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Kreative Hoffnungslosigkeit: Akzeptanz- und CommitmentTherapie (ACT)

Mein Weg zur ACT: Ich suchte wegen einer Phobie vor einigen Jahren eine Verhaltenstherapeutin auf und es wurde mit mir das klassische Vorgehen besprochen: Entspannungsmethoden erlernen, Konfrontation und Aushalten der belastenden Situationen, Neuerlernen der Verhaltensweisen. Leider hat dieser Kampf um die Kontrolle meiner Gedanken nur eines gebracht: eine psychische Verstrickung mit dem Problem und weiteren Stress.

Eine Kehrtwende ergab sich, als ich im Rahmen der Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie auf die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT, manchmal „Äckt“ vom englischen „Handeln“ gesprochen) stieß. Damit konnte ich den scheinbar endlosen Kampf gegen die eigenen Gedanken aufgeben und durch die „kreative Hoffnungslosigkeit“ aus dem für mich unwirksamen und frustrierenden Therapieversuch mit der Verhaltenstherapie (VT) einen radikal anderen Ansatz ausprobieren, mich „defusionieren“ (später mehr!) und mein Leben wieder achtsam in die eigenen Hände bringen. Wie das gelang, soll dieser Artikel beschreiben.

Theoretischer Hintergrund

Dieses Psychotherapieverfahren ist aus der dritten Welle der Verhaltenstherapie entstanden und maßgeblich von Stephen Hayes begründet. Die ACT basiert auf mehreren theoretischen Fundamenten: Als Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie steckt in ihr ein großes Maß behavioristischer und kognitiver Gedanken. Ferner liegt dem Modell das Konzept des funktionalen Kontextualismus und der Bezugsrahmentheorie zugrunde. Da eine Vertiefung dieser Theorien einerseits für das Verständnis der ACT nicht unbedingt nötig ist und ACT andererseits ein sehr praktisches Verfahren ist, wird hierauf nicht weiter eingegangen. Des Weiteren hat die ACT durchaus einen humanistischen Charakter. Die Haltung der Therapeuten (immer m/w/d) ist auf Augenhöhe mit dem Klienten; beide Parteien sind 

Lernende im Umgang mit ihren Gedanken. Die Therapeuten gehen nicht davon aus, dass der Klient kaputt ist und durch die Therapie wieder repariert werden muss (Svitak 2023, S. 5). Durch die Betonung selbst definierter Werte und die Ausrichtung darauf im Sinne einer Selbstaktualisierung findet sie dort Ähnlichkeiten zu Verfahren wie die Personenzentrierte Gesprächspsychotherapie nach Rogers (Eifert 2022, S. 5).

Therapieansatz und das Hexaflex
Das oberste Ziel der ACT ist stets, „die psychische Flexibilität zu erhöhen, die für ein werteorientiertes Leben unter ständig wechselnden inneren und äußeren Lebensbedingungen erforderlich ist“ (Gloster/ Waadt 2020). Im Umkehrschluss ist also aus ACT-Sicht der unflexible, verstrickte Umgang mit dynamischen Lebensbedingungen und korrespondierender Gedanken grundsätzliche Ursache für psychisches Leid. Dies ist ein großer und gewichtiger Unterschied zur Verhaltenstherapie, in der eher der Inhalt der Gedanken verändert werden soll.

Die ACT verfolgt einen transdiagnostischen Ansatz, was bedeutet, dass sich nicht auf die Symptomebene konzentriert wird. Die Krankheitsdiagnose gerät tendenziell in den Hintergrund. Vielmehr geht es darum, die Handlungen des Menschen aus funktionaler Sicht zu betrachten: Wozu dient dieses Verhalten und war das hilfreich, es so zu tun (Svitak 2023, S. 10)?

Daraus ergeben sich drei konkrete Behandlungsziele (Eifert 2022, S. 3)
1. Abbau dysfunktionaler Erlebnisvermei-
dung und Kontrollversuche: Statt unangenehme Reize zu bewerten und/oder zu vermeiden, soll der Mensch lernen, sie neutral und neugierig zu beobachten und sie zuzulassen. Dies schließt positive Reize ein. Diese dürfen natürlich genossen werden. Wenn der Mensch zwanghaft, also unflexibel, versucht, diese zu erzeugen, wird das wiederum als Kontrollversuch gesehen (Harris 2023, S. 329). 

