Akzeptanz digitaler Coaching- Angebote steigt; zudem deren Nutzung. Dies stellt für viele Coaches (immer m/w/d) und Angehörige ähnlicher beratender Berufe wie Psychotherapeuten, die ihre Leistung im „Face-to-face-Kontakt“ mit ihren Kunden erbringen, eine existenzielle Bedrohung dar. Sie werden sich in naher Zukunft neu positionieren müssen. Sonst werden sie vom Markt verschwinden. Zudem müssen sie ihre Digitalkompetenz massiv ausbauen, um sich ihrer stets wachsenden Konkurrenz nicht nur im Netz zu erwehren.
Coaching-Selbstzahler sind preissensibler als Business-Kunden
Dies gilt insbesondere für die sog. Life-Coaches sowie Angehörige ähnlicher beratender Berufe, deren Zielkunden primär Selbst- bzw. Privatzahler sind, denn: Sie haben heute bereits oft Probleme, ausreichend Kunden zu finden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – u. a. weil – die Zahl ihrer Mitbewerber, mit denen sie um die Aufträge konkurrieren, heute schon oft nahezu unüberschaubar ist (auch auf lokaler oder regionaler Ebene), – ihre Leistungen aus der Sicht ihrer Zielkunden, also der Selbstzahler, stets teuer sind. Entsprechend preissensibel sind diese und offen für alternative, kostengünstigere Problemlösungen.
Life-Coaches bekommen immer mehr Konkurrenz
Entsprechend bedrohlich ist für sie, die von ihren Coaching-Erträgen leben müssen (und z. B. keinen finanzkräftigen Lebenspartner haben), dass ihre Zielkunden, wenn sie im Internet nach einem Unterstützer suchen, immer häufiger auf irgendwelche selbst ernannten Coaches stoßen, – die auf den Malediven, in Dubai oder sonstwo wohnen, – die von dort Personen im deutschsprachigen Raum Telefon- und Online-Coachings oder ähnliche Beratungsleistungen offerieren.
Diese Mitbewerber mögen zwar oft vom Coachen selbst wenig Ahnung haben, sie sind aber zumeist im Bereich Onlinemarketing deutlich fitter (bzw. aktiver) als das Gros der Life-Coaches. Deshalb sind sie auch im Internet und im Social Media präsenter und werden besser gefunden. Coaching-Apps greifen immer mehr Kunden der Life-Coaches ab
Eine noch größere existenzielle Bedrohung für viele Life-Coaches stellt jedoch die wachsende Zahl von Coaching-Apps dar, – die in der Regel von Unternehmen, deren Kernkompetenz im IT-Bereich liegt, entwickelt und angeboten werden – die bereits heute von vielen Menschen genutzt werden, um sich z. B. beim Joggen oder der Gewichtsreduktion coachen zu lassen.
Diese Apps werden dank der von ihren Anbietern zunehmend integrierten künstlichen Intelligenz immer leistungsfähiger und stärker auf den individuellen Bedarf bezogen. Zudem decken sie eine wachsende Zahl von Themenfeldern ab, die bisher zu den originären Coaching-Themen der Life-Coaches zählten. Beispiele: die Themen Stressmanagement und -führung, Karriereplanung und Work-Life-Balance. Die Akzeptanz und Nutzung der Coaching-Apps steigt kontinuierlich
Stehen die potenziellen Kunden der Life-Coaches nun vor der Wahl, für ein Livebzw. Präsenz-Coaching bei ihnen 100 Euro (und mehr) pro Sitzung aus dem eigenen Portemonnaie zu bezahlen oder stattdessen für 10 Euro/Monat eine App zu abonnieren, dann entscheiden nicht wenige: „Ich versuche es erst mal mit der App, denn diese ist deutlich günstiger.“
Wohin die Reise im (Life-)Coaching-Bereich geht, zeigt sich unter anderem darin, dass inzwischen bereits mehrere Krankenkassen – Coaching-Apps zu gesundheitsrelevanten Themen zur kostenfreien Nutzung für ihre Kunden entwickelt haben – oder ihren Kunden anbieten, die Abo-Kosten für solche Apps zu übernehmen. Life-Coaches müssen ihre Positionierung überdenken
Vor diesem Hintergrund werden sich viele der sog. Life-Coaches sowie Angehörige ähnlicher beratender Berufe neu positionieren müssen. Das heißt, sie werden ihr Marketing stärker auf Kunden fokussieren müssen, die weniger preissensibel als ihr bisheriges Klientel sind – als Beispiel seien hier genannt – Selbstzahler mit einem überdurchschnittlich hohen Einkommen , – Selbstständige, die das Coaching-Honorar als Firmenkosten steuerlich absetzen können.
Außerdem werden sie ihr Leistungsportfolio so umgestalten müssen, dass dieses ihren Zielkunden aus deren Sicht verglichen mit den Coaching-Apps einen deutlichen Mehrwert bietet und deshalb (wenn nicht billiger) so doch kostengünstiger erscheint. Mit der IT-Technik als Coach die eigene Kernleistung effektivieren
Hierbei wird die Digitaltechnik eine zentrale Rolle spielen. So können nicht nur Life-Coaches sog. KI-Coaching-Bots, also IT-Programme, die zu einer menschenähnlichen Kommunikation fähig sind, im Vorfeld der eigentlichen Coachings einsetzen, um die Anliegen und Vorgeschichte ihrer Klienten genauer zu erkunden. Die Bots können zudem – mit coachingbezogenen Informationen und Fallbeispielen gespeist – im Coaching-Prozess zwischen den Präsenz-Coachings als ständig verfügbare Ansprechpartner und Alltagsbegleiter der Coachees fungieren.