2. Abbau der dysfunktionalen Kognition, die einem werteorientierten Leben im Wege steht: Statt sich mit nicht unterdrückbaren, stets wiederkehrenden Gedanken zu „verstricken“ (Fusion) und sich psychisch im Kreise zu drehen, geht es darum, sich von diesen Gedanken zu lösen (Defusion) und sich so von ihnen nicht mehr beherrschen zu lassen. Dadurch schaffen wir den Raum für das dritte Ziel.
3. Ausrichtung auf ein von selbst gewählten Werten geprägtes Leben.

Um diesen Zielen näher zu kommen, werden in der ACT sechs Prozesse bearbeitet, die im sog. „Hexaflex“ (von Hexagon und Flexibilität) bildlich zusammengefasst werden. Auch wenn es möglicherweise so aussieht, als wären es sechs voneinander getrennte Aspekte, so wird man später schnell feststellen, dass sie sich gegenseitig beeinflussen und ergänzen. Sie sollen hier in der gebotenen Kürze vorgestellt und erläutert werden (vgl. Harris 2020, S. 27-29).
 Akzeptanz: Der Mensch soll sich (auch) negativen Gefühlen, Impulsen, Neigungen und anderen störenden Faktoren öffnen und ihnen Raum geben, anstatt sie wegzuschieben. Man lässt sie frei kommen und gehen und akzeptiert, dass sie einfach da sind.
 Defusion: Einen Schritt von seinen Gedanken zurücktreten und sie neugierig beobachten, anstatt ihnen Macht zu geben und sich in ihnen verstricken und mitreißen zu lassen. Dazu gehört, sie als das anzusehen, was sie sind: Bilder und Worte, die Impulse für unser Leben geben können, aber nicht müssen.
 Hier und jetzt: Das Konzept der Achtsamkeit schwingt letztlich vielfach in den anderen Prozessen immer wieder mit. Bei diesem bedeutet es jedoch, flexibel seine Aufmerksamkeit bewusst und nicht wertend zu regulieren. Den Fokus entweder breit oder eng auf die physische Außenwelt oder die psychische Innenwelt zu legen, je nachdem, was gerade am nützlichsten ist. Der Mensch soll sich ganz auf die Erfahrung des Augenblickes einlassen und sich damit verbinden.
 Selbst als Kontext: Das Gegenteil dieses Flexibilisierungsprozesses ist das Selbst als Konzept, bei dem sich ein Mensch mit seinen Gedanken über sich selbst voll identifiziert; er ist nicht nur damit fusioniert und beschäftigt sich damit, er glaubt den Gedanken auch vollumfänglich. Häufig stehen rigide Glaubenssätze dahinter. Zur Stärkung der psychischen Flexibilität ist es aber sinnvoll, Gedanken eben nur als Gedanken zu betrachten; man wird selbst zum Kontext, sozusagen zur Projektionsfläche der Gedanken – sie müssen nicht recht mit ihren Aussagen haben.

 Werte: Selbst gesteckte Werte können einen wertvollen Kompass fürs Leben darstellen und darin viel Sinn stiften. Sie dürfen hierbei allerdings nicht mit tatsächlich erreichbaren Zielen verwechselt werden, denn dann würden sie ihren grundsätzlich leitenden Aspekt verlieren.
 Engagiertes Handeln (engl. commitment): Werte nur als theoretische Aspekte eines guten Lebens zu definieren, bringt nicht viel; sie müssen auch gelebt werden. Das engagierte Handeln bedeutet auch, bei Widerständen von innen oder außen den Werten treu zu bleiben, ggf. neue Fähigkeiten zu erlernen und nicht vom Kurs abzuweichen.

Russ Harris, einer der bekanntesten ACT-Therapeuten, fasst das ACT-Modell in dreikurzen Losungen zusammen (2023, S. 331): „Präsent sein, sich öffnen und das Wichtige tun. (…) Je größer unsere Fähigkeit ist, präsent zu sein und uns zu öffnen, desto leichter ist es, sich von schwierigen Gedanken und Gefühlen loszulösen und unsere [Vermeidungsverhalten] zu unterbrechen. Und je mehr wir das Wichtige tun, desto besser wird unser Leben.“ Wichtig ist hierbei, dass die neu erlernten Fähigkeiten keine neuen Kontrollversuche werden.

Praxis
Da die ACT eine erlebnisorientierte Therapieform ist, wird viel mit Metaphern und Übungen gearbeitet und weniger verbal erklärt. Nachdem der Therapeut gemeinsam mit dem Klienten analysiert hat, in welchem Flexibilitätsprozess er am meisten Aufholbedarf hat, wird dort begonnen. Im Laufe der Therapie können die anderen Prozesse flexibel fortgesetzt werden. Ein Beispiel, der Lebensbus (Eifert 2022, S. 86): Der Klient soll sich vorstellen, dass er der Fahrer seines Lebensbusses ist, die Fahrtrichtung sind seine Lebenswerte. Allerdings sitzen hinten allerhand Gedanken und Gefühle in Form übelgelaunter Monster, die den Fahrer stets mit ihren Ideen nerven: „Ist die Reise nicht gefährlich und sollten wir nicht besser umdrehen? Ist das überhaupt der richtige Weg? Den Weg schaffst du eh nicht!“

Der Klient soll hieran erkennen, dass die Gedanken-Monster zwar stets da sind und vor sich hin plappern, aber die Entscheidung für die Reise dennoch immer bei ihm verbleibt und er nicht auf sie hören muss.

Abbildung mit freundlicher Genehmigung der DGKV (Deutschsprachige Gesellschaft für kontextuelle Verhaltenswissenschaften)

Die ACT ist als transdiagnostisches Verfahren mit Fokus auf psychischer Flexibilität praktisch in allen Lebenslagen nutzbar. In bisher ca. 1100 randomisiert-kontrollierten Studien hat sie sich insbesondere bei depressiven Störungen, Angst- und Zwangsstörungen, chronischen Schmerzen und psychotischen Symptomen bewiesen, in der Wirkung ähnlich der KVT. Katamneseauswertungen zeigten indes, dass sich die Wirkung der Flexibilisierungsübungen weiter vergrößern, bei der KVT jedoch abnahmen (Eifert 2022, S. 91-93).

Daneben wird die ACT ebenso erfolgreich bei Suchtproblemen, Paarberatungen, der Trauerbegleitung oder der Beratung von Führungskräften eingesetzt (Waadt/Martz/ Gloster 2015).

Es konnten nur die Grundkonzepte der ACT dargestellt werden. Eine Vielzahl von guten Büchern geben einen umfangreicheren Einblick sowie hilfreiche Materialien. Meine Empfehlung für den Einstieg ist das sehr gut lesbare „Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei“ von R. Harris. Er konzipierte für die WHO das niederschwellige, frei im Netz verfügbare „Gut mit Stress und Belastungen umgehen: Ein illustriertes Übungsbuch“.

Zudem sind die Seiten der Deutschsprachigen Gesellschaft für kontextuelle Verhaltenswissenschaften (dgkv.info) ein guter Anlaufpunkt.

Die Quellenangaben können beim Autor angefordert werden.

Philipp Ströller, M. A. Heilpraktiker für Psychotherapie, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Psychologischer Berater, begeisterter „Äcktler“ Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Herzlichen Glückwunsch

Heilpraktikerin für Psychotherapie

Heilpraktiker für Psychotherapie

Tanja Marrone, Bad Wimpfen

Julia Mignon Scarlett Weber, Wörth am Rhein

Helene Schick, Essen

Kerstin Flemming, Chemnitz

Susanne Gebauer, Schwelm

Susanne Bargel, Magdeburg

Sandra Pawlitschek, Böblingen

Marion Petakovic, Bergisch Gladbach

 

Geprüfte Psychologische Beraterin

Geprüfter Psychologischer Berate

Christiane Biazeck, Essen

Christina Klinkenberg, Heusweiler

Mirjam Schemmrich, Saalburg-Ebersdorf

Angela Marsch, Karlsruhe

Monika Bittner, Augsburg

Jessica Jamal, Karlsruhe

 

Psychologische Beraterin

Psychologischer Berater

Katja König, Bochum

Regina Görlich, Schaafheim

Sabine Rüffin, Emmelshausen

Ivonne Frank, Hadamar