Sie können zudem im Akquise-Prozess für Personen, die einem Coaching ambivalent oder gar skeptisch gegenüberstehen, der erste, unvoreingenommene Informant sein, der ihnen die Arbeitsweise des Coaches erläutert.
Coaches sind bei der Nutzung von KI-Tools eher zögerlich
Aktuell werden solche IT- und KI-Tools von Coaches noch kaum benutzt. Das zeigt z. B. die Coaching-Marktanalyse 2024 der Rauen Group, deren Ergebnisse u. a. in der Zeitschrift Training Aktuell auszugsweise veröffentlicht wurden. Ihr zufolge nutzen aktuell nur etwa 3 % aller Coaches (also sowohl der Business- als auch Life-Coaches) KI-Tools im Coaching-Prozess selbst. Etwa 22 % setzen sie jedoch zur Coaching-Vorbereitung und etwa 11,5 % zur Coaching-Nachbereitung ein. Etwa 66 % nutzen KI-Tools aber noch gar nicht für ihr Business und bei ihrer Arbeit.
Diese Zurückhaltung der meisten Coaches, wenn es um den Einsatz von KI-Tools bzw. allgemein der Digitaltechnik nicht nur zum Erbringen, sondern auch Effektivieren ihrer Leistung sowie ihres Marketingprozesses geht, ist weitgehend darin begründet, dass ihnen hierfür oft die erforderliche Digitalkompetenz fehlt. Insbesondere bei vielen Life-Coaches ist es geradezu erschreckend, wie wenig Kompetenz sie im Digitalbereich haben.
Life-Coaches müssen ihre Digitalkompetenz ausbauen
Das zeigt sich unter anderem darin, dass ihnen nicht selten sogar das nötige Knowhow fehlt, um kleinste Veränderungen an ihren Websites (wie Termine und Preise aktualisieren, neue Blog-Beiträge hochladen) vorzunehmen. Entsprechend abhängig sind sie diesbezüglich häufig von externen IT-Dienstleistern wie Marketingagenturen, wenn es um das Pflegen ihrer Webseiten, ihrer Social-Media-Accounts usw. geht. Zudem fehlt vielen die erforderliche Bewertungskompetenz, um zu beurteilen, ob die Lösungsvorschläge ihrer Marketing-Unterstützer zum Erreichen gewisser Ziele wie – „besser im Netz gefunden werden“ – „mehr Anfragen generieren“ überhaupt zielführend sind. Entsprechend viele Fehlinvestitionen tätigen sie und entsprechend ineffektiv nutzen sie ihre ohnehin sehr begrenzten Marketingbudgets.
Viele Life-Coaches müssen einen Bewusstseinswandel vollziehen
Diesbezüglich muss sich bei ihnen, wenn sie auch künftig vom Coachen leben möchten, ein Bewusstseinswandel vollziehen, denn in den kommenden Jahren werden sie sich gegen immer mehr Beratungsanbieter erwehren müssen, die auch im Digitalbereich sowie Online- und Social-Media-Marketing-Bereich eine hohe Kompetenz haben.
Zudem werden sie aufgrund der wachsenden Zahl und Akzeptanz von Coaching-Apps unter einem wachsenden Preisdruck bzw. Rechtfertigungsdruck ihrer Preise stehen. Auf diesen können sie nur adäquat agieren, wenn sie ihre Arbeit mithilfe der KI- und Digitaltechnik effektivieren. Also müssen sie sich als selbstständige Unternehmer die hierfür nötige Kompetenz aneignen, denn um die wachsende Zahl von erforderlichen Tätigkeiten im Digitalbereich (seien diese produktentwicklerischer, gestalterischer oder pflegerischer Art) an externe Spezialisten zu übertragen, fehlt den meisten Life-Coaches schlicht das Geld. Und daran wird sich wenig ändern, da – wie ich bereits 2010 in meinem Artikel „Als Coach wird man kein Millionär“ schrieb – aufgrund der begrenzten Zahl von Stunden die Coaches auch bei einer Vollauslastung fakturieren können, ihre Einnahmen stets „überschaubar“ sein werden.
Als Coach wird man kein Millionär, als App-Anbieter schon!
Anders sieht dies bei den Entwicklern und Vermarktern von Coaching-Apps aus. Sie können durchaus Millionäre werden, denn ihre standardisierte und digitalisierte Leistung lässt sich mit einem entsprechenden Marketing-Aufwand „skalieren“, also – anders als die klassischen Präsenz-Coachings der Coaches – millionenfach verkaufen. Dies ist auch der Grund, warum der Ex-Strukturvertriebler Carsten Maschmeyer in der Fernsehshow „Höhle der Löwen“ so gerne in (Coaching-)Apps investiert, denn er weiß: „Hiermit lässt sich, wenn man es richtig macht, mit einem überschaubaren Aufwand sehr viel Geld verdienen.“
Bernhard Kuntz Inhaber der (Online-)Marketing- und PR-Agentur „Die PRofilBerater GmbH“, Autor: „Die Katze im Sack verkaufen. Wie Sie Bildung und Beratung mit System vermarkten – offline und online